Anonyme Barockdichter - Liebesgedichte

Neukirch-Sammlung

 


Anonyme Barockdichter
aus der Neukirch-Sammlung

 

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:

 

Die vortrefflichkeit der küsse
An ***

Ach bluhmen schöner art / die deine lippen zieren /
Von rosen will auff dir ein holder purpur blühn /
Mich wil ein heisser trieb zu deinen knospen führen /
Laß mich den bienen gleich nach süsser beute ziehn /
Kein hartes ungestümm soll deine knospen brechen /
Kein scharffer stachel soll die zarten lippen stechen.
Doch so du selber wilst die süsse wohnung bauen /
Laß meine lippen dir an statt des stockes seyn /
Laß mich bald deinen fleiß / o zartes bienchen! schauen /
Komm trag in meinen mund der säffte Necktar ein;
So kan / wenn ich gleich nicht darff deine blüten küssen /
Ein süsser Alicant von deinen lippen flüssen.
(Theil 5 S. 23)
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An Rosilis

1.
Ach! Rosilis / wie würd ich mich betrüben /
Wenn / schönste! nicht mein herz bey dir geblieben;
Der leib ist hier / die sinnen sind bey dir /
Und du mein kind! mein kindgen bist bey mir.

2.
Ich sehe noch den demant deiner strahlen /
Und den Rubin und purpur / so dich mahlen;
Ich spüre noch die balsamirte lufft /
So offt mein mund nach frischem athem rufft.

3.
Ich höre noch die holden Amber-worte /
So ich bekam von deiner purpur-pforte /
Ich schmecke noch den süssen zucker-thau /
So ich genoß auf deiner lippen au.

4.
Ich spüre noch das schmerz-vermengte küssen /
Als ich / mein kind! mich von dir scheiden müssen;
Ich schiede zwar / bin aber noch bey dir /
Und du mein kind! Mein kindgen bist bey mir.
(Theil 3 S. 99-100)
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An Blandinchen

1.
Blandinchen / reiner schwan /
Der nichts / als fromm seyn kan /
Dein heller tugend-schall /
Du schöne nachtigall /
Klingt besser / als Citrinchen /
Blandinchen.

2.
Die lerche mag ich nicht /
Auch sonsten kein gericht /
Wenns gleich das beste wär
Aus Palaestina her /
Als dich / du haselhünchen
Blandinchen.

3.
Blandinchen / gold und geld /
Die schätze dieser welt
Sind spreu nur gegen dir /
Du bleibest meine zier /
Und meiner schätze trünchen
Blandinchen.

4.
Wenn deiner lippen küß /
Ich dann und wann genüß /
So fliest ein zucker-tau
Aus deines herzens-au /
Du honigmachend bienchen
Blandinchen.

5.
Blandinchen / wenn dein licht
Mir scheinet ins gesicht
So spür ich / daß die krafft
Mir starcke regung schafft
Gar biß ins lincke zinchen
Blandinchen.

6.
Blandinchen vor die lust /
So uns allein bewust /
Nimm dieses häubgen an /
Das schenckt dir dein galan
Vor deines krantzes schünchen
Blandinchen.
(Theil 5 S. 90-91)
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Caliste mein licht,
So liebest du nicht,
Wie dir sich mein herze auf ewig verpflicht,
Du bleibest wie stein
Bey jammer und pein,
Und scheinest wie felsen bey flammen zu seyn.

2.
Mein redlicher brand
Ist dir bekannt,
Er qvillet aus deiner bezuckerten hand,
Drum heisse die fluth
Der schmerzlichen glut,
Die von dir geronnen, doch selber auch gut.

3.
Entsteinre dich doch,
Zerreisse mein joch,
Fliehst du mich, ich liebe mein unglück dennoch,
Ich bleibe getreu,
Ich schwer es dir frey,
Steht gleich dein erbarmen mir armen nicht bey.

4.
Mein leben ist hin!
Ach ändre den sinn,
Und dencke doch, daß ich ein schatten schon bin.
Schaff, daß mit der zeit
Mein kummer und leyd
Sich endlich wie nebel durch sonnen zerstreut.
(Theil 4 S. 402-403)
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Er stirbt aus liebe

Climene, meine treue sinnen
Stehn ewig nur allein nach dir,
Laß meine seuffzer dich gewinnen,
Und rück dein auge nicht von mir,
Dein auge, das mich zwar verletzet,
Doch auch durch seinen winck ergötzet.

Ach höre meine schwere klagen,
Und dencke, bin ich gleich nicht schön,
Kan ich nichts von verdiensten sagen,
Läßt sich kein reichthum bey mir sehn;
So schau, mein unverfälscht gemüthe
Verdient vielleicht noch deine güte.

Du würdigtest mich zu entzünden,
Und reichst kein pflaster für den brand,
Wird sie mich nicht der quaal entbinden,
So reich, o tod, mir deine hand,
Und führe meine blasse leiche,
Nach meinem wunsch, zu deinem reiche.

Denn besser ist es, bald gestorben,
Als lange mit verdruß gelebt;
Weil ich nicht deine gunst erworben,
Nach der ich doch so lang gestrebt,
So sey diß auf mein grab geschrieben:
Hieher versetzte mich mein lieben.
(Theil 7 S. 73-74)
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Noch auff dieselben

1.
Deine brüste wollen zeigen /
Daß sie sind wie fels und stein /
Lästu aber mich nauffsteigen /
Brech ich billig arm und bein /
Wenn ich nur wo sie gespalten /
Mich darff nach dem fall‘ anhalten.

2.
Gerne möcht ich mich verirren
Auch in deinem rosen-thal /
Solt‘ ich gleich mein bein verwirren
Im gesträuche tausendmahl /
Aber darff ich dies zu wagen /
In gehängtem pusche jagen.

3.
Ach! ihr lippen im geblütte
Der verliebten eingetaucht!
Führt ihr reizend zu gemütte /
Was ihr zur erquickung braucht /
Wiltu / so will ich / mein leben /
Dir die süsse nahrung geben.
(Theil 4 S. 122)
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An die Solimene

1.
Der himmel blitzt itzund auff meinen scheitel /
Und schmeist mit donner-keilen zu;
Ich leide recht / denn ich war gar zu eitel /
Ich suchte meiner seelen ruh /
In dem / das unruh mir erweckt /
Und seel‘ und leib fast in den brand gesteckt.

2.
Du solst nicht andre neben-götter haben:
Das ist / was das geboth uns lehrt /
Und ich hab Solimene deine gaben /
Die sterblich / fast als Gott verehrt /
Ein halber kuß war mein gewinn /
Davor gab ich den ganzen himmel hin.

3.
Wie offt hab ich durch falschen Wind gesuchet
Bey dir den hafen meiner lust?
Wie offt hab ich auch die minut verfluchet /
Wenn ich dein licht nicht sehen must?
Bißweilen fiel mir dieses ein /
Ich wolt‘ ohn dich nicht bey den sternen seyn.

4.
Zwar kan man dich die andre Venus nennen /
Die rose dieser flüchtigkeit /
Die sonne die den erdkreiß kan verbrennen
Durch strahlen ihrer göttligkeit /
Und einen engel / der so schön /
Daß alle welt vor ihm entzückt muß stehn.

5.
Doch haben engel auch einmahl gefehlet;
Die sonne leidet finsternüß;
Die schönste ros‘ ist mit dem dorn vermählet /
Ihr ambra stärckt / ihr dorn macht riß‘;
Und ob die Venus noch so gleist /
So weiß man doch daß sie ein irrwisch heist.

6.
Drumb werff‘ ich mich noch nicht zu deinen füssen /
Ich bete nur das himmlisch‘ an /
Ich will dir zwar / doch nicht als engel küssen
Wer ist der engel küssen kan?
Wer küsse nimmt hat fleisch und bein:
Du bleibst ein mensch wo du geküst wilst seyn.
(Theil 4 S. 134-135)
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Die schlaffende Schöne

Du arzt der müdigkeit / du meister aller sorgen /
Des kummers ärgster feind / du kind der stillen nacht /
Dich / schlaff / dich mein ich hier / du bleibst biß an den morgen
In Chloris augen ruhn / daß sie nicht eh erwacht /
Als biß mein auge sich an ihr mit lust geweidet:
So bistu / schöner schlaff / der liebenden gewinn /
Und wirst nach billigkeit mit ruhm und lob bekleidet /
Denn also jagest du die noth und trangsal hin.
Du herr der phantasie / befiehl doch deinen träumen /
Den bildern dunckler nacht / daß sich ihr thun bemüh
Diß / was den schlaff verstört / bey seite hier zu räumen /
Damit desselben lauff ja länger sich verzieh.
Ihr träume tränckt den geist mit schönen phantasien /
Kein lustspiel / das galant / muß hier vergessen seyn /
Damit des schlaffes zeit sich länger kan verziehen /
Und durch sein süsses thun auch meinen geist erfreun.
Ach wüste Chloris diß / daß hier mein auge wachte /
Und ihre schönheit seh mit vollen augen an /
Daß hier mein herz in sich vor vielen freuden lachte /
So wärs um meine lust und ihre gunst gethan.
Der athem kühlet hier die rosen-lichten lippen /
Es fällt der sanffte wind auch denen wangen zu
Und stöst an ihre höh als an zwo harte klippen /
Es läst derselb auch selbst den brüsten keine ruh
Und bleht sie immer auff; man siehet dessen spielen
Als wie was schönes an; doch solte meine hand
An dem / was hier zusehn / sich nur ein wenig kühlen /
So wär vom glücke mir das beste zugewand.
Was rath ist hier? soll ich mich etwas unterfangen /
Doch nein / die ehrbarkeit die tritt hier in das spiel /
Mich deucht / sie spricht / wilst du was liebes hier erlangen /
So warte biß dein stand diß darff und Chloris will.
Jedoch es wird zu lang / der himmel könt es schicken /
Daß meine liebe sich verachtet müste schaun /
Was würde mich da nicht vor eine sehnsucht drücken /
Ich müste zeitlich mir mein grabmahl lassen baun.
Die wollust reizet mich / sie zwingt mir fast die hände /
Und führt sie unvermerckt zu jenem paradieß /
Das schöne gränzen hat / die weissen marmel-wände /
Und wo der Adam sich selbst hin verleiten ließ.
Was fang ich hier nun an / dem zwang zu widerstreben
Ist zwar was löbliches / doch allzuschwer vor mich;
Im paradiese kan man nicht ohn fehler leben /
Mit diesem tröst mein geist und kranckes herze sich.
(Theil 5 S. 29-31)
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Er bittet um einen Kuß

Ein mensch / der sterben soll / pflegt offters was zu bitten /
Und man gewehrets ihm / denn dieses ist der brauch /
Nun wird mein leib von dir auch itzund abgeschnitten /
Und bitt um einen kuß / gewehr es ihm doch auch.
Es schadet dir ja nicht / und bringet mir viel frommen /
Die küsse flecken nicht / und wärens tausend gleich /
Ich krieg ein grosses guth und dir wird nichts benommen /
Du wirst davon nicht arm / ich aber werde reich.
Für solche grosse gunst weiß ich dir nichts zu lassen /
Als mein getreues herz / das soll zu pfande seyn /
Und daß ich glauben mag / daß du es nicht wilst hassen /
So schließ dasselbe selbst / mein kind / in deines ein.
Wie wohl wird mir das thun / wenn so mein geist wird wohnen /
In diesem schönen schloß / als wie ein potentat /
Ich nehme nicht dafür der fürsten ihre Krohnen /
Nicht Indien dein gold / nicht Römer! eure stadt.
Auch wird die todesfurcht mir werden ganz benommen /
Die diese trennung sonst mir ärmsten jaget ein /
Doch hört mein letztes wort / sonst muß ich wiederkommen/
Und werd im grabe selbst nicht ruhig können seyn.
(Theil 5 S. 16)
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Vor das Frauenzimmer

1.
Ein weib hat zwar das unglück eingeführt /
Warum die welt muß unauffhörlich büssen /
Und dieses ists / woher die mißgunst rührt /
Daß immer sich die weiber leiden müssen /
Doch nimbt den fall kein kluger zu genau /
Es ist und bleibt was edles eine frau.

2.
Ihr ganz geschlecht‘ ist höher als man meint /
Sind sie gleich all‘ aus Pyrrus steinen kommen /
So ist doch wahr und ewig unverneint /
Das Pallas hat den uhrsprung hergenommen
Aus desses kopf / der in dem heidenthum
Für andern trug des grösten abgotts ruhm.

3.
Man hat offt lang‘ um eine frau gekriegt /
Und über ihr das schönste land verwüstet /
Die götter selbst hat ihre kunst besiegt /
Wie sehr sie sich zum wiederstand gerüstet /
Ein kuß der offt nicht allzusüsse schmeckt /
Hat dennoch viel in glut und brand gesteckt.

4.
Dem frauenvolck ist kein geschöpfe gleich /
Und es verdient allein die grösten ehren /
Dieweil es ist an himmels-gaben reich /
Und lässet uns manch gütig urtheil hören /
Ob wir gleich sehr die Majestät verletzt /
Und ihren preiß dem manns-volck nachgesetzt.

5.
Die weiber sind von schweren straffen frey /
Sie haben nicht den himmel mit gestürmet /
Der unschuld schild steht ihren thaten bey /
Wenn gegen sie der blasse neid sich thürnet /
Lieb und bestand ist bey dem zehnden nicht /
Nur eine frau brennt wie ein ewig licht.

6.
Des mundes milch und ihrer lippen-thau /
Sind sclaven-gifft und fürsten-panaceen
Im sonnen-kreiß glänzt herrlich eine frau /
Europa will in einer frau bestehen /
Der schimpft sich selbst der frauen-volck verletzt /
Daß Götter hoch und Käyser wehrtgeschätzt.
(Theil 4 S. 161-162)
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Die steinerne schönheit

1.
Glänzende strahlen der blitzenden Jugend!
Muster der erden und wunder der welt!
Streue das leuchtende feuer der tugend
Uber dein funckelndes rosen-gezelt /
Tödte dein herze von ertzte von stein /
Wiltu nicht ganz unempfindlich mir seyn.

2.
Läugnestu schöne / nach deinem behagen /
Daß du von steine zusammen gesetzt /
Wälder und felder die werden dir’s sagen /
Wie du mich grausame stündlich verletzt:
Daphnis / Narcissus / die hirten und Pan
Klagen die steinerne härtigkeit an.

3.
Glaube nicht / schönste / daß ich dich wil loben /
Gleichstu gleich Paphos und Iliums pracht;
Wird in den tempeln zu götzen erhoben /
Was aus den schweresten steinen gemacht;
Sind doch die glieder ganz steinern an dir.

4.
Jupiter machte die güldenen haare /
Aber von chrysolith und von magnet:
Dieses ist / schöne die kostbahre waare /
Welche dir nunmehr am besten ansteht;
Chrysopras / Agtstein und gelber Syphir /
Sagen die haare seyn steinern an dir.

5.
Glänzend ist an dir die stirne zu schauen /
Frölich und munter und ohne verdacht /
Aber wer darff dem gesichte vertrauen /
Weil es aus härtestem marmor gemacht;
Kanstu nicht lieben / O süsseste zier!
Glaub‘ es die stirne ist steinern an dir.

6.
Schönste / wie sind doch so niedlich die brüste /
Weiß als albaster mit Türckis durchsetzt /
An dem milchlieblichen liebes-gerüste
Stehen rubinen zufördest gesetzt;
Birgest du aber die berge vor mir /
Ruff‘ ich die brüste sind steinern an dir.

7.
Warum sieht aber dein angesicht dunckel?
Hatt dir die liebe was liebes verletzt?
Hastu nicht augen? Ja zwene Carfunckel /
Wurden für augen ins antlitz gesetzt;
Streustu nicht goldnene strahlen zu mir /
Glaub es die augen sind steinern an dir.

8.
Artlich durchflinckern die rosen die wangen /
Wenn sie durch lachen geziereter seyn /
Aber wenn ich sie will küssend umbfangen /
Sind sie nicht anders alß sardischer stein;
Wiltus noch leugnen mein Engel / vor mir?
Glaub es / die wangen sind steinern an dir.

9.
Zwar in dem purpurnen blute der schnecken /
Sind die verzuckerten lippen genetzt /
Aber es müssen Corallen sie decken /
Weil man sich immer an ihnen verletzt;
Hälstu mir ferner dies muschelwerck für /
Glaub ich die lippen sind steinern an dir.

10.
Summa / die nägel / die finger / die glieder /
Welche bey andern vor göttlich geacht /
Aermchen und beinchen / des angesichts lieder /
Sind von der mutter der perlen gemacht.
Zeigstu nicht / Seelgen / die perlene zier /
Alle die glieder sind steinern an dir.

11.
Andere sagen von demantenen herzen /
Andere setzen noch kiesel dazu /
Ich kan in wahrheit / O herze! nicht scherzen /
Herze / der Donnerstein selber bistu;
Zitterst-und lauffestu Engel vor mir /
Glaub es das herz ist steinern an dir.

12.
Würd‘ es so leichte mit blutte gezwungen /
Wie sich sonst zwingen der diamant läst /
Wären mir längsten die adern gesprungen /
Aber der donnerstein bleibet zu fest /
Daß ich nun sagen muß: steinerne zier /
Alles ist härter als steine bey dir.
(Theil 4 S. 112-116)
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An Libindgen.

1.
Güldenes rosenkind! perlene wangen!
Edelste blume! mein schönstes verlangen!
Deine verrichtung der himmlischen tugend /
Schmücket die güldenen rosen der jugend.

2.
Silberne lilgen-brust! lasse dich küssen /
Niedliches leibgen! komm laß dich umbschliessen /
Deinen narcissen-weis-seidenen händen /
Wil ich mich immer und ewig verpfänden.

3.
Milcherne wangen! was wolt ihr euch schämen!
Meine verliebete lippen zu nehmen /
Alle bey einerley Sonn‘ aufgegangen.

4.
Laß uns denn küssen / dieweil wir noch blühen /
Eh uns die rosen der wangen wegziehen;
Wenn uns das alter die blumen wird nehmen /
Wird sich kein mäulgen zum küssen bequemen.

5.
Schau wie die beyden narcissen dort stehen /
Gleich wie sie wolten zur stunde vergehen;
Ja auch der rosenknopff wil sich verschliessen /
Laß mich / ich wil ihn mit wasser begiessen.

6.
Nun mein Libindgen / mein einzigs verlangen /
Laß mich doch deinen mund küssend umbfangen /
Wird nur dein mäulgen mich itzund durchsüssen /
Wil ich dich tausendmal wiederumb küssen.
(Theil 4 S. 116-117)
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Aria

Himmel! was vor bittrigkeit
Heget doch die süsse liebe!
Heute helle / morgen trübe
Ist ihr bestes ehren-kleid.
Himmel / was vor bittrigkeit
Heget doch die süsse liebe!
(Theil 5 S. 83)
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An eine Freundin

1.
Ich weiß von keiner andern lust,
Als wenn mich deine hand berühret,
Und durch die fetten büsche führet,
Denn schwillet mir die warme brust.
Ich weiß von keiner andern lust.

2.
Bring mich in das gelobte land,
Wo milch- und honigs-bäche fliessen,
So das erhitzte feld begiessen.
Mich drückt Ägyptens marter-stand,
Bring mich in das gelobte land.

3.
Treib nur dein muntres schiffgen her.
Der abgrund soll uns nicht verschlingen,
Und will uns eine gluth bezwingen,
Zerschlägt mein stab das rothe meer,
Treib nur dein muntres schiffgen her.

4.
Es schaden uns die wellen nicht,
Laß sie nur muthig auf uns spritzen;
Denn unter schlossen, knall und blitzen
Bleibt doch der himmel unser licht;
Es schaden uns die wellen nicht.

5.
Auf deiner see brüllt kein orcan,
Wer sich auf ihren schaum gewaget,
Den hat noch kein verdruß geplaget,
Es kömmt ihn neue regung an.
Auf deiner see brüllt kein orcan.

6.
Es ist auf allen seiten still.
Drum soll in den verführten fluthen
Mein herz auf deinem schooß verbluthen,
Bis ihm der muth zerfliessen will,
Es ist auf allen seiten still.

7.
Komm, schönste, komm und schiff mich ein!
Ich seh das milch-meer deiner brüste,
Wenn ich mich nichts befürchten müste,
Ich würde schon im hafen seyn.
Komm, schönste komm und schiff mich ein.
(Theil 4 S. 398-399)
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1.
Ihr auen / bäch und püsche /
Du stille felder-ruh /
Und auch ihr stummen fische /
Hört meiner freude zu.

2.
Ich saß vor wenig tagen
Bey meiner Cynthia /
Was ich nur konte fragen /
War bey ihr alles ja.

3.
Ihr mund lag auff dem meinen /
Durch sie selbst angelegt /
Und ihre brust ließ scheinen /
Was sie verborgen trägt.

4.
Sie schloß mich ganz gebunden
In ihre armen ein:
Ach daß der süssen stunden
Noch solten tausend seyn.

5.
Sie stellte mir das küssen /
Und beste lieben frey;
Doch niemand solte wissen /
Daß ich ihr liebster sey.

6.
Diß will ich euch vertrauen /
Ihr auen weit und breit /
Ihr aber müsset schauen /
Daß ihr verschwiegen seyd.

7.
Drumb sagt / was ich getrieben
Den stummen felsen an:
Die gröste kunst im lieben
Ist / daß man schweigen kan.
(Theil 3 S. 103-104)
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1.
Laurette / seit du mich besieget
Und ich durch dich verwundet bin /
So fühl ich nichts / das meinen sinn
Und lebens-geister mehr vergnüget /
Als wenn durch deine freundligkeit
Mein brennend herze wird erfreut.

2.
Ein strahl von deinen liebes-blicken
Hat meine geister angesteckt;
Was nun die flammen mir erweckt /
Das kan hinwieder auch erquicken:
Drum such ich auch bey dir allein
Die süsse lindrung meiner pein.

3.
Kein blitz der sonst verliebt sich zeiget /
Kein kuß / wie heiß er angebracht /
Kein freundlich-seyn hat solche macht /
Als deine liebligkeit; sie neiget
Mein ganzes herze zu dir hin /
Daß ich auch nicht mehr meine bin.

4.
Ich fühle täglich noch die blitze /
Damit du erstlich mich gerührt
Und gleichsam mich mir selbst entführt /
Mein auge / das verräth die hitze /
Die ich zu erst von dir empfand /
Und macht sie dir genug bekant.

5.
Dein bildniß prägt sich meinem herzen
Noch stündlich immer fester ein /
Ich muß entfernt auch um dich seyn
Und in gedancken mit dir scherzen:
Mein geist wohnt überall bey dir
Und stellt dich mir im schlaffe für.

6.
Ich glaube / daß mir diese flammen
Der himmel selber hat erregt /
Daß nur zu dir mein sinn sich trägt /
Und andre liebe muß verdammen;
Ein sondrer trieb / der reizt mich an /
Daß ich nur dir bin zugethan.

7.
Wolan / ich will der deine bleiben /
Mein leitstern / bleib du meine nur /
Und laß von dieser liebes-spur
Durch keine widrigkeit dich treiben;
So schwer ich: keiner zeiten lauff
Soll unsre liebe halten auff.
(Theil 2 S. 355-356)
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Die gezwungene liebe

1.
Lieben das läst sich nicht zwingen /
Lieben entstehet vor sich /
Soll dir’s darinne gelingen /
Mustu geduldiglich
Warten was zeiten und tage dir bringen.

2.
Bindstu der liebe die hände;
Sicher so wird sie dir feind /
Plötzlich / geschwinde / behende
Eh man es hätte vermeint
Lauffet gezwungene liebe zum ende.
(Theil 4 S. 144)
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Die zugelaßne Liebe

1.
Lieben erlaubet die jugend zu üben /
Lieben pflanzt selber der himmel uns ein;
Keine gesetze verbieten das lieben /
Sondern erfordern empfindlich zu seyn;
Wahre verbündnüß getreuer gemüter /
Lieben und wiederumb werden geliebt /
Küssen und herzen sind köstliche Güter /
Welche sie ihrem ergebenen giebt.
(Theil 4 S. 146)
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An Lisimenen

1.
Lisimene liebstu nicht?
Wilstu ewig einsam leben?
Soll der augen sternend licht
Mir nicht die vergnügung geben?
Ach die sonnen sind zu schöne /
Lisimene!

2.
Ist der lippen ihr rubin
Vor die todten nur erkohren?
Gibst du so die rosen hin /
Die vor götter sind gebohren?
Ach der purpur ist zu schöne /
Lisimene!

3.
Trägt nicht deine zarte hand /
Der die perle nicht zu gleichen /
Ein verwundtes herz im band?
Kan dich dieses nicht erweichen?
Ach die hände sind zu schöne /
Lisimene!

4.
Es hängt an dem weissen schild /
Der die runden hügel träget /
An dem halse ja ein bild /
Da Cupido drauff gepräget.
Ach der hals der ist zu schöne /
Lisimene!

5.
Soll der marmel deiner brust /
Welchen du mit fleiß verhüllet /
Nicht zum lieben tragen lust /
Wenn er auff und nieder quillet?
Ach die äpffel sind zu schöne /
Lisimene!

6.
Ach ich bitte / zürne nicht /
Daß ich neulich auff der wiesen
Ganz verstohlen / o mein licht!
Konte deinen leib erkiesen.
Ach der leib der war zu schöne /
Lisimene!

7.
Es tritt dein geschickter fuß
Die betrübte einsamkeiten /
Wie ich glaube / mit verdruß /
Weil ich ihn nächst sahe gleiten.
Ach die füsse sind zu schöne /
Lisimene!

8.
Schönste / nimst du den nicht an /
Der sich itzt vor deinem throne
Leget als dein untertahn?
Giebst du dich ihm nicht zu lohne?
Nein! ach nein! du bist zu schöne /
Lisimene!
(Theil 2 S. 95-97)
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1.
Mein engel gute nacht! der himmel wills nicht gönnen /
Daß wir noch eine zeit beysammen leben können /
Wir müssen was er will / wir sind in seiner macht;
Drum sag ich noch einmahl: Mein engel gute nacht!

2.
Hätt ich dich nicht gesehn / so blieb ich ungequälet /
Ich dencke noch daran / wie du mich hast entseelet.
Mein engel dencke doch / was künfftig wird geschehn /
O felsen-harter wundsch / hätt ich dich nicht gesehn.

3.
Ach dencke doch an mich / bin ich dir gleich entzogen /
So bleib im herzen mir doch allezeit gewogen /
Ich bin nicht der ich bin / wenn ich vergesse dich /
Mein allerschönstes kind / ich dencke doch an dich.

4.
Ich geh nach Osten hin / und du erwählest Norden /
Ach daß wir beyde doch so weit getrennet worden /
Ich seuffze offtermahls / und denck in meinem sinn /
Leb du in Norden wohl / ich geh nach Osten hin.

5.
Vergiß der freundschafft nicht / laß dein herz nicht erkalten.
Du kanst sie / wenn du wilt / durch schreiben schon erhalten.
Es bleibt mein treuer sinn allzeit auff dich gericht.
Drum bitt ich / schönstes kind / vergiß der freundschafft nicht.

6.
Mein herze bleibt dir treu / ich will mich dir verschreiben /
Daß ich in ewigkeit dein treuer freund will bleiben.
Was schadt abwesenheit? ich sey auch wo ich sey /
So glaube sicherlich / mein herze bleibt dir treu.

7.
Bleib nur wie ich gesinnt / so bin ich schon zufrieden /
Ob gleich des himmels schluß uns beyde hat geschieden /
Bleib mir abwesend huld / mein allerschönstes kind /
Ich dencke stets an dich / bleib nur wie ich gesinnt.

8.
Der himmel schickts vielleicht / daß wir uns wieder sehen /
Wer weiß / was hier und dort noch einmahl kan geschehen.
Glückselig werd ich seyn / wenn ich den wunsch erreicht.
Mein herze sey getrost / der himmel schickts vielleicht.

9.
Gib mir den letzten kuß / der kan mich wieder laben /
Wenn leib und seele schon die krafft verlohren haben /
Und ganz erstorben seyn / dieweil ich von dir muß /
Erquicke mich mein kind / gib mir den letzten kuß.

10.
Mein engel gute nacht / was soll ich weiter schreiben /
Laß mein gedächtniß nur in deinem herzen bleiben /
Ich bleibe dir getreu / so lang mein herze wacht /
Und sage ganz betrübt: mein engel gute nacht.
(Theil 3 S. 100-102)
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Die schlaffende Rosette

1.
Schläfft meine Göttin hier in irrdischer gestalt /
Und ruht daselbst / wo ich darff keine ruhe hoffen?
Ist dieser kleine platz ihr süsser auffenthalt /
Von welcher Venus wird mit anmuth übertroffen?
Schließt dieses bette
Die zarten glieder ein?
Und will Rosette
Auch schlaffende hier angebetet seyn?

2.
Ja schlaff holdseeligste / und gönne / daß ich dir
Den schuld'gen opffer-dienst / auch wenn du schläffst / ablege;
Doch weil du göttlich bist / so schaff' auch / daß hinfür
Kein ärgerlicher traum zu zorne dich bewege.
Die liebes-Götter /
Zu denen man dich zehlt /
Sind keine spötter /
Wenn wider sie von menschen wird gefehlt.

3.
Wach aber endlich auch von deinem schlaffen auf /
Und zeige wachend dich so niedlich als im schlaffe:
Doch nein! schlaf immerfort / des strengen himmels lauff.
Schließt dir die augen selbst den meinigen zu straffe;
Und deine blicke
Die geben zu verstehn /
Daß ich mein glücke
Hinfort nicht / als nur schlaffende soll sehn.
(Theil 3 S. 85-86)
_____

 

Abschied

1.
Schönste / die betrübten stunden /
Da ich von dir scheiden soll /
Haben sich nun eingefunden /
Und ich sprech' itzt: Lebe wohl.
Doch versichre dich darneben /
Nichts ist auf der ganzen welt /
So mir mehr als du / mein leben /
In dem herzen wolgefällt.

2.
Wenn gleich andre stets falliren
Und nicht halten ihre treu /
Wil ich doch den denckspruch führen /
Daß ich recht beständig sey.
Nichts soll meine liebe trennen /
Die auf dich allein gericht /
Und mein herz wird ewig brennen
Gegen dich / vollkommnes licht.

3.
Deiner augen holde blicke /
Die dein treuer knecht genist /
Propheceyn mir solches glücke /
Welches höchst vollkommen ist:
Und der Purpur deiner wangen /
Der mit Lilgen sich vermengt /
Macht mir hofnung und verlangen /
Weil mein sinn auf dich gelenckt.

4.
Spar' indessen deine thränen /
Weil sie ietzt vergebens sind /
Denn hier hilfft kein bittres sehnen.
Ich muß fort / geliebtes kind.
Schau / diß ist des himmel wille /
Dem ich muß gehorsam seyn /
Darum schleuß mich in der stille
Nur in dein gedächtnis ein.
(Theil 3 S. 70-71)
_____



An Lisillen

1.
Sey mir willkommen / ach! sey mir willkommen /
Schönste Lisille / du krone der frommen /
O! du mein alles! mein einzigs verlangen?
Hab ich dich oder hastu mich gefangen?

2.
Alles ist nunmehr ganz ruhig und stille /
Komm‘ und vergnüge mich liebste Lisille /
Laß mich die blumen / ach! laß mich den mäyen
Deiner holdseeligen schönheit erfreuen.

3.
Unsere liebe soll nimmer verwelcken;
Streut mir das bette mit rosen und nelcken /
Roßmarin sambt den verliebten narcissen
Streuet auff meiner Lisillen ihr küssen.

4.
Stille! mein liebgen ist müde vom wachen /
Müde vom scherzen / und müde von lachen /
Gleich wie die Lämmerchen unter den schaafen /
So ist das liebste Lisillchen entschlaffen.

5.
Niemand erkühne sich diese zu wecken /
Biß sich die sterne am himmel verstecken /
Biß sie die sonne von dannen heist gehen /
So wird ein niedliches weibgen auffstehen.
(Theil 4 S. 172)
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***

Sie / sie bleibet mein vergnügen /
Sie / sie bleibet meine lust;
Will sichs gleich itzund nicht fügen /
Werd ich mich so lange schmiegen /
Biß sie liegt an meiner brust /
Sie / sie bleibet mein vergnügen /
Sie / sie bleibet meine lust.
(Theil 5 S. 100)
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Die heimliche liebe

1.
So soll ich dich / mein Engel / nimmer sprechen?
Und mündlich dir bekennen was mir fehlt?
Du siehst es zwar aus meinen augen brechen /
Doch hat mein mund es niemals dir erzehlt.

2.
Die mißgunst läst / dich schönstes kind / bewachen /
Die dich von mir stets abzuhalten sucht;
Es hüten meist die güldnen äpfel drachen /
Und schlangen sind bey der verbothnen frucht.

3.
Drumb muß ich blos mit frembder zunge klagen /
Es saget dir ein ander was mich drückt /
Doch darff ich‘s nie / wie mir’s um’s herz‘ ist / sagen
Weil uns ein freund auch offtermals berückt.

4.
Mich mag die macht der liebes-glutt verzehren /
Wo gegen dich was falsches an mir ist /
Du aber wirst nichts treuers sonst begehren /
Wenn einmahl nur du meinen mund geküst.

5.
Erlaubstu mir / so will ich zu dir kommen /
Bistu gleich ein verschloßnes paradieß
Durch wagen ward das goldne fell genommen;
Ich thu es auch an dir mein güldnes fließ.

6.
Immitelst trau auff dies was ich geschworen /
Mein herz‘ ist treu der mund verbleibt auch rein /
Denn liebe die natürlich blind gebohren /
Heist liebende auch stumm und sprachloß seyn.
(Theil 4 S. 126-127)
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Er entsaget der liebe

1.
Springt fessel entzwey!
Brecht ketten und schlösser /
Ich hab' es itzt besser /
Die seele wird frey.
Komm stilles vergnügen / komm küsse mich nu /
Und setze mich wieder in vorige ruh.

2.
Was hab' ich darvon?
Das flüchtige lieben
Würckt schweres betrüben /
Verzweiffeln und hohn.
Komm stilles vergnügen / komm küsse mich nu /
Und setze mich wieder in vorige ruh.

3.
Weg qvelle der noth!
Weg zunder des schmerzens!
Weg folter des herzens!
Weg langsamer todt!
Komm stilles vergnügen / komm küsse mich nu /
Und setze mich wieder in vorige ruh.

4.
O närrischer geist!
Der seine gedancken
Bey straucheln und wancken
Mit aberwitz speist.
Komm stilles vergnügen / komm küsse mich nu /
Und setze mich wieder in vorige ruh.

5.
Vor bin ich recht kranck
Und traurig gewesen /
Itzt aber genesen;
Dir himmel sey danck /
Dein sanfftes vergnügen erqvicket mich nu /
Und setzet mich wieder in vorige ruh.
(Theil 3 S. 361)
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Die hefftige Liebe

1.
Süsse brunst vergnügter flammen /
Brand! der mich aus mir entzückt;
Bringet eure glut zusammen /
Biß es geist und seel erqvickt;
Last eur feuer in mich rinnen /
Ich vergönne freien lauff /
Meine glieder / geist und sinnen
Opffre ich zum altar auff /
Denn ich nunmehr frey bekenne /
Daß ich ganz vor liebe brenne.

2.
Komm / mein werther schatz / Sylvander /
Komm du meine seelen-lust /
Ich bin feur / du Salamander /
Komm und kühle meine brust /
Komm / mein schatz / und mich verbinde /
Du solt mir ein julep seyn /
Komm / und flösse deinem kinde
Mir / die perlen milch doch ein /
Ein recept von deinen händen
Kan mein ganzes fieber enden.
(Theil 5 S. 98)
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Er ist glückselig / aber nur im traum

1.
Was hilfft mir mein verliebter sinn /
Weil ihre gottheit ihn verschmähet?
Ihr leichten winde nehmt ihn hin /
Biß ihr sein eitles thun verwehet:
Sein urtheil ist ihm schon gesprochen /
Die stäbe sind entzwey gebrochen.

2.
Die ganze erd' ist mir zu klein /
Der himmel ists / der mich nicht kennet;
Wie kan ich bey mir selber seyn /
Weil mir umsonst die hoffnung brennet?
Ich ruffe / erde / himmel / hoffen!
Und keines hat die ohren offen.

3.
Was hab ich armer doch gemacht /
O tugend-göttin aller schönen!
Daß sie mich niemahls würdig acht
Mit ihrer gottheit zu versöhnen?
Soll ich denn keine ruhe finden
Vor nie begangne liebes-sünden?

4.
Längst hab ich ein altar gesetzt /
Ein denckmahl harter buß zu stifften /
In welchen Amors hand geetzt
Mit diamant und güldnen schrifften:
Der schönsten göttin von der erden
Soll dieser einzig heilig werden.

5.
Darauff wenn sich der morgen röth /
Laß ich mein herz als weyrauch glühen /
Und wenn mir Phöbus untergeht /
Vergeß ich nicht davor zu knien.
Es hat mich nie der schlaff bezwungen /
Biß ich ihr göttlich thun besungen.

6.
Dann leg ich mich zur sanfften ruh /
Zu meiner mutter neuer schmerzen:
Ich schliesse zwar die augen zu /
Und wache dennoch stets im herzen;
Im schatten bringts die nacht getragen /
Was mir der tag pflegt zu versagen.

7.
Dann tret ich endlich zu ihr hin /
Wir singen / spielen / tanzen / lachen /
Sie hasset gar nicht meinen sinn /
Sie pflegt es so / wie ich / zu machen /
Wir wechseln mund und händ zusammen
Und doppeln unsre liebes-flammen.

8.
Ach aber der ich schatten lieb
Und träumend nur auf rosen gehe /
Ich fange wasser durch ein sieb!
Denn dis / was ich erwachet sehe /
Ist leichtes stroh und feder-küssen /
Die blumen sind hinweg gerissen.

9.
Hinweg! verlognes schatten-werk /
Du irrwisch der betrübten herzen /
Du starcke glut / doch sonder stärck /
Du falscher zunder meiner schmerzen /
Soll ihre gnad im traum nur scheinen /
So muß ich wachend drüber weinen.
(Theil 2 S. 344-346)
_____
 

 

Der verliebte traum

1.
Was hilffts / daß meine lust
Stets in gedancken spielet?
Und deine liljen brust
Im traume küst und fühlet?
Die nacht giebt unserm wahn
Viel tausend süsse stunden /
Und wenn der tag bricht an /
Ist alles schon verschwunden.

2.
Ein ungemeine freud
Durchdringet marck und glieder;
Bin ich zur ruh bereit
So kommstu / schönste / wieder /
Und bringst der liebe trost
In schaalen von jesminen /
Greif ich denn nach der kost /
So bistu nur erschienen.

3.
Es ist nur schatten-spiel
Von traum und phantaseyen /
Und wenn die liebe will
Die lust mit lust verneuen /
So muß das liebe paar /
Den traum als traum verlachen /
Und in der that selbst wahr /
Was man geträumet machen.
(Theil 4 S. 120-121)
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1.
Wehrtester engel / laß dich lieben /
Weil ichs doch nicht ändern kan.
Schafft das lieben gleich betrüben /
Trifft es doch nicht iedermann
Trauren bringt offt freuden zähren /
Gifft muß uns offt arzney seyn /
Unlust muß uns lust gebähren /
Wolcken bringen sonnenschein.

2.
Schönste schmiedin meiner ketten /
Schau mein herz in bänden an /
Kan mich deine hand nicht retten /
So die freyheit binden kan?
Schau ich falle dir zu füssen /
Nimm die matten seuffzer hin /
Laß dein himmlisch antlitz küssen /
Ob ich gleich nur irrdisch bin.

3.
Sich als mensch von menschen scheiden /
Und den trieb des geistes fliehn /
Heist den leitstern seiner freuden
Selbst mit wolcken überziehn.
Keinem will ich mich ergeben /
Ist kein kluges feldgeschrey /
Dencke / daß ein einsam leben
Nicht vor deine schönheit sey.

4.
Und so sind ja deine rosen
Nur zu lieben vorgestellt /
Keiner weiß dir liebzukosen /
Der nicht auch ins netze fällt;
Drum so höre doch mein klagen /
Du bist ja kein kieselstein /
Und laß mir zur nachricht sagen:
Ich will noch erbittlich seyn.
(Theil 3 S. 111-112)
_____

 

Auf ihre Schönheit

Wie! soll ich schönes kind dich einen menschen nennen?
Dich ziert des himmels schmuck; nicht falsche pralerey;
Dein holder tugend-glanz heist endlich mich bekennen /
Daß bey dir / edles kind / was mehr als irrdisch sey.
Der Götter angesicht hat dich ganz eingenommen /
In deiner brust zeigt sich des himmels hoher schein /
Du bist entweder nur zu uns vom himmel kommen /
Wo nicht / so muß allhier der götter wohnung seyn.
(Theil 5 S. 24)
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Auff ihre Brüste

1.
Wollen-weiches schwester-paar!
Liljen-weisser honig-brüste!
Wieg‘ in welcher Venus war!
Angenehmes liebs-gerüste!
Halb verstecktes schönes zwey!
Liebes-schwangre zucker-ballen!
Lasset euch doch einst gefallen
Treuer seuffzer angstgeschrey.

2.
Schau! ach schau! der zucker-west
Der nun Ambra für die winde
Aus den liebes-bergen bläst /
Bläst sie selber so geschwinde /
Weil du in der innern brust
Must bereits das zarte spielen
Herzlicher begierde fühlen /
Zu der frohen liebes-lust.

3.
O du marmel-weisser schnee!
Laß die rundten ballen nieder!
Amor treib sie in die höh!
Daß sie sich beküssen wieder /
Ihr! O mehr als helffenbein!
Das Pygmalion belebet /
Ihr O schönste brüste! schwebet
Stets in lust / stets ohne pein.
(Theil 4 S. 121-122)
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Alle Gedichte aus: Benjamin Neukirchs Anthologie
Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte Theile 1-7
Tübingen Niemeyer 1961-1991
(Neudrucke deutscher Literaturwerke)

 

siehe auch Teil 2 Teil 3 und Teil 4





 

 


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