Vincenz Zusner (1803-1874) - Liebesgedichte

 


Vincenz Zusner
(1803-1874)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 



Keusche Liebe

Die leichte weiße Wolke flog
Am blauen Himmelsdach,
Der Sonne, die nach Westen zog,
Mit stiller Sehnsucht nach.

Doch kam sie auf dem Wanderzug
Der Sonne nie zu nah,
Der Keuschen war es schon genug,
Wenn sie ihr Antlitz sah.

Sie sonnte sich an ihrem Blick
In stiller Seligkeit,
Und hielt es schon für's höchste Glück,
Wenn sie ihr Gruß erfreut.

Doch als die Sonne Abschied nahm,
Und einen Kuß ihr bot,
Da war die Wolke heiß vor Scham,
Und glühte feuerroth.
(S. 3)
_____



Fragen

Erblickt mein sehnend Auge Dich,
Da pocht mein Herz so wunderlich,
Als rührt' es leis' ein Zauberhauch.
- Pocht Deines auch?

Wenn dann mein Blick in Dich versinkt
Und stille Lust aus Deinem trinkt,
Da werd' ich stets so sanft und froh.
- Wirst Du auch so?

Ein Händedruck von Dir allein
Dringt schon in's tiefste Leben ein,
Mir ist's, als kocht' das Blut in mir.
- Wie ist's denn Dir?

Und wenn Dich dann mein Arm umschließt,
Und Mund an Mund gefesselt ist,
Denk' ich, ich flieg' dem Himmel zu.
- Was denkst denn Du?

Und scheiden wir, umgaukelt mild
Mich fern von Dir Dein liebes Bild,
Mit Sehnsucht denk' ich immer Dein.
- Denkst Du auch mein?

Schließt endlich zur ersehnten Ruh'
der Schlummer mir die Augen zu,
dann seh' ich Dich im Traumgesicht.
- Siehst Du mich nicht?
(S. 7-8)
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Das Mädchen an den Rosenstock

So manches Mal erfrischt' ich dich
Mit kühler Quellenfluth,
Und schützte dich vor Sonnenstich
Und vor des Sturmes Wuth.

Nun ist der frohe Tag erwacht,
Wo sich dein Kelch erschließt,
Und wo die Gluth der Farbenpracht
Die Blüthen übergießt.

Doch dieser Blüthen feurig Glüh'n,
Das dankst du mir allein,
D'rum sollst du jetzt für mein Bemüh'n
Auch mir gefällig sein.

Du sollst an jenem Fenster steh'n,
Wo er erscheinen muß,
Und siehst du ihn vorübergeh'n,
So nick' ihm deinen Gruß.

Wenn dann auf dir sein Auge ruht,
Und wonnig überfließt,
So deut' ihm durch die Farbengluth,
Was meine Brust verschließt! -
(S. 11)
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Das Echo

Ein Mädchen weint im Waldesgrund,
Und ruft durch's Dämmerlicht:
"Mein armes Herz, von Liebe wund,
Genest's auf Erden nicht?" -
Und 's Echo spricht:
"- Auf Erden nicht!"

"So hätt' ich denn umsonst gehofft,
Gelitten und gewagt?
Mein nasses Auge hätt' so oft
Den Schmerz umsonst geklagt?" -
Und 's Echo sagt:
"- Umsonst geklagt!"

"Ich hätt' umsonst hinausgeblickt,
Von wo der Trost uns strahlt?
Und dieses Herz, vom Leid gedrückt,
Genest nur wenn es kalt?"
Und 's Echo schallt:
"- Nur wenn es kalt!"

"Wohlan! so klag' ich meinen Schmerz
Allein der Waldeskluft!
Und heilt mir nichts das kranke Herz,
So heilt's die kühle Gruft!" -
Und 's Echo ruft:
"- Die kühle Gruft!"
(S. 16)
_____



Denkst du noch daran?

Ich weilte jüngst an jener Stelle,
Wo wir Dein Bild im Bache sah'n,
Da murmelte zu mir die Welle,
Als rief es: denkst du noch daran?

D'rauf hört' ich munt're Lerchenlieder
Am wohlbekannten Wiesenplan,
Und in den Tönen klang es wieder,
Als rief es: denkst du noch daran?

Und wo ich hingeseh'n im Thale,
Da lächelte Dein Bild mich an,
Die trauten Plätzchen winkten alle,
Und riefen: denkst du noch daran?

Der milde Strahl der Abendröthe,
Er mahnte an Dein liebend Nah'n,
Und in dem Schall der Hirtenflöte
Da rief es: denkst du noch daran?

Und - denkst du noch daran? - so blicken
Mich Flur und Hügel fragend an,
Die Blumen, die mir lächelnd nicken,
Sie rufen: denkst du noch daran?
(S. 21)
_____



Wünsche

Wenn mein Herz ein Täubchen wär',
Möcht' es Dir an's Fenster fliegen,
Sich in Deine Arme schmiegen,
Und sich schaukeln hin und her,
Wenn mein Herz ein Täubchen wär'.

Wär' mein Herz ein Frühlingshauch,
Möcht' es Dir die Wangen kühlen,
Mit den weichen Locken spielen,
Und Dich manchmal küssen auch,
Wär' mein Herz ein Frühlingshauch.

Wär' mein Herz ein Wiesenquell,
Möcht' es Dir zum Spiegel dienen,
Und Dein Bild, das strahlte d'rinnen,
Wie im Leben, rein und hell,
Wär' mein Herz ein Wiesenquell.

Wär' mein Herz ein Flötenlaut,
Möcht' es Dir im Schlummer tönen,
Deine Träume zu verschönen,
Alle Nächte süß und traut,
Wär' mein Herz ein Flötenlaut.

Wär' mein Herz ein Sternenlicht,
Möcht' es Trost Dir niederleuchten,
Wenn Dein Aug' die Thränen feuchten,
Und der Gram die Hoffnung bricht,
Wär' mein Herz ein Sternenlicht.

Wär' mein Herz ein Leichenstein,
Möcht' es still zum Himmel ragen,
Und die Grabschrift würde sagen:
"Auch dort oben bleib' ich Dein!"
Wär' mein Herz ein Leichenstein.
(S. 24-25)
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Das Licht am Fenster

"Nimm den Ring noch, eh' wir scheiden,"
- Sprach die Holde ernst und still, -
"Deinen Anblick muß ich meiden,
Weil's der Vater haben will."

"Doch mein Schwur wird nie vergessen,
Meine Liebe nie vergeh'n,
Und Du wirst zum Zeichen dessen
Nachts ein Licht am Fenster seh'n."

"Wenn des Tages Strahlen weichen,
Zeig' ich Dir in jeder Nacht
Durch dieß helle Liebeszeichen,
Daß ich sehnend Dein gedacht." -

D'rauf vergingen Tage, Wochen,
Endlich wich ein halbes Jahr,
Aber was sie mir versprochen,
Stellte treulich stets sich dar.

Wenn des Tages letzter Schimmer
An dem Abendhimmel schwand,
Sah ich bei der Theuren immer,
Wie das Licht am Fenster stand.

Und im süßen Liebesdrange
Blickt' ich immer gar so gern
Nach dem Lichte stundenlange,
Gott, es war mein Abendstern!

Aber eines Abends brannten
Drüben Lichter ohne Zahl,
Und es riefen die Bekannten:
"Dort ist wohl ein Hochzeitsmahl!"

""Also hat sie sich ergeben
Nach so kurzem Zeitenraum!
Fahr' denn hin, geliebtes Leben,
Lebe wohl, du schöner Traum!"" -

Und am Tage nach dem Feste
Blieb ich lang am Hause steh'n,
Um vielleicht die Hochzeitsgäste
Und den Glücklichen zu seh'n.

Gäste kamen wohl gegangen,
Doch gehüllt in Trauerflor,
Und die Leiche, schwarz behangen,
Trug man langsam durch das Thor. -
(S. 27-28)
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Ihre Augen

Ich kenn' ein Auge, dessen Strahl
Mir tief zur Seele dringt,
Und dessen Feuer jedes Mal
Mein Herz zum Pochen bringt.

D'rum faßt' ich auch den Vorsatz fest,
Den bösen Blick zu flieh'n,
Und so der Ruhe letzten Rest
Den Flammen zu entzieh'n.

Allein so fest der Vorsatz war,
So hält er doch nicht an:
Ich blick' in's dunkle Augenpaar
So oft ich immer kann.

Ich mag dem Drang nicht widersteh'n,
Und pocht mir gleich das Herz,
Denn es ist doch, so recht beseh'n,
Ein gar zu süßer Schmerz.
(S. 42)
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Süße Erinnerung

Noch immer denk' ich an die Zeit,
Wo mir in stiller Seligkeit
Des Lebens schönster Tag verrann -
Du weißt ja wann!

Wo mich, entfernt vom Stadtgewühl,
Im Buchenwäldchen traut und kühl,
Die böse Schaar der Lauscher floh -
Du weißt ja wo!

Wo ich, versenkt in süße Lust,
Von Welt und Menschen nichts gewußt,
Und nur das Eine nicht vergaß -
Du weißt ja was!

Wo mir das liebende Geschick
In einem trunknen Augenblick
Den Vorgeschmack des Himmels lieh -
Du weißt ja wie!
(S. 45)
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Blume und Herz

Wie ängstlich auch die Blumen zittern,
Erbraust ein Sturm in ihrem Flor,
So duften sie nach Ungewittern
Doch süßer noch als je zuvor.

Verscheucht darum die bangen Klagen,
Wenn Eure Brust ein Leid erfüllt!
Ein Herz kann nie so wonnig schlagen,
Wenn seinen Kelch kein Sturm durchwühlt.
(S. 50)
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Im trüben Wetter

Das Wetter war so kalt und naß,
Als ich bei ihr im Wagen saß;
Doch sonderbar! an ihrem Arm,
Da blieb es immer schön und warm.

Ein zarter Druck von ihrer Hand,
Der machte, daß die Kälte schwand;
Und war der Nebel noch so feucht,
Ihn hat des Kusses Glut verscheucht.

Und hat der Wolken graue Nacht
Den Himmel noch so trüb gemacht,
Ich blickt' ihr nur in's Aug' hinein,
Da war es immer Sonnenschein.
(S. 51)
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Unser Häuschen

Ich möchte gern ein Häuschen bauen,
Für Dich und mich allein;
Bei diesem müßte das Vertrauen
Der starke Grundstein sein.

Darüber wollt' ich eine Mauer
Aus echter Treue zieh'n,
Damit sie noch von fester Dauer,
Wenn Reiz und Jugend flieh'n.

Als Dach darüber möcht' ich breiten
Auf Gott die Zuversicht,
Damit 's uns nicht in trüben Zeiten
An Kraft und Muth gebricht.

Und daß es nicht der kleinsten Stelle
An Ruh' und Frieden fehlt,
So würde sorgsam Thür und Schwelle
Aus Eintracht hergestellt.

Der Fenster Gitter wollt' ich winden
Aus Duft und Frühlingsgrün,
Und Freudenrosen mitverbinden,
Die selbst im Winter blüh'n.

Und daß sich noch die Aussicht lichtet,
Wenn unser Abend graut,
Wär' jedes Fenster so gerichtet,
Daß es zum Himmel schaut.

So wohnten wir in diesen Räumen
Geschützt für jede Zeit,
Und rings umlacht von Liebesträumen,
In stiller Seligkeit.

Die Arbeit möcht' uns Morgens wecken,
Der Fleiß von Noth befrei'n,
Genügsamkeit das Tischchen decken,
Der Frohsinn Mundschenk sein.

Nach Ueberfluß und Prunk zu streben
Gefiel uns Beiden nicht;
Wir lebten unser trautes Leben
Im Häuschen still und schlicht.

Und winkten mir aus gold'ner Weite
Auch Ruhm und Schätze zu,
Verlacht' ich sie an Deiner Seite,
Du liebe Seele Du!
(S. 62-63)
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Der trübe Mond

Der Mond ist trüb: - mein Mädchen weint!
Denn scheidend rief sie mir:
"So oft sein Licht am Himmel scheint,
So fliegt mein Herz zu Dir."

"Wenn nach des Tages trübem Lauf
Des Lebens Sorgen ruh'n,
So blick' Du nur zu ihm hinauf,
Ich will dasselbe thun."

"Und unsre Blicke, gar so weit
Getrennt durch Berg und Thal,
Sie treffen sich zu gleicher Zeit
Im Monde jedesmal!" -

So hat sie mit der Trennungspein
Den Hoffnungsstrahl vereint,
Daß wir uns näher werden sein,
So oft der Mond erscheint.

Und da er heut die Nacht durchzieht,
So blickt sie auch empor,
Doch weil er sie in Thränen sieht,
Hängt er den Schleier vor.
(S. 71)
_____



Am Bache

Beneidenswerthe Welle,
Die nach dem Land sich lenkt,
Wo eine treue Seele
In Sehnsucht meiner denkt!

Wie schickt' ich in die Ferne,
Wohin dein Lauf entflieht,
Der Theuren gar so gerne
Ein Pfand der Liebe mit!

Und als ich sinnend prüfe,
Was sie erfreuen kann,
Da blickt aus deiner Tiefe
Mein eignes Bild mich an.

So magst du dieses zeigen,
Wenn du ihr plaudernd nah'st,
Doch mußt du nicht verschweigen,
Daß du mich weinen sah'st! -
(S. 72)
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Malers Liebchen

Ihre reizende Gestalt
Hab' ich schlafend mir gemalt,
Und die Züge lieb und mild
Legt' ich treu in's zarte Bild.

Prüfend sprach ein Kenner zwar:
"Schade doch um's Augenpaar!
Mit des Blickes holdem Schein
Möcht' das Bild noch schöner sein."

Schöner wär's, das geb' ich zu,
Doch das Malen fordert Ruh',
Und um Ruhe wär's gescheh'n,
Hätt' ich ihr in's Aug' geseh'n.

Darum hab' ich die Gestalt
Lieber schlafend mir gemalt,
Treffen konnt' ich ihr Gesicht,
Aber ihre Augen nicht.
(S. 77)
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Das Mädchen und die Zigeunerin

Der Alten klagt ein Mädchen still,
Daß ihr das Herz zerspringen will,
Und daß ein Drang, ganz unerhört,
Ihr Tag und Nacht den Frieden stört.

Mit klugem Wort und weisem Sinn
Erwiedert die Zigeunerin:
"Dich kann von dieser schweren Pein
Nur eines Jünglings Kleid befrei'n."

"Schling' dessen Aermel sanft und lind
Um Deinen Hals, mein schönes Kind!
Doch hilft der Aermel nicht allein,
Es muß sein Arm auch d'rinnen sein."
(S. 78)
_____



Kurz vor'm Scheiden

Du mußt nicht so zärtlich schauen,
Mußt nicht gar so herzlich sein,
Denn mich faßt ein stilles Grauen,
Fällt mir da die Trennung ein.

Soll mein Herz nicht vollends brechen,
Und im Scheiden nicht vergeh'n,
Laß' mich Launen oder Schwächen
Statt dem sanften Wesen seh'n.

Einen Fehler laß' mich wissen,
Sei es auch aus bloßer List;
Ach, wie kann ich Dich denn missen,
Wenn Du wie ein Engel bist!
(S. 81)
_____



Vielleicht

Vielleicht hab' ich zum letzten Mal
Sie an die Brust gepreßt;
Vielleicht verzehrt die Trennungsqual
Des Lebens kurzen Rest.

Vielleicht war dieß der letzte Kuß,
Den sie mir scheidend gab;
Vielleicht gelangt ihr nächster Gruß
Schon an des Freundes Grab.

Vielleicht! vielleicht! - die tiefste Qual
Liegt in dem kurzen Wort,
Das, wie ein giftgetränkter Stahl,
Die Seele mir durchbohrt.

Vielleicht, - - und soll's auch wirklich sein,
Daß mich der Tod erreicht,
So wart' ich, Theure! jenseits Dein,
Dort jammert kein Vielleicht!
(S. 82)
_____



Die Antwort

Ob ich Deiner noch gedenke,
Fragt besorgt Dein letzter Brief?
Theures Wesen! quäl' und kränke
Meine Seele nicht so tief! -

Wie die Schwalben schnell sich flüchten,
Wenn die Flur im Frost erstarrt,
Und den Flug nach Süden richten,
Wo auf sie der Frühling harr't;

Wie des Berges klare Wellen
Aus den dunklen Schluchten flieh'n,
Und entzückt zu Blumenstellen
Nach den fernen Auen zieh'n:

Also eilig zieh'n und schweben
Meine Träume ohne Ruh',
Aus dem kalten, dunklen Leben,
Deiner lieben Heimath zu.

Dorthin eilen, ohne Schranken,
Alle Wünsche meiner Brust,
Meine Bilder und Gedanken
Flieh'n dahin mit stiller Lust.

Dorthin strömen die Gefühle
Meines Herzens für und für;
Wo ich bin, ist nur die Hülle,
Meine Seele ist bei Dir!
(S. 83-84)
_____



Die Briefe

Deine Briefe, mir so theuer,
Uebergab ich heut' dem Feuer,
Daß die Menschen nie erfahren
Was wir uns auf Erden waren.

Schweigend sah ich in den Gluthen
Deine theuren Zeilen bluten,
Und mit ihren Träumen allen
Nach und nach in Staub zerfallen.

Doch der Flamme leises Knistern
Schien mir heimlich zuzuflüstern:
"Dieser Blätter stumme Klagen
Will ich still nach Oben tragen."

"Dort der Himmel soll es wissen,
Wie man euer Glück zerrissen,
Und für eure herben Zähren
Wird er einst Ersatz gewähren."
(S. 99)
_____



Lieder des Dor Preschern
(Aus dem Krainischen)
[France Preseren 1800-1849]

I.
Der Tochter Rath
Hin zum Fenster seiner Lieben
Schleicht der Jüngling manche Nacht,
Und sie plaudern scherzend drüben,
Bis der junge Tag erwacht.

Doch dies Treiben im Geheimen
Zeigt man bald dem Vater an,
Und zur Tochter, ohne Säumen,
Spricht erzürnt der alte Mann:

"Wirst Du nicht das Tändeln lassen,
Das man mir verrathen hat,
Und zur Nacht am Fenster passen,
Bis der Liebste schleichend naht."

"Laß' ich eine Mauer bauen
Um das Haus am nächsten Tag,
Und der Junge soll dann schauen,
Wie er d'rüber steigen mag."

"Unsern Sultan laß' ich bellen
Um die Wohnung jede Nacht,
Und der Magd will ich befehlen,
Daß sie sorgsam Dich bewacht."

""Vater, das wird wenig nützen,""
- Spricht die Tochter, zart erglüh't, -
""Für die Mauer, mich zu schützen,
Bringt er eine Leiter mit.""

""Unsern Sultan wird er kirren,
Wenn er ihm ein Bröckchen reicht,
Und die alte Magd verführen
Seine Thaler gar zu leicht.""

""Laßt Euch lieber besser rathen:
Gebt dem Theuren mich in's Haus,
Und vereinigt uns als Gatten,
Dann ist all' das Schleichen aus.""


II.
Der Schiffer
Leb' wohl, Du Ungetreue!
Zu Schiffe ruft auf's neue
Mich der Kanonenhall;
Bleib' glücklich hier zu Lande,
Mein Hoffen stieß vom Strande,
Seit man Dein Herz mir stahl.

Zu Gott hab' ich geschworen,
Daß ewig unverloren
Mein Herz Dir bleiben soll;
Bei unsrem Händereichen
Gelobtest Du desgleichen
Der Treue heil'gen Zoll.

Ich bin durch Meereswogen
Zu Städten hingezogen,
Wo holde Mädchen blüh'n,
Doch trotz den Engelsmienen
Sah keine mich von ihnen
Für ihren Reiz erglüh'n.

Die Segel sah ich spannen,
Das Schifflein flog von dannen,
Zur Heimath zog ich ein;
Du warst als Weib verbunden -
Was ich dabei empfunden,
Das weiß nur Gott allein!

Zu Schiffe laßt uns eilen,
Die Wogen wieder theilen,
Im hellen, grünen Meer!
Den Wogen darf man trauen,
Auf Mädchenherzen bauen,
Das läßt sich gar so schwer!

Das Meer erschreckt uns nimmer,
Denn allen Hoffnungsschimmer
Begräbt ein Wellenschlag;
Allein der Liebe Wunden,
Die unser Herz empfunden,
Erneuert jeder Tag.

Zu Schiffe geht's auf's neue,
Leb' wohl, Du Ungetreue,
Sei glücklich tausendfach!
Bleib' fröhlich hier zu Lande,
Mein Hoffen stieß vom Strande,
D'rum jag' ich rasch ihm nach.


III.
Befehle
Dich bei Deiner Hand zu fassen,
Hast Du, Holde, untersagt,
Und ich hab' es gelten lassen,
Hab' es niemals mehr gewagt.

Von der Liebe stets zu schweigen,
Forderte Dein strenger Sinn,
Und ich schwieg, um Dir zu zeigen,
Daß ich gern Dir folgsam bin.

Deinem Anblick zu entsagen,
Nicht zu kommen Dir in's Haus,
Hast Du kalt mir aufgetragen,
Und gehorchend blieb ich aus.

Auszuweichen Dir auf Wegen,
Dich zu meiden nah' und fern,
Riefst Du herrisch mir entgegen,
Und auch dies befolgt' ich gern.

Du befahlst, Dich zu vergessen -
Dies allein vermag ich nicht.
Denn es wehrt mein Herz sich dessen,
Darum warte, bis es bricht.


IV.
Motto
aus dem Titelblatte zu Preschern's Poesien
Die Furcht und Hoffnung nährt ich lang,
Dann wies ich beiden ihren Gang,
Das Herz ist leer, ist ohne Glück,
Wünscht Hoffnung sich und Furcht zurück.
(S. 104-109)
_____



Der Morgenstern
Nach dem Krainischen

Am Himmel strahlt in dunkler Nacht
Der Morgenstern in gold'ner Pracht;
Und als ein Mädchen ihn erschaut,
Da ruft die Holde mild und traut:
O hätt' ich dich in meiner Hand,
Du schönster Stern am Himmelsrand!
Da faßt' ich dich als Edelstein
In einen Ring dem Liebsten ein,
Daß ihm der Strahl des Lichtes lacht,
Kommt er zu mir in finst'rer Nacht,
Und daß er hell die Pfade sieht,
Wenn scheidend er von hinnen zieht.
(S. 110)
_____



Sehnsucht

Wo die blauen Berge ragen,
Dort hinüber möcht' ich ziehn,
Und den Lüften möcht' ich sagen:
"Tragt mich in die Ferne hin!"

Wo die Rosenwolken schweben
Ueber's Land im Abendschein,
Dorten muß sich's besser leben,
Schöner muß es d'rüber sein.

Doch ein Lüftchen kommt gegangen,
Und es ruft mir flüsternd zu:
"Jemand trägt auch dort Verlangen
Fortzuschweben, so wie du."

"Jener glaubt: an diesen Orten
Könnt' er froh und glücklich sein.
Du dagegen strebst nach dorten,
Aber Beide trügt der Schein."

"Glaube nicht, daß du das Treiben
Deiner Sehnsucht jemals stillst,
Magst du wandern, magst du bleiben,
Magst du weilen, wo du willst."
(S. 111)
_____



Die Wolke

Das Schicksal will mir's untersagen,
Dir schriftlich meinen Schmerz zu klagen,
D'rum wähl' ich mir zum Liebesbrief
Die Wolke, die im Osten schlief.

Siehst Du sie Früh vom Alpenrücken
Durch's feuchte Grau zur Ferne blicken,
So zeig' sie Dir, daß oft bethaut
Mein Auge auch hinüber schaut.

Siehst Du sie Morgens feurig strahlen,
So soll sie Dir mein Lieben malen,
Das nur von Dir den Strahl erhält,
Und ohne Dich in Nacht zerfällt.

Erhebt die Wolke sich in's Blaue,
So zeig' sie Dir, auf wen ich baue,
Und melde Dir das Tröstungswort:
"Was hier getrennt, vereint sich dort!"

Und muß sie dann, vom Sturm ergriffen,
Durch's weite All verlassen schiffen,
So zeig' sie Dir, vom Himmelsplan,
Mein eigen Loos auf Erden an.

Und weint die Wolke, nachtumfangen,
Weil ihre Sonne heimgegangen,
So zeig' sie Dir zu dieser Frist
Was ohne Dich mein Leben ist.
(S. 114-115)
_____



Getrennt von Dir!

Stets getrennt von Dir zu leben
Zwang mich grausam das Geschick,
Und ich hab' mich d'rein ergeben,
Galt es auch mein schönstes Glück.

Doch getrennt von Dir zu sterben,
Dies zu denken thut mir weh',
Weil ich Armer mein Verderben
Selbst für jenseits d'raus erseh'.

Weil ich an des Lebens Schwelle
Dann den Himmel auch verlier',
Denn es schweb'te meine Seele,
Statt nach oben, hin zu Dir.
(S. 118)
_____



Hast Du mein gedacht?

Hast Du mein gedacht?
Kam auf einsam stillen Wegen
Ein Betrübter Dir entgegen,
Den der Kummer bleich gemacht,
Hast Du da wohl mein gedacht?

Hast Du mein gedacht?
Ward ein Dulder Dir beschrieben,
Dem, getrennt von seinen Lieben,
Weder Trost noch Hoffnung lacht,
Hast Du da wohl mein gedacht?

Hast Du mein gedacht?
Hörtest Du in Klagetönen
Eines Busens banges Stöhnen
Zitternd klingen durch die Nacht,
Hast Du da wohl mein gedacht?

Hast Du mein gedacht?
Wenn man einen Ruhelosen,
Dem zerknickt des Lebens Rosen,
Nach der stillen Gruft gebracht,
Hast Du da wohl mein gedacht?
(S. 123)
_____



Zwei Wünsche

"Zwei Dinge" - sprach sie - "gibt es nur,
Um die ich täglich fleh':
Ein kleines Häuschen auf der Flur,
Und deine liebe Näh'."

Nun liegt sie unterm Rasendach,
In Blumen eingehüllt;
So wurde denn im Grabgemach
Ihr erster Wunsch erfüllt.

Und wenn mir hold der Himmel ist,
Und meine Bitte hört,
So wird ihr wohl in kurzer Frist
Der zweite auch gewährt. -
(S. 140)
_____



Des Mädchens Klage
Nach dem Serbischen

Vernichtet ist mein Lebensglück
Vom harten Zwang der Pflicht;
Da, Jüngling, nimm den Ring zurück,
Mein Vater liebt dich nicht.

Wohl pflanzt' ich mir zum Hochzeitskranz
Im Garten Blumen ein,
Und sah sie schon im Sonnenglanz
Erblühen und gedeihn.

Doch plötzlich fuhr ein Sturm heran,
Die Blumen sanken hin,
Und unverwelkt im Gartenplan
Steht nur der Rosmarin.

Da liegt ein Wink des Schicksals d'rin,
Und zeigt mir deutungsvoll,
Daß nur ein Kranz von Rosmarin
Das Haupt mir schmücken soll.
(S. 143)
_____



Letzte Bitte

Du, die in meinen Liebesqualen
So manchen Trost für mich erdacht,
Laß' einmal nur das Licht noch strahlen
Von Deinem Fenster in der Nacht!

Nur einmal laß' Dich noch erweichen,
Und zeige mir den milden Strahl,
Der mir gelacht als Liebeszeichen,
Durch's Dunkel noch zum letzten Mal!

Ich werde dann, bewegt wie immer,
Vor Deinem lieben Fenster stehn,
Und bei des Lichtes bleichem Schimmer
Die Leiche unsrer Liebe sehn.
(S. 158)
_____



Ein weißes Blatt

Ich trag' ein Buch in meiner Brust,
Worin genau beschrieben,
Was mir bisher an Schmerz und Lust
Der Liebe Saat getrieben.

Auf einem Blatte ist die Zahl
Der Stunden angegeben,
Die mir in heißer Sehnsuchtsqual
Getrübt das heit're Leben.

Das zweite stellt die Wonne dar,
Wenn ich ein Herz gefunden,
Das dritte zeigt wie trüb ich war,
Wenn mir der Wahn entschwunden.

Wie ich geküßt zu tausendmal
Läßt mich ein and'res lesen,
Und eines sagt wie herb die Qual
Der Trennung oft gewesen.

Und eines sagt, wie oft ein Kuß
Zum Himmel mich gehoben,
Und eines sagt, wie am Genuß
Mein Aetherbild zerstoben.

So zeigt das Buch mir Blatt um Blatt,
Wie's mir das Herz durchflutet,
Das bald vor Lust gejubelt hat,
Und bald vor Schmerz geblutet.

Ein Blatt jedoch, woraus ich gern
Ein dauernd Glück geschrieben,
Das einstens mir gelacht von fern,
Das ist noch leer geblieben.
(S. 160-161)
_____


Aus: Gedichte von Vincenz Zusner
Zweite Auflage
Schaffhausen
Verlag der Fr. Hurter'schen Buchhandlung 1858

 


Biographie:

https://www.deutsche-biographie.de/sfz86838.html

 


 

 


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