Heinrich Zirndorf (1829-1893) - Liebesgedichte

 



Heinrich Zirndorf
(1829-1893)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 



Buch der Liebe


I.
Du bist so schön wie Sommernacht,
Wenn rings ein blauer Himmel lacht,
Und jeder Stern im Aetherzelt
Lobpreist und rühmt den Herrn der Welt.

Du gleichst an Güte jenem Geist,
Der alle Wesen tränkt und speist,
Der Blumen nährt und Früchte reift,
Beglückend durch die Welten schweift.

Du bist so groß wie Gottes Wort,
Das durch die Zeiten rauschet fort
Und einst von Sinais Höh'n erscholl,
Aus Donnern und aus Blitzen quoll.

Du bist so rein wie Blütenschnee,
Wie Flutkrystall auf blauem See,
In den die Sonne niedertaucht,
Durch den der Abend Kühlung haucht.

Du bist so mild wie Sternenlicht,
Das sich in deinem Auge bricht,
Daß sich in ihm der Himmel malt
Und Gottes Hoheit aus dir stralt.
(S. 65-66)
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II.
Wenn die Nacht in dunklen Falten
Deiner Glieder Glanz umhüllt,
Wenn mit trügenden Gestalten
Deine Brust ein Traum erfüllt;

An dein Lager will ich treten,
Dir ins Antlitz will ich sehn,
Zu dem Götterbilde beten
Und beseligt schlafen gehn.
(S. 66)
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III.
Die Rose, die dir am Busen
Begraben in seliger Lust;
Die könnte manch süßes Geheimniß
Erzählen aus deiner Brust.

Doch ist sie gar treu und verschwiegen,
Ich hab' sie vergebens geraubt,
Und mag ich sie ewig befragen,
Sie schüttelt verneinend das Haupt.
(S. 66)
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IV.
Ich habe dich zur Königin,
Mein Liebchen, auserkoren,
Du bist vom Scheitel bis zur Zeh'
Zum Purpur wie geboren.

Mit deinem blauen Auge herrschst
Du über alle Seelen,
Die Wangen mag zum Herrschersitz
Der Liebe Gott sich wählen.

Und ob auch keine Krone prangt
In deinen dunklen Locken,
Es schmückt sie doch der Rosenstrauch
Mit roten Blütenflocken.

Des Halses Alabaster stralt
Auch ohne goldne Kette,
Die Liebesgötter wiegen sich
In deines Busens Bette.

Des Kleides bunte Schleppe wallt
Gebietend um die Hüfte,
Statt Edelknaben dienen dir
Die huldigenden Lüfte.

Und ob auch jede Huld'gung fern,
Fern jede Feier bliebe,
Du bist und bleibst, o Liebchen, doch
Die Königin der Liebe.
(S. 67-68)
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V.
Dein Herz hat, ein Magnet,
Mich mächtig angezogen,
Mein Geist hat Lust und Leid
Aus deinem Blick gesogen,
Daß er besiegt gesteht:
Dein Herz ist ein Magnet.

Doch ob er auch besiegt,
Er will sich nicht ergeben
Und aus den Banden sich
Zu neuem Kampf erheben.
Doch jeder Pulsschlag fleht:
Dein Herz ist ein Magnet.

In jedem Pulse pocht
Der Zauber deiner Augen,
Sie bergen Glück und Tod,
Ich darf den Tod nur saugen;
Und in mir glüht's und weht:
Dein Herz ist ein Magnet.

Wie schön ist selbst der Tod,
Von deiner Hand geboten;
Gibst du mir Liebe nicht,
So wirf mich zu den Todten.
Mein brechend Herz gesteht:
Dein Herz ist ein Magnet.

Wie ein Magnetberg hast
Mein Leben du zerschellt,
Daß ohne Kiel und Mast
Mein Lebensschiff zerfällt,
Und laut die Sage geht:
Dein Herz ist ein Magnet.
(S. 68-69)
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VI.
Wenn dich andre Männer grüßen,
Packt's mich an wie Fieberglut,
Wenn dich andre Lippen preisen,
Sprüht ins Antlitz mir das Blut.

Kaum vergönn' ich dich der Sonne,
Die dich mütterlich umglüht,
Kaum dem Mond, der seine Stralen
Nächtlich auf dein Lager sprüht;

Kaum dem Polster, drauf sich üppig
Deine müde Schläfe lehnt,
Kaum dem Flor, in dessen Falten
Wonnig sich dein Busen dehnt.

Kaum vergönn' ich dich den Lüften,
Die dir Liebesgrüße wehn,
Kaum den Blumen, die von deinem
Fußtritt selig untergehn.

Eine Welt darf mit dir kosen,
Eine Schöpfung dich umglühn,
Und mein Leben sollt' im Dulden
Und Entsagen nur verblühn?
(S. 69-70)
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VII.
O kennst du die seligen Inseln?
Mein Liebchen, dahin laß uns fliehn!
Da siehst du von selber die Rebe
Die üppigen Felder umziehn.

Da wölbt sich in ewiger Bläue
Der Himmel wie Segen ums Haupt,
Da wandeln nur freundliche Sterne,
Die Hütte steht rosenumlaubt.

Da laden die sonnigen Tage
Zu ewig erneutem Genuß,
Da rufen die wonnigen Nächte
Zu Lieb' und Umarmung und Kuß.

Da liegt noch in seliger Kindheit
Der Mensch an der Brust der Natur
Und tritt, ein geborener Herrscher,
Einher auf selbsteigener Spur.

Da giebt es nicht Sorgen und Mühen,
Da reifet nur Liebe und Wein,
Da wird unter Palmen und Rosen,
Mein Liebchen, dein Vaterland sein.
(S. 70-71)
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VIII.
Dein Leib gleicht einer Palme,
Auf Salems Höh'n gereift,
Die mit dem stolzen Halme
Bis an die Wolken streift.

Sie predigt auf Ruinen
Von hingesunkner Pracht,
So spricht aus deinen Mienen
Die heil'ge Geisternacht.

Und was der Mensch im Leben,
Im Lichte nie gewahrt,
Hat dir ein Gott gegeben,
Ins Antlitz offenbart.

Da spricht aus jedem Zuge
Geheimniß einer Welt,
Dein Geist im Adlerfluge
Zum Schöpfer sich gesellt.

Du gleichst ihr auch an Fülle,
An Schönheit und an Kraft,
Die aus des Stammes Hülle
Den Kranz der Blätter schafft.

Dein Leib entspricht dem Stamme,
Dein Haupt dem Blätterkranz,
Den Blüten die Augenflamme,
Die Palme bist du ganz.
(S. 71-72)
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IX.
Wer könnte dein vergessen,
Der einmal dich gesehn!
Wer kann ins Aug' dir schauen
Und kalt von dannen gehn!

Trägt ihn nach Indiens Küste
Das leichtbeschwingte Schiff,
So steht dein holdes Bildniß
Am fernen Meeresriff.

Und blickt am Gangesufer
Sein Auge thränenvoll,
Nicht jenes Landes Schöne,
Dir seine Thräne quoll.

Ob auf zerfallnen Säulen
Er sitzt in Hellas' Land,
Für ihn gibt's keine Gräber,
Er blickt zum Heimatstrand.

Noch lebt das schöne Hellas,
Die Götter starben nicht,
Nicht starb der Erde Schönheit,
So lang du blühst im Licht.

Und wendet Judas Enkel
Gen Osten seinen Schritt,
Dein Bildniß, das er schaute,
Nimmt er zum Jordan mit.

Noch stralt in Morgenschöne
Das alte Gottesland,
Es wohnt der Geist der Sage
An jedem Quellenrand.

Doch er hat kein Gedächtniß
Für Judas alten Ruhm,
Dein Bild tritt ihm entgegen
In Salems Heiligthum.

Er wird umsonst auf Erden
Nach Ruhe suchen gehn,
Wie könnt' er dein vergessen,
Der einmal dich gesehn!
(S. 72-74)
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X.
Wie glücklich sind die Lilien,
Von deiner Hand gepflegt!
Wie selig sind die Rosen,
Von dir geschützt, gehegt!

Welch reiches Blütenleben,
Wenn du den Kern gesenkt,
Wenn deine Hand die Scholle
Mit Muttersorge tränkt.

Dein Arm verbreitet Segen,
Wohin er wirkt und schafft,
Dein Aug' ersetzt den Blumen
Der Sonne Licht und Kraft

Und brichst du sie vom Stamme,
So blühn sie dir im Haar,
Sie dürfen selig welken
An deiner Brüste Paar.

Sie dürfen ganz dir leben,
Dir Duft und Farbe weihn;
Wer möcht' in deinem Garten
Nicht Ros' und Lilie sein!
(S. 74-75)
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XI.
Wenn in dem Schutze der schweigenden Nächte
Schwebt auf dein jungfräulich Lager ein Geist,
Laß ihm zum Spiele des Haares Geflechte,
Welchen die Sehnsucht dem Schlummer entreißt.
Furchtlos, wenn um dich ein Genius minnt,
Schlafe nur weiter, mein Kind.

Wenn du die Länder des Traumes durchwallet,
Trunken die eigene Schönheit geschaut,
Wenn durch die Nacht mein Gesang zu dir schallet,
Ewiger Lieder verherrlichte Braut,
Zittre nicht, wenn ein Gesang um dich minnt,
Träume nur weiter, mein Kind.

Wenn du vom Schlafe die Aeuglein erhoben,
Schöner dein Busen dem Lager entsteigt,
Alle den himmlischen Reiz an dir loben,
Werde nicht stolz, wenn sich alles dir neigt.
Was du auch wachend und träumend gesinnt,
Liebe nur weiter, mein Kind.
(S. 75)
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XII.
Du gibst dem Tag die Weihe,
Machst daß der Morgen glüht,
Sobald sein Erstlingslächeln
In deine Augen sprüht;

Sobald dein Leib dem Lager
Sich ruhesatt entringt,
Wie sich aus Meereswogen
Der Liebe Göttin schwingt.

Gibst, eine Memnonsäule,
Dem Reich des Lichtes Klang,
Wenn deine Unschuldbitte
Zu Gott, dem Vater, drang.

So weihst du alles schöne
Zu frischem Leben ein,
Denn alles soll auf Erden
Dir gleich an Schönheit sein.
(S. 76)
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XIII.
Ich mochte lange weinen,
Daß Zions Burg verfallen,
Daß auf den Tempelsteinen
Des Feindes Enkel wallen;

Daß sein verhaßter Same
Das Heiligthum entehrt,
Wo einst der heil'ge Name
Des Einz'gen ward verehrt;

Daß selbst im Königssaale
Das Schweigen herrscht so bang,
Wo einst zum Siegesmahle
Die Harfe Davids klang.

Mein Aug' zerfloß in Trauer,
Daß Salems Pracht zerstoben,
Daß sich Verwüstungsschauer
Um ihre Burgen woben;

Daß ihre Kinder wallen
Verbannt vom Vaterlande,
Daß auf ihr Haupt gefallen
Die unverdiente Schande.

Heil mir, darf wieder lächeln,
Darf enden dieses Bangen,
Der Tröstung Geister fächeln
Aufs neue meine Wangen.

Denn Zion ist erstanden
In deinen Augensternen,
Ihr Volk strömt frei von Banden
Zu ihr aus Näh' und Fernen.

Und gibst du meinem Sehnen
Und meiner Lieb' Erhörung,
So hab' ich nicht mehr Thränen
Am Tage der Zerstörung;

So stieg aus den Ruinen
Mir Salem, die geweihte,
So stralt aus deinen Mienen
Der Tempel mir, der zweite.
(S. 76-78)
_____



XIV.
Du willst nicht Gold noch Perlen,
Mein Lieb, was forderst du?
Ich bring' dir meine Lieder
Als Morgengabe zu.

Im Liede soll dir werden
Der Dichtung reinstes Gold,
Im Sang will ich dir bieten
Der Minne reichsten Sold.

Ich will den Thau beschwören,
Daß er dir Perlen weiht,
Den Strauch, daß er dir Blumen
Zum Diademe leiht.

Dir wölbe sich ein Tempel,
Aus Liedern aufgestellt,
Ich will den Himmel bitten,
Daß er ihn mild erhellt.

Mit jeder Liedesgabe,
Die meine Brust gebiert,
Sein'n statt Gemäld' und Säule
Die Wände rings geziert.

Und was die Erde bietet,
Und was die Welt verschönt,
Es sei'n damit die Tage,
Die Nächte dir gekrönt.

Und über alles dieses,
Mein Lieb, was forderst du?
Ich bring' dir meine Liebe
Als Morgengabe zu.
(S. 78-79)
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XV.
Ich will nicht Gold noch Perlen,
Mein Lieb, was gibst du mir?
Du bringst als Morgengabe
Mir deiner Schönheit Zier.

Bring mir dein Haar, vom Kusse
Des Windes aufgeweht,
Ich lieb's, wenn einen Demant
Der Mondstral eingesä't.

Bring mir das blaue Auge,
Das Lieb' und Treue stralt,
In dem sich Himmelszauber
Und Gottesmilde malt.

Bring mir die dunkle Locke,
Die um die Wange fließt,
Durch die sich dein Erröten
Wie himmlisch Lächeln gießt.

Bring mir die Rosenlippe,
Die Küsse gibt und nimmt,
Den Mund, der goldne Worte
Und goldne Lieder stimmt.

Des Halses Alabaster,
Mein Lieb, vergiß ihn nicht,
Die Brust, die aus dem Dunkel
Der Flöre strebt zum Licht.

Und will sie nicht genügen,
Der Schönheit reiche Zier,
So bring' als Morgengabe
Noch deine Liebe mir.
(S. 79-80)
_____



XVI.
Getrost, wenn eine Andre
Stolz auf dich niederschaut!
Zu ihrem Hochmut lächle,
Du bist des Sängers Braut.

Dein Name bleibt gefeiert
Bis an der Zeiten Ziel,
Wenn tausend andre werden
Der ew'gen Nacht zum Spiel.

So ward noch keinem Weibe
Des Liedes Ruhm beschert,
So ward auf Erden nimmer
Ein Frauenbild verehrt;

Wie ich mit Liedern kröne
Dein Bild, mein himmlisch Kind,
Solang die heil'ge Quelle
Des Liedes mir noch rinnt.

Solang dein hohes Auge
Zum Sange mich entzückt,
Solang die stille Anmut
Zum Himmel mich entrückt.

Soweit auf Meer und Länder
Der Stern der Liebe schaut,
Soll jede Zunge preisen
Die hohe Sängerbraut.

Du blühst in meinen Liedern
Durch alle Zeiten fort,
Von deinem Haus und Stamme
Erzählen Süd und Nord.

Dein Name sei gefeiert,
In Ost und West genannt,
Von deiner ew'gen Schöne
Die Nachwelt noch entbrannt.

Ihn wird der Schiffer künden,
Wenn Meer und Küste schweigt,
Daß ihn die bunte Flagge
Den fernsten Ländern zeigt.

Mit ihm wird er beschwören
Des Meeres Sturm und Wut,
Zu ihm wird Liebe beten
Und ungestillte Glut.

Du wirst ein Bild des Segens
Und reinsten Glückes sein,
Dir wird man wie den Göttern
Gebet und Opfer weihn.

Und ob die Fürstentochter
Auf dich herniederschaut,
Bist selbst des Liedes Fürstin,
Du bist die Sängerbraut.

Ob dir der Herrschaft Genius
Die Wiege nicht geschmückt,
In deines Sängers Liebe
Sei mächtig, sei beglückt.

Dir ward das Reich der Lieder
Für ewig angetraut,
Und alle Zeiten grüßen
Dich als des Sängers Braut.
(S. 81-83)
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XVII.
Kennst du das Land, von dem uns Plato lehrte,
Kennst du der Seelen, der Vollendung Land?
Wo man der Liebe Genien nur verehrte,
Und jede Seele die erwählte fand?
Im Reich der Geister hab' ich dich erkoren,
Bevor du wardst zum zweiten Mal geboren.

Da träumten wir den schönen Traum der Liebe
Und wandelten verschwistert Arm in Arm,
Da flossen ineinander unsre Triebe,
Da waren wir noch frei von ird'schem Harm.
Im Land der Genien hab ich dich gefunden,
O bleib' mir treu für dieses Lebens Stunden.

Hast du das Meer der Sehnsucht je befahren,
Wo das Geheimniß frührer Welten tönt,
Und dessen Wellen hohe Kunden wahren?
Hast du ans Wort der Geister dich gewöhnt?
So wolle gern der Offenbarung lauschen,
O glaube, Kind, was jene Wellen rauschen.

Kennst du das Land, wo wir vereint gewesen,
Verklärte Seelen wallten Hand in Hand,
Seit Ewigkeit einander auserlesen?
Dein Auge sprach's, als ich dich wiederfand.
Mög' es in deinem Herzen sich bewähren,
O mögest du die Offenbarung ehren.
(S. 83-84)
_____



XVIII.
Du trägst den Namen jener Ersten,
Die ich geliebt vor manchen Jahren,
Als kaum der Kindheit Kranz vertrocknet
In eines Jünglings Lockenhaaren.

Sie blüht im Arm des fremden Gatten,
Die mich zum Scherze nur erkoren,
Ach, ob sie wohl des Freunds gedenket,
Den sie durch Schuld um Schuld verloren.

Mein Herz blieb einsam seit den Tagen,
Da mir ihr Bildniß war entschwunden,
Bis ich auf meinem dunklen Pfade
In dir die Liebste neu gefunden.

Ich darf dem neuen Sterne glauben,
Ich darf gehorchen diesem Sehnen,
Nach langen Jahren der Entsagung
An eine treue Brust mich lehnen.

Die Sage geht, es zogen Männer
Aus Nordlands Steppen einst zu Schiffe,
Die fanden Land im fernen Meere,
An der Atlantis Felsenriffe.

Und Winland nannten sie das holde,
Das Reben gab und Trauben reifte,
Und heimwärts zu des Nordens Steppen
Die kühne Schaar der Segler schweifte.

Doch als sie wieder ausgezogen,
In jenem Lande sich zu laben,
Sie fanden's nicht mehr, in dem Schoose
Des Ozeans lag es längst begraben.

So war auch mir der Liebe Winland
Versenkt im dunklen Meeresbranden,
In deinen Blicken, süße Freundin,
Ist mir's viel schöner auferstanden.
(S. 84-85)
_____



XIX.
Du bist mein ganzes Denken,
Mein Fühlen, meine Welt,
Du bist der Stern, der Tage
Und Nächte mir erhellt.

Du bist die Blume, die sinnig
Sich durch mein Leben flicht,
Du machst aus meinem Dasein
Ein einziges Gedicht.

Du bist mein Lebensodem,
Die Wonne meiner Brust,
Mein Königreich, mein Erbe,
Mein Schmerz und meine Lust.

Du bist bei Tag mein Denken,
Mein Träumen in der Nacht,
Mit deinem Namen grüß' ich
Des neuen Morgens Pracht.

Mit deinem Namen steig' ich
Hinab zur Grabesruh',
Und flieg' mit deinem Namen
Der Auferstehung zu.

Du bist mein ganzes Denken,
Mein Fühlen, meine Welt,
Du bist der Stern, der Leben
Und Sterben mir erhellt.
(S. 86-87)
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XX.
Sind es deines Flügels Tasten,
Ist's ein Saitenspiel vom Himmel,
Das vom Drucke deiner Finger
Solche Harmonien spendet,
Daß die Abendlüfte lauschen
Und der Wind den Odem bändigt? -

Liebchen, weckst du diesen Zauber?
Zog wol eines Engels Seele
Ein in diese süßen Formen?
Lenkt ein Genius diese Tasten?
Sieh mich ewig hingegossen
Diesen himmlischen Ackorden
Lauschen, sieh wie jede Saite
Meines Busens Echo wecket.
Mit unsterblichen Gedanken
Füllst du so das Nichts des Raumes
Und du trägst des Hörers Seele
Aufwärts zu den sel'gen Göttern.

Wer gleich dir die Saiten meistert,
Der beherrscht das Reich der Seelen,
Daß sie seinem Winke folgen,
Erd' und Himmel muß ihm dienen.
Gerne beug' ich mich dem süßen
Zauber, ewig will ich lauschen.
Schlage, frage nur die Saiten,
Bis sie willig Antwort geben
Und der Meisterin die Losung
Höhrer Welten offenbaren;
Bis du jegliches Geheimniß
Ew'ger Schönheit, ew'ger Liebe
Aus dem Schoos der Töne zauberst,
Ew'ge Freuden, ew'ge Schmerzen.
(S. 87-88)
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XXI.
Wenn ins Spiel der Saiten
Du ein Lied gemischt,
Was ein Gott dich lehrte,
Deine Zunge spricht;

Deines Herzens Fühlen
In Ackorde legst,
Wenn du weise sinnend
Goldne Lieder wägst;

Daß sie freudig strömen
Aus der reichen Brust,
Jeden Hörer füllen
Mit entzückter Lust;

Wenn du alles hohe
Kündest, Lieb' und Schmerz,
Die berauschte Seele
Führst du himmelwärts.

Und auf Erden findet
Keine Stätte mehr,
Wen dein Machtspruch bannte
Zu der Sterne Heer.

Folge jenem Zauber,
Komm mit mir ins Land,
Draus die Lieder stammen,
In dein Vaterland.
(S. 88-89)
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XXII.
Ich habe fast den Gott vergessen
Ob dem Gebilde, das er schuf,
Zum Tempel trug ich sonst Gebete,
Zum Liebchen tönt jetzt nur mein Ruf.

Du duldest, daß der Sohn des Staubes
In jeder Blume dich verehrt,
Nicht zürne, daß den Dienst der Gottheit
Zum Dienst der Lieb' ich umgekehrt.
(S. 89-90)
_____



XXIII.
Folge mir aus diesem Nebel,
Der den Busen schnürt in Bande,
Folge mir zu Sonn' und Freiheit
Nach dem schönen Indierstrande;

Wo des Ganges hohe Woge
Zwischen Palmen gräbt ihr Bette,
Unter Zedern und Platanen
Blüht der Liebe Ruhestätte.

Mit dem sinnigen Bewohner
Laß uns Brahmas Größe loben,
Welcher jeden Reiz der Erde
Um dies goldne Land gewoben.

Laß uns jedem Strauche Blumen
Rauben und ins Haar uns flechten,
Jeden Glanz der Tage trinken,
Jeden Hauch in sel'gen Nächten.

Auf zur Heimat heißrer Sonnen,
Liebchen, zu dem schönern Strand,
Zu dem reichern Götterherde,
Zu der Liebe Vaterland.
(S. 90-91)
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XXIV.
O kennst du Arabiens glücklichen Strand,
Von Weihrauch und Myrte durchhaucht,
Umglüht von des Himmels ewigem Brand,
In das Meer, in die Wüste getaucht?
Wo der Aether so rein, wo die Fluren so schön,
Da laß uns den Tempel der Liebe erhöhn.

O sahst du des Meeres krystallene Pracht,
Wie es endlos die Küsten umschäumt?
Wie in ewiger Bläue der Himmel ihm lacht
Und es nächtlich mit Sternen umsäumt?
Es trägt uns die glühende Woge dahin,
Durch das Meer laß zum Lande der Sehnsucht uns fliehn.

O kennst du der Gärten unsterblichen Glanz,
Die Haine mit ewigem Duft?
Da entblättert kein Winter den rosigen Kranz,
Kein Sturmhauch trübet die Luft.
Wo des Lorbeers verschwiegene Schöne glüht,
Die Heimat heiliger Treue blüht.
(S. 91)
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XXV.
Das Land, in dessen Schoose
Des Todtes Schweigen ruht,
Des Länderkranzes Rose,
Das Land, du kennst es gut.

Es baut in Zedernkronen
Die Adlerbrut ihr Nest,
Und Geister still bewohnen
Verfallner Burgen Rest.

Und ob in ew'gem Lenze
Es prangt im Aetherhaus,
Statt bunter Erntekränze
Sä't Gott Ruinen aus.

Dort führt der Geist der Klarheit
Die Völker einst ans Ziel,
Das Heiligthum der Wahrheit,
Hier stand es und verfiel.

Ist's nicht, als ob's der Meister
Zur Wüste umgekehrt,
Auf daß der Vorwelt Geister
Hier wohnen unverwehrt?

Der Todtenklage Töne
Rauscht ihm das ew'ge Meer,
Das noch in Trümmern schöne
Judäa ist nicht mehr.

Und doch wie hold, wie selig
Die Rose Sarons sprießt,
Die Palmenschaar unzählig
Den edlen Schatten gießt.

Und ob kein Stein geblieben
Von Judas altem Glanz,
Noch ist's ein Ort zum Lieben,
Noch flicht ein Gott den Kranz.

Mein Liebchen, laß uns wallen
Zu Salems Hochaltar,
Wo unser Volk gefallen
Und groß und mächtig war.

Was heilig ist auf Erden,
Lebt ja in deiner Brust,
So laß uns Bürger werden
Im Land der Gotteslust.
(S. 92-93)
_____



XXVI.
Mein Liebchen, dir send' ich Gebete
In brünstiger Andacht empor,
So oft ich die Tempel betrete,
Meine Seele zu dir sich verlor.

Der Schönheit unsterbliches Prangen
Verspricht mir den Herrscher der Welt,
Er baut in den Rosen der Wangen
Sein purpurnes, fürstliches Zelt.

In den Lilien der Unschuld, da wohnet
Der Gott und die himmlische Schaar,
Der Liebe Genius thronet
Im duftigen Lockenhaar.

Und so bitt' ich in züchtigem Sehnen,
Daß auch heut deine Liebe mich nähre,
Daß der Born deiner Küsse und Thränen
Mir den Trank der Erquickung gewähre.

So bitt' ich, daß Liebe mir segne
Des Lebens beschwingten Reihn,
Daß dein Bild mir am Wege begegne,
Das Dasein zum Feste zu weihn.

Mein Liebchen, dir send' ich Gebete
In brünstiger Andacht empor,
Wohin ich auch wandle und trete,
Meine Seele zu dir sich verlor.
(S. 93-94)
_____



XXVII.
Du sollst auf einer Warte stehn
Am höchsten Punkt der Erde,
Daß ganze Völker aufwärts sehn
Zu deinem schlichten Herde.

Du sollst in deiner Reize Pracht
Auf sie herniederschauen,
Mit deiner blauen Augen Macht
Des Friedens Tempel bauen.

Denn ob vom Haß entbrannt die Welt,
Der Wahn die Völker spaltet,
Es ist der Friede hergestellt,
Sobald dein Auge waltet.

Drum sollst du auf der Warte stehn,
Hoch über Allen leben
Und auf die Erde niedersehn
Und ihr den Frieden geben.
(S. 95)
_____



XXVIII.
Du warst ein Kind, als ich zuerst dich schaute,
Doch Hoheit lag schon in der Augen Glanz,
Und auf den Trümmern deiner Kindheit baute
Die Gottheit schon der höhern Schönheit Kranz.

Kaum sind verweht die letzten Blütenflocken,
Mit denen dich ein reicher Lenz bestreut,
Hochsommer glüht in deinen dunklen Locken,
Daß deiner Schönheit Herz und Aug' sich freut.

So wenig Zeit genügte dir zum Reifen,
Daß du entpuppt den Blick zur Sonne wagst,
Wo Andre noch die Knospe von sich streifen,
Du, eine schönre Sonne, glühst und tagst.

Was ich im Kinde ahnend schon geschaut,
Tritt in der Jungfrau mir gereift entgegen,
Und was ein Gott im Kinde mir vertraut,
Das sproß und ward der Schönheit reichster Segen.
(S. 95-96)
_____



XXIX.
Wieso des Lebens Garbe
Die Wange mir erfrischt,
Wieso der Gesundheit Farbe
Aus meinem Antlitz spricht?

So fragen mich und sagen
Sie Alle, die mich sehn;
Ich darf ja doch nicht wagen,
Es ihnen zu gestehn:

Daß ich von deinen Augen
Mich nähre schon manches Jahr,
Meine Lebensgeister saugen
Gesundheit aus deinem Haar;

Daß meine Blicke trinken,
Aus deinen Lebensflut,
Daß mir zur Stärkung blinken
Deine Wangen in süßer Glut.

Und ob sie ewig fragen,
Die so gestärkt mich sehn,
Ich darf ja doch nicht wagen,
Es ihnen zu gestehn.
(S. 96-97)
____



XXX.
Glaub' an die Macht der Liebe,
Glaub' an den endlichen Sieg,
Glaub' an die Kraft des schönen,
Glaub' an selige Geister,
Glaub' an den gütigen Gott.
Ob auf Erden das schlechte
Tausendfach waltet und herrscht,
Ob sich in deine Wege
Auch das gemeine darf drängen,
Ob dich auch Nattern umzischen,
Ob dich auch Schlangen umdrohn,
Glaube, mein Liebchen, o glaube,
Glaube, was willst du mehr?

Hoffe den Sieg der Treue,
Hoffe das ewige Glück,
Hoffe den Lohn der Tugend;
Hoffe den ewigen Tag,
Dessen stralende Sonne
Weichet vor keiner Nacht.
Ob du auf Dornen auch schreitest,
Nacht deine Pfade umhüllt,
Hoffe, mein Liebchen, o hoffe,
Hoffe, was willst du mehr?

Liebe nur treu und unendlich,
Liebe nur stark und wahr;
Lerne von Göttern zu glühen,
Lerne von Genien zu fühlen.
Lern' von der Tochter des Ostens
Ewig zu flammen, zu sprühen,
Von der Tochter des Nordens
Nimm Unterricht im Schmachten.
Tausend neue Reize
Dankst du der Flamme des Busens;
Zeig' dich in Liebe zerschmolzen,
Aufgelöset in Gluten, -
Liebe, mein Liebchen, o liebe,
Liebe, was willst du mehr?
(S. 97-98)
_____



XXXI.
Deine Schönheit stets zu preisen,
Rechne mir's nicht an zur Schuld;
Mag ich in Myriaden Weisen,
Bis der Lyra Saiten reißen,
Feiern deine stille Huld,
Liebchen, rechn' es nicht zur Schuld.

Nicht vergaß ich deine Seele,
Die solch süßer Leib umschließt,
Diese ist's, die ich erwähle,
Ob sich Huld'gung von dir stehle,
So nur Leben in dir fließt,
Das der süße Leib umschließt.

Mag auch welken deine Schöne,
Ew'ge Liebe schwör' ich dir;
Ob der Wangen Farbentöne
Auch der Jahre Flucht verhöhne,
Bei der Seele ew'ger Zier
Ew'ge Liebe schwör' ich dir.

Ob von deiner Schönheit Fülle
Nur soviel dir übrig blieb,
Daß der Geist darein sich hülle,
Ewig bleibst du doch mein Lieb,
Ob von deiner Schönheit Fülle
Nur die schöne Seele blieb.
(S. 99)
_____



XXXII.
Als ich dich neulich suchen ging,
Als ich dich nicht gefunden,
Wie wurden mir zu Jahren da
Die langen, bangen Stunden.

Es packte mich wie Fiebergluth,
Mocht' auf mich selber fluchen,
Es gönnte mir nicht Ruh und Rast,
Ich mußte gehn und suchen.

Da winkte mir wie Liebesgruß
Dein Bild vom Gartenhaine,
Dort mußt du sein, da zog's mich hin
Zum goldnen Lampenscheine.

Und ob die Menge jeden Raum
Erfüllt in bunten Wogen,
Die Liebe zeigte mir den Weg,
Sie hat mich nicht betrogen.

Seit meines Herzens dunkler Drang
Den Weg zu dir gefunden,
Glaub' ich, daß uns ein Genius
So hier wie dort verbunden.
(S. 100)
_____



XXXIII.
Du blickst so kalt zu meinen Leiden,
Du hast für mich kein Trosteswort;
Du siehst mich ohne Thräne scheiden,
Dein Schweigen ist wie rauher Nord,
Der über kahle Steppen braust
Und in den dürren Blättern saust,
Und aus dem stolzen Auge spricht:
Du liebst mich nicht, du liebst mich nicht.

Der Himmel wohnt in deinen Augen,
Und blickest doch so stolz und groß,
Als wollten sie das Herzblut saugen
Aus meiner Adern glühem Schoos.
Und ob dir jede Fiber geht,
Dir jeder Pulsschlag Lieb' gesteht,
Dein Lächeln mahnt mich wie Gericht:
Du liebst mich nicht, du liebst mich nicht.

Wie Maienhauch ist deine Nähe,
Ein Lenzesgruß dein kleinstes Wort,
Doch packt's mich an, wie ewig Wehe,
Doch schleudert's jede Hoffnung fort,
Deut' ich den Spott in deinem Blick
Als der Verwerfung herb Geschick;
Und ob mein Aug' in Thränen bricht,
Du liebst mich nicht, du liebst mich nicht.

Kann dich des Treusten Schmerz erfreuen,
O kann ein Engel leiden sehn,
Die Todesschale stets erneuen
Und Wermut gießen in die Wehn?
Schon kränktest du mich allzuviel,
Laß ab, laß ab vom schnöden Spiel,
Bevor des Lebens Glut erlischt
Vom grausem Spruch: Du liebst mich nicht.

Und doch kann dieser Blick nicht lügen,
Der warm und innig auf mich fällt,
Geht mir nicht auf in diesen Zügen
Ein neues Leben, neue Welt?
Noch spricht der Händedruck so heiß,
Noch flüstert diese Lippe leis,
Noch winkt der blauen Augen Paar:
Du liebst, du liebst mich treu und wahr.
(S. 101-102)
_____



XXXIV.
Du hast der Reize viele,
Vom Scheitel bis zur Zeh',
Doch sind deine blauen Augen
Die Chronik von meinem Weh'.

Sie senden mir bei Tage
Die sengenden Stralen zu,
Sie scheuchen in den Nächten
Von meinem Lager die Ruh'.

Sie glühen wie Julisonne
Die heiße Wange mir an,
Sie haben's in Lenz und Winter
Mir ewig angethan.

Sie blicken in meine Träume
Mit kaltem Lächeln hinein,
Und wollen auf meinen Pfaden
Zur Qual stets um mich sein.

Sie lähmen in meinem Busen
Den frischen Lebensmut,
Sie saugen aus meinen Adern
Mir Kraft und Mark und Blut.

Einst auf mein Sterbelager
Noch werden sie höhnisch sehn,
Und gleich wie Lügensterne
Auf meinem Denkmal stehn.
(S. 102-103)
_____



XXXV.
Manchem Weib erklang des Dichters Leier,
Keine ward vergöttert je gleich dir,
Keiner wob sich des Gesanges Schleier
So zu ihres stillen Lebens Zier.

Frage nur die Kunden aller Zeiten,
Schlag' der Dichter alte Lieder auf,
Keiner gab zum leichten Spiel der Saiten
Sich ein Dichterleben in den Kauf.

Romas Barde mochte harmlos scherzen,
Nicht verklären konnt' er Lydias Glanz,
Aus der Liebe spricht es nicht zum Herzen,
Malt er sie bei Becherklang und Tanz.

Wenn die Römerin zum hohen Lohne
Einer Ode Lieb' und Kuß erlaubt,
Eine ewig junge Liedeskrone
Wind' ich dir ums jugendliche Haupt.

Kennst du die vergötterte Laurette,
Sie der spätsten Liebe heil'gen Hort?
Ein Petrark trug willig ihre Kette,
Und sie lebt in seinen Liedern fort.

Doch erstorben war die stolze Blume,
Längst vergessen ihrer Schönheit Glanz,
Als sein Haupt, erfüllt von anderm Ruhme,
Trug am Kapitol den Dichterkranz:

Beatrice selber muß dir weichen,
Die durch Dantes hohen Griffel lebt,
Laß sie blühn selbst in Elysiums Reichen,
Wenn mein Lied zum Himmel dich erhebt.

Ob die Fürstentochter Leonore
Des befreiten Salem Sänger krönt,
Sie erstirbt vor deiner Schönheit Flore,
Die durch mich in tausend Liedern tönt.

Also auf der schönsten Zeiten Spuren
Sollst du schreiten, eine Königin,
Deinen Namen durch der Dichtung Fluren
Trägt mein Lied zur fernsten Nachwelt hin.
(S. 103-105)
_____



XXXVI.
Nach einer Insel laß uns fliehn,
Im blauen Ozeane,
Es soll der Liebe Flagge wehn
Auf unserm leichten Kahne.

Und ob der Sturm die Barke bricht
Im Anblick schönrer Lande,
Des Delphins Rücken trägt ja gern
Die Liebenden zum Strande.

Da soll von Rosen überdacht
Die niedre Hütt' uns stehen,
Daß durch die leichte Decke mag
Der blaue Himmel sehen.

Da wollen wir vom sichern Port
Auf Meer und Brandung lauschen,
Es soll des Südens Balsamhauch
Die Wangen uns umrauschen.

Mit goldnen Liedern laß uns dort
Die Einsamkeit verkürzen,
Der bunten Märchen ew'ger Strauß
Soll uns die Stunde würzen.

Und wölbt der Geist der Einsamkeit
Um uns die finstern Brauen,
Ich darf nur, um zu scheuchen ihn,
Ins holde Aug' dir schauen.

Da laß uns blühen immerdar
Im reinsten Liebesglücke,
Und nach Europas Flammenherd
Nur lächelnd schau'n zurücke.
(S. 105-106)
_____



XXXVII.
Ob ich von andern Lippen
Schon Liebesgruß empfing,
Es war ein halbes Nippen,
So flüchtig, so gering.

Ob man die goldne Schale
Mir anderswo kredenzt,
Nicht waren die Pokale
Mit Blumen just bekränzt.

Das war nicht rechte Labe,
Wo man mich lud zu Gast,
Wo ich um karge Gabe
Die theure Zeit verpraßt.

Nicht bot sich mir so sinnig
Der Gruß der Liebe dar,
Nicht fiel so schön und minnig
Das flechtenlose Haar.

Nicht war das Aug so golden,
Die Wange nicht so hold,
Nicht quoll wie Blumendolden
Der Lippe rotes Gold.

Nicht war der Geist so sprühend,
So groß in Ernst und Scherz,
Die Liebe nicht so glühend,
So schlug nicht Herz an Herz.

Nichts ist mir übrig blieben,
Aus jener Zeit bewahrt,
Wie groß, wie schön das Lieben,
Hast du erst offenbart.
(S. 106-107)
_____



XXXVIII.
Sei gegrüßt, wenn deine Schöne
Tagesglanz mit Gluten füllt,
Wenn der Nächte heilig Schweigen
Dich in Sternenschleier hüllt.
Ob du stolzen Herrschgefühles
Fürstlich wallest deine Bahn,
Mag dein ahnend Herz dir sagen,
Daß die Welt dir unterthan.

Sei gegrüßt mit jedem Worte,
So des Redners Zunge bebt,
Sei gegrüßt in dem Ackorde,
Den des Dichters Lyra webt.
Ob dich tausend Lieder feiern,
Des Gesanges Königin,
Unbewegt durch Lied und Sänger
Willst du deine Pfade ziehn!

Sei gegrüßt mit jeder Wunde,
Die in meinem Busen glüht,
Sei gegrüßt im Todesschmerze,
Der in meinen Adern sprüht.
Gleichwie Romas Gladiator
Sterbend seinen Cäsar grüßt,
So von Sängers Sterbeseufzer,
Liederfürstin, sei gegrüßt.
(S. 107-108)
_____



XXXIX.
Es ruht der Psalmensänger
Im fürstlichen Gemach,
Des Königs Schlaf zu hüten,
Sind Judas Helden wach.

Manch köstliches Geräte
Erfüllt den Zedernsaal,
Des Judas Feind geschlagen,
Der sieggewohnte Stahl;

Die Krone, die vom König
Der Könige er empfing,
Der Mantel, mit dem ihn der Priester
Am Tag der Krönung umhing.

Und wo der Purpurteppich
Vom Gitter niederfiel,
Da lehnt und träumt von Liedern
Des Königs Harfenspiel.

Doch ruft die zwölfte Stunde
Den Morgenwind herbei,
Entlockt er ihren Saiten
Die erste Melodei.

Leicht flieht der Geist des Schlummers
Des Königs Augenstern,
Die Harfe weckt den Meister
Allnächtlich zum Lob des Herrn.

Auch mich weckt eine Harfe,
Doch Gott zu feiern nicht, -
Du bist's, du bist es ewig,
Von der mein Loblied spricht.
(S. 109-110)
_____



XL.
Dem Dienst der Frauen war geweiht
Mein ganzes Jünglingsleben,
Mein volles Herz war jederzeit
Für sie dahingegeben.

Und was ich dacht' und was ich sang,
Es war zu ihren Ehren,
Es war in mir ein ew'ger Drang,
Sie ewig zu verklären.

Auch ging ich niemals ungeehrt
Von ihrem Richterstuhle,
Sie haben mir den Preis gewährt,
Den mir versagt die Schule.

Was ich bei Männern selten fand,
Ein inniger Verständniß,
Ein Eingehn in des Dichters Land
Und tiefere Erkenntniß:

Das sprach der Thräne süßer Zoll
Bei meinen schönsten Liedern,
So pflog ihr Auge seelenvoll
Die Treue zu erwiedern.

Ein heilig Fühlen wohnt im Weib,
Sie ist mit Gott im Bunde,
Es birgt der minnigliche Leib
Den Geist voll Seherkunde.

Du hast der Schwestern edle Schaar
Aufs neue mir erhoben,
Was ich in allen ward gewahr,
Darf ich in dir jetzt loben.
(S. 110-111)
_____



XLI.
In den Gärten der Hellenen
Brach ich manche Wunderblume,
Und Erhörung fand mein Sehnen
In der Vorwelt Heiligthume.

Fröhlich lud ich mich im Norden,
Bei den Britten mich zu Gaste,
Was da klang in Liedesworten,
Mir zum Hochgenusse paßte.

Und nach alten Pergamenten
Und nach Büchern war mein Jagen,
Und aus Myriaden Bänden
Las ich aller Länder Sagen.

Aber seit ich dich gefunden,
Will kein Blatt ich mehr studiren,
Will der Jugend goldne Stunden
Nicht im Bücherstaub verlieren.

In den Augen dir zu lesen,
Sei mein einziges Bestreben,
Was von Ewigkeit gewesen,
Soll dein Blick mir Kunde geben.
(S. 111-112)
_____



XLII.
Daß ich an deiner Seite
Die Jugend hab' verträumt,
Daß ich in deinem Anblick
Mein Leben hab' versäumt;

O danke mir's mit Küssen,
Du aller Frauen Zier,
Für mein verlornes Leben
Gib deine Liebe mir.
(S. 112)
_____



XLIII.
O wärst du nicht so reizumflossen,
In deiner Huld so reich und groß,
O wär' nicht jeder Glanz ergossen
In dieser Augen feuchten Schoos,
Daß jedes Aug' an deinem hängt,
Daß sich der Neid der Erde drängt!
In meine stille Liebe!

O wären nicht so schön die Wangen,
Wär' dieser Mund so minnig nicht,
Wär' dieser Glieder süßes Prangen
Nicht ein lebendig Preisgedicht,
Daß jeder huld'gend dich gewahrt,
Daß selbst der Götter Neid sich schaart
Um meine stille Liebe!
(S. 113)
_____



XLV.
O wär' ich Luft, die dich umweht,
Wie wollt' ich dich umrauschen,
Wie wollt' ich in der Glieder Glanz
Mich immerdar berauschen.

Wie spielt' ich froh mit deinem Haar
In mitternächt'ger Stunde,
Wie küßt' ich von der Lippe dir
Des Traums verborgne Kunde.

Wie dürft' ich aus der Schönheit Meer
Mein innerst Wesen füllen
Und inniger als Kleid und Flor
Den Busen dir umhüllen.

Wie wärst du ganz zu eigen mir
Im Wachen und im Träumen,
Ich brauchte keinen Augenblick
Dich anzuschaun versäumen.

Ich dürfte küssen deinen Mund
Mit wonnigem Behagen,
Und dürfte dir stets unverwehrt,
Wie ich dich liebe, sagen.
(S. 113-114)
_____



XLV.
Wer die Schönheit blos an dir gepriesen,
Hat gelästert deines Schöpfers Gaben;
Deines Reizes mag sein Aug' genießen,
Doch er darbt, wo tausend Quellen laben,
Wer die Schönheit blos an dir gepriesen.

Mag mein Auge still verehrend künden,
Daß ich höhres noch in dir erschaue;
Wie sich Güt' und Milde dir verbünden
Zu der Anmut reifem Himmelsbaue,
Mag mein Auge still verehrend künden.

Nur zur Hälfte kann er dich verstehen,
Wer dich malt, wie Reize dich umfließen,
In des Herzens Tiefe muß er gehen;
Wer die Schönheit blos an dir gepriesen,
Nur zur Hälfte kann er dich verstehen.
(S. 114-115)
_____



XLVI.
Mein Dasein ist nur ein Gebet
Zum Gott der ew'gen Schöne,
Und wo mein Fuß auf Erden geht,
Mein Mund für dich zum Ew'gen fleht,
Daß er dein Leben kröne.

Des Sängers Morgenbitte gilt
Nur dir beim Herrn der Geister;
Und hört er mich, so kränzt dein Bild,
Und liebt er mich, zeigt sich dir mild
Und segnet dich der Meister.

Und wo am Tag geht meine Bahn,
Und wo die finstern Nächte,
Dir Holde tönt mein Ruf hinan,
Daß Gott die stille Lebensbahn
Mit Blumen dir durchflechte.

Und wo mein Haupt zur Ruh' sich senkt
Nach Tages Sturm und Mühen,
Mein letzter Hauch noch dein gedenkt,
Daß er dir süße Ruhe schenkt
Und schönres Morgenglühen.

Und wo den Sänger man begräbt,
Da soll dir Kunde werden,
Daß noch im toten Antlitz lebt
Der letzte Wunsch, der ihm entbebt:
Sei du beglückt auf Erden!
(S. 115-116)
_____



XLVII.
Dich hat ein Genius mir beschieden
Als süßen, theuern Dichterpreis,
Du krönst des Sängers Pfad hienieden
Zum Lohn für treuen Sangesfleiß.

Weil meine Lyra ihn erhoben
Und seiner Welten ew'gen Kranz,
Hat dich der Schönheit Gott gewoben
Als Blum' in meines Lebens Kranz.
(S. 116)
_____



XLVIII.
Wer auf den bekränzten Altären
Nicht Weihrauch der Cypria streut,
Die Mädchen, so Liebe verwehren,
Der Himmlischen Rache bedräut.

Ihr Name verhallt in der Menge,
Und ewige Nacht um sie schweigt,
Wenn blühend im Licht der Gesänge
Die Liebste zum Nachruhm entsteigt.

Wer zaudert die Götter zu ehren,
In Thränen den Stolz einst bereut,
Die Mädchen, so Liebe verwehren,
Der Himmlischen Rache bedräut.
(S. 116-117)
_____



XLIX.
Deiner Sprache Klänge
Sind ein Liederchor,
Hallen wie Gesänge
In des Hörers Ohr.

Deines Herzens Reine
Heiligt jeden Laut,
Der aus seinem Schreine
Sich der Luft vertraut.

Ob sie Ernstes schallen,
Ob den süßen Scherz,
Ewig wiederhallen
Wird sie Geist und Herz.

Wie in heil'gen Worten
Gott am Sinai sprach,
Lassest den Ackorden
Unbewußt du nach.

Wenn an Ziel der Zeiten
Völker sich vereint,
Und nach heißem Streiten
Weltenfriede scheint;

Wenn der Geist der Klarheit
Seine Fackel schwingt,
Und nach einer Wahrheit
Jedes Wesen ringt;

Werd' ich wieder hören
Deine Sprach' erneut,
Wie in Liebeschören
Brudergruß sie beut.

Wenn in Himmelsräumen
Ird'sche Sprache tönt,
Von der Sel'gen Träumen
Wird sie dann verschönt.
(S. 117-118)
_____



L.
Wär' ich ein Vogel, dürft' ich dich umfliegen,
Mich an die glühende Wange dir schmiegen,
Tief in das Aug', in das stralende, blicken,
Küsse von rosiger Lippe dir picken.

Wär' ich ein Falter, ich wollt' um dich gaukeln,
Ewig auf deinen Wangen mich schaukeln,
Mich in das Meer deiner Augen versenken,
Sollten die Wogen, die blauen, mich tränken.

Wär' ich ein Bienchen, ich wollt' auf den Lippen
Ewig vom Borne der Küsse mir nippen,
Wär' ich ein Lüftchen, ich wollt' um dich wehen,
Dir mein unsterbliches Lieben gestehen.
(S. 119)
_____



LI.
Es glich dem Fels am Strande
Mein unbezwungnes Herz,
Sprüht ihm vom Wogenbrande
Die Welle himmelwärts.

Und ob auch manch Jahrtausend
Die Meerflut ihn umbraust,
Und ob auch stark und grausend
Die Brandung ihn umsaust;

Doch bleibt er wie gemauert
Im Schoos des Meeres stehn,
Solang die Erde dauert,
Soweit die Jahre gehn.

Des Lebens Sturm und Mühen
Hat mich erschüttert nicht,
Sowie des Meeres Sprühen
Umsonst um Klippen zischt.

Doch wenn dein Auge lächelt
Und liebend auf mir ruht,
So ist hinweggefächelt
Des Herzens Felsenmut.
(S. 119-120)
_____



LII.
Klage nicht des Lebens Dauer,
Nicht des Lebens Kürze an,
Eng nur geht es in der Trauer,
Kurz im Schmerze seine Bahn.

Aber drängst in seinen Rahmen
Alles schöne du hinein,
Wird sein Dauern ohne Namen,
Wird sein Raum unendlich sein.

Was die Weisen nicht vollbringen,
Hat die Liebe ausgedacht,
Hat der Zeiten flücht'ge Schwingen
Dienstbar sich das Herz gemacht.

Und so laß durch ewig Glühen
Uns betrügen Raum und Zeit,
Selig uns hinüberblühen
In der Liebe Ewigkeit.
(S. 120-121)
_____



LIII.
Nicht vergeblich war dein Leben,
Schöne Seele, bebe nicht,
Wenn die Stunden dir entschweben,
Wenn des Lebens Traum erlischt.

Nur der ew'gen Wahrheit weichen
Darf dies bunte, ird'sche Sein,
Wenn die Wangen hier verbleichen,
Gehst du zu dem Vater ein.

Und nicht ungeleitet ziehen
Laß ich, holdes Wesen, dich,
In das Reich der Schönheit fliehen
Darfst du nimmer ohne mich.

Glaube nur die hohe Kunde,
Glaub' an Ewigkeit und Licht,
Vor der Trennung banger Stunde,
Heißgeliebte, zage nicht.

Was der Glaube dir verheißen
Und der Dichtung hohes Wort,
Wird als Wahrheit sich erweisen
Bei der Geister ew'gem Hort.

Jede That wird aufgewogen
In des Himmels goldnem Raum,
Und dein Herz hat nicht gelogen,
Deine Tugend war kein Traum.

Selbst des Herzens heilig Regen,
Selbst die Liebe wird belohnt,
Denn der Gott will selber wägen,
Der durch Liebe herrscht und thront.
(S. 121-122)
_____



LIV.
Schöne Seele, laß genügen
Dir der Liebe Siegeskranz,
Immer mag in lichtern Zügen
Prangen andrer Frauen Glanz.

Blättre nicht im Buch der Ehren,
Neide die Bekränzten nicht,
Denn des Lorbeers Schatten wehren,
Daß zum Herzen Liebe spricht.

Ob gekrönt vom Völkerfeste
Sappho zieht, die Jonierin,
Du der Gaben allerbeste,
Nimm der Liebe Rosen hin.

Nicht der Tochter der Scipionen,
Nicht Kornelien brauchst du weichen,
Ob die römischen Matronen
Ihr den Kranz der Söhne reichen.

Ob Johanna führt zur Krönung
Ihren Herrn, die Frankenmaid,
War dem Tode, der Versöhnung
Nicht ihr edles Haupt geweiht?

Wo des Ruhmes Palmen reifen,
Welkt der Seelen stilles Glück,
Zum verlornen Erbe schweifen
Herz und Aug' umsonst zurück.

Denn die Liebe ward verliehen
Als des Weibes ewig Theil,
Ihre schönsten Reize fliehen,
Späht sie rings nach andrem Heil.

Wolle denn mit jedem Triebe
Dich an Sängers Treue ranken,
Meinen Liedern, meiner Liebe
Sollst du Glück und Nachruhm danken.
(S. 122-124)
_____



LV.
Ich möchte die Erde umfangen,
Du blühest, du lebst ja auf ihr,
Du bildest ihr herrlichstes Prangen,
Du bist ihre lieblichste Zier.

Ich drückte die Menschheit so gerne
An meine hochschlagende Brust,
Mich hebt zu den Pforten der Sterne
Der Liebe begeisterte Lust.

Ich möchte hinströmen mein Leben
Für jegliches Wesen der Welt,
Und jedem die Seligkeit geben,
Die wonnig mein Dasein durchhellt.
(S. 124)
_____



LVI.
Wandeln Götter
Noch auf Erden,
Müssen neidend
Ihre Blicke
Auf dir ruhen,
Wenn du wallest,
Reich an Anmut,
In der Fülle
Deiner Schöne.

Schweben Geister
In den Lüften,
Gibt es Genien,
Gibt es Elfen,
Wohnen Engel
In den Höhen,
Sie begrüßen
Dich als Schwester,
Und sie sprechen
Unter Klagen
Zu des Lichtes
Ew'gem Vater:

"Was, o Vater,
Hat die Tochter
Dir verschuldet,
Sie der Schönheit
Hohe Blume,
Daß die himmlisch
Reine Seele
Noch verbannet
Wallt auf Erden?
Gib uns wieder
Unsre Schwester."

Tag der Trauer,
Wenn ein Engel
So vom Vater
Einst dich fordert,
Und zur Heimat
Du zurückkehrst
Und in Thränen
Uns zurückläßt.
(S. 125-126)
_____



LVII.
Sag', wie kann ich
Dich erringen,
Wenn die Erde,
Stolz auf ihre
Schönste Zierde,
Dich mir weigert?

Was die Gottheit
Mir verliehen,
Selbst der Dichtung
Hohe Gabe,
Sei geopfert
Einem Lächeln
Deiner Lippen.

Meines Ruhmes
Arme Kränze
Werf' ich willig
Vor dir nieder,
Dank' ich dich nur
Diesem Opfer.

All mein Leben,
Und die Blumen,
Die es schmücken,
Alles biet' ich
Einer Erde
Hin zum Tausche,
Einen Kuß nur
Deines Mundes
Zu erkaufen.

Mag die stolze
Welt mir nehmen,
Was die Götter
Gnädig gaben,
Bleibe du nur
Mir zu eigen.
(S. 126-127)
_____



LVIII.
Was wär' mein ganzes Leben,
Wenn du es nicht verschönst?
Was wär' mein höchstes Streben,
Wenn du's nicht lohnst und krönst?

Pflückt in der Dichtung Haine
Mein Geist den schönsten Kranz,
Von deiner Augen Scheine
Wird ihm erst Duft und Glanz.

Ob Salems altem Ruhme
Sich weihet mein Gedicht,
Dein Beifall ist die Blume,
Die sinnig es durchflicht.

Und ob von Judas Leiden
Die ew'ge Klage tönt,
Es wird das Werk der Saiten
Durch deine Huld verschönt.

Und ob aus vollern Weisen
Ein höhrer Sang mir quillt,
Die Tochter Jephtas preisen
Darf ich in deinem Bild.

Dich ruf' ich statt der Musen
Beim ersten Harfenklang,
Du hebst erst aus dem Busen
Mir jeglichen Gesang.

Was ich durch dich vollendet,
Bring' ich dir weihend dar,
Bevor ich es gesendet
An meines Volkes Schaar.

An dich nur ist gerichtet,
Für dich nur lebt und klang,
Was ich gelebt, gedichtet,
Was ich gefühlt und sang.
(S. 128-129)
_____



LIX.
Aus dem Auge
Holder Frauen
Sah ich manche
Thräne fließen
Meinen Liedern.
Mehr als jeder
Preis der Dichtkunst
Galt die Perle
Mir der Rührung.

Aber wie auch
Meines Herzens
Stille Leiden,
Dichterlebens
Süße Schmerzen
Aller Frauen
Mitgefühl mir
Stets gewannen;
Deine stolzen
Blauen Augen
Schämen sich des
Zolls der Thräne,
Und du lächelst
Meiner Lieder,
Und du höhnest
Meine Klagen.
(S. 129-130)
_____



LX.
Nimmer wird durch öde Ferne
Dein geliebtes Bild erbleichen,
Denn aus jedem goldnen Sterne
Les' ich mir ein holdes Zeichen,
Daß des fernen Freunds du denkest
Und ihm Gruß und Thräne schenkest.

Lässest sehnend meinen Namen
Deinen Lippen du entschallen,
Wird es wie ein frommes Amen
Mir im Herzen wiederhallen,
Und von deiner Treu' begrüßt
Die Verbannung mir versüßt.
(S. 130-131)
_____



LXI.
Wo ich wandle,
Wo ich irre,
Wo zur Ruhe
Sich mein Haupt legt,
Niemals fühl' ich
Mich verlassen,
Niemals kann ich
Einsam sein.

Du umschwebest
Meine Schritte,
Gehst beständig
Mir zur Seite,
Du bevölkerst
Meine Träume;
Dein geliebtes
Hohes Bildniß
Steht mir ewig
Vor den Augen:
Niemals kann ich
Einsam sein.
(S. 131)
_____



LXII.
Ist dein Herz zu stolz zum Lieben,
Ew'ger Treue sich zu weihn,
Schon der Freundschaft süßes Schwärmen
Müßte groß und herrlich sein.

Als dein Bruder sich zu träumen,
Bruderliebe dir zu weihn!
Laß mich, wenn du Liebe weigerst,
Stets dein Freund und Bruder sein.
(S. 132)
_____



LXIII.
Nicht bedarf dein Erdenwallen
Andrer Führung, Andrer Rat,
Beut nicht deinen Tagen allen
Meine Liebe Rat und That?

Selbst der Eltern zärtlich Sorgen
Gab der Gott in meine Hand,
Und dein süßes Haupt geborgen
Ruhet in der Liebe Land.

Denn die Liebe will auf Erden
Fortan ihren Schutz dir leihn,
Will dir Gott und Heimat werden,
Vater und Berater sein.
(S. 132)
_____



LXIV.
Beglückt war Davids weiser Sohn,
Berühmt durch Sieg und Lande,
Vom Euphrat seine Heere drohn
Zum fernen Meeresstrande,
Und siegreich zieht er ein und aus,
Und Gold und Beute schmückt sein Haus
Und jedes Gut der Erde.

War er vor Allen auch beglückt,
In Judas weiten Gauen,
Doch mehr als Ehr' und Land ihn schmückt
Besitz der holden Frauen.
Die Schönste war ihm auserwählt,
Die Lieblichste ihm anvermählt,
Die Braut des hohen Liedes.

Und ob der Weisheit Born ihm thaut
Aus vielberedtem Munde,
Ob er den Tempel Gottes baut
Auf Salems heil'gem Grunde,
Doch war von Lieb' und Ruhm verschönt
Zum Doppelfürsten er gekrönt,
Ein sel'ger Minnesänger.

Du gleichst des hohen Liedes Braut,
Du brauchst ihr nicht zu weichen,
Dein Antlitz darf, so süß und traut,
Nicht neben ihr erbleichen.
Nicht schöner fiel die Flechte ihr,
Nicht war der blauen Augen Zier
An ihr so schön zu schauen.

Nicht war der Leib so minnig dort,
So rosig nicht die Lippen,
Um jedes süße Liebeswort
Von seinem Quell zu nippen.
So schön war ihre Seele nicht,
Wie sie aus deinen Augen bricht,
Aus ihren Sternen leuchtet.

Und ob ich auch kein König bin,
Ein schlichter Sänger blieben,
Nicht minder köstlicher Gewinn
Ward mir in deinem Lieben.
Und Judas König neid' ich nicht,
Solang dein Aug' mir Liebe spricht,
Du Fürstin meiner Lieder.
(S. 133-134)
_____



LXV.
Bete, bete, süße Taube,
Beuge dich vor Gott im Staube,
Diene froh dem Herrn der Erde,
Der dir Schönheit gab als Erbe,
Daß dir jegliche Geberde
Frömmigkeit noch höher färbe;
Wenn du mit dem Himmel redest,
Schöner bist du, wenn du betest.

Bete, bete, schöne Seele,
Diene Gott und seinen Schaaren,
Deines Herzens Drang erzähle,
Wolle ganz dich offenbaren.
Wenn dein Stammeln ihn erhoben,
Der mit Reizen dich umwoben,
Als ob du für Welten flehtest;
Reiner bist du, wenn du betest.

Bete, bete, meine Liebe!
Ob mich Wehmut auch vernichtet,
Wenn dein Blick mit heim'schem Triebe
Sich hinauf zum Vater richtet,
Gleich als ob schon höhre Sphären
Dich als Bürgerin verehren,
Himmelslust dich schon umwehte:
Himmlisch bist du im Gebete.
(S. 135)
_____



LXVI.
Zürne nicht, wenn meine Lippe
Andern Frauen schönes kündet,
Nur mein Auge weilt bei jenen,
Aber auf der Sehnsucht Schwingen
Schweift mein Geist in deine Nähe.

Wenn ich Andrer Reize lobe,
Ist es, weil ich dein gedenke,
Weil ich einen Hauch der Schönheit,
Eine Blume dort entdecke
Von dem Kranze, der dich schmücket.
(S. 136)
_____



LXVII.
Trockne nicht die holden Perlen,
Die dein schönes Auge weint,
Trockne nicht das Bild der Rührung,
Das dem Schöpfer dich vereint.
Soll der Schönheit stolzes Weben
Deinem Blick Vollendung leihn,
Muß dich süßes Leid durchbeben,
Dir im Aug' die Thräne sein.

Ob dein Mund in goldnen Worten
Alles hohe mir erschließt,
Aus der Rührung Perlenpforten
Sich dein reiches Herz ergießt.
Täuschung lächelt in den Zügen,
Auf die Lippen schleicht der Spott,
Doch die Thräne kann nicht lügen,
Denn die Thräne kommt von Gott.
(S. 136-137)
_____



LXVIII.
Allen bist du
Mild und gütig,
Und dein Busen
Hegt nur Liebe
Allen Wesen.

Selbst der Vogel
Freut sich deines
Holden Schutzes,
Deiner Milde
Dankt er Nahrung,
Dankt er Leben.

Deine Augen
Sind die Quelle
Ew'ger Güte,
Tausend Wesen
Drin zu laben.
Nur dem Dichter,
Nur dem Liebsten
Stehst du lieblos
Gegenüber,
Seine stille,
Heiße Liebe,
Du erwiederst
Sie mit kalter
Höf'scher Sitte.
(S. 137-138)
_____



LXIX.
Es fürchte das Zürnen der Götter,
Wer Dichtern zufüget ein Leid,
Des Sanges verwegener Spötter
Wird selber dem Spotte geweiht.

Wenn zu dir der Sänger sich wendet,
In Liedern um Liebe zu flehn,
Die Brust, die Gesänge dir spendet,
Soll nicht durch Verachtung vergehn.

Süß ist es mit Göttern zu glühen
Für Dichter in himmlischer Hut,
Er macht dich in Liedern erblühen,
Erwiederst du Lieben und Glut.
(S. 138)
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LXX.
Selig sind die Blumen,
Wenn dein Arm sie bricht,
Wenn dein Rosenfinger
Sie zum Strauße flicht.

Dürfen mit dir theilen
Leid und jede Lust,
Dürfen selig ruhen
Dir an süßer Brust.

Dürfen wonnig träumen
An geweihter Stell',
Dürfen sich berauschen
In der Schönheit Quell.

Dürfen in das holde
Blaue Aug' dir sehn,
Dürfen liebeselig
Vor dir untergehn.

Dürfen welkend sagen,
Wie sie dich geliebt,
Bis ihr Blütenleben
In das Nichts zerstiebt.
(S. 139)
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LXXI.
Klaget nicht die Schaar der Liebe
Irrer Glaubensleerheit an,
In dem Schutze aller Götter
Ziehn Geliebte ihre Bahn.

Nicht an einem Gott genüget,
Nicht an einer schönen Welt,
Tausend Götter kennt die Liebe,
Eine zweite, höhre Welt.

Und zu jeder Nymphe betet,
Jedem Genius opfert sie,
Und vor allen Heiligtümern
Beugt sie freudig Herz und Knie.

Aus dem goldnen Licht der Sterne
Ihr der Stral der Wahrheit quillt,
In der Schönheit einer Blume
Sieht sie Gottes Ebenbild.

Und aus allem, was da lebet,
Gottes Odem sie umweht,
Und es ist ihr Erdenwallen
Nur ein einziges Gebet.
(S. 140)
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LXXII.
Die Nächte, sie lassen
Nicht einsam mich sein,
Bin ich auch verlassen,
Ich bin nicht allein.

Zur Seite mir wallet
Dein Bildniß so traut,
Zum Ohre mir schallet
Dein Grüßen so laut.

So bist du der Träume
Willkommene Zier,
Bevölkerst die Räume
Der Einsamkeit mir.

Nicht bin ich in Nächten
Und Schauern allein,
Es wird ja zur Rechten
Dein Bildniß mir sein.
(S. 141)
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LXXIII.
Du willst, daß ich dich fliehe,
Mein Lieb, ich kann es nicht,
Ich muß dich sehn und lieben,
Bis mir das Auge bricht.

Verwehrst du einer Rose
Zur Sonne aufzusehn,
Sie wird beraubt des Lichtes
In ew'ger Nacht vergehn.

Und wehrst du ihr zu kosen
Mit Stral und Thau und Luft,
Du gräbst der Jugendschönen
Die allzufrühe Gruft.

So saugt aus deinen Augen
Mein Busen Kraft und Licht,
So schäumt mir hohes Leben
Aus deinem Angesicht.

Und sollt' ich mich verbannen,
Und sollt' ich von dir fliehn,
Es welkte gleich der Blume
Mein Leben vor dir hin.
(S. 141-142)
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LXXIV.
Wenn mein Leben
Einst verlischt,
Noch im toten
Angesicht,
Wirst du eine
Kunde lesen,
Wie ich ewig
Treu gewesen;
Noch im toten
Blick geschrieben
Steht mein ewig
Feurig Lieben.
(S. 142-143)
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LXXV.
Dir, mein Juda, Preis vor allen,
Allen Völkern in der Welt,
Ew'gen Ruhmes Hymnen schallen
Dir, soweit der Tag sich hellt.
In der Schönheit deiner Frauen
Ward der höchste Kranz dein eigen,
Noch in Fesseln magst du schauen
Eine Erde sich dir neigen.

Mag dein Leib in Schande modern,
Salems Feste ruhn im Staube,
Der Vernichtung Flammenlodern
Fiel die Schönheit nicht zum Raube;
Und die Töchter jener Holden
Aus den hohen Zedernhallen
Stralen noch so süß und golden
In der Locken dunklem Wallen.

Zu der Anmut der Gazelle,
Die verschämt zum Liebsten flieht,
Stralt das Auge noch, das helle,
Das in schönre Welten sieht.
Traulich gleich den keuschen Tauben
Schmiegt sie sich dem Freund zur Seiten,
Läßt den ersten Kuß sich rauben,
Willig gibt sie selbst den zweiten.

Wie Rebecka stieg zur Quelle,
Knecht und Thiere selbst zu laben,
Gleichwie Sara aus der Zelle
Trat, um Engel zu begaben;
Also ziert noch Güt' und Milde
Deine Frauen dir zur Wonne,
Ob auf Salems Prachtgefilde,
Ob sie blühn in nord'scher Sonne.

Volk, dem solcher Schönheit Same
Blühet im geschmähten Schoos,
Nicht dem Fluch gehört dein Name,
Nicht Verwerfung ward dein Loos;
Wirf des Feindes stolze Lüge
Ihm ins freche Angesicht,
In der Frauen Himmelszüge
Schrieb ein Gott dein Weltgericht.
(S. 143-144)
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LXXVI.
Du brauchst der Schönsten nicht zu weichen,
Der holden Griechin Helena,
Ob sie in Ilions fernen Reichen
Myriaden für sich kämpfen sah.

Mehr als ihr Ruhm gilt mir der deine,
Durch dich wird Juda neu geehrt,
Da Tausend bluten für die Eine
Und ihr Besitz ein Reich verheert.
(S. 145)
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LXXVII.
In das goldne Weltenalter,
Das im Glanz der Dichtung lebt,
In das Reich der schlichten Sitte
Führt dich auf der Liebe Schwingen,
Süße Herrin, mein Gedicht.

An der Pforte wirst empfangen
Du von ewig jungen Schaaren,
Götter heißen dich willkommen,
Nymphen grüßen dich als Schwester,
Streifen dir das Kleid der Mode
Von der eingezwängten Schulter,
Daß der Unschuld weiße Flöre
Leicht den Busen nur umhüllen,
Daß der Rosenkranz der Liebe
Nur des Hauptes Zierde sei.

Eine Hirtin sollst du werden
Und auf schöneren Gefilden
Wandeln in beglückter Reinheit,
Und ich darf zum Lohn der Treue
Mit dir unter Blumen wandeln,
Darf dein Freund und Schäfer sein.
(S. 145-146)
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LXXVIII.
Und muß es einst gestorben sein,
So sei's an deiner Brust,
So soll der letzten Sonne Schein
Mir leihen letzte Lust.

So darf ich halb des Grabes Raub
Ins blaue Aug' dir sehn,
Ich darf, bevor ich werde Staub,
Dir ew'ge Lieb' gestehn.

Und soll mir Grab und Denkmal stehn,
Dein Busen soll es sein,
Dein Blick soll mich dem Auferstehn
Und schönerm Leben weihn.
(S. 146)
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Aus: Gedichte von Heinrich Zirndorf
Leipzig Arnoldische Buchhandlung 1860
 

 

Biographie:

Zirndorf, Heinrich, wurde am 7. Mai 1829 zu Fürth in Bayern von israelitischen Eltern geboren. Er erhielt eine sorgfältige Erziehung in einem Privatinstitut und durch Privatlehrer und ward anfänglich für den Handelsstand bestimmt, arbeitete auch wirklich mehrere Jahre in einem Comptoir seiner Vaterstadt. Durch das frühzeitige Studium der deutschen und englischen klassischen Literatur ward er für die höheren Studien gewonnen und begab sich in seinem 19. Jahre nach München, wo er bis zum Frühjahr 1855 seiner geistigen Ausbildung an der dortigen Hochschule oblag. Durch die Vorträge Thiersch's, Lasaulx', Prantl's u. a. ward er für eine geistvolle Auffassung des klassischen Alterthums gewonnen, während die Vorträge Hanebergs ihm die Wissenschaft und geistige Welt des Orients erschlossen. Von 1855 bis 1857 weilte Zirndorf in Wien, wo ihm ein Schulämtchen bei der israelitischen Gemeinde Muße genug ließ, seinen literarischen und poetischen Beschäftigungen zu leben. Hier entstand auch die Tragödie "Kassandra", wozu er den Stoff und Plan aus München mitgebracht hatte. Im Jahre 1857 wurde Zirndorf als Prediger und Direktor der Schule einer jüdischen Gemeinde Oberungarns berufen, löste aber schon 1858 die dortigen unerquicklichen Verhältnisse und unternahm eine größere Reise durch Oesterreich und Deutschland. In Frankfurt, wo er sich 1859 niederließ, widmete er sich ausschließlich literarischen Beschäftigungen und hielt vielbesuchte Vorlesungen über die deutsche Literatur der Gegenwart. Im Herbste 1860 folgte er dem Rufe als Erzieher nach England und hat er dort fast 13 Jahre als thätiger Schulmann und politischer Schriftsteller gelebt. Im April 1873 ward er einstimmig zum Direktor des israelitischen Lehrerseminars zu Münster ernannt, welches Amt er bis 1876 verwaltete. Im Herbste d. J. folgte er einem höchst ehrenvollen Rufe als Rabbiner an die Gemeinde von Detroit (Michigan) in Nordamerika, wo er sich acht Jahre lang als gefeierter, geistvoller Redner, sowie als praktischer Philosoph in einer Weise bewährte, daß sich sein Name schnell in dem weiten amerikanischen Staatenkomplexe einbürgerte. In den angenehmsten Verhältnissen lebend, verstand er es, sein Haus zum Mittelpunkt der gebildeten Gesellschaft aller Bekenntnisse zu machen und Reisende von Distinktion (Bodenstedt, Robert v. Schlaginweit u.a.) gingen nie an seiner Schwelle vorüber. Im Herbste 1884 wurde Zirndorf als Professor der jüdischen Geschichte und Literatur an das in Cincinnati bestehende einzige Rabbinerseminar Amerikas berufen und wirkt er seit dem 1. September 1884 in dieser Stadt.
Schriften:
Kassandra (Trauerspiel) 1856;
Gedichte 1860;
Isaak Markus Jost und seine Freunde (Zur Kulturgeschichte der Gegenwart) 1886
Aus: Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Bearbeitet von Franz Brümmer
Sechste völlig neu bearbeitete und stark vermehrte Auflage
Achter Band Leipzig 1913 Druck und Verlag von Philipp Reclam jun.


 

 


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