Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 

Miguel de Cervantes Saavedra (1547-1616)
spanischer Dichter



Aus: Don Quixote von La Mancha
(Übersetzt von Ludwig Tieck)


Erstes Buch 14. Kapitel
Enthält das Gedicht des hoffnungslosen Schäfers,
nebst andern unverhofften Begebenheiten.


Gedicht des Chrysostomus
Ich soll, du willst es, Schreckliche, verkünden,
Wie groß die Macht von deinem wilden Grimme,
Von Land zu Land, zu aller Menschen Zungen,

Zur Hölle selbst will ich die Wege finden,
Das Mitleid tönt von dort in meine Stimme,
Im Abgrund Trost zu suchen ist gelungen.

Mein wilder Wunsch hat mir es abgedrungen,
Mein Leiden, deine Taten zu besingen.
Die Töne sollen laut die Luft durchschneiden,
Zu tiefrer Qual in allen Eingeweiden,
Im armen Busen seufzend widerklingen.

So höre denn und lausche meinen Tönen,
Kein sanftes Lied, ein Schmettern soll erdröhnen,
Sowie die Qual mir wühlt im innern Herzen,
Ein rascher Wahnsinn treibt heraus den Jammer,
Mir soll er Freude bringen, dir nur Schmerzen. -

Des wilden Wolfes schreckenvolles Ächzen,
Gebrüll des Löwen, gift'ger Schuppenschlangen
Entsetzliches Gezisch, du gräßlich Sausen

Von tausend Ungetüm, prophetisch Krächzen
Der Krähe, Sturm, wenn du die nassen Wangen
Der Fluten geißelst unter dumpfem Brausen:

Gegirr der Witwentauben in den Klausen,
Des Stiers Geröchel, den die Todeswunde
Zu eitlem Wüten ängstet, dumpf Gestöhne
Der gattenlosen Eule, Klagetöne
Von jeder Schar im unterird'schen Schlunde,

O klingt, und helft mir meine Klagen weinen,
Daß alle sich zu einem Ton vereinen,
In wilder Freundschaft durch die Lüfte brechen,
Ein würd'ger Ausdruck meines Schmerzes werden,
Denn er darf nur in neuen Weisen sprechen. -

Nie schallten noch so laute Klagen wider
Am weiten Strand, bespült von Tagus Wogen,
Wo Betis Wellen zwischen Blumen gleiten:
Doch tönten dort so viele Jammerlieder
Durch tiefe Höhlen, über Felsenbogen,
In unsrer Zeit, in längstentfloh'nen Zeiten:

Einsame, sichre Tale, o ihr weiten
Einöden, die kein Menschenfuß versehret;
Ihr unbesucht vom hellen Sonnenglanze,
Wo unter Urkraut nur die gift'ge Pflanze
Die Natter sich im feuchten Schatten nähret:

Du Widerhall in diesen Wüsteneien
Sollst auch mit mir in meinem Jammer schreien
Von ihrem unerhörten harten Sinne,
Daß ihn die ganze weite Welt erkundet
Wird mir statt längerm Leben zum Gewinne. -

Verachtung tötet, durch des Argwohns herben
Heimtück'schen Frost muß die Geduld erstarren,
Und scharfe Schwerter sind Verdacht und Höhnen:

Der Liebende muß an der Trennung sterben:
Nie wird die Hoffnung seiner jemals harren,
Wenn er sich einmal muß vergessen wähnen.

Hierin sind stets gespannt des Todes Sehnen;
Doch ich - o seltnes Wunder! - bleibe leben,
Verschmäht, verhöhnt, voll Argwohn, überführet
Von dem, wo sonst Verdacht wie Tod berühret,
Und im Vergessensein, des Flammen um mich weben

Und unter allen Martern läßt das Hoffen
Mir nach dem Lichte keine Spalte offen:
Verzweifelnd will ich nie die Hoffnung hören;
Und wenn mich nicht der Gram ermordet, will ich,
Stets ohne ihren Trost zu leben schwören. -

Wer kann zugleich in selbem Augenblicke
Doch hoffen und auch fürchten? o des Toren;
Wenn alles nur gerechte Furcht begründet!

Tritt nun die Eifersucht von mir zurücke;
Soll ich die Augen schließen? ist sie mirverloren,
Wenn sie in jedem Schmerz den Eingang findet?

Wie wehr ich, daß nicht jedes Gut verschwindet,
Wenn ich Verachtung unverhüllt muß sehen?
Wenn ich den Argwohn muß bestätigt schauen,
Daß ich ihm muß wie fester Wahrheit trauen,
Soll ich als Lügnerin die Wahrheit schmähen?

Mit Tyrannei sonst Eifersucht gebietet:
Ha! Dolche reich' der Hand, die unnütz wütet;
Gib mir das Seil, Verachtung! in die Hände.
Ich Unglücksel'ger! fürchterlich besieget
Verbittert dein Andenken auch mein Ende. -

Ja sterben will ich, alle Hoffnung fliehen,
Nicht Trost im Tode suchen, nicht im Leben,
Und meinen festen Glauben fester fassen.

Ich sehe dich für einen andern glühen,
Du hast dein freies Herz dem Gott ergeben,
Der niemals noch sein altes Reich verlassen;

Ich sage, ja, du magst mich immer hassen,
So wie dein Körper schön ist deine Seele,
Daß du mich schmähst, ist ach! nur mein Verschulden,
Daß ich der Liebe Schmerzen muß erdulden,
Mein Herz in ewig wachen Martern quäle.

Ein scharfer Dolch und dieser feste Glauben
Wird endlich mir das läst'ge Leben rauben,
So weit hat deine Schmach mich lassen flüchten,
Das Grab empfangne Körper dann und Seele,
Ich will auch jedes künft'ge Glück vernichten. -.

O du, die, tötend mich in dem Verachten
Mich Worte lehrst, mich zwingst, so zu beginnen,
Daß ich im Blute meines Herzens wüte:

Ich richte jetzt dahin mein letztes Trachten,
Zu zeigen dir mit Herz und allen Sinnen,
Wie fröhlich ich mich deiner Härte biete:

Rührt dich mein früher Tod, o so behüte
Den hellen Himmel deiner süßen Blicke,
Daß keine Träne ihren Schimmer trübe,
Ich will von dir kein Zeichen einer Liebe,
Ich weise jedes Mitleid nun zurücke.

Nein, lache, wenn die Botschaft du vernommen,
Daß jeder sieht, wie froh sie dir gekommen.
Doch wahrlich braucht's kein Lachen kund zu geben,
Es weiß ein jeglicher von deinem Ruhme,,
Daß du so früh geendigt mein Leben. -

So kommt, die Zeit ist da, aus tiefen Gründen,
Du Tantalus verschmachtend, von dem Pfade
O Sisyphus mit deiner Felsenmasse,

Bring Tithyus deinen Geier, dich soll finden
Mein Blick, Ixion, mit dem schnellen Rade,
Die Schwestern emsig bei dem leeren Fasse.

Verbunden dann mit den Verdammten, lasse
Ich meine Klagen aus, mit stillem Leide
Vereinen sie sich all mit mir im Singen
Dem Körper Totenopfer darzubringen,
Dem Unbegrabnen ohne Totenkleide.

Der Wächter, der finstre Hölle schirmet,
Und tausend andre Larven aufgetürmet,
Sie heulen dann die trauervollen Chöre,
Genug dem Liebenden, im Gram gestorben,
Denn er verdient nicht größre Totenehre. -

Beklagt euch nicht, verzweifelnde Gedichte,
Daß ich euch auch mit mir zugleich vernichte,
Denn ihr vergrößert wie mein Tod das Glücke
Von der, die nun beseligt wird durch Jammer,
Drum ohne Klagen geht ins Nichts zurücke.
(S. 121-126)
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Erstes Buch 23. Kapitel

Du, Amor! weißt kein Wort von meinen Leiden,
Ha! grausam bist du oder willst mir zeigen,
Wie Strafe ohne Schuld mich möge beugen,
Drum wühlt die Qual in meinen Eingeweiden.

Doch muß Allwissenheit den Gott bekleiden;
Ein Gott ist er; auch muß der Vorwurf schweigen,
Daß Götter wüten; aber warum steigen
Die Martern in mein Herz, die es zerschneiden?

Ich wag es nicht, dich, Phillis, zu verklagen;
Daß du so großes Unheil mir geschicket;
Den Himmel schmäh'n, wer mag sich's unterwinden?

Daß ich bald sterbe, dies nur kann ich sagen,
Für Unheil, dessen Grund man nicht erblicket,
Kann nur ein Wunderwerk die Heilung finden.
(S. 227)
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Erstes Buch 26. Kapitel

Ihr Pflanzen, so frisch und so heiter,
die ihr auf dem Platze hier seid,
ihr Bäume, ihr grünenden Kräuter,
wenn ihr euch des Unglücks nicht freut,
so hört meine Klagen nun weiter.
Macht doch meinen Schmerz nicht zur Zote,
denn er ist so fürchterlich ja,
so steht euch ein Bach zu Gebote,
denn hier bewein' ich, Don Quixote,
Die Trennung von Dulcinea
von Toboso.

Hier ist er, der Ort, den erwählet
der Liebende, ewig getreu,
der ihn der Geliebten verhehlet,
hier reißet der Schmerz ihn entzwei,
er weiß nicht recht, was ihn so quälet.
Die Liebe, sie schleppt ihn im Kote,
wie keinem es jemals geschah,
drum welkt er wie Bohn' oder Schote,
denn hier bewein' ich, Don Quixote,
die Trennung von Dulcinea
von Toboso.

Er suchte wohl hier Abenteuer,
in Orten an Felsen so reich,
er flüchtete dem Ungeheuer,
dort hört er im wüsten Gesträuch
von Leuten nur die alte Leier.
Es peitscht ihn die Liebe zu Tode
und bleibet zur Marter ihm nah,
drum kratzt er den Kopf mit der Pfote,
denn hier bewein' ich, Don Quixote,
die Trennung von Dulcinea
von Toboso.
(S. 268-269)
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Erstes Buch 27. Kapitel

Wer hat mir zerstört mein Glücke?
Die Tücke.
Und was macht mich in Qual vergehen?
Verschmähen.
Welcher Lehrer, daß ich dulden lerne?
Die Ferne:
und also machen bess're Sterne
mir niemals lichtern Himmel offen,
vereinigt töten mich das Hoffen;
Verschmähen, Tücke wie die Ferne.

Wer macht mir mein Leben schwarz und trübe?
Die Liebe.
Und wer scheucht Freude weit zurücke?
Das Glücke.
Und wer weigert mir zu sein ein Retter?
Die Götter:
und also brechen tausend Wetter,
daß ich muß ein Verlorner sein,
nur zum Verderben auf mich ein,
das Glück, die Liebe wie die Götter.

Wie kann ich ein bess'res Glück erwerben?
Durch Sterben.
Und was macht, daß uns die Lieb' erfreue?
Untreue.
Und für wen ist alles Leid verloren?
Dem Toren:
und also bin ich nur geboren,
in meinen Leiden zu verschmachten,
für Helfer sind ja nur zu achten
Untreue, Sterben, o des Toren!
(S. 279)
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Erstes Buch 27. Kapitel

Sonett
Du heil'ge Freundschaft, von uns zu entweichen
Hat dich dein leichter Flug emporgeschwungen,
Du bist zu sel'gen Geistern hingedrungen,
Zu den gebenedeiten Himmelsreichen.

Von dort reichst du uns oft als schönes Zeichen
Die Eintracht, dicht von Schleiern eingeschlungen,
Oft scheint uns dann ein edles Herz errungen
Das Laster weiß der Tugend wohl zu gleichen.

Vom Himmel steige, holde Freundschaft, nieder,
Der Trug hat sich dein schönstes Kleid ersonnen,
Er tötet schleichend jegliches Vertrauen.

 Nimmst du ihm nicht die falsche Zierde wieder,
So wird die Welt den alten Krieg begonnen
Und Zwietracht wieder als Regenten schauen.
(S. 280)
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Erstes Buch 34. Kapitel

Sonett
In ruh'ger Stille, wann die dunkle Nacht
Auf Sterbliche den Schlummer ausgegossen,
Wird meiner Leiden Rechnung abgeschlossen,
Dem Himmel, meiner Cloris dargebracht.

Und wann die Sonne sich in aller Pracht
Erhebt mit ihren feuerroten Rossen,
Dann wird mit Tränen, meines Grams Genossen,
Der alte Krieg von neuem angefacht.

Und wirft vom goldnen Thron die Sonne nieder
Gerade Strahlen auf die Erde hin,
Muß Klang und Seufzen stärker wiederkehren.

Es kömmt die Nacht, die Schmerzen kommen wieder,
Und immer bleibt für meinen treuen Sinn
Der Himmel taub, und Cloris will nicht hören.
(S. 383-384)
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Erstes Buch 34. Kapitel

Sonett
Ich weiß, ich sterbe, dies ist mir geblieben,
Glaubst du es nicht, muß ich so eh'r vergehen,
Wie du mich, Harte, wohl magst sterben sehen,
Doch nicht bereun, daß dir geweiht mein Lieben.

Bin ich in jener Schattenwelt dort drüben,
Wo alle Freuden, Leben, Ruhm verwehen,
Dann sieh im offnen Busen Zeugnis stehen,
Dein schönes Angesicht ihm eingeschrieben.

Dies Heiligtum will ich mir treu bewahren
Für jenen Weg, auf den mich treibt mein Sinn,
Den deine Grausamkeit noch treuer stählet.

Wie muß mein Schiff bei dunklem Himmel fahren
Durch fremd gefahrenvolle Meere hin,
Wo Kompaß mir und Stern und Hafen fehlet!
(S. 384-385)
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Erstes Buch 40. Kapitel

Sonett
Glorreiche Seelen, die dem Leib entrücket
Frei, unverhöhnt, durch herrliches Vollbringen
Dürft' ihr euch auf von niedrer Erde schwingen,
Wo euch des Himmels bester Lohn beglücket.

Im Zorn entbrannt, in Andacht hoch entzücket,
Ließt ihr den Leib in allen Kräften ringen,
Das eigne Blut und fremdes darzubringen,
Das nahes Meer und sand'ge Flur geschmücket.

Das Leben wohl, der Mut war nicht entwichen
Den müden Armen, wo ihr sankt im Sterben,
Besiegt seid ihr die Sieger doch im Streiten.

Ja, euer Fall, die ihr so schön erblichen
Hier zwischen Mau'r und Schwert, muß euch erwerben
Den Ruhm der Welt, des Himmels Herrlichkeiten.
(S. 448)
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Erstes Buch 34. Kapitel

Sonett
Von diesem wüsten, unfruchtbaren Sand,
Von diesen Türmen, die am Boden liegen,
Dreitausend heil'ge Kriegerseelen stiegen
Glorreich empor zum bessern Vaterland.

Es mußte sich zuvor die tapfre Hand
In manche kriegerische Übung fügen,
Ermattet dann die kleine Schar erliegen,
Als sie des Schwertes Schneide überwand.

Dies ist der Boden, der berühmt gewesen
Durch tausend unglücksvolle schwere Leiden,
In vor'ger Zeit und auch in unsern Jahren:

Doch wurden seinem Schoße zu den Freuden
Des Himmels rein're Seelen nie erlesen,
Nie trug er Leiber, die so tapfer waren.
(S. 449)
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Erstes Buch 43. Kapitel

Von der Liebe bin ich Schiffer,
Fahr' auf ihren tiefen Fluten,
Ohne Hoffnung zu erreichen
Je des Hafens sich're Buchten.

Ein Gestirn lenkt meine Wege,
Das von fern mir zeigt die Spuren,
Schöner und von hellerm Glanze,
Als je sahen Palinure:

Nicht weiß ich, wohin es leitet,
In Verwirrung tief versunken,
Schaut die Seele dies nur brünstig,
Darauf ruhend ohne Ruhe.

Sprödigkeit, zu weit getrieben,
Tugend, wie sonst nie gefunden,
Sind die Wolken, die sehnsücht'gen
Blicken oftmals es verdunkeln.

 Klar anleuchtendes Gestirne,
Läutern muß mich dein Gefunkel,
Und mein Tod muß mir erscheinen
Wie du völlig mir entschwunden.
(S. 492-493)
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Erstes Buch 43. Kapitel

O du mein süßes Hoffen,
Das fort sich reißt den steilen Pfad hinan,
Getrost! es bleibt dir offen,
Was du gesucht, geebnet dir die Bahn,
Erzittre nicht zu sehn,
Den Tod auf jedem Schritte mit dir gehn.

Die Trägen nie erringen
Ruhmvolles Triumphieren, edlen Sieg,
Denn dem kann nichts gelingen,
Der nicht mit seinem Glücke wagt den Krieg,
Der hin und wider schwankt,
Indessen jeder Sinn an Trägheit krankt.

Daß Liebe ihr Ergötzen
Nur teurer will verkaufen, dünkt mir schön,
Denn nichts gleicht jenen Schätzen,
Die durch ihr holdes Licht geläutert gehn.
Auch ist der Spruch bekannt,
Wohlfeil Gekauftes achtet man für Tand.

Beständigkeit der Liebe
Unmögliches zu Möglichem wohl macht,
Drum folg' ich meinem Triebe,
Zieht er mich gleich durch Klippen und durch Nacht,
Ich traue dem Entschluß,
Daß ich auf Erden Himmel finden muß.
(S. 494)
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Zweite Buch 12. Kapitel

Sonett
Wollt, Dame, mich doch nur mit einem Zeichen
Gemäß der harten Sprödigkeit begaben,
Das Allerschlimmste soll mich so erlaben,
Daß ich davon nicht händebreit will weichen.

Beliebt's Euch, daß ich schweigend soll erbleichen,
So haltet mich für tot und für begraben;
Wollt Ihr ein seltnes Lied von Leiden haben,
Soll mein Gesang dem Amor selber gleichen.

Geschaffen bin ich aus den Gegenteilen,
Aus weichem Wachs und hartem Demantsteine,
Sich Amors Satzung meine Seel' ergiebet,

Hier ist die Brust, ob weich? ob hart? ohn' Weilen
Drückt Ihr und schneidet ein, was Euch beliebet,
Und ich bewahr' es ewig als das meine.
(S. 695)
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Zweite Buch 18. Kapitel

Der schönen Jungfrau muß die Wand zerspringen,
Ihr muß das Herz des Piramus erweichen,
Von Zypern eilet Amor, zu erreichen
Den engen Wunderspalt auf seinen Schwingen.

Hier spricht das Schweigen nur, denn durchzudringen
Der engen Enge wagt kein Ton; doch schleichen
Die Seelen ein, denn gern pflegt auszugleichen
Amor die schwersten Ding', daß sie gelingen.

Doch wollen Wünsche nun nicht mehr genügen,
Das unvorsicht'ge Mädchen geht und strebet
Statt nach der Lust nach Tod; wer sollt' es denken!

Daß beide nun zugleich, o seltsam Fügen!
Ermordet und bedeckt und neu belebet
Ein Schwert, Ein Grabmal und Ein Angedenken.
(S. 753)
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Zweite Buch 46. Kapitel

Oftmals mag die Kraft der Liebe
Ziehn die Seele aus den Angeln,
Wenn sie sich bedient als Werkzeug
Jenes trägen Müßigganges.

Oftmals mag das Stricken, Nähen
Und Beschäftigtsein am Tage
Als ein Gegengift sich zeigen
Gegen die verliebten Plagen.

Allen Jungfraun, welche sittsam,
Sehnsuchtsvoll nach dem Gemahle,
Ist die Keuschheit eine Mitgift
Und der Preis von ihrem Namen.

Alle Ritter, sei'n sie irrend,
Prunken sie im Königssaale,
Scherzen gerne mit den Leichten,
Nehmen Keusche nur zur Gattin.

Liebe findet schnell ihr Aufgehn,
Die mit Gästen wird verhandelt,
 Sie kömmt bald zum Untergehen,
Weil der Abschied sie vollbrachte.

Liebe, die so schnell gekommen,
Heute hier und morgen wandernd,
Läßt kein tiefes Bild zurücke
In der Seele eingegraben.

Malen wollen auf Gemälde
Zeigt sich nicht, hält keine Farbe,
Wo die erste Schönheit stehet,
Kann nicht andre Wurzel fassen.

Dulcinea von Toboso
Ist in meines Herzens Tafel
Also gründlich eingepräget,
Daß sie niemals weicht noch wanket.

Fester Mut bei Liebesleuten
Ist am meisten hochzuhalten,
Für sie tut die Liebe Wunder,
Wird sie endlich glücklich machen.
(S. 987-988)
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Aus: Miguel de Cervantes Saavedra
Don Quixote von la Mancha Roman
Aus dem Spanischen von Ludwig Tieck
Fischer Taschenbuch Verlag
Frankfurt am Main 3. Auflage 2012


siehe auch:
Cervantes Gedichte aus dem Schäferroman Galatea


 

 


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