Das Liederbuch der Clara Hätzlerin (1471) - Liebeslieder

 




Das Liederbuch der Clara Hätzlerin (1471) - Liebeslieder (Teil 1)


Inhaltsverzeichnis der Lieder:
 


 



Lied 1.
Ain tagweis

Ich sag:
Der tag
Den hag
Durchleüchtet,
Feüchtet
Plömlein vnd das gras,
Nasz    ist ir obetach.
Sprach,    der die mauren
Sol beschawen:
Nyemant verlauren
Sol in seinem gemach.

Nun schaw,
Wie da
So graw
Her dringet,
Springet
Hinden das gestirn.
Diern,    hör vnd verste
Den gesellen, der in sorgen
Ligt verporgen.
Ich fürcht, der morgen
Pring Im tusentualtig ach.

Die tierlin schlieffen
In der tieffen;
Die vogelen rüffen
Manigualt
Ia gen dem glast.
Ich ratt dem gast
Gach vnd vast
Von hynnen palt,
Kalt    ist des tages vrsach.

Die Magt
Die clagt:
Es tagt!
Vor senenden
Enden
Wandt sich all mein wunn;
Die sunn    wont vns nachent bey.
Nun wach, gesell!
Ich hör ain geschell;
Ich fürcht, es wöll
Tagen.    er sprach: das sey!

Das laid
Sy baid
Verschnaid.
Von grunt
Ward mundt
Getrucket dick an mund.
Kund    ward In des iammers krey:
O Tag, dein meren
Tůt mich leren,
Heisz zäher reren,
Des waffen ich über dich schrey!

Das Firmament
Hat sich gewendt
Gen orient,
Gar sicherleich
Es wird ze spat.
Ich wachter rat,
Das du gar dratt
Hin schaiden dich.
Nu prich    vff, held, schanden frey.

Gott behütt
In güt
Dein gemüt
Vor leiden.
Meiden
Musz ich dein gesicht;
Nicht    wain, trautt sälig weib,
Bleib    one schmertz,
Nymm hin mein hertz
Gar vnuercherts,
Damit dir hertzenlaid vertreib!

Zu hanndt
Er geschwandt;
Sy wandt
Ir hennd.
Ellend
So musz ich ymmer sein;
Dein Pottschafft schier mir schreib.
Leib    vnnd synn
Die hast du ynn
In keüscher mynn,
Gesell,    dich schier herwider zu mir scheib!

Gott der mer
Dir leib vnd Er,
Vnd vercher
Dir hertzenlaid
Ia durch die Magt,
Die nicht versagt
Dem, wer ir clagt
In bitterkait.
Schaid    hin, hail dir bekleib!
(S. 1-2)

krey: Geschrei, Ruf │ reren: fallen, rinnen lassen │ waffen: weh! │ dratt: schnell │
scheiben: drehen, wenden, kehren, (sich heimlich) schleichen │
bekleiben: wachsen, sich befestigen, bleiben │

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Lied 2.

Lig still meins hertzen trautt gespil,
Wann es ist noch nit morgen,
Der wachter vns betrügen wil,
Der Mon hat sich verporgen.
Man sicht noch vil der sterne glast
Her durch die wolcken dringen;
Lig still by mir ain weil vnd rast,
Vnd lasz den wachter singen.

Wie ist erfrät ain traurigs hertz!
Vmmůt musz vns entweichen;
Der sich nit kert an senlich schmertz,
Der můsz an fräden reichen.

Sy sprach: mein hordt, der lieben mer;
Můsz ich bey dir beleiben,
So ist zergangen all mein swär.
Wir wöllen kurtzweil treiben,
Das dich vnd mich erfräen mag,
Darein will ich mich setzen.
Sy sprach: es ist noch nyendert tag,
Wir wöllen vns laids ergetzen.

Sy truckt ain prüstlin an das mein,
Mein hertz wolt mir zerspringen.
Sy sprach: lasz dir beuolhen sein
Mein Er vor allen dingen,
Vnd schliüsz vff deine ärmlen planck,
Darynn so will ich rasten.
Ze hannd der wachter aber sangk:
Ich sich des tages glasten.
(S. 2)

swär, schwär: Schmerz, Liebesschmerz

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Lied 3.

Ich Tummer wachter tritt daher,
Ze warnen nach der meinen ler,
Die mir so hoch empfolhen ist by aide.
Der morgenstern hat sein gezelt
Hoch vffgeschlagen über all das velt,
Ir hertzenlieb, bewarent eüch nur vor laide.
Die also süsz entschlauffen sind
In wunnenberndem schimpffe,
Die bewar ich vff die triüe mein,
Hütt eüch vor vngelimpffe.
Frů vff, frů uff, es ist an der zeitt,
Des tages her vns nachent leitt,
Die vogelin singen widerstreit
Gar wolgemůt ir metten in dem ghage.
Damit tůn ich dir laides kunt,
Ich erschell ain horen an meinem mundt
Zu diser stundt,
Wol uff, wol vf, es nachent gen dem tage.

Die red ain fräwlin wachen tett
Vsz süssem schlauff, den sy da hett
An heldes arm in süsser mynne schrencken.
Die fraw usz rottem munde sprach:
Wachter, du pringst mir vngemach,
Das dein gesang das tůt mich wärlich krencken.
Der wachter sprach: du raine frucht,
Es komt von Orient
Der morgenstern mit seinem form,
Frolockt recht, ob er prynne.
Weck uf, weck vff den werden gast,
Vnd mach vns diser sorgen las,
Ee vns begreiff des tages glast,
Er wurd geschawet von dem volcke.
Das laid mit tusent laid verpunden wardt,
Das veld ist vmb vnd vmb verhertt,
Wa er hin fert,
Da prennt fëwr durch die wolcken.

Es ward chain lieb noch nye so grosz,
Die triüe schlüssel ye verschlaisz,
Des claffers mund prächt grosse lieb ze laide.
Darumb můsz ich nun meiden dich,
Zart liebste fraw; so mynneclich
Nit sprich zu mir, durch eren můsz ich dich meiden.
Da sy erhortt des heldes wort,
Das er sy wolt meiden:
Ach waffena io des grossen mort,
Wie sol ich den erleiden?

Trostlicher held, manlicher hordt,
Sprich zu mir ain friüntlich wort.
Das frät mich baide; hie vnd dvrt,
Seid ich von dir můsz schaiden.
Da sprach das mynnecliche weib,
Hilff io, wann es ist noch nit zeitt,
Dein güt das geitt,
Komst du nit schier, so geschach mir nye so laide.

Ach schaiden, du vil senende clag!
Ia das dir nyemant verbieten mag,
Du tůst gewalt an mir vil armen weibe!
Die fraw den held gar schon vmbschlosz,
Vil haisser zäher sy vff In gosz,
Sy truckt In lieplich an irn stoltzen leibe,
Sy kuszt In mer dann tusent stund.
Der held begund wachen,
Ir baider hertz ward ser verwundt,
Das chunt die lieb wol machen.
Trostlicher hordt, manlicher heldt,
Ich hab mich her zu dir geselt
Zu ainem trost schon vszerwelt,
Ze trost vor allen mannen.
Wenn last du mich in sölicher not,
Vil wäger wär mir ia der tot.
Ir mund so rot
Gab Im den segen. Damit so schied der held von dannen.

Die fraw allain lenger lag,
Bis das es ward wol liechter tag,
Ir laid was grosz vnd tieff in hertzes grunde.
Ach das ich nit gewünschen mag,
Das es werd nymmer liechter tag,
So läg ich noch in helden arm verpunden.
Der mynne fëwr hatt mich entzündt,
Wann ich an In gedencke;
Das hertze mein ist ser verwunt,
Von Im will ich nit wencken.
Ach got, wie sol ich emperen sein?
Wol verschlossen in dem hertzen mein,
So dunckt er mich ain kaiser sein,
Ist er by rainen weiben.
Doch will ich ye wol trawen dir,
Du chomst herwider schier zu mir
Vnd ich zu dir.
Komst du nit schier, noch wil ich stätt beleiben.
(S. 2-4)

schlauffen: schlafen │ schimpff: Scherz, Ergötzung, Spiel │
wunnebernde: wonnebringend, wonnereich │ triüe: Treue │
vngelimpffe: böse Rede, Verläumdung │ metten: der erste Gesang der Vögel │
waffena: ach, schrecklich! │ geitt: geizen │ zäher: Zähren, Tränen │
emperen: entbehren │

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Lied 4.

Stand vff, stand vff, die nacht ist lang,
Das man dein ere müg preisen,
Der wachter an der zynnen sang,
Das es durch hertze liebe drang,
Da er den tag tett weisen.
Vil manigem hertzen wee geschicht,
Vnd tregt doch fräd verporgen,
So man des morgen röt ansicht,
Vnd der tag darnach vff pricht,
So schaidt man sich mit sorgen.
Ach wachter, trautt geselle,
Hilff, das ich dein verkünden hab,
Ob ich in vnhail wölle,
Mit deiner stymm des vnder vach.

Nun wach, nun wach, meins hertzen gir,
Mein liebste fraw besunder,
Vmbfach mein hertz, nymm es zu dir
Vnd hilff, das es beschehe schier,
Tů es in fräden munder.
Verleich Im nach den genaden dein
Ain wort durch weiplich ere,
Das vns der tag mit ern erschein.
Was du gepëwtst, das sol sein,
Ich volg der deinen lere.
Sy redt vsz senftem schlauffe:
Bist du, ain hordt von hocher art,
Ee das vns yemant straffe,
So heb dich wieder vff die fart.

Seid wunn vnd werde wirdikait
Ist an dir vnuergessen,
Was wunn vnd fräd in hertzen trait,
Das sey der liebsten mein gesait,
Ir lob ist vngemessen.
Ach wunneclicher liechter tag,
Hilff allen rainen weiben;
Als ir vngefell verhag,
Das man kain args von In nit sag,
Lasz sy by ern beleiben.
Es sang ain Nachtigall wilde
Von sunnen schein in grönem hag,
Sy mant ain frawen pilde,
In stillem kummer da sy lag.
(S. 4)

vngefell: Unfall │ verhagen: einzäunen, abwehren, verhindern

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Lied 5.
Tagweis

Wann ich an sich den liechten tag,
So ist mein hertz in grosser clag,
Das ich dich, fraw, můsz meiden.
Senen,    du pringst mir grossen schmertz
Vnd hast gar tief verwunt mein hertz;
Des hab ich haimlich leiden.

Ach,  senen krencket mich so hart
Nach dir, mein liebste frawe zart,
Ich kan dein nit vergessen.
Ich schlauff, ich wach, wes ich begynn,
So wonst mir stäts in meinem synn,
Du hast mein hertz besessen.

O senen, du vil pitters krautt,
Wee dem, der dich in hertzen pawt,
Wie hast du mich gefangen.
Mein senen hatt chain vnderschaid,
Ich sen mich, fraw, zu aller zeit
Vnd hab avch stäts verlangen.

Ich bin dir hold mit gantzer triü;
Was du wilt han, laist ich on rëw;
Du bist mein hordt vff erden.
Chain lieber mensch ich ye gewan
Vnd nymmermer gewynnen kan,
Wie möcht ich dein empern?

Noch frä ich mich der lieben zeitt,
So ich an schaw dich, fraw gemaidt,
Vnd du dich zu mir cherest.
Wann alle fräd ist mir sunst clain
On dich, zart liebste frawe mein,
Mit deinem plick mich nerest.

Fraw, ee ich wolt, das ich nu solt
Wesen ainer andern holt;
Vil lieber wolt ich sterben.
Dein Er vnd wird die ist so grosz,
Es lebt uf erd nit dein genosz,
Ich hoff dein huld zu erwerben.

Kain lieber mensch ich nye gesach,
Sy kan mir wenden vngemach
Vnd alles mein laid zersträen.
Got geb ir můt vnd fräden vil
Vnd alles, das ir hertz nun wil;
Das wunsch ich ir mit triüen.
(S. 4-5)

empern: entbehren

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Lied 6.

Vsz gutem můt der wachter sang:
Du vinstere nacht, kalt vnde lang,
Wann wilt du hin entweichen?
Da bey ain liebe fraw gedacht:
Vnser můt stat vngeleiche.

Des dein gemüt begerent ist,
Das mir mein hertz vor laide prist,
Vor ynneclichen laide.
Ach got, durch alle die güte dein,
Ich furcht es nach dem schaiden.

In laid auch sich ain knab erhůb:
Ach schaiden, wie we du mir tůst;
Yedoch so můsz es wesen.
Der reiche Crist von himele
Der můsz dein allweg pflegen.

Leib, hertz vnd aller meiner můt
Kein fräd nymmer gewynnen tůt,
Seid du dich schaidest als palde.
Mit ärmlen weisz sy In vmbfieng,
Sy hielt In mit gewalte.

Da er sich ir triü versan,
Dauon sein hertz grosz trauren gewan,
Er gund sich ir ergeben.
Ach fraw, ich fürcht der ern dein,
Nit leibs, noch meines leben!

Vor laid sy vf sein prust hin saig:
Obe, mein hertz will mir entzway,
Dein schaiden will mich tötten.
Nu sůch gelimpf vnd rat auch mir,
Hilff mir in meinen nöten.

Darzu ir liebste Iunckfraw sprach,
Die ir helfferin was:
Ir macht den schimpff ze nichte.
Ich bechenn, ëwr triü gar manigualt
Ewr baider hertz bestricket.

Trautt aller liebste, nun rat du mir:
Er ist meins hertzen höchste begir,
Můsz ich mich sein verwegen,
Wie hab ich allen meinen můt
So gar vmb kurtz fräd geben!

O laid, so mag es nit ergan,
Darumb sült ir es faren lan,
Halt recht den ëwren schertze.
Ewr schimpff hat nicht gewert als kurtz,
Wann ir es recht bedächtet.

Můsz ich In meiden, als ich han
Yetz lange zeitt bisher getan,
Mein fräd sind mir ergangen;
Zu tusent malen wär mir bas,
Ich hetts nye angefangen.

Hie schaidet sich die tunckel nacht,
Das ich dich nymmer gehalten mag,
Wem last du mich ellende.
Ain haisses wainen sy begund,
Sy wand ir schneeweisz hennde.

Daby was Im die weil nit lang,
Darzů In rechte lieb bezwang,
Die sy Im kund erzaigen;
Mit manigem seüftzen sy ir haubt
Gund uf sein prust hin naigen.

Vor laid sy vf sein prust hin saig:
Obe, mein hertz will mir entzway,
Dein schaiden will mich tötten.
Nu sůch gelimpff vnd rat auch mir,
Hilff mir in meinen nöten!
(S. 5-6)

gelimpf: Anstand, Schonung, Nachsicht │ schimpff: Scherz, Ergötzung, Spiel │
bechenn: bekenn

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Lied 7.
Ain tagweis

Mein ainigs hail es ist gen tag,
Vernymm deins armen dieners clag,
Dem nyemant bas gehelffen mag,
Dann du allain mit deiner güt.

Die vinster nacht ain end will han,
Darynn ich nye chain rů gewan.
Das ist mir, fraw, von dir getan,
Du krenckst mir als mein gemüt.

Ich schrey zu dir vsz meinem synn
Vmb trost, mein vsserwelter hordt;
Hör, aller liebste helfferin,
Verstand von mir mein clag vnd wort.

Mir trambt des nachtes souil von dir,
Wie das ich bey dir sey nach gir;
Wann ich erwach vnd das empir,
So mvcht mir würser nit gesein.

Mich daucht, ich wär in himels tron,
Vnd hett mein lieb vmbfangen schon;
Wann ich dann bin so ferr dauon,
Das ist meins hertzen gröste pein.

Ich waysz, wes ich begynnen sol,
Mein fräd mir dann entweichent gar.
Mir was in tram vor nye so wol,
Ain stund dunckt mich hinnach ain Iar.

In laid ich dann mein zeit vertreib,
Vnd sen mich nach dir, liebstes weib,
Dauon mir schwindet all mein leib,
Vnd ist mein trauren also grosz.

Vor senen waisz ich nit, was ich tů,
Ich hab tag, noch nacht chain rů.
Das wennt mir nyemant bas dann du,
On dich bin ich an fräden plosz.

Bekrencket ist mir all mein syn,
Vor iammer achtet mir mein hertz,
Das du so ferr bist von mir hin;
Mein fräd verschwindt vnd all mein schertz.

Also ist meinem hanndel dick,
Wann ich dich gütlich an plick,
Von rechter lieb ich dann erschrick,
Das mir gepärd vnd wort gepricht.

Mir ist recht, ob ich sey veryrrt,
Vnd waisz selbs nit, was mir gewirt;
Wann ich bedenck, es sey beschert,
Erst nëwes laid sich zu mir richt.

Mein clagen sich dann hebet recht,
Vnd mert sich all mein vngemach;
Mein sach die seyn nyendert schlecht,
In hertzen mir nye würs geschach.

Ich paw wol der betrübten pfatt,
Ellent sich mir gesellet hat;
Ich bin beclaidt mit irer watt,
Vnd hab darnach gestellet nye.

Getrencket hat mich laides prunn,
Entwichen ist mir all mein synn,
Fräd hat ze ferre für gewunn,
Das ich bechümmert stand allhie.

Mein selbs vermügen ist ze kranck,
Du tüest mir dann dein hilffe kunt;
Darnach mir ist die weil so langk,
Das tätest du wol durch deinen mund.

Ich bin so plöd, das ich nit darr
Gekünden mein gesprechen gar.
Ich hoff, du nemest dir selber war
Vnd lassest on trost nit bleiben mich.

Wann dich allain mein hertze sůcht,
Ich traw dir wol, du schönste frucht,
Du kerst gen mir dein weiplich zucht,
In triüen ich mich dir versprich.

Allain hab ich dich vsserkoren
Ze fräden mir in diser zeitt;
Ich hoff, mein dienst sey nit verloren,
Der gnad ich allzeit harr vnd peitt.

Darumb, mein trost, wend mir mein not,
Wann ich stand gantz in deinem gepot;
Das selb wol tät dein mündlin rot,
Des ich dir nit voldancken künd.

Dein weiplich güt, dein gůt gestalt,
Dein Er, dein zucht ist vnerzalt;
Du bist gezieret manigualt,
Das mir dein güt des hailes günd.

Das ich mit dir verainet wär
In rechter lieb nach meinem můt,
So müst verschwinden all mein swär;
Die wal nem ich für alles gůt.
(S. 6-7)

mir trambt: mir träumt │empir: entbehre │würser: schlimmer, schlechter │
hanndel: Tun, Handlungsweis │ watt: Kleidung │ ze ferre: zu fern, zu weit │
peitt, beit: warten │

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Lied 8.
Ain tagweis

Er ist ain sälig man, der hertzen lieb vmbfangen hatt;
Ey, wie wol ist Im geschehen!
Für war můsz ich das iehen,
Ob Im sein lieb ze lieb ergatt,
Ich will Im ratten, ob ich kan,
So das er sich von hertzen liebe schaide,
Wann er schlaufft vff den leib,
Mir wär nit lieb, geschäch Im icht laide.
Weck In, fraw, sälig weib,
Der luft der kület gen dem tag.
Merck, fraw, was ich dir sag:
Ich warnen eüch gen dem morgen,
Ich sich den liechten sterne glast,
Nun weck, fraw, den werden gast
Vnd hilff Im us den sorgen,
Der tag wil vns der nacht nit lenger porgen.

Die fraw ser erschrack us süssem schlauff traurig zwar,
Sy sprach: obe der swären zeit!
An meinen armen leit
So lieb, so zart ain Iüngling clar,
Den will benemen mir der tag:
Sunst duncket mich, dir sey getrambt ain singen;
Wachter, friünd, vnd ist das war?
Ia, fraw, zwar, die warhait tůt eüch zwingen,
Das der knab von hynnen far.
Ach yammer, ach der werden not!
Můsz ich nu lan sein mündlin rot,
So mag ich nit mer erlachen.
Mein hennd müssen winden sich,
Mein hertz erseüftzen ellentklich,
Nas will ich meine augen machen!
Von sölicher not der knab můsz erwachen.

Er sprach trauliclich: wie loblich, lustig zwar
Wie schwindet vns die liebe nacht,
Vns hat der morgen pracht
Vsz süssem schlauffe gar.
Herumb so trübet mir der můt,
Dauon můsz ich hertz lieb von dir mich schaiden,
Das ist mein not! -
Nun beitt, friünd, bis ich mich bas erkos,
Es ist noch nit an dem tag,
Die zeitt ist hie, mein lieber mund,
Nun kusz mich lieb noch zu ainer stund,
Mich säldenreiche raine.
Ach herre got, das clag ich dir,
Vnd wirt mein fräd entzucket mir,
Ausz not ich arme waine.
Nun gesegen dich got, mit triüen ich dich maine.
(S. 7-8)

iehen: sagen, versichern │ ergatt, ergan: geschehen │ getrambt: geträumt │

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Lied 9.
Tagweis

Es warb ain ritter frädenreich
Vmb ain zart frawen, was mynnecleich.
Des nam der wachter eben war
Vnd der Ins baiden mite gan,
Des liechten tags nem wir war.

Ach h're, liebster h're mein,
Ia du solt schlaffen, ich will wachen sein,
Die rechten zeit ich dir wol sag,
Es nachent gen dem tag.

Die fraw solt wachen vnd sy entschlieff,
Bis ir der wachter dreystund rüfft:
Ist yemantz hie verholen gelegen,
Dem ratt ich, das er sich der frucht verwege.
Da taget es aber mer.

Der wachter der rüfft aber dan:
Er dunckt mich nit ain weiser man,
Dem got seiner fünff synn nicht engan,
Er will nit merken, was ich Im sing,
Es nachent gen dem tage.

Die fraw uff sach vnd ser erschrack:
Ach das mir ye chain gůt geschach,
Da wär grosz laid verporgen bey!
Nun ker herwider, trautt geselle mein,
Dein schaiden pringt mir sicher pein.

Der wachter rüffet aber me:
Von hertzen liebe schaiden, das tůt we!
Doch pesser wär ain zuuersicht,
Dann das es nymmer mer geschicht.
Da taget es wunneclich.

Da gab sy Im den morgen segen:
Der reiche Crist von himel müsz dein pflegen!
Vnd hett ich yemantz lieber dann got,
Dem befulch ich dich, mein höchster hordt,
Seid es nit anders mag gesein.

Seid vns der tag nun schaiden wil,
Gewan mein hertz ye fräden vil.
Das můsz ich hartt erarnen.
O h're gott von himelreich,
Behütt mein lieb vnd darzů mich.
(S. 8-9)

erarnen: büssen

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Lied 10.
Tagweis

Ain traurig man begund sich clagen
Gen diser morgen stund,
Sorgen was Im word und kund:
Ich hoff zu werden frawen,
Ich kan kain trost uf erd erpawen!

Der wachter gund In fragen:
Trauriger man, was gewirdet dir?
Der frag ich nicht empir;
Oder hatt sich yemant zertragen?
Das solt du tugentlich mir sagen.

Wachter, ich hett mir erhayen
Ain lylien, clar vnd weisz,
An der lag all mein fleisz.
Die ist mir in dem Mayen
Verschwunden. des tůt mein hertz sich zwayen.

Der synn bist du ain tore,
Du vindst der plömlein vil
Gen disem lieben zil;
Oder volgest meiner lere,
Dien, wa man dein zu rechter lieb begere.

Dein rat den will ich meiden,
Nach wanckel stat dir dein syn,
Das wär mein vngewyn.
Wer plahen tregt für seiden,
Den sol man in kain frawen dienst schreiben.

Solt ich den wächsel treiben,
Das zyembt mein eren nicht,
Mein hertz irs auch vergicht:
Es wöll by ir beleiben;
Sy tregt der ern ain Cron ob allen weiben.

Vil lieber wölt ich sterben,
Ee ich verdient den lon:
Du bist ain torocht man!
Was heltst du vf verderben,
Das du dienst, da man nit trost mag erwerben?

Gůt wachter, wir müssen vns schaiden,
Ich sich des tages schein;
Die liebsten frawen mein
Mag mir nyemant erlaiden.
Er sprach: far hin, got geb gelück vns baiden.
(S. 9-10)

empir: entbehre │ sich zertragen: sich entzweien │
erheyen: sorgsam aufziehen, pflegen, aufbewahren │ plahe, blache: grobes leinenes Tuch │
vergicht, verjehen: bekennen, gestehen │

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Lied 11.
Tagweis

Ich hort durchklingen süsse
Ainer mynneclichen Maget stymm.
Ain fräwlin sprach: got grüsse
Dich wachter, merck vnd vernymm:
Dörft ich nu wol getrawen dir,
Ich wolt dir geren clagen.
Woltst du mein Er bewaren mir,
Ich lonet dir nach deiner begir,
Alszdann wolt ich dir sagen.

Der wachter sprach mit sitten:
Fraw, ich bin sicher schlecht.
Ich hör wol ëwer pitten
Vnd merck sein doch nit recht.
Ich hoff, ir wert gar wol behůt
Von mir in allen sachen.
Ir wiszt wol, was ain wachter tůt,
Mir ist von ëwrn friünden gůt
Befolhen, hartt zu wachen.

Das fräwlin gund erseüftzen ser,
Mit wainen sy da sprach:
Nun hebt sich heynnacht alles wee,
Meins hertzen vngemach.
Das mich dein hilff verlaszt also,
Wachter, mein trautt gesell,
Des wurd ich nymmer můtes fro,
Ich waisz nit, wie oder wa
Sich endt mein vngefell.

Der wachter der tratt hinder sich,
Ze iammern In begund
Der frawen wort gar seneclich,
Das er kaum reden kund.
Er sprach: veriecht mir, was eüch sey,
Ich hilff eüch, ob ich mag.
By mir sind ander wachter drey,
Der ain der stat vns nachen by,
Doch wach wir gen dem tag.

Das fräwlin sprach: nun rat du mir,
Wie ist deins gesellen sitt?
Tůt er dis nacht gesellschafft dir,
Hilff mir In friüntlich pitt.
Nun gib ich Im vnd dir ze hanndt,
Was ir von mir begert,
Silber, golt vnd auch gewandt.
Des nembt mein triü eüch für ain pfandt,
Von mir wer ir gewert.

Der wachter gund erschellen
Ain horen mit seinem mund.
Damit kunt er seym gesellen,
Wie das er käm ze stund.
Da er ersach das werde weib,
Das nam In wunder vast,
Von angsten zittert Im sein leib:
Ach du säliges laid vertreib,
Wie gar ain sältzam gast!

Das fräwlin ward verchünden
Mit worten also süsz,
Die wachter bed durchgründen,
Sy viel In für die füsz.
Sy sprach: vf ëwr getrawen
Wag ich leib, Er vnd gůt,
Gantz will ich vff eüch pawen,
Es sol eüch nit geräwen,
Halt ir mich wol in hůtt.

Die wachter giengen ze ratte,
Wie sy es weislich wagten.
Sy kamen wider tratte,
Das fräwlin sy da fragten,
Wie ir darzů ze helffen wär,
Da wären sy berait friündte?
Ir kummer gross vnd auch ir swär
Solten In ye auch sein vnmär,
Wen sy in triüen mainte.

Das fräwlin sprach: ich tůn eüch clag,
Ir liebsten gesellen mein,
Mein lieb, das ligt all in dem hag,
Das hett ich geren herein,
Wie das ich mich mit Im ergetzt
In diser kurtzen nacht.
Sein triü er mir von erst versetzt,
Mein Er beleib mir vngeletzt,
Halt ir vns wol in acht.

Die wachter merckten eben,
Was lieb gewürcken kan
In ainem sölichen leben.
Sy sahen ainander an
Vnd sprachen zu der frawen gůt:
Volgt ir nur vnser ler,
So habt ir fräd vnd hochen můt,
Vnd pleibt der gesell vnd ir in hůt,
Darzů auch vnser Er.

Der ain sprach: gen dem morgen,
Ist das es tagen wöll,
So sing ich vnuerporgen,
Mein hörnlin ich erschell.
So weckt vff ëwrn gesellen gůt,
Das er von hynnen far.
Tůnd das still, nit wider sprächt,
So wirt all ëwr sach gerecht.
Wol an, das got bewar!

Sy giengen zu der stunde
Hin an ain vensterlein,
Die fraw wol raten kunde,
Wie sy In prächt hinein,
Irs hertzen aller liebstes lieb,
Darnach sendt sich ir můt.
Die zeitt mit vorchten sy vertrib,
Recht als dann tůt der stelent dieb,
Das daucht die wachter gůt.

Das fräwlin pracht ain schlayr weisz
Vnd zwäheln ain michel tail,
Sy strickt sy an mit gantzem fleysz
Vnd macht darus ain sail.
Sy zugen den gesellen gůt
Zu ainem venster ein.
Erfräet ward ir baider můt
Vnd auch entzündt ir Junges plůt,
Da erlvsch In all ir pein.

Sy giengen da gedratt hinein,
Da es was wol erpawt,
In ain kemenaten vein,
Vnd wurden ser erfrät.
Sy funden da ain pett bereitt
Nach ires hertzen lust.
Darein schwang er die schönen Maid,
Erloschen ward In gantz ir laid,
Er truckt sy an sein prust.

Daran gar friüntlich lagen
Die selben chinder baid.
Der fräd der sy da pflagen,
Sprich ich vff meinen aid,
Die kan nicht wol gegründen
Chains menschen red mit sagen.
Es was ann alle sünde.
Dick ward mit lieber künde
Ain kus zu kus getragen.

Die tür die ward verschlossen,
Sy lagen wol veraint.
In lieb gar vnuerdrossen
Ia ains das ander maint.
Darzwischen von In baiden dick
Vil süsser wort geschach.
Ach, ach, ain schöner aneplick!
Die lieb verpracht den strengen rick,
Bis das der tag an prach.

Zehannd hůb sich ain kriegen,
Als es die lieb gepott.
Ich will daran nit liegen,
Das fräwlin clagt ir not.
Sy sprach zu irem gesellen gůt:
O lieb, wann ich dich meid,
So tregst in fräden hochen můt,
Du achst nit, wie es mir tůt,
Das ich deinthalben leid.

Der gesell gar züchticlichen sprach:
Hör lieb, was ich dir sag.
Ich hab kain rů, noch chain gemach
Bis uf den selben tag,
So ich ersich den spiegel clar,
Dich aller liebstes ain.
Mein höchster hordt, gelaub für war,
Nach dir so sen ich mich über Iar
In triü vnd stätter main.

Daran ain grosz gelübt geschach,
Die lieb beschlossen belaib.
Sy hetten aber fräd vnd gmach,
Ir ains das ander traib
In wunn vnd worten schallen,
Als lieb gen liebe tůt.
Ze hanndt ain hund ward pellen,
Gen tag tett er erschellen,
Da ward betrübt ir můt.

Vil sorg den wachter zwange,
Der ir mit triüen pflage,
Die zeitt daucht In so lange,
Wann lüt nach by In lagen.
Er hůb doch an ze singen
In iammers weis ain lied:
Nun müsz Im got gelingen,
Den weisse arm vmb fiengen,
Doch riet ich, das er schied.

Der tag begynt vns nachen vast,
Die sunn begynt ze schein.
Ich ratt dem vsserwelten gast
Vnd auch der frawen mein,
Das sy ain schaiden vahen an,
Wann es ist an der zeitt,
Nit lenger ich geschweigen kan.
Wol uff, gesell, wol uff daruon.
Der tag vns nachent leyt.

Die fräd die wert so lange
In maniger lieben sach,
Bis das der wachter sange:
Stand vff, trautt fraw, vnd wach,
Es nachent gen dem morgen
Vnd eylet wider streitt.
Läg yemant hie verporgen,
Der möcht sich wol besorgen,
Zwar des ist vil gůt zeitt.

Da ward geschwecht in schmertzen,
Als noch vil dick geschicht.
Die zway geliebte hertzen
Sy betrübten ir gesicht,
Vnd clagten baid von schaiden,
Ir iammer der was grosz.
Da was chain lenger baidten,
Der gesell můst über die haiden,
Des ward er fräden plosz.

Der gesell erhort ain stymme
Des wachters, der In warnt.
Sein můt der pran in grymme,
Sein hertz vil stösze erarnt.
Er sprach: o trost meins hertzen,
Mein aller liebste fraw,
Der wachter treibt sein schertzen,
Sein singen pringt mir schmertzen
Vnd auch des tages graw.

Das fräwlin sprach: geselle mein,
Ich hör sein singen auch,
Zwar es mag noch nit tag gesein,
Der wachter ist ain gach.
Er laszt sich duncken, wie es tag;
In triügt sein tummer můt,
So er hört die vögelin in dem hag.
West er meins hertzen gröste clag
Vnd schwig, das wär Im gůt.

Noch würckten sy mit lieber pflicht
Vil wunders zu der stund,
In friündschafft manigerlay geschicht,
Ir ains dem andern gund,
Was da sein hertz begeret,
Das was ir baider lust.
Auch er sy des geweret,
Ir Er plib vnuercheret,
Sy schmuckt In an ir prust.

Er vieng sy vmb mit armen,
Vnd truckt sy hart an sich.
Er sprach: got müsz erparmen,
Sol ich nun schaiden mich
Von dir, mein aller liebstes ain,
Das tůt meinem hertzen wee.
Ich schaid dahin, du pleibst allain,
Des hab ich aller fräden kain;
Ach wann sich ich dich me?

Sy plicket an sein roten mund,
Die lieb nam über hanndt,
Ain onmächt ward irem hertzen kund,
Da uon ir da geschwandt.
Er bot ain kus mit iammer ir
Ia zu der selben stund.
Wie es dir ergang, also gang auch mir;
Des batt er got mit gantzer gir
In seines hertzen grund.

Darnach sy zu ir selber kam.
Als sy geschlaffen hett
Vnd wär gewesen in ainem tram,
Ir clagen sy da tett.
Mit iammer vnd mit laide
Wannd sy ir schnee weisz hennd:
O grymmer tod, nit baide,
Mein leben von mir schaide,
Nicht lasz mich als ellennd!

Mit iemmer vnd mit laide
Ward er den segen geben:
Gott bewar dich, lieb gemaidte!
Grosz clag ward sich da heben.
Sy gab sich Im ze aigen
Mit trauriclichem můt;
Er wunschet ir mit naigen:
Got bewar dich vor den faygen!
Da waint die Maget gůt.

Ze hanndt der selbig wachter kam,
Der ir in triüen pflag,
Den gesellen er von dannen nam
Vnd liesz In in dem hag.
Er gieng da zu der frawen sein,
Da ers allaine fandt,
Er trost sy wol in irer pein
Vnd sprach: nembt hin die triüe mein,
Ich pring In wider ze hanndt.

Schaiden hatt die zway zerstört,
Ir lieb pleibt vnuersert,
Der fräd geleich ich nye gehört.
Von dannen ich da chert
Vnd wunst der frawen wider schier,
So pest ich ymmer kund,
Den gesellen nach irs hertzen gir.
Ir lieb was auch ain fräde mir,
Dem gesellen ain sälig stund.
(S. 10-13)

veriecht mir: bekennt, gesteht mir │ vnmär: unangenehm, unlieb, widrig │
zwähel: Handtuch │ michel: gross, viel │ rick: Verstrickung │ erarnen: büssen │
gach, gouch: Kuckuck │ sy schmuckt: sie drückt (ihn an ihre Brust) │

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Lied 12.
Tagweis

Die nacht die will verpergen sich,
Ich sich des liechten tages schein. des duncket mich
Wol an des morgens rött,
Ich sich In dört her dringen.
Ob yemant fräden hatt,
Der heb sich dannen dratt.

Die fraw sprach: lasz dein schreyen sein
Vnd schreck nit mer vns mit des liechten tages schein,
Bis es ist an der zeitt,
Das du es nicht mags pergen.
Gůt wachter, lenger peit,
Wann mir not daran leytt.

Der geselle sprach: obe der not,
Mir wär ze tusent malen lieber, ich wär tott,
Wann das mir schaiden wirt kunt
Von meiner aller liebsten.
Er kuszt iren rotten mund
Vil mer dann tusent stund.

Die nacht begynnt hin sincken sere,
Des tages schein kan sy sich ye mit nicht erweren,
Er verdringt sy on iren danck
Mit seiner morgen rötte.
Hatt yemant liebes vmbfangk,
Der wol uff vnd machs nit langk.

Das fräwlin das lag vnd schlieff,
Sy erwacht vnd hort, wie das der wachter aber rüft.
Sy erseüftzet ser vnd sprach:
Ach wachter, lasz dein schreyen,
Es pringt mir vngemach;
Ach nymm dir nit ze gach.

Der knab der schloss sy in sein arm,
Er sprach: obe nun müsz es got von himel erparm,
Das ich den tag nit über mag.
Ich wolt In zwar versencken
Vnd werffen in den wag,
Das es wurd nymmer tag.

Ich wachter künd nun aber dar,
Ich sich der liechten sunnen schein her dringen zwar,
Seid ich weckens bin ermant,
Ich sich sy dört her scheinen,
Vnd ist schon us gesandt
Weitt über alle lanndt.

Der gesell sprach: es ist an der zeitt.
Obe, obe, nun darr ich ye nit lenger peitt,
Ich prächt dich lieb in not.
Ich můsz mich von dir schaiden,
Dein Er bewar dir got,
Vns zway schaidt nur der tott.

Das fräwlin da mit gantzem fleisz
Lieplich vmbfieng den knaben mit iren ärmlen weisz.
Nun behüt dich got vor laid,
Das dir das von mir widerfar,
So vindst du mich in fräd.
Er sprach: got bewar vns baid.
(S. 14)

gach: eilig, hastig

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Lied 13.

Ich raitt ains tags allaine
Bis das ich dört ersach
Ain stoltzes diernlin raine,
Der ich allda versprach
Mein dienst mit stätem triüen.
Wolt sy mein fräd vernëwen,
On rëwen
Des frät ich ymmer mich.

Sy sprach: nun lasz beleiben,
Es pringt dir vngelimpff,
Das du us mir woltst treiben
Allhie den deinen schimpff.
Das müt mich also sere,
Ach nam ich vff mein ere.
Nymmermere
Liebt mir chain mensch für dich.

Sy gieng gar vnuerporgen
Wider hin haym ze hus.
Mein hoffen was, das morgen
Můst sy herwider vsz
In der frů nach grase gan.
So will ich kain verdriessen han,
Da beleib ich stan
Ia vff gelücken zil.

Vnd ob ir gras zerrunne,
Das wär meins hertzen ger,
Vnd sich die rain besunne,
Das sy chäm wider her,
Das irs ir můter henge.
Die nacht die was mir strenge,
Ir lenge
Der was halt gar ze vil.

Mich daucht in meinen synnen,
Die nacht wär wol ain Iar.
Ach will sy nit von hynnen,
So tůt sy mich fürwar
An hochen fräden straffen.
Ich fürcht ich hab verslauffen.
Ach waffen,
Das es nit tagen wil.

Das clag ich armer tummer
Vnd bin an fräden kranck.
Nun ist es doch ymm summer,
Wie ist die nacht so langk!
Herr gott von himelreichen,
Lasz deinen tag her schleichen,
Das hin weichen
Die sternen vberal!

Da stůnd ich in der awe,
Die plomen wurden feücht,
Von dem vil süssen tawe.
Darnach der tag her leücht.
Den sach ich dört her hellen,
Die vogel laut erschellen,
Ir kellen
Gab frädenreichen schal.

Ze hannd sach ich die liebsten mein
Dört gan in grönem gras,
In ainem weissen hembdlin vein.
Darein gar wunschlich was
Die schön nach lust geschmucket.
Mein hertz ward mir entrucket,
Verrucket
Ward da mein trawren gantz.

Ich eylt zu der vil werden,
Der ich ergeben han
Zwar all mein fräd vff erden,
Vnd vmbe fieng sy schon.
Was ich hett laids erlitten,
Das ward da wol vermitten.
Mein bitten
Was, das sy mir ain krantz

Von habmichlieb solt machen
Vnd auch von wolgemůt.
Die schön hůb an ze lachen
Vnd sprach: es wär gar gůt,
Woltst du In von mir tragen!
Ich sprach: was sol das fragen.
Mein clagen
Ist, das ich In geren hett.

Sy sprach: ich bin her chomen
Gar kaum mit grosser eyl,
Nymm hin von disen plůmen,
Ain krantz, den trag die weil,
Von triü und vnuergessen,
Ich hab diern recht gemessen.
Besessen
Ward ich erst recht mit stätt.

Darzů lasz dich nit müen,
Oder auch wesen laid,
Gar schier so werden plüen
Die andern plümlach baid.
So will ich nit emperen,
Ich will nach deinem begeren
Dich geweren,
Vnd wärs den claffern laid.

Darumb far hin, geselle,
Wilt du mir fräde stercken.
Es prächt mir vngefelle,
Wurd es mein můter mercken.
Ich bin hiüt frů us gangen,
Ich fürcht, sy tü verlangen.
Vmbfangen
Ward da ain stoltze maid.

Ich sprach vsz senendem hertzen:
Wolhin, bewar dich got.
Wiewol es mir pringt schmertzen,
Doch will ich dein gepott
Nach deinem willen halten.
Got müsz dein allzeit walten.
Gespalten
Ward da mein fräd ain tail;

Das da vor laid ward toben
Mein hertz mir tummen gach.
Ich kan eüch nit volloben
Die graserin vnd auch
Ir schön vnd werde güte.
Sy tregt ain hochs gemüte,
Got behütte
Vor laid mein höchstes hail!
(S. 14-16)

vngelimpff: böse Rede, Verleumdung │ schimpff: Ergötzung, Spiel , Scherz │
müt mich: betrübt mich, verdriesst mich │ gach: Geck, Narr, Tor │
volloben: genügend loben

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Lied 14. (1)
Tagweis

Ich wachter will nun singen
Des liechten morgen rött,
Ich sich sy dört her dringen.
Ob yemant fräden hät
Bei der liebsten frawen sein,
Der mach sich von dannen pald.
Vor des tages hellen schein,
Das er icht chomm in swäre pein,
Es liechtet vor dem wald.

Obe wachter, nicht enhetz
Den liebsten gesellen mein.
Gang pald hinwider an die letz
Vnd hab die růe dein,
Wann es ist noch nit an der zeitt,
Das der tag hie sey.
Obe wachter, lenger beitt,
Der tag vns noch nit nachent leyt
Vnd lasz vns sorgen frey.

Die nacht begynnt her sincken vast,
Der tag will sy verdringen,
Ich weck vnd rat dem främden gast
Mit meinem hellen singen,
Das er sich tü schaiden,
Es ist wol an der zeitt.
Gott bewar sy baid vor laide,
Hell ist es vff der haide,
Der tag vns nachent leytt.

Der gesell sprach: tag, dein komen,
Das ist mir wärlich swär,
Es pringt mir clainen frummen.
Obe der laidigen mär,
Die mir der wachter hatt gesagt
Von dem morgen rött,
Vnd verchünt, wie das es tagt,
Vnd mich von hertzen liebe iagt.
Obe der grossen nott!

Ich wachter verkünd nun aber dir
Der liebsten sunnen glantz.
Woluff, woluff pald vnd auch schier,
Vnd halt der frawen gantz
Ir Er vor allen dingen,
Das es die leng bestee.
Hört mich der claffer singen,
Ze arg wurd er es pringen,
Ich weck dich nu nit me.

Obe, obe das ich In schaw,
Den tag, der vns tůt schaiden.
Ich hör ye an des wachters draw,
Ich endarr nit lenger baiten.
Seidt sich die nacht so hat gewendt,
Beswärt sind all mein synn,
Sy naigt sich hin gen occident,
Der tag her streicht von orient;
Gnad fraw, ich far dahin.
(S. 16-17)
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Lied 14. (2)
Tagweis

Ich wachter můsz erwecken,
Der hie in fräden leitt,
Ain frölich hertz erschrecken:
Der nacht sey wir nun queit,
Ich sich den tag her streichen,
Halt weibes Er in hůt.
Die nacht begynnt ze weichen,
Von hynnen solt du schleichen,
Stand uf, das dunckt mich gut.

Ach got, nun můsz ich clagen:
Mein laid vnd auch mein pein,
Wie mich begynnt, veriagen
Des liechten tages schein.
Von meines hertzen fräd vnd wunn
Schaid ich mich sunder spot.
Ach, ach der iämerlichen stund!
Das mirs der wachter ye verkundt;
Des ligt mein hertz in nott.

Der liechte tag mit seinem schein
Verdringt den morgenstern.
Ich weck, die mir beuolhen sein,
Vnd tů es doch nit geren.
Yedoch sol nit verligen,
Der hie in fräden leytt,
Die vogel mich nit triegen,
Von ast ze ast sy fliegen
Vnd singen widerstreitt.

Obe, weib, meins hertzen trautt,
Nun hör, wie in dem hag
Die vogel singen überlautt.
Ia gen dem liechten tag
Hört man sy discantiern;
Ir stymm ist manigerlay;
Gar maisterlich floriern,
Des tages schein sy zieren
Mit manigem lautten geschray.

Sag mir, liebste frawe gůt,
Wes sol ich mich nun fräen?
Ich lasz by dir hertz, synn vnd můt
Ia von des wachters dräwen.
Wann sol ich dich sehen me,
Meins hertzen augelwaide?
Mir wirt an meinem hertzen we!
Das schaffet als ain werdes B;
Es gat nun an ain schaiden.

Obe, liebster geselle gůt,
Gedenck an mein ellend.
Das we, das mir nun schaiden tůtt,
Des wind ich ietz mein hennd.
Mein hertz das ligt in grosser not,
Mein augen begynnen netzen,
Von schaiden wird ich plaich vnd rott.
O du mynneclicher got,
Wer sol mich des ergetzen?

Fraw, ir sült eüch gehaben wol,
Ich main eüch zwar mit eren.
Fürwar ich das nun sagen sol,
Von eüch will ich nit keren.
Hertz, synn, můt vnd mein gedanck
Sol stätt by eüch beleiben.
Ich hoff, die nacht die sey noch lang,
Der tag vnd auch des wachters sang
Sol mich von eüch nit treiben.

Woluff, woluff, geselle,
Wann es ist an der zeitt.
Nun hör, wie ain geschelle
Clingt in den pergen weitt,
Die vogel lautt ergellen
Von hertzen süssen sangk,
Mit iren stymmen hellen
Des tages kor durchschellen,
Dem liechten tag ze danck.

Mit vrlaub, fraw, es můsz nu sein,
Ich schaid mich zwar mit rewe.
Mein vszerwelts, vergisz nit mein,
Als ich dir wol getrawe.
Bleib vest, stät vnd auch gerecht,
Des bitt ich dich in hertzen;
Ich wil dir wesen ain triuer knecht,
Das schaiden dunckt mich nit recht
Vnd pringt mir senenden schmertzen.
(S. 17-18)

verligen: die Zeit versäumen, verschlaffen

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Lied 15.
Ain tagweis

Gůt wachter, ich bin chomen
Vf dein genade her,
Das du mir tüest deiner hilffe schein
Mit deiner weisen ler. -
Das hab ich wol vernomen,
Was ler sol ich dir geben? -
Du solt gar frölich singen,
Vnd halt dein frölich leben.
Nun schweig ich geren stille,
Mein fraw die ist mir lieb,
So sorg ich nur, die lüte
Sy beschreyen mich für ain dieb.
Des schambt ich mich gar sere,
Ich bins ain knäblin Jung.

Nun her an die zynnen
Vnd clopff mit ainen reys,
Ob du sy mügest erwecken,
Sy schlaffet also leys -
Gůt wachter mit heller stymme,
Got müsz dein ymmer pflegen,
Das du mich nit vermeldest,
Es gilt vnser baider leben. -
Das halt vf mein triüe
Wol ohne sorgen.
Wann ich nun sich des tages schein
Her gen dem liechten morgen,
So will ich dich uff wecken
Mit ainem tage lied.

Der knab begund ze tretten
Vnder ainen rosengarten,
Da er der liebsten frawen
Wol in der hůt solt warten.
Da hett die fraw verslauffen,
Das er von dannen schied;
Er liesz den wachter singen
Ain frölich tage lied.
Das acht die fraw gar claine,
Er hůb selbs an vnd sang,
Das es der liebsten frawen sein
Wol durch ir hertz ein drang.
Da erwacht die frawe,
Der stymm was sy gar fro.

Sy begund dem wachter rüffen:
Gůt wachter, nun tritt her,
Nun sag dem knaben Junge,
Das er widerker,
Vnd das das in der stille.
Gib deiner weiszhait Im ler.
Des will ich dir wol lonen,
Das du wachst nymmermer.
Vnd haisz die hund ein schliessen,
Das sy nicht pellen,
Wann In hielten die lüte
Vnd sprächen, er wölt stelen,
Käm es an den tage,
Was er ze schaffen het.

Der wachter begund Im rüffen
Vnd halff Im triulich ein,
Das er seiner liebsten frawen
Kam an ir ärmlein.
Bis got will komm, mein geselle,
Trautt hertzenlieb das mein,
Ich hab dein lang gewartet,
Wir wöllen frölich sein.
Nun danck dir got, mein frawe,
Meins hertzen gepietterein,
Mich hat so ser belanget
Nach deiner edeln mynn.
Des solt du mich ergetzen,
Ich bins dein vndertan.

Da lagens by ainander,
Es dauchts ain claine weil,
Mit weissen armen vmbfangen
Die nacht des merern tail.
Sy pflagen der edeln mynne
Lieplich nach allem lust,
Mit weissen armen vmbfangen
Truckt sy In an ir prust.
Es nachent gen dem morgen;
Gott hatz beschaffen.
Nun weck mich, fraw, zu rechter zeitt
Vnd lasz mich nit verschlauffen;
Ich můsz mich von dir schaiden,
Der tag chommt vns ze schwär.

Der wachter begund ze singen
Von edler mynn so wol:
Das tůn ich ze dienst dem gaste,
Der sich nun schaiden sol.
Das erhort  die frawe.
Gar lieplich sy da sprach:
Nun rů, mein trautt geselle,
Wann es ist noch nit tag.
Nun růet ich also gerne.
Mich zwinget iammers pein,
Nun will ich alle die preisen,
Die lieb ainander sein.
Der tag hat mich verdrungen
Von der liebsten frawen mein.
(S. 18-19)
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Lied 16.
Tagweis

Die nacht die will verpergen sich,
Chain trauren krenckt mein hertz, die weil ich sy an sich,
Die liebsten frawen gemaidt.
Ich hab durch irn willen
Gelitten lieb vnd laidt,
Das macht ir stättikait.

Gůt wachter, nun rüff nicht ze frů,
Bis ich mein hertz gen der aller liebsten frawen vff tů,
Vnd sy vernymbt mein pein,
Die ich von ir můsz tragen.
Verschweig des tages schein,
Die weil es mag gesein.

O schöne fraw, ob es sich füg,
Vnd ob dein hertz ain kummer auch mit mire trüg;
Das wär meines hertzen spil.
Man mag mir wol gelauben,
Ich tůn nur was sy wil,
Vnd nichtz ist mir ze vil.

Nun sey es got von himel clagt,
Das mir die liebste frawe mir hat abgesagt;
Mein trost ist ganz dahin.
Viel lieber wolt ich sterben,
Dann ich so ellend bin;
Sy tregt nit rechten syn.

Wurd mir von ir ain vmbefang,
Weret es ain Jar, es deücht mich nit ainer nachte lang,
Mein mund ir gůts vergicht.
Ich mag nit abgelassen,
Mein hertz nach ir zerpricht,
Wie mir darumb geschicht.

Das fräwlin zu dem knaben sprach:
Vnd ist es war, das dein hertz hat grosz vngemach
So gar nach meinem leib,
Den will ich mit dir tailen,
Sprach da das raine weib,
Doch das verschwigen beleib.

Hab danck, du edle weibes güt,
Durch dise red so will ich tragen ain freyes gemüt,
Vnd was dein hertz begert,
Des bis du edle frawe
Allzeit von mir gewert.
Mein hertz das was versert!

Das fräwlin sprach dem wachter zů:
Gůt wachter, wilt du dann den meinem willen tůn,
Vnd ob ich läg ze lang,
Das vns der tag wölt schennden,
So weck vns mit gesang,
Das mein schimpff wol ergang.

Ach liebe fraw, schlaufft on sorg,
Ich hoff, das vns nit überdring der liechte morg,
Ich gewann von Im gelaitt.
Da sprach die fraw mit züchten:
Des gib ich dir ain claidt;
Nun behütt vns got vor laidt!

Da lagen sy die langen nacht,
Bis das der wachter die stern an dem himel sach,
Wann er hůb vff vnd sang:
Wer nun by liebe schlauffet,
Der sam sich nit ze lang,
Der tag ist in dem lannd!

Gesegen dich got, mein schönes lieb,
Ich far dahin vnd můsz dich laider lassen hie.
Sy gaben ainander die hennd,
Er mocht nit mer beleiben,
Der tag schyn durch die wennd,
Des můst er weichen behennd.
(S. 19-20)

vergicht: bekennen, verstehen

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Lied 17.
Tagweis

Ich ward durch lieb vmbfangen,
Mit ärmlin planck vnd weisz,
Darnach tett mich verlangen;
Der tag der kam so leys
Her durch die wolcken getrungen,
Das pracht meinem hertzen pein;
Wie süsz die vogel sungen,
Mich trübt des tages schein.

Das ich von dannen můsz gachen,
Wie wee mir da geschach!
Mich tett die schön vmb fahen,
Gütlich sy zu mir sprach:
Gesell, bis mein mit triuen,
Lasz dir das wenden nicht!
Ich sprach: mein fraw, on rewen,
Du bist mein zuuersicht!

Daruff statt mein begeren,
Fraw, nach den gnaden dein
Allzeit vff diser erden,
Das du seyest ainig mein,
Als dir von mir versprochen ist,
Des geleich ich auch beger,
Wann du mein gantz gewaltig bist,
Des ich dir nit vercher.

Ich halt mich des on ende,
Vnd chomt ze fräden mir;
Du wöllest von mir nit wennden,
Gesell, ist mein begir.
Bis stätt nach meinem gedencken,
Weil dich das leben wert,
Vnd tů von mir nit wencken,
Ich beleib dein vnuerchert.

Du solt on zweifel wesen
Der eren ain kaiserin;
Ich wolt nit sein genesen,
Solt ich nit haben den syn,
Dir nach deinem gefallen
Gentzlich sein vndertan.
Ich wills in triuen halten
Mit tůn vnd auch mit lan.

Mein fraw sprach: mit gewalte,
Als das wol pillich was,
Ich will dich mir behalten,
Lassz dich erfräen das,
Sunst nichtz by deinem leben,
Wann es wär wider mich.
Du hast dich mir ergeben,
Fraw, ichs nit widersprich.

Ich will nach deinem begeren
Dir wesen vndertan;
Wan sich mein fräd tůt meren,
So ich gedenck daran,
Das du bist ain mein höchstes hail,
Das mir vff erd geuelt.
Mein triu sol ye nit werden fail,
Du hasts allain bestelt.

Die lieb tett sich beschliessen,
Das als on übel was,
Dabey was chain verdriessen,
Dem tag dem trůg ich hasz,
Da er sein schein liesz mercken,
Ich chunt daruor nit sein,
Mein senen sich stercken,
Mich trübt das hertze mein.

Mein fraw, bis stätt in triuen,
Halt dich desz gleich von mir;
Lasz dich dein lieb nit rewen,
Ich schaid dahin von dir.
Der tag der tůt her streichen,
Ich fürcht der welte růff;
Er will vns über schleichen,
Pfleg dein, der vns beschůff!
(S. 20-21)

gach: eilig, hastig │ vercher: abwenden

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Lied 18.
Ain tagweise

Ains nachtes mir grosz hail beschach,
Ich ward gar schön empfangen;
Meins hertzen fraw gar friuntlich sprach:
Chomm her zu mir an mein gemach,
Tů recht nach deinem belangen.

Mein ere lasz dir beuolhen sein,
Als ich dir wol getrawe,
Mit rechter lieb zwar ich dich main.
An prüstlen weisz truckt mich die rain,
Die lieb gieng ir gar nache.

Ir lieplich pärd verwunt mein hertz,
Mein fräd begund sich meren,
Mit triu vnd mit friuntlichem schertz
Veriagt sy mir all mein schmertz,
Mein hertz sich zu ir cheret.

Vnder die deck ich zu ir sprang,
Sy tett sich vmb mich schliessen;
Vor lieb da ains das ander drang,
Die weil die was vns nit ze lang
Vnd hetten chain verdriessen.

Sy lag in ainem hembdlin weisz,
Darein gar schon geschmucket;
Ich bat die mynneclich mit fleisz,
Ziuch ab, Ee ich dirs gar zerreysz!
Nach lust ichs zu mir trucket.

Sy sprach: mein friund, halt dich in hůt,
Lasz dich von mir nit dringen,
Durch dich trag ich ain freyen můt,
Nun tů deszgleich, das dunckt mich gůt,
Zu dir hab ich gedingen.

Ich antwurt ir vsz hertzen grunt
Vnd gab mich ir ze aigen,
Versigelt wol mit mund ze mundt,
Also geuestent ward der punt,
Das vns io nichts mag schaiden.

Also lag ich in grossem lust,
Friuntlich sy sich erzaiget;
Wann ains das ander lieplich kuszt,
So ward vns trauren gantz verdust,
Vnmůt sich von vns naiget.

Sy tett mich vmbefahen schon,
Da ward die lieb sich sůchen;
Ich gedacht, ich wär in himels tron,
Da wecket mich ains hornes don,
Dem wachter gund ich flůchen.

Die stuntglogg gab vns zaichen driu,
Die zalt ich zwar mit clage,
Ach got, mein hordt, ich sorg mit rew,
Grosz Jammer will vns werden new,
Ich fürcht es chomm der tage.

Ze hannd die viert stund vns erhal,
Sy wannd ir schnee weisz hennde;
Vor laid liesz sy ain lautten gral:
Obe, mein fräd die gatt ze tal,
Ach tag, das dich got schende.

Die haanen kräen überlautt,
Der wachter gund ser singen:
Woluff, woluff, den tag an schawt,
O mynnecliches liebstes trautt,
Der tag will vns verdringen.

Nun bewar dich got, mein höchstes hail,
Ich besorg der claffer kallen;
Nymm hin mein hertz zu deinem tail,
Zeletz hab dirs on on alles mail,
Mir will geligen schallen.

Seid es nit anders mag gesein,
So lasz dichs, herr, erparmen,
Ich beuilch mich in die triue dein,
O tag, das tůst mit deinem schein!
Erst schlosz sy vff ir arme.

Wolhin, mein hordt, vergisz mein nit,
Ich můsz mich dein verwegen,
Mein hertz nye grössern kummer litt,
Yedoch ich got von himel bitt,
Das er dein gesunt woll pflegen.
(S. 21-22)
 
pärd: Geberde │ gedingen: Zuversicht, feste Hoffnung │ punt: Bund │
verdust: verjagt, vollendet │ gral: Schrei │ kallen: Gerede │ mail, meil: Fleck, Tadel │
on werden: los werden, verlustig werden │ geligen: vergehen, ersterben │
schallen: große Freude │ sich verwegen: aufgeben, verzichten

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Lied 19.
Ain tagweis

Woluff, woluff, es ist an der zeitt,
Sang vns der wachter vor dem tag,
Wer nun by hertzen liebe leitt,
Der hör vnd merck, was ich Im sag:
Die vogel singen vor dem hag.

Galander vnd die nachtigall
Hort man gar lautt erclingen,
Vnd ander vogel überall
Wecken mich mit irem syngen;
Ich sich den tag vff dringen.

Das fräwlin nam der rede war
Vnd stůnd vff gar getratte;
An ain venster schlaich sy dar,
Den wachter sy da patte:
Trautt gesell, es ist nit spatte.

Das erttrich gantz überal
Ist noch mit nacht bedecket.
Ach, wächterlin, mit deinem schal
Hast du mich ser erschrecket
Vnd gar vnsanft erwecket.

Ach, fräwlin, chain hertzenlieb
Laszt eüch so nach nit ligen,
Der tag der schleicht gleich ainem dieb,
Es pleibt doch nichtz verswigen;
Damit gewarnet seit!

Fraw, ir vnd der geselle zart,
Der by eüch ist entschlauffen,
Den beraitent wider vff die fart
Vnd gelaitent In sein strassen,
Zu allen dingen gehört massen.

Wachter, mag es nicht anders gesein,
Dann das wir zway vns schaiden,
Ich vnd auch der geselle mein,
So tů ze dienst vns baiden
Vnd gelaitt In über die haiden.

Ach, fräwlin, das sol beschehen,
Ich pring In wol von hynnen;
Ich hoff, vns süll auch nyemant sehen,
Vns werd auch wol gelingen.
Da tratt er von der zynnen.

Das fräwlin vff das pette sasz,
Der gesell der schlieff gar gütlich,
Mit zähern wurden ire wänglin nas.
Ach, reicher Crist von himelreich,
Wie hart so weck ich dich!

Sy kuszt In an sein rotten mund
Vnd vieng In vnder die arme
Noch vil mer dann hundert stund.
Ach, got, lasz dichs erparmen,
Sol ich nit mer by dir erwarmen?

Der gesell vff plickt vnd ser erschrack,
Da er das fräwlin wainen sach.
Ach gott, wie ists so liechter tag,
Das pringt mich in vngemach,
Ich schlauff, so ich solt wachen.

Sy vmbfiengen ainander da,
Manig kus geschach von In baiden;
Sy waren traurig vnd vnfro,
Wann es gieng an ain schaiden,
In baiden gerietz ze laide.

Der gesell da ain vrlaub nam
Mit trauliclichem můte,
Verholen hůb er sich von dan.
Ach, reicher Crist so gůte,
Halt sy in deiner hůte!

Die aller liebsten frawen mein,
Bey der ich lag verporgen,
Behalt sy in den hulden dein
Vnd bewar sy gar vor sorgen!
Da schain der liechte morgen.
(S. 23-24)

galander (kalander): Vogelname │ zähern: Tränen

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Lied 20.
Tagweise

Es sauszt dört her von orient
Der wind, leuant ist er genennt,
Durch India gar wol erchennt,
In Siria ist er behenndt,
Zu kriechen er nicht widerwendt
Durch Barbaria das gelendt.
Granaten hatt er pald errennt,
Portigal, Hispania entprennt;
Vberal dis welt von ort ze endt
Regniert der edel Element.
Der tag hatt In ze pott gesendt,
Der nach Im durch das firmament
Schon dringt zu widerstreitt ponent,
Des frät sich dört in occident
Das Norbanisch geschlechte.

Den sturm erhort ain fräwlin zartt,
Das es mit armes pannden hartt
In liebes lust verschlosssen wardt.
Sy sprach: ich hör die wider part,
Der tag die nacht mit schein bekartt.
Wach vff, mein hordt, sich hatt geschartt
Des sternes glast von himels gartt.
Wachter, ich spür dein valsche wartt,
Du pringest mich in iammers artt,
Das müst mich rewen hie vnd dört,
Ob mir miszlung min hine fart,
Du hast dich vil ze lang gespart,
Das macht dein schnöds geträchte.

Zwar sy begund In trucken,
Zucken    vsz dem Schlauff,
Friuntlich an dich schmucken,
Rucken    one straf,
Das er begund ze krachen,
Wachen    sunder schwachen,
Machen    lieplich äuglein zart.

Der knab erschrack vsz laurens won.
Sag, lieb, wie sol ich das verstan,
Das mich dein zartlich vmbefan
So grymmeclich hie began
Erschrecken ser mit widerzam?
Hab ich dir miszgeuallen tan?
Ach nain, du vfferwelter man,
Mich rewt dein sorgclich von mir gan,
Des bin ich můtes worden on.
Hör zu den vogeln wunnesam,
Den tag ze melden sy nit lan,
Ir yedes ficht sein sundern ian
Mit süsser stymm uff pames pan.
Mein hertz das můsz dem wesen gran,
Der vns hatt über schlichen.

Zart liebste fraw, deins hertzen qual
Mich fräden ant zu manigem mal.
Wie wol dein Er mit lieber zal
Mich fräen tůt on argen val,
So ist souil der mercker schal,
Die vns verdönen überal
Mit schnödem ticht in schanden tal,
Das ich wolt sein ain ainig mal
In wesen gleich der Nachtigal,
Damit deins zarten leibes sal
Nicht verlur der eren gral.
Doch hoff ich, das chain böser gal
Sich frä an dir in neides pal.
O wachter, dein verschwigner hal
Mit triuen hatt gewichen.

Das zünglin gund sy spitzen,
Im schmitzen in den mund.
Plind lieb die hatt nicht witze,
Hitzig zäher sy begund
Vsz den äuglin giessen,
Nyessen on verdriessen,
Schliessen schon verwund.

Ach schaiden, ich bin worden dein,
So redt das zart fräwelein,
Grosz fräd an mir ist worden clain,
Seid ich dich, vsserweltes ain,
Hie meiden můsz von tages schein.
O trumeton, mir pringet pein,
Dein süd vnd ost spaziern hain,
Ponent, dein starcker wider grein
Verdrungen hat er dis rein.
Ach Lucifer gar clar vnd vein,
Den greisen du last über frein,
Des bin ich ellends Mägetein
Vsz lieben schlosz entstricket.

Fraw, mich betrübt deine äuglen clar,
Mich hatt dein mündlin wolgeuar
Entzündt in rechter liebe gar,
Das mir kain not nicht schaden darr.
Vmb trauren gäb ich nicht ain har,
Mein hertz sůcht an dir liebes nar,
Du weiszst mich von des tadels par.
Dein Er behütt sant Balthasar,
Die von mir ungeschwechet zwar
Beliben ist on alle far.
Das ziug ich mit der himel schar,
Die mich zu dir an dein gewar
Mitt fräden wider schicke.
(S. 24-25)

widerzam: widerlich, zuwider │ mich ant: mich beraubt │
in neides pal (bal): Gerede (Gebelle) │ trumeton: ein Wind (tramontana, Nordwind) │
ponent (ponant): Wind, Abendwind │

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Lied 21.
Ain tagweis von lewsen

Ach wachter, mein geselle,
Wann ist es aber tag,
Das ich den lewsen entrynne,
So ich aller erste mag?
Dann ich hab aine erwischet
An disem pett so plosz,
Die hab ich auch zermischet,
Ist wol ains damens grosz.

Der griff der tett ich newne,
Die all zermischet sind,
So chomen erst die alten
Vnd rechen ire chind.
Des wee mir hewt vnd ymmer!
So schreyet ain alte laus.
Ich hör ain horen schellen
Vor Jörigen Baders hus,
Er plaset durch die wangen
Vor gramm vnd auch vor zoren,
Chomm ich Im an die stangen,
Den palg hab ich verlorn!

Nun wol mir hiut vnd ymmer,
So schreitt ain alter floch,
Wann man die stain vsz giusset,
So spring ich vff gar hoch.
So man die tür vff schliusset,
So hupff ich doch herus,
Da můst du dann verprynnen,
Du vszverheyte laus.
Da tages aber es -
(S. 25)
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Lied 22.
Tagweis

Gůt wachter mit heller stymme,
Verchünt du mir des tages schein.
Ob yemant sey hie Inne,
Der volg der lere mein
Vnd schaid von dannen pald,
Wann ich hör an der vogeln schal,
Es taget vor dem wald
Vnd liechtet überal.
Wann das erhort ain Junckfraw vein,
Die soll der warnung pflegen
Ains knaben vnd ains fräwelein
Vnd wont, sy hett verlegen.
Iene hůb sich vff vnd macht sich dar,
Da sy des wachters nam gůtt war
Vnd sprach Im friuntlich zů:

Ach wachter, du solt schweigen,
Das du nit meldest des tages schein;
Dein rüffen lasz beleiben,
Es trübt die frawen mein.
O gůt Junckfraw, es ist also geschaffen,
Das ich den tag verchünden sol,
Wolt yemant hie verschlauffen,
So wär die schuld nit mein.
Ich ratt, das ir ain wecken tütt,
Ob yemant läg verporgen,
Vnd wölt ir pflegen sölicher hůt,
So schawent an den morgen.
Da sy des tages rött ersach,
Sy tett, was da der wachter sprach,
Vnd sorgt, sy baitt ze lang.

Die Junckfraw gieng mit sorgen
Wann an ain tür vnd redt also:
Hie chomt der liechte morgen!
Des waren sy baides vnfro.
Die Junckfraw sprach on lachen:
Ich sich des tages rött!
Was möcht ich schimpffs gemachen,
Ich erchenn wol ewr nöt.
Die fraw da sprach: kain sölicher schimpff
Fügt sich zu disen sachen,
Du pringst dir selber vngelimpff
Vnd wilt vns traurig machen.
Die nacht ist noch nit halbe hin,
Wann ich noch heint entschlauffen bin,
Gang wider an dein hůt!
(S. 25-26)
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Lied 23.

Woluff, woluff, du werder gast,
Die falcken vff der stangen
Tůnd schwingen nach des tages glast,
Darnach sy tůt verlangen.
Darumb ich dir mit triuen ratt,
Das du mein warnen hörest,
Der tagstern an dem himel stat,
Wart, das es dir nit werd ze spat,
Ee du von hynnen cherest.

Schon, wachter, schon den hal,
Was hilft dich sölichs schimpffen?
Du pringst vns pein vnd swär miszual,
Ich kan dirs nit gelimpffen,
Das du mir schreckest den werden gast,
Er komt doch laider selten.
Du tůst vns baiden überlast,
Es scheint noch nit des tages glast,
Du magst sein wol engellten.

Mein fraw, mein fraw, seit nit ze schnell,
Durch ain gantz schwartze wolcken
Daucht mich, ich säch ain sternen hell,
Vor dem der tag chomt stolcken.
Das ich darumb betöret sey,
Des gib ich mich in schulde,
Der tag ist nit so nach hiebey,
Wir sein noch wol ain stunde frey,
Halt mich in ewren hulden.

Dem gast, dem gast sy das verchunt,
Ires hertzen ain tabernackel
Ward da in haisser lieb entzünt
Vnd flammbt recht als ain fackel.
Sy daucht, die stund ain Jar solt weren,
Vnd heten kain verdriessen,
Sy teten nach ir hertz begeren,
Bis das der liechte morgenstern
Kam an den himel schiessen.

Des nam, des nam der wachter acht,
Das taw viel vff den Anger,
Der vogel stymm mit grossem pracht
Erclang da also zanger.
Als palt der wachter das erhort,
Er můst das swär erarnen,
Vor angsten sanck er vff ain ort:
Obe laid vnd grosses mort,
Můsz ich sy aber warnen!

Hör, liebste, hör, was ich dir künd,
Mir zimmbt nit mer ze schweigen;
Stand vff und prich der liebe pünt,
Der tag chomt vffher steigen.
Von orient nymbt er den cher
Vnd scheint an dise zynnen,
O werdes weib, schon deiner Er,
Wilt du nun volgen meiner ler,
So richt den gast von hynnen.

Als schier, als schier sich das erfand,
Verstrickt in heldes armen,
Vor iammers qual ir da geschwand:
O herr lasz dichs erparmen!
Mit gewunden hennden ich dirs clag,
Vnd bitt dich ynneclichen:
Müg es gesein, verhalt den tag,
Ich sorg, das ich gentzlich verzag,
Will er vns überschleichen.

Da ward, da ward der werde knab
Manlos in seinem hertzen,
Doch trost er sy vsz vngehab,
Er sprach: lasz von dem schmertzen!
Ob ich mich mit dem leib hinschaid,
Mein hertz dir doch beleibet
In triu verbunden bey dem aid,
Das es sich nymmer von dir schaid,
Sein zeitt mit dir vertreibet.

Dein trost, dein trost vnd friuntlich wort
Durch dringet mein gelider,
Doch bitt ich dich, mein höchster hordt,
Füg dich nun pald herwider.
Behalt mich in den triuen dein,
Du liebsts ob allen weiben,
Verschliusz mich in das hertze dein,
Wann ich by dir nit mag gesein,
Tů mir ain brieflin schreiben.

Mein hail, mein hail vnd vffenthalt,
Was mich dein tugent leret,
Des hast du gantz vnd gar gewalt,
Zu dir mein hertz begeret.
Das went mir weder fräd, noch not,
Wann solt ich dich begeben,
Ich wurd verwundt mit tieffem schrot
Vnd wär mir auch der pitter todt
Vil pesser, dann das leben.

Schaid hin, schaid hin, ich wunsch dir hail,
Der mächtig aller dinge
Gelaitt dich an der genaden sail,
Das dir nit misselinge.
Wa du vff tüst hinfaren
Müsz er dein allzeit pflegen,
Vor kummer vnd vor laid bewaren,
Vnd wöll dich pald herwider sparen!
Also gab sy Im den segen.

Gnad fraw, gnad fraw, ich far dahin,
Der obrost aller welte
Behalt dich in den gnaden sein
Vnd vnder seinem gezelte,
Bewar dein leib vnd auch dein Er
Vor allem vngefelle,
Lasz dir mein fart nit wesen swär
Vnd frä dich vff mein widerker!
Also schied der geselle.

Die fraw, die fraw amm pett vf sasz
Vnd wand ir hennd schnee weisse,
Sy machet ire wänglin nas
Mit manigem zäher haisse.
O got, wann sol ich sehen mer
Den tertz ob allen valcken?
Hin schied er senlich durch den clee,
Das schaiden tett In baiden wee,
Der tag kam einher walcken.
(S. 26-28)

stolcken, stolken: heimlich, verstohlener Weise │ zanger: deutlich, vernehmlich │
erarnen: büssen │ ungehabe: tiefes Leid │ obrost = oberost, sup. von ober; der Oberste │
tertze: terciolus, Falkenart │

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Lied 24.
Taghoren

Wol hin zů dir, ain gůte nacht
Wunsch ich dir in dem gedingen,
Für alles, das da lebt vnd wacht,
Tůt mein hertz zu dir ringen.
Der nachte schatten
Tůtt nun ersatten
Mit dunckelplaw das firmament.
Die nacht gat hin, der tag her wendt,
Der Mon schon seinen poten sendt
Durch die wolcken dunckelfar,
Verplichen ist der sunnen schein clar.

Die lüfft gar süsslich sind gemengt
Mit edelm schraff gar manigerlay,
Durch alle reys ist wol ersprengt
Mit plůmen der edel May.
Der vogeln galm
Gantz allenthalben
Hand sich geschwaigt vnd nemen rů.
Die nacht tůt sich chomen zů,
Die nachtgall synget spat vnd frů,
Des zwingt sy lieplicher gedanck,
Gar stätt vnd vest ist sy on wanck.

Gedanck bezwinget alle zeitt,
Wa sich der můt stäts hine sent.
Ain pild mir in dem hertzen leitt,
Gar lieplich mich das hatt verwent.
Ob aller zucht
Sein edel frucht
Haben mein hertz begossen
Vnd lange zeitt verschlossen.
Vngemelt vnd vngenossen,
Das pild der lieb nye ward ermant
Vnd hatt doch gantz mein hertz zertrant.

Also was ain geselle gůt
In süssem schlauff entnucket,
Das bild Im da sein hertz durch wůt,
Das er was gantz verzucket.
Sein lieplich gestalt
Zwang In manigualt
Vnd schwebt vor Im in schlauffes tram.
Sein hertz das nam des pildes gaum,
Yedoch das er ermannet kaum
Vor lieben schricken ob dem zart;
Das pild ist wol von hocher artt.

Sein tugent nyemant vol zieren kan,
Das pild ist werd, lieb vnd rain,
Aller wunsch der ligt daran
Vnd fräd für edels gestaine.
Für alle frucht der erd
Ist sy lobes werdt,
Für carfunckel vnd rubin
Ist ir gepärdt durchleüchtet vein,
Ir grůsz ist für der plümlen schein,
Fräd hatt sich ir geschantzet,
Wonn, lust darynn gepflantzet.

Saphir geleicht sich irem můt,
Mit Adamant rain gemischet,
Gar stätt vnd vest ist sy zu gůt,
Mein hertz frölich erhischet.
So gar on straffen
Ist sy beschaffen,
Dacht Im der knab in schlauffes twalm,
Sein denck die schwebten allenthalbem,
Sein hertz das lag in schaches galm,
Da er das pild also an schawt,
Darzů sein hertz hett lang gepawt.

Das pild, gar rosenuar gestalt
Vnd mynneclich von rainer zier,
Das mengt die varb gar manigualt,
Da der knab meldt seins hertzen gir.
Rottuar gar lieplich,
Darnach plaich senftlich,
Rosen vnd weisser lilien schaw,
Als sy vff dringen in dem taw,
Was ir antlütz der fräden aw.
Des knaben melden was ir schertz,
Doch gütlich was das edel hertz.

Die lüft gar süsslich seüsent
Von orient gen mitem tag;
Mein hertz mag werden gespeiset
Oder nit, es ligt vff der wag.
Ach wunschel růtt,
West du mein můt,
Vnd es dir gieng ze hertzen;
So möcht ich wol geschertzen,
Mein hertz leitt kainen schmertzen,
Beschaffen ding das brüf ich wol,
Es geschicht ye was geschehen sol.
(S. 28-29)

gedingen: Zuversicht, feste Hoffnung │ schraff: ? Geruch │ galm: lauter Schall, Gesang │
entnucken: anheben zu schlafen │ twalm: Betäubung │

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Lied 25.
Tagweis

Ich hort ain wachter clagen,
Mit lauter stymm er rüfft:
Mich bedunckt zwar, es wöll tagen,
Mein hertz erseüftzet tieff,
Wann mich will ser erparmen,
Ob yemantz fräde hab
An wunnenbernden armen
Vnd wolt daran erwarmen,
Der schaid mit listen ab.

Ich sich dört her erglesten
Ain stern, der prynnet hell
Wol vsz des himels vesten,
Sein lauffen das ist schnell.
Das gemain gestirn sich wendet,
Mich rürt des tages wind,
Ee yeds sein lauff verendet,
Der tag sein poten sendet,
Kainer nacht ich mer empfind.

Ich sich dört here rötten
Das firmament der himel
Vnd stern in grossen nöten,
Seid vns des tages gewymmer
Kreffticlich tůt erleüchten
Vnd zündt über alle lanndt.
Der taw das gras tůt feüchten
Vnd entwennt Im sein seüftzen,
Des sein all gest gemant.

Mich weiset ain vnd ander,
Daran ich brüfen mag;
Baide, nachtgall vnd Galander,
Die dienen gen dem tag.
Ich merck des morgen zaichen,
Daran chain zweifel ist,
Das firmament sich plaichet,
Ir chains mich nit enlaichet,
Ich brüff des tages frist.

Der wachter zu der zynnen tratt,
Als In bezwang sein triu,
Den verporgen er friuntlichen batt:
Woluff, gesell, vnd schewh
Den grossen last von sorgen,
Der dich mag komen an.
O werder gast verporgen,
Es nachent gen dem morgen,
Heb dich by zeitt daruon!

Der gesell vernam das warnen
Vnd auch des wachters don:
Nun müsz es got erparmen,
Seid ich vernomen han,
Das vns die nacht will lassen
Zu letz grosz angst vnd not.
Der tag will vns verstossen,
Der fräd můsz ich mich massen,
Mir wär vil wäger der tot.

Dem tag will es sich nachen,
Ach we mir armen hie;
Schaiden můsz ich anfahen,
So laid geschach mir nye,
Vnd fürcht, ich müsz begeben
Ain edle hoche frucht.
Es kam mir nit gar eben
Vnd krenckt mir leib vnd leben,
Pfew ich dem tag da flůcht.

Das fräwlin gund ze wachen,
Irs gesellen stymm sy hort,
Friuntlichen ward sy lachen
Vnd maint, er wär betort
All von des wachters kreysen,
Das sy dann auch vernam,
Da er den tag tett preysen
Vnd wolt damit beweisen
Den glast, als Im wol zam.

An liebes arm verpunden
Friuntlich der werde lag,
Als sein laid was verschwunden,
Bis das er chomen sach
Den tag mit seinen crefften,
Das schůff senlichen pracht.
Möcht ich die nacht beheften
Mit allen maisterscheften,
Wie selten es dann tagt!

Das fräwlin In vmbe fieng
Mit armen creffticlich;
Sy sprach: du stoltzer Jüngeling,
Seid ich můsz lassen dich,
Des mag mich nit ergetzen
Vff erd kain menschlich pild.
Ich will mich mit dir letzen,
Stät triu will ich dir setzen,
Alsferr du ymmer wild.

Der gesell mit gantzen tiuen
Das fräwlin an sich schmuckt.
Er sprach: mich můsz ye rewen,
Seid das mir wirt entzuckt,
Die liebst ob allen weiben,
So ich sy ye gewan.
Wie geren wolt ich beleiben,
Der tag will mich vertreiben,
Von fräden můsz ich lan.

Wer hort ye grösser clagen
Von ainem fräwlin rain?
Da sy erchannt den tage,
Von iammer ward sy wain,
Ir hertz ward züchticlichen
Entzuckt vor grossem laid,
Ir mund ser ward verplichen.
Ach wee mir ynneclichen,
Mit rewen ich mich schaid.

Der gesell gab ir den segen,
Sy tett In vmbe fahen,
Ich můsz mich dein verwegen
Vnd schaid mit grossem gachen
Von dir mit gantzem rewen,
Mein vsserwelte zart.
Die claffer můsz ich schewhen,
Halt mich in deinen triuen,
Schier chomt die widerfart.

Mein liebster gesell gůt,
Wilt du dich von mir wenden,
So hab dich got in seiner hůt,
Helff dir dein rays vollenden
Gentzlich nach deinem begeren,
Das ist mein gröste bätt.
Dein vart ist mir vnmere
Vnd meinem hertzen swäre,
Doch beleib ich an dir stätt.

Mit ellend vnd mit schmertzen
Da schieden sich die zway,
Sich krenckt ir baider hertze
Von maniger hannd schray.
Gott wöll sy wider pringen
Von kummer vnd von wee,
Vnd lasz In wol gelingen,
Das sy ze fräden springen
Vnd haben lust als Ee!
(S. 29-31)

enlaichen: hintergehen, täuschen │ schmucken: an dich drücken, pressen │
entzucken: wegziehen, entziehen │ gach: eilig, hastig │

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Lied 26.
Ain Tagweis

Ich wachter solt erwecken
Den sünder, der rewset ser,
Ob er sich liesz erschrecken
Vnd von den sünden cher.
Es nachent gen dem morgen,
Als got, der h're mein,
Gieng schwitzent in den sorgen
Vf seines todes pein.
Ach sünder, das du nit enmacht,
Ain weil mit Im gewachen,
Der durch dich ain lange nacht
In angsten dick erkrachet,
Da In seins sterbens nit verdrosz,
Da er dich macht des todes los,
Den Eua hett gemachet.

Nun wacha, sünder träge,
Bedenck dein grosse sünd,
Er legt dirs uff dein wage
Vnd gat durch verschlossens tor.
Ich haisz ain torlichs wagen,
Wann du nit waist die hor,
Du waist nit wann, oder wie
Du dein leben endest.
Stand vff, wach vnd richt dich ye
Das du hinfür sendest,
Da du on zweifel hin must komen.
Slaufest oder wachst, hast mich vernomen?
Das lasz mich wissen hier!

Waffen, ymmer waffen,
Sünder hör an mich:
Vindt dich der h're nun schlauffen,
Es wirt gerewen dich.
Mein rüffen vnd mein singen
Ist vnuerfangen zwar,
Ob dir nu wurd miszlingen,
Die schuld ist dein fürwar.
Erschell ich meines hornes don,
Dein wachen wirt ze spat,
Dein rew die ist on allen lon,
Nun wacha, sünder, dratt!
Sich vmb vnd ůf, ist an der zeitt,
Die weil der herr den lone geit,
Komm pald, er empfacht dich schon.
(S. 31)

reusen: barmen, klagen │ waffen: weh!

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Lied 27.
Tagweis

Von hocher art
Ain fräwlin zart,
Hort ich aym wacher clagen,
Irs hertzen qual
Tett sy ze mal
Ja Im mit triuen sagen.
Sy sprach: gesell,
Mein vngefell,
Ist new vnd pringt mir schmertzen.
O wachter gůt,
Chain argen můt
Trag ich in meinem hertzen.

Ain werden man
Dem ich wol gan
Gelück vnd hail mit triuen;
Sein tugent grosz
Vindt nyemant plosz.
Daruff ist wol ze pawen,
Das er nun sey
Als wandels frey,
Ain man von hochem eren.
O wachter mein,
Müg es gesein,
Hilff mir mein fräde meren.

O wachter, ich
Kan nyemant on dich
In mein gemach nun pringen,
Du wöllest dann mir,
Nach meiner gir,
Mein trauren machen ringer.
Das wolt ich zwar
Sicher fürwar
Mit gab dir wol vergelten;
Chäm er herbey,
Ja wachter frey,
Den gast ken nyemantz zemeldten.

Der wachter sprach:
Fraw, das ich lach,
Sült ir mir nit verkeren.
Mein triu ich gab
Vmb all mein hab,
Ain aid můst ich da swëren,
Da ich mit hannd
Mich des verpannd,
Meins h'rren schaden ze wenden.
Fraw, ich entů,
Můt mirs nit zů,
So mag vns nyemant schenden.

Mein herr gepott
Mir vff den tott,
Da er von hynnen wolt schaiden,
Ze wachen wol;
Ich wachter sol
Das tůn by meinem aide.
Er sprach: mit schall
Sing, rüff vnd kall,
Bis munder an der zynnen.
Hab in der hůt
Mein schlos vnd gůt,
Die weil ich bin von hynnen.

Er sprach auch me:
Wachter verstee,
Das mein gepot ze halten.
Ob dir ain gast
Wurd nachent vast,
Tů In mit stainen schalten.
Gar ferr hindan
Weck yederman,
Den schaden mein ze weren.
Hütt, wachter, recht,
Mein triuer knecht,
Dein gůt will ich dir meren.

Fraw, ir wiszt wol,
Das ich nit sol
Mit vntriu schaden pawen
Dem hrrn mein,
Ich käm in pein,
Es wurd eüch selber rawen. -
Sy maint: gesell,
Mein vngefell,
Das kan ich wol fürkomen.
Volg meiner ler,
Mein weiplich Er
Sol mir sein vnbenomen;

Darzu deinem leib
Sol durch mich weib
Kain sorgklich not beschehen.
Wachter, nun sich,
Bey triuen will ich
Dir gar hoch veriehen.
Benymm dem gast
Seins kummers last,
Pring In mit dir hereine;
Er gibt dir gut
Mit triuem můt,
Wirt Im deiner hilff scheine.

Dem wachter tett
Der frawen bett
Gar nachen gan ze hertzen.
Er sprach zu ir:
Fraw, trawent mir,
Ich tů eüch weren schmertzen;
Ja ewrer laid
Bin ich berait
In kurtzer zeit ze wenden.
Was ir mir piett,
Das lasz ich nit
Vnd tů es schnell vollenden.

Die fraw da saitt:
Wachter, berait
Dich pald hin vff die maure.
Noch vor der nacht
Bis an der wacht
Vnd mach ain schnelles fewre;
So wirt der gast
By tunkelm glast
Mit eyl zu dir her gachen.
Hilff Im herein,
Dem liebsten mein,
Vnd tů In wol empfahen.

Der wachter nit liesz,
Was In da hiesz
Die werde fraw besunder;
Er machet schnell
Ain fewr, was hell,
Vnd was in triuen munder,
Bis er da hort
Haimliche wort
Da ynnen an der zynnen.
Der werde gast
Da rüffet vast:
Gůt wachter, wär ich drynnen!

Der wachter dratt
Mit schnellem ratt
Kam da dem gast ze stewre;
Ain sail er liesz,
Darein er stiesz
Ain holtz von seinem fewre,
Daruff der man
Sitzen began.
Der wachter zoch mit sitten
In an die zynn
Vnd halff Im ynn
Nach seiner frawen pitten.

Der geselle Jung
Da manigen sprung
Vor grosser fräd tett springen;
Seins hertzen lust
In hochem iust
Macht Im sein trauren ringer.
Das werde weib
Vnd iren leib
Hielt er in sein gedencken,
Dardurch er tůt
Dem wachter gůt
Zehen guldin schencken.

Gar pald da kam
Die fraw vnd nam
Den Jüngling by dem geren.
Da er empfand
Der frawen hannd,
Gund er sich zu ir cheren.
Sy sprach: willkomm
Sey mir der gast,
In gottes ere empfangen,
Nach dem mein hertz
Hat sënden schmertz
Vnd haimlich grosz verlangen!

Gnad fraw gemait!
Der vnuerzait
Tett ir gütlichen dancken:
Got in seinem tron
Sey ewr lon!
Er nams in arme schranken.
Durch weibes güt
In liebem gemüt
Hielt sy sich an sein pruste.
Die rain, die zart
Truckt er so hartt
Nach seines hertzen luste.

Der wachter sprach:
In ewren gemach
Fürent In gar schnelle.
Sind baide still!
Hört das gebill,
Die hund gar laute pellen!
Ja das ir pell
Nyemantz erhell!
Den ratt will ich eüch geben.
Des claffers list
Schendtlichen ist;
Gand hin in fröhlichs leben!

Die fraw die nam
Der rede gam,
Gar gütlich gund sy sprechen:
Wachter, dein stymm
Ich wol vernymm.
Wir wollen triulich prechen
Des claffers spech,
Das er nit sech
Den gast in diser veste.
O wachter, tů
Vns wecken frů
Wol vor des tages gleste.

Gnad fraw, das sey!
Sind sorgen frey,
Schlaufft wol, ich tůn eüch wecken!
Ja vor dem zil
Ich warnen wil
Vnd eüch die sorg entdecken.
Nun merckent recht:
Still on gebrecht
Will ich den tag verchünden,
Vmb mettin zeitt
Mein stymme geit,
Ze fliehen vsz den pünden.

Da das geschach,
In ir gemach
Fürt sy den gast mit liste;
Die edel maid
Was schnell beraitt
Vnd tett von trauren rüsten.
Dem Jüngling gůt
Gab sy da můt
Mit gar friuntlichem grüssen;
Ir rotter mund
Zu aller stund
Tett Im sein trauren püssen.

Vmbfangen dick
In armes strick,
Ward er gar offt geschlossen
Hart an ir prust
Durch liebes lust;
Des was sy vnuerdrossen.
Der tugentreich
Was schnellicleich
Der werden in dem hertzen.
Vil süsser wort
Er von ir hort
Mit gar fröhlichem schertzen.

Der edel knecht
Der frawen recht
Tett da sein hertz entschliessen.
Er sprach zu ir:
Fraw, das hatt mir
Verlenget mein verdriessen.
Da mich verlang
So schwärlich zwang
Nach deiner weiplich güte,
Da lag mein hertz
In laides schmertz
Vnd pracht mir swärs gemüte.

Als er da lag,
Sein hertz das pflag
Vil fräden mit der werden;
Zwar alles arg
Er da verparg
Mit worten vnd gepärden.
Der frawen güt
Pracht sein gemüt
Allda in grosses gewden.
Wann er sy truckt
Vnd sy In schmuckt,
Das mert In baiden fräden.

Zart fraw, by dir
Meins hertzen gir
Was stäts zu allen zeitten;
So was mein laid
Gar weitt vnd praitt,
So ich dich, fraw, můst meiden.
Ich lag auch dick
In liebes strick
Gepunden vnd gefangen;
Durch lieb ich trůg,
Fraw, leidens gnůg
Vnd hett allzeit verlangen.

Die fraw die lag
Vnd hort die clag
Den werden gast erzelen.
Obe, gar senlich
Sy da sprach:
Du tůst mein hertz mir quelen
Vnd mein gemüt,
Darynn es wütt,
Wann ich dein můsz emperen.
Sy sprach: gesell,
Mein vngeuell
Clag ich mit grosser swäre.

Der wachter pflag,
Ir baider clag
In kurtzer zeitt ze meren.
Er rüffet hell:
Woluff gar schnell,
Ich sich den tag her cheren!
Das firmament
Hatt sich gewendt,
Die nacht die will von hynnen;
Der morgenstern
Statt vns nit ferrn
Vnd leücht hell an die zynnen.

Da das beschach,
Mit senftem ach
Begund der knab da sprechen:
O frawe gůt,
Baid, fräd vnd můt,
Will mir der wachter prechen.
Sein helle stymm
Ist mir ze grymm
Von werdes tages chomen.
Obe der not,
Mein hertz ligt tot,
Es pringt mir kainen frummen.

Der wachter schnell
Des tages hell
Tett aber lautt beschreyen.
Er růft der Magt
Vnd sprach: es tagt!
Woluff, setz zu den preyen!
Weck das gesind,
Wann ich empfind
Des waren tages zaichen.
Der mir das zeügt,
Mit nicht der leügt,
Ich sich In vffher plaichen.

Wach uff, mein hordt,
Vernymm die wort,
Die vns der wachter kündet;
Es wirt mein laidt
Grosz, weitt vnd prait,
So sich der tag anzündet.
Woluff, gesell,
Vor vngefell,
Nit hab es für ain schertzen,
Dardurch mir weib
Mein Er vnd leib
Nit chomm in iammers schmertzen.

Der geselle gůt
Sprach: gottes hůt
Müsz ewr allzeit pflegen!
Meins hertzen fraw,
Des iammers taw
Netzt mich recht als der regen.
Durch schaiden laidt
Mein hertz zwar traitt
Vnd ligt in kummers nöten;
Mein hertz das clagt,
Der wachter iagt
Mich mit des morgens rötte.

Ir baider lust
Ward pald vertust,
Da es gieng an ain schaiden.
Die wunder schön
Macht clein gedön
Vnd hiesz den wachter peitten.
Sy sprach zu Im:
O wachter, nymm
Den werden man mit synnen,
Vnd für In leys,
Bis clůg vnd weis,
Vnd hilff Im pald von hynnen.

Da was beraitt
Der vnuerzaitt,
Zu gesegen die vil rainen:
Got in seinem tron
Pfleg ewr schon!
Gar haysz begund sy wainen,
Sprach auch: dein
Allzeitt on pein!
Gesunt müsz er dich sparen
Vff dieser erd!
Da tett der werd
Hin mit dem wachter faren.
(S. 32-36)

veriehen: gestehen, bekennen │ im hohen iust: eben, recht, wohl zu Mute │
unverzait: unverzagt, mutvoll │ speche: Ausspüren, Auflauern, Ausforschen │
vertust (verdust): verjagt, vollendet │

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Aus: Liederbuch der Clara Hätzlerin
Aus der Handschrift des böhmischen Museums zu Prag
Herausgegeben und mit Einleitung und Wörterbuch versehen
von Dr. Carl Haltaus
Quedlinburg und Leipzig
Druck und Verlag von Gottfr. Basse 1840


Teil 2



 

 


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