Komm zu mir in der Nacht -

wir schlafen engverschlungen . . .

Else Lasker-Schüler (1869-1945) - Bilder / Gedichte / Prosa


Gedichte:


Ein Liebeslied
 


Frühling
 


Eros
 

Lenzleid

¢ A J a n a t o i

Die Liebe

Mein Liebeslied
 

Heimlich zur Nacht

Wenn du kommst

Ein Liebeslied

Mein Liebeslied

Ein alter Tibetteppich

Dem Prinzen von Marokko
 

An den Gralprinzen

Als ich Tristan kennen lernte

Giselheer dem Knaben

An den Prinzen Benjamin

Weihnacht

Ich liebe dich
 

Dem Holden

Ich säume liebentlang

Mit dir, Goldlächelnden

Mein Tanzlied

Im Anfang

Maria
 

Zebaoth

An Gott

O Gott

Gebet

Ein Lied an Gott

Hör' Gott . . .
 

Mein blaues Klavier
 

Gebet
 

Ich liege wo am Wegrand
 

Die Thräne, die du . . .
 

Ein Feuer ging aus vom Ewigen
 



Prosa:
 

 

Das heilige Abendmahl

"Es war aus zartem Holz ein Tisch um den Jesus von Nazareth mit den Jüngern das heilige Abendmahl feierte, seines Herzens überflutende fromme Rose den Freunden reichte, ihnen mit dieser innigsten, stärksten Umarmung das ewige Leben schenkte, eine Heimat bereitete, ja den Himmel credenzte den herben zwölf Juden. Nur einer hatte seine ehrgeizige Seele nicht weit und bereit aufgetan und war erstickt an so viel Gott."
(...)
 

 

Die kreisende Weltfabrik 

Wer auch nur in sich einen Baum oder einen Pfad gefunden hat, dem kommt die Stadt, in der er lebt, kaum künstlerisch in Betracht. Und erst recht gar nicht dem schaffenden Menschen, dem es vergönnt ist, vom Leuchtturm seines brausenden Herzens über eine Hauptstadt blicken zu dürfen, über Berlin, dem unendlichen Häuseracker.
(...)

 

 

Der Schmetterling

Klaus sagte, er sei tot. Aber ich hob den kleinen verirrten Schmetterling von der Düne auf und legte ihn zwischen meine Hände, ein warmes Häuschen. Ab und zu hauchte ich durch die Fingerspalten etwas Juliwind hinein, aber die armen Schmetterlingsflügel blieben verdorrt, die einmal, von der Farbe der Zitrone, wetteiferten mit den Strahlen der Sonne. Und mein Freund Klaus fragte mich, ob ich etwa beabsichtige, das tote Tierchen zum Leben zu erwecken.
(...)

 

 

Das Kind unter den Monaten 

Schon lebt sein Enkel, und die Singvögel singen im Wald. Als ich vor zwei Monaten auf den Gartenhof blickte, war alles voll Blättchen und freute sich. Die kleine Akazie trug einen grünen Lockenkopf, die Vogelbeere träumte von ihrem Korallenschmuck und kokett wiegte sich der Spitzenbaum in seinen neuen Valenciens; worüber die breitgewordene, mächtige Eiche lachte, tatsächlich!
(...)

 

 

Dichtung und Christentum 

Ich habe schon als Kind die Tiefe des Judentums erkannt; aus den Lehren der Propheten vom unsichtbaren Gott erfahren und weiter im himmlischen Klang vernommen, den heiligsten Juden: Christo Jesus. - Wie ein Goldgräber nach Gold gräbt, hab ich nach Gott gegraben und hoffe, wert zu sein, aus dem Judentum zu stammen.
(...)

 

 

Meine Andacht 

Wir schließen am Abend die Augen ohne Furcht; den kurzen, vorübergehenden Tod gewöhnt vom ersten Tage der Geburt an. Manche beten, bevor sie einschlafen, selten ein einziger mit dem Gedanken des Nichtmehrauferwachens. Würde der wirkliche Todesschlaf öfters oder auch nur einige Male das Leben des Menschen abschließen, fürchtete der Todesschläfer ebenso wenig den vorübergehenden Tod wie das vom Schlaf unterbrochene Leben; und den Tod als Begleiter betrachten, der wieder heimfindet ins Erwachen.
(...)

 

 

Paradiese 

Ueberall hängt noch ein Fetzen Paradies. Gehst du auch daran vorüber - nur einige Menschen erkennen wieder das schimmernd erhaltene Beet allererster Heimat. Die ganze Welt war einmal . . . Paradies, eine glühende Melone am Zweig der Ewigkeit und fiel Gott in den Schoss. Bis die Angst das erste Menschenpaar erfasste, sich unsere paradiesische Welt verfinsterte und aus dem Gleichgewicht kam.
(...)

 

 

Freundschaft und Liebe 

Wenn man keine Mutter mehr hat, in deren Liebe sich Himmel und Erde verklären, wünscht man sich sehnlicher einen guten Freund, eine gute Freundin. Man weiss allerdings, ist man sich Freund, wen man hat! An Eigentreue erlebt man selten eine Enttäuschung; kann man sich auch manche Dummheit nicht verzeihen. Trotzdem meine Dummheiten an Wert meine Klugheiten weit übertreffen.
(...)

 

 

Ein Konzert 

Ich hörte die Bäume mit Orchesterbegleitung des Meeres rauschen; September war es, und der Tag legte sich mit mir zeitiger nieder, schwärmerisch zum Konzert. Ein neues Herbstlied blies der Herbststurm in die laubigen Dudelsäcke der Kastanien, und noch in der Frühe tanzten die kindlichen Wolkengebilde über den Rücken der Welt. Dann kam die kleine Sonne im goldpunktierten Spielkleidchen. Auf die Erde zu scheinen, bedeutet jedesmal für sie: Mit dem grossen Erdball spielen!!
(...)

 

 

Das Meer 

Auch das Meer war einmal vom Körper umfangen gewesen, bevor es losbrauste. Das Meer ist die weite strömende, der Welt "gebliebenen" Seele. Das Meer ist von dieser Welt. Aber der Geist Gottes schwebt über seine Wasser. Wir tauchen in das heilige Element und erlösen uns von aller Erdenschwere.
(...)

 

 

Als die Bäume mich wiedersahen 

Ich kam vom Meer. Als die Bäume mich wiedersahen, hob ein weiches Wehen in der Luft, ihre Zweige, mich zu grüßen. Wind und Sturm ermöglichen den großen und kleinen Bäumen, den Sträuchern und Büschen, allen Kräutern und den zartesten Stengeln der Blumen, sich nach ihrem Gutdünken zu bewegen.
(...)

 

 

Das Gebet 

Wenn ein Mensch inbrünstig betet, tritt seine Seele an die Pforte des Körpers. Im Gebet zu sterben, erspart der entkörperten Seele den Abschied, nicht nur vom eigenen Leibe, auch den endgültigen vom Mutterleibe der Welt. Dem zu entsteigen, heißt: Sterben. Und doch handelt es sich nach himmlischen Gesetzen um ein neues Geborenwerden. Die Hülle zerreißt, aber die ewige Odemknospe lebt ein ewiges Leben, überlebt ewiglich den Tod.
(...)

 

 

Die Eberesche 

Wenn ich ein Stückchen Land besässe, ich würde mir ein kleines Wäldchen von Ebereschen pflanzen. Ein einziger der glühenden Bäume könnte schon das Glück eines Spätsommers ausmachen und verklären. Ja, die Eberesche leuchtet in den Dezember hinein, täglich etwas dunkler werdend und zweighängerischer. Bis die letzte Koralle an der Dolde wartet auf die Schwarzdrossel, die sie aufpickt.
(...)

 

 

Der Weihnachtsbaum 

Später kommen sie alle in den Keller oder man wirft sie kurz und bündig auf den Schutthaufen. Aber ich kannte auch jemanden, dem genügte es nicht, die erlesene Tanne zu schmücken mit einem Silberkleide, ihn zu behängen mit Aepfeln und Nüssen und Näschereien, um ihn mit seiner Weihnachtsbraut zu plündern; er sog auch noch sein Mark und sein grünes Blut aus dem Stamm und seinen Aesten; denn er warf ihn in die Wanne mit Stern und mit dem schimmernden Wachsengel in der Krone - zu baden in dem duftenden Extrakt der frommen Nadeln. Später holte der Müllkutscher den also geschändeten Baum der Bäume ab.
(...)
 

 

 

Die weiße Georgine 

Manchmal finde ich eine noch unaufgeblühte Blume am Fuß eines Hauses auf dem Trottoir oder auf dem Markplatz liegen, meist zusammengekehrt mit Abfällen von Gemüsen und wurmstichigem Obst. Es ist etwas so recht Trauriges, eine geknickte Rose oder eine glühende Nelke oder von seinem Stengel gelockerten, noch gesunden, gelben Löwenzahn zwischen faulgewordenen Nahrungsmitteln zu finden.
(...)

 

 

Die Seele und ihr Licht

Wenn man durch einen Ast oder durch einen Blumenstengel einen Docht ziehen könnte, wäre der Mensch imstande, ihn nach Belieben anzuzünden und wieder auszublasen. Und erst, wenn man einen Docht durch einen Tierkörper, gar durch einen Menschenkörper wie durch eine Kerze leiten und leuchten lassen könnte, methodisch, bis er dahin schmölze, tropfenweise, leise in Wohlgefallen.
(...)

 

 

"Aber uns, die wir uns über Nacht verwandelten . . ." 

Aber uns, die wir uns über Nacht verwandelten in Engel, wuchsen Flügel. Wir schwebten über Pfade, die uns bis dahin - mühsame Wege bedeuteten. Unsere strahlenden Seelen hoben sich bis an die Pforte der Himmel . . . .
(...)

 

 

Sterndeuterei 

Soll Ihr Leib noch länger mit seinen Sternen in der Hand Ihres Arztes liegen und wie lange überlassen Sie ihm noch Ihren Verstand? Fragen Sie einmal so im Vorübergehen den Doktor, ob er von Ihrem Sternensystem eine Ahnung hat. Oder wenden Sie sich an einen Irrenarzt, der am gründlichsten Bescheid wissen müßte von der Astronomie des Menschen; sitzt er doch an seinem Pol, wie ein falscher Gott am Scheidewege, wo sich der Stern vom Chaos trennt.
(...)

 

 

Vom Himmel 

In sich muß man ihn suchen, er blüht am liebsten im Menschen. Und wer ihn gefunden hat, ganz zart noch, ein blaues Verwundern, ein seliges Aufblicken, der sollte seine Blüte Himmel pflegen. Von ihr gehen Wunder aus; unzählige Wunder ergeben Jenseits. Könnte ich nur immer um mich sein, der himmlischen Beete möchte ich ziehen.
(...)

 


siehe auch:
Liebesgedichte von Else Lasker-Schüler (1869-1945)
www.deutsche-liebeslyrik.de/lasker_schuler_else.htm

 

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