Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Der Frühling - Wandmalerei aus Stabiae

 


Publius Ovidius Naso (43 v. Chr. - 17 n. Chr.)
römischer Dichter




Liebes-Elegien (Amores)

Drittes Buch
(Ergänzung der fehlenden 6 Elegien)



2. Elegie



Nicht als Kenner und Freund da sitz' ich von edelen Rossen;

Dem du aber geneigt, wünsch' ich, daß siegen es mag.

Um zu sprechen mit dir, kam her ich, und bei dir zu sitzen,

Daß dir nicht unbekannt wäre die Liebe zu dir.

Du anschauest den Lauf, ich dich; laß schauen uns beide,

Was uns behagt, und den Blick weiden uns beide daran.

Glücklich der Lenker der Rosse, für den du günstig gestimmt bist.

Ihm ward also das Glück, daß du dich kümmerst um ihn.

Würde nur mir das Glück: entstürmt der heiligen Schranke,

Werd' ich mit muthigem Sinn jagen dahin das Gespann;

Geben den Zügel bald, mit der Geißel bald zeichnen den Rücken;

Jetzt mit dem inneren Rad streifen die Kegel der Bahn.

Würde ich während der Fahrt dich erblicken, so werd' ich verweilen;

Und auch den Händen mir wird gleiten der Zügel erschlafft.

Ah, wie nah' war Pelops dem Fall durch die Lanze von Pisa,

Während nach deinem Gesicht, Hippodamia, er schaut!

Aber es half zum Sieg die Gunst ihm seiner Geliebten.

Helfe denn jedem die Gunst seiner Geliebten zum Sieg!

Was biegst aus du umsonst? Die Linie zwängt uns zusammen:

Dies des Circus Gewinn nach dem Gesetze des Orts.

Du jedoch, wer du auch seist, zur Rechten da, schone des Mädchens.

Durch die Berührung des Beins wird sie gedrückt ja von dir.

Du auch hinter uns da, zieh, schäme dich, ein doch die Schenkel,

Und mit dem harten Knie stoß' in den Rücken sie nicht.

Aber es hängt dir zu weit der Mantel herab auf die Erde;

Raffe ihn auf; sonst zieh, siehe, ich selbst ihn herauf.

Neidisch warst du, Gewand, das solche Schenkel du decktest;

Nur um sie besser zu sehn, decktest du neidisch sie zu.

Also hat Milanion sich gewünscht Atalantens

Schenkel, auf seinem Arm tragend der Flüchtigen Leib.

Also werden die Schenkel gemalt der geschürzten Diana,

Wann sie das muthige Wild, muthiger selber, verfolgt.

Ohne zu sehn sie, entbrannt' ich; was wird erst wirken der Anblick!

Feuer ins Feuer hinein gießest du, Wasser ins Meer.

Diese lassen mich schließen, das Andre auch könne gefallen,

Was wohlweislich sich birgt unter dem dünnen Gewand.

Sollen inzwischen jedoch leichtwehende Winde dich kühlen,

Welche durch meine Hand säusle der Fächer dir zu?

Oder ist diese Gluth mehr Gluth des Innern, der Luft nicht?

Und es dörrt mir die Brust Liebe zum Weibergeschlecht?

Während ich sprech', ist schwärzlich bestäubt das weiße Gewand dir.

Geh, du schmutziger Staub, weg von dem schneeigen Kleid!

Doch da erscheint der Zug. Andächtig mit Zunge und Herzen!

Jetzt zum Klatschen bereit! da ist der goldene Zug!

Allen voran die Göttin des Siegs mit gebreiteten Schwingen!

Hieher, Göttin, und laß siegen die Liebe bei mir!

Klatscht dem Neptun ihr, die ihr zu Viel vertrauet den Wogen.

Nichts geht an mich das Meer, mir ist genügend mein Land.

Deinem Mars zuklatsche, Soldat; wir hassen die Waffen.

Frieden und Liebe, erlangt mitten im Frieden, sind schön.

Phöbus beweise sich hold den Sehern, den Jagenden Phöbe;

Künstlerhände auf dich richte, Minerva, du hin.

Landbebauer, erhebt euch vor Ceres und Bacchus, dem zarten.

Pollux mache, wer kämpft, Castor, wer reitet, sich hold.

Ich klatsch', holde Venus, nur dir und dem bogengeübten

Knaben; o neige voll Huld meinem Beginnen dich zu.

Gieb der neuen Geliebten den Sinn, sich lieben zu lassen.

Und sie winkte und gab Zeichen gewährender Huld.

Was die Göttin versprochen, versprich, ich bitte, du selber.

Dich, mit Venus' Vergunst, bet' ich als höhere an.

Dir zuschwör' ich vor Zeugen soviel und dem Zuge der Götter,

Dich als Gebieterin wird ewig begehren mein Herz.

Doch dir hängen die Beine; du kannst ja die Spitzen der Füße,

Wenn es gerade behagt, schieben ins Gitter hinein.

Siehe, der Prätor läßt die Viergespanne im leeren

Circus, die herrliche Lust, los aus dem gleichen Verschluß!

Wen du begünstigest, seh' ich; und der wird siegen gewißlich.

Was du wünschest, das scheint selber zu wissen das Roß.

Aber o weh, er umfährt das Ziel in geräumigem Kreise.

Ha, was machst du? es drängt näher der Nächste sein Rad.

Was, Unglücklicher, machst du? vereitelst die Wünsche des Mädchens!

Ziehe das linke Seil an doch mit kräftiger Hand.

Träg' ist, den wir begünstigt. Zurück denn ruft, ihr Quiriten;

Gebt das Signal ringsum, schwenkend die Toga empor.

Sieh', es geschieht. Doch daß dir das Wehn der Toga das Haar nicht

Wirre, so magst du bei mir bergen im Busen das Haupt.

Und nun wieder erschließt man das Thor, auf thun sich die Schranken:

Siehe die farbige Schaar siegen gestreckten Galopps!

Siege nur wenigstens jetzt und spreng' auf dem offenen Raum hin;

Daß du erfüllst, was ich, was die Gebieterin wünscht.

Meiner Gebieterin Wunsch ist erfüllt, der meine noch übrig.

Seinen Kranz hat er, ich noch zu streben danach.

Und sie lacht' und verhieß Etwas mit bedeutsamen Aeuglein.

Dieses genügt mir für hier, anderswo zahle, was fehlt.
(S. 175-179)

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6. Elegie


Strom, bewachsen mit Rohr die schlammigen Ufer, ich eile

Zu der Gebieterin hin; hemme ein wenig die Fluth.

Weder Brücken ja hast du, noch fährt ein bauchiger Nachen

Ohne des Ruderers Schlag an dem geworfenen Tau.

Klein ja warst du vordem, und hindurchzuwaten nicht scheut' ich;

Kaum an die Knöchel heran reichte die Höhe der Fluth.

Jetzt hinstürzst du nach Schmelzung des Schnee vom Berge genüber,

Wälzest in häßlichem Schwall dicke Gewässer dahin.

Was hilft's, daß ich geeilt? daß spärliche Zeit ich der Ruhe

Habe gegönnt und den Tag habe gereiht an die Nacht?

Muß ich jedoch hier stehn, ist das jenseitige Ufer

Durch kein Mittel mein Fuß jetzt zu betreten im Stand;

Wünscht' ich die Flügel, die hatte der Heros, Danae's Sprößling,

Als er das Schreckenshaupt trug, von der Schlange umstarrt:

Wünschte den Wagen ich mir, von welchem die Samen des Ceres

Kamen zuerst und gestreut wurden ins rohe Gefild.

Widernatürliche Lügen der alten Dichter nur nenn' ich;

Nimmer ist Solches geschehn, nimmer auch wird es geschehn.

Fließe vielmehr, o Fluß, den umfassenden Ufern entströmt jetzt, -

So sei ewig dein Lauf! - fließe in deinem Gebiet!

Nicht zu ertragender Haß wird, glaube mir, Strom, dich betreffen,

Heißt es, ich Liebender sei worden verhindert durch dich.

Flüsse wohl hätten die Pflicht in der Liebe dem Jüngling zu helfen;

Denn was Liebe besagt, haben empfunden sie selbst.

Bei der Bithynischen Melia floß, berichtet die Sage,

Inachus blaß und ward heiß in der eisigen Fluth.

Noch war Ilium nicht zweimal fünf Jahre belagert,

Als Neara geraubt, Xanthus, dir Augen und Herz.

Wie? hat nicht den Alpheos zu gehn durch verschiedener Länder

Heftige Liebe gedrängt zu der Arcadischen Maid?

Du, Peneus, auch hast die dem Xanthus versprochne Creusa

In der Phthioten Gebiet, meldet die Sage, versteckt.

Was erwähn' ich Asopos, den fieng die krieg'rische Thebe,

Thebe, der Töchter fünf ihm zu gebähren bestimmt?

Fragt' Achelous, ich dich, wo deine Hörner du jetzt hast,

Wirst du klagen: sie brach Hercules' zorniger Arm.

Weder Calydon war, noch ganz Ätolien werth das,

Aber es war das werth Deianira allein.

Jener in sieben Mündungen reich hinströmende Nilus,

Der so mächtiger Fluth Heimat so trefflich verbirgt,

Habe, erzählt man, die Gluth zu der Asopide Evadne

Mit der Wirbel Gewalt nicht zu bezwingen vermocht.

Daß im Trocknen umarme die Salmonide Enipeus,

Hieß er weichen die Fluth; und sie entwich nach Geheiß.

Dich auch verschweige ich nicht, der, stürzend durch Felsengewölbe,

Schäumend du wässerst die Flur Tiburs, der griechischen Stadt;

Dem, so schrecklich sie sah, zerfleischt mit Nägeln die Wangen

Und zerzauset das Haar, Ilia reizend erschien.

Sie, ob der Sünden des Mars und des Unrechts jammernd des Oheims,

Irrte im einsamen Feld nackenden Fußes umher.

Da erblickt sie der tosende Strom aus den reißenden Wogen;

Und aus der Mitte der Fluth hob er den heiseren Mund.

Ilia, sprach er, Geschlecht von Laomedon, Fürsten am Ida,

Was umirret so bang' unsere Ufer dein Fluß?

Wo ist hin die schmucke Gestalt? Was schweifest du einsam?

Und kein weißes Band hemmt das gebundene Haar?

Warum weinst und verdirbst du die feuchten Augen mit Thränen?

Schlägst mit unsinniger Hand laut die geöffnete Brust?

Der hat Kieselstein in der Brust und natürliches Eisen,

Der mit Gleichmuth sieht Thränen auf zartem Gesicht.

Ilia, banne die Furcht! Mein Schloß steht offen dir; Ströme

Werden dir huldigend nahn: Ilia banne die Furcht!

Über hundert und mehr der Nymphen wirst du gebieten;

Nymphen ja hundert und mehr hausen in unserer Fluth.

Nur verschmähe, ich flehe, mich nicht, Trojanischer Sprößling!

Reicheren Lohn noch sollst, als ich versprach, du empfahn.

Also sprach er. Zu Boden gesenkt die sittsamen Augen,

Netzt sie mit einer Fluth Thränen die reizende Brust.

Dreimal wollte sie fliehn, blieb dreimal stehn an den Fluthen;

Denn es benahm die Kraft ihr zu entfliehen die Furcht.

Endlich jedoch zerraufend das Haar mit feindlichem Daumen,

Ließ sie aus bebendem Mund Laute vernehmen des Zorns:

Hätte man mein Gebein doch ins Grab der Väter gesammelt,

Da man sammeln es noch konnte als Mädchengebein!

Warum werd' ich, Vestalin nur noch, zur Fackel geladen,

Nun geschändet und nicht Ilischen Herdes mehr werth?

Was noch säum' ich? Das Volk auf die Buhlerin zeigt mit den Fingern;

Weg mit der schimpflichen Schaam, welche die Wange mir färbt!

Soweit sprach sie; und haltend das Kleid vor die furchtsamen Augen,

Stürzt die Verzweifelte so sich in die reißende Fluth.

Untergehalten die Hand soll haben der schlüpfrige Strom ihr

Unter die Brust und gewährt Rechte gemeinsamen Betts.

Du auch magst wohl schon für irgend ein Mädchen erwarmt sein;

Wälder und Haine jedoch bergen nur eure Vergehn.

Während ich sprech', ist breiter der Strom noch der Wogen gewachsen,

Und nicht fasset das Bett mehr die entzügelte Fluth.

Was, du Wüthender, hast du mit mir? Schiebst Wechselgenüsse

Auf uns und unterbrichst roh den begonnenen Weg?

Wie erst, wenn ein gehöriger Fluß, ein berühmter du wärest?

Einen verbreiteten Ruhm hättest umher in der Welt?

So hast Namen du nicht, aus vergänglichen Bächen gesammelt;

Hast nicht Quellen, auch nicht feste Behausung für dich.

Regenwasser nur hast und geschmolzenen Schnee du zur Quelle;

Schätze, die dar dir beut Winters Erschlaffung allein.

Kothig entweder vollbringst du den Lauf zu den Zeiten des Winters,

Oder du schleichst voll Staub über das trockene Bett.

Welcher Wanderer hat aus dir dann schöpfen sich können?

Sagen mit dankendem Mund: Fließe in Ewigkeit fort?

Schändlich dem Vieh, noch schädlicher ist dein Lauf den Gefilden.

Andre vielleicht trifft das, meine Verluste nur mich.

Dem da hab' ich erzählt, ich Thor, Liebschaften der Flüsse?

Namen von solchem Gewicht ist er zu hören nicht werth.

Was bezweckend denn hab' Acheloos' und Inachos' Namen

Und den deinen, o Nil, nennen ich können vor dem?

Nun so wünsch' ich denn dir nach Verdienst, daß, garstiger Gießbach,

Brennend die Sonne dir stets, trocken der Winter dir sei.
(S. 189-195)

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7. Elegie


Aber ist sie nicht schön, nicht schmuck und zierlich, das Mädchen;

Nicht ja schon lange das Ziel sehnlicher Wünsche von mir!

Und doch hatt' ich, unglücklich erschlafft, sie zu keinem Gebrauche,

Sondern auf trägem Pfühl lag ich zur Schande und Last;

Konnte, wie sehr ich es wünscht' und es gleichfalls wünschte das Mädchen,

Nicht mich der Hülfe erfreun meines entkräfteten Glieds.

Zwar um den Hals mir schlang sie die elfenbeinernen Arme,

Arme, weißer als Schnee auf der Sithonischen Flur;

Drückte den Mund mir ein, der rang mit der lüsternen Zunge,

Schob das üppige Bein selber mir unter das Bein,

Sagte mir Schmeichelein und nannte mich ihren Gebieter,

Und was übrigens noch üblich für Worte da sind.

Meine Glieder jedoch, wie berührt von eisigem Schierling,

Ließen ermattet im Stich, was sie erst vor sich gesetzt.

Fühllos lag ich, ein Kloß, ein Schein, unbrauchbare Masse;

Zweifelhaft ist's, ob Mensch oder ein Schatten ich war.

Was steht mir für ein Alter bevor, wenn ja es bevorsteht,

Da die Jugend schon selbst ihrer Verpflichtung entfleht?

Schande doch über die Jahre, daß mich die Freundin empfunden,

Mich, den Jüngling, den Mann, weder als Jüngling noch Mann!

So, der heiligen Flamme zu nahn, die ewige Jungfrau

Steht und die Schwester so auf, von dem Bruder gescheut.

Zweimal doch ward Chlide, die Blonde, und Pitho, die Weiße,

Dreimal jüngst, dreimal Libas bedient auch von mir.

Daß neunmaliger Dienst in knapper Nacht von Corinna

Zugemuthet mir ward, weiß ich noch, und ich bestand.

Ist mein Körper denn siech, von Thessalischem Gifte verpestet?

Haben dem Armen es denn Kräuter und Sprüche gethan?

Hat in phönicischem Wachs mir vervehmt den Namen die Here

Und in die Leber hinein schmächtige Nadeln gebohrt?

Saat, vom Spruche versehrt, erstirbt zu nichtigen Halmen,

Wie, vom Spruche versehrt, Adern versiechen des Quells.

Trauben entsinken dem Stock und Eicheln der Eiche durch Zauber,

Und das Obst fällt ab ohne Berührung vom Baum.

Können die Nerven nicht auch stumpf werden durch magische Künste?

Davon ohne Gefühl ist mir die Lende vielleicht.

Hierzu kam noch die Schaam; sie machte die Sache nicht besser:

Mein Gebrechen nur ward mehr noch gesteigert durch sie.

Doch so wie ich gesehn nur hab' und berühret das Mädchen,

So auch gerade berührt wird sie vom eigenen Hemd.

Nestor könnte, berührt von ihr, zum Jünglinge werden,

Und Tithonus an Kraft trotzen der Jahre Gewicht.

Diese zu Theil war mir, doch ihr geworden ein Mann nicht.

Was soll jetzt mein Wunsch noch von dem Himmel erflehn?

Ja, ich glaube, es hat die großen Götter gereut auch

Das gebotne Geschenk, das ich so schimpflich gebraucht.

Aufgenommen zu werden ins Bett ja wünscht' ich; ich ward es:

Küsse zu geben; ich that's: nahe zu sein ihr, ich war's.

Was hilft Fülle des Glücks, ein Reich mir ohne Benutzung?

Was dem Reichen ein Schatz, macht er aus Geiz nicht Gebrauch?

Also schmachtet inmitten der Fluth des Geheimen Verbreiter

Und hat Früchte, die nie er zu berühren vermag.

So steht früh man auf von unerwachsenen Mädchen,

Daß man nahen sofort heiliger Stätte sich kann.

Aber nicht zärtliche Küsse vielleicht, nicht hat sie die besten

Auf mich verwendet, gereizt nicht mich mit aller Gewalt.

Harter Demant und taubes Gestein und störrige Eichen

Hätte mit ihrem Gekos sie zu bewegen vermocht.

Werth zu bewegen doch wenigstens war sie Lebend'ge und Männer;

Weder lebendig jedoch war ich, noch Mann, wie vordem.

Phemius sänge umsonst vor tauben Ohren: dem armen

Thamyras nützte es Nichts, schöne Gemälde zu sehn.

Aber was hab' ich im Geiste mir nicht gedacht für Genüsse!

Was für Arten der Lust nicht mir ersonnen, versucht!

Doch es hieng, als wär' es abgestorben und welker

Als die gestrige Ros', immer das Glied mir herab;

Das jetzt, siehe, strotzt zur Unzeit, frisch und gesund ist,

Arbeit jetzt verlangt und den gehörigen Dienst.

Liege denn, schlimmster Theil du von mir, ja liege beschämt da,

Gleichwie getäuscht mich hat deine Verheißung vorher.

Du betrügst den Besitzer; durch dich entwaffnet betroffen,

Hab' ich bei schwerem Verlust tiefe Beschämung erlebt.

Hand hat selbst mein Mädchen an ihn zu legen verschmäht nicht,

Hat mit sanfter Gewalt nicht ihn zu reizen verschmäht.

Aber nachdem sie erkennt, daß keinerlei Kunst ihn zum Steigen

Bringt und uneingedenk seiner darnieder er liegt:

Spricht sie: Was foppst du mich denn? Wer hat dir, Verwirrter, geheißen,

Meinem Lager zu nahn, ohne vermögend zu sein?

Eine Zauberin muß entweder, durchbohrend die Wolle,

Bannen dich; oder du kommst matt schon von andrem Genuß.

Rasch entsprang sie dem Bett, umhüllt vom entgürteten Kleide:

O wie reizend, den Fuß nackt sie so schwingen zu sehn!

Daß nicht merkten die Zofen, daß unberührt sie geblieben,

Nahm sie Wasser und barg unter dem Wasser die Schmach.
(S. 195-199)

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10. Elegie


Nun ist die Jahreszeit des Ceresopfers gekommen,

Und im verwaisten Bett liegen die Mädchen allein.

Blonde Ceres, umkränzt die schmächtigen Locken mit Ähren,

Warum mit deinem Fest hinderst du unsere Lust?

Dich lobpreisen die Völker umher als die Göttin des Segens,

Keine beneidet wie du weniger menschliches Glück.

Vorher rösteten nicht Getreide behaarte Bebauer

Und man kannte das Wort Tenne auf Erden noch nicht;

Sondern die Ecker nur trug die Eiche, das erste Orakel:

Sie war Speise, mit ihr Blätter von zartem Gewächs.

Ceres lehrte zuerst aufschwellen den Samen im Acker

Und den gefärbten Halm ab mit der Sichel zu mähn;

Zwang die Stiere zuerst den Hals dem Joche zu beugen,

Riß das alte Gefild auf mit gebogenem Zahn.

Und man glaubt, daß sie sich der Thränen der Liebenden freue?

Daß durch Qual man sie recht ehre und einsames Bett?

Und doch ist sie, obwohl sie liebt fruchtbare Gefilde,

Roh nicht und hat kein Herz, das sich der Liebe verschließt.

Zeugniß deß giebt Kreta, und nicht lügt Alles ja Kreta,

Kreta, das Land voll Stolz, Jupiters Amme zu sein:

Dort hat, der da beherrscht das Sternengewölbe des Weltalls,

Zarten Mundes die Milch einstens getrunken als Kind.

Glauben verdient der Zeuge, ihn macht glaubwürdig der Zögling.

Eingestehen wohl wird Ceres bekannte Vergehn.

Einst den Jasius sah die Göttin am Kretischen Ida,

Wie er durchbohrte des Wilds Rücken mit sicherer Hand;

Sah ihn, und wie die Glut in das zarte Mark ihr hineindrang,

Zog hier weg sie die Schaam, dorthin der Liebe Gewalt.

Liebe besiegte die Schaam. Man sah ausdorren die Furchen

Und einkommen die Saat mit dem geringsten Ertrag.

Hatte der hakige Pflug den harten Boden erbrochen,

Und der geschwungene Karst tüchtig die Schollen zermalmt;

War auf das weite Gefild gleichmäßig der Same geflogen:

Waren die Wünsche getäuscht, die der Bebauer gehegt.

Feiernd verweilt' die Göttin der Frucht in den Tiefen der Wälder,

Während der Ährenkranz ihrem Gelocke entfiel.

Kreta allein nur war mit ergiebigem Jahre gesegnet;

Ernten reiften, wohin setzte die Göttin den Fuß.

Selber das Waldrevier des Ida erglänzte in Ähren,

Und des Wildschweins Zahn mähte im Haine den Spelt.

Minos wünschte, der Ordner des Staats, sich ähnliche Jahre;

Wünschte, daß Ceres' Lieb' hätte den längsten Bestand.

Was da traurig dir wär', o blonde Göttin, gewesen,

Dieses an deinem Fest muß nun ertragen ich jetzt.

Was soll traurig ich sein? Du hast ja gefunden die Tochter,

Und sie beherrscht ein Reich, welches der Juno nur weicht.

Liebe und Wein und Gesang verlangen die festlichen Tage:

Solche Geschenke geziemt's mächtigen Göttern zu weihn.
(S. 207-211)

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13. Elegie


Da mir die Gattin entstammt von den obstbegabten Faliscern,

Trat in die Mauern ich ein, welche Camillus besiegt.

Junos züchtiges Fest zu begehn mit gefeierten Spielen

Und mit heimischer Kuh, schickten die Priester sich an.

Reichlich belohnt es die Zeit, zu erkunden die Grajischen Bräuche,

Ob auch beschwerlich der Weg ist für die Reise hieher.

Uralt steht ein Hain, durch dichte Bäume verdüstert:

Einer Gottheit Sitz wirst du erkennen darin.

An der Frommen Gebet und den Weihrauch, den sie gelobten,

Nimmt der von alter Hand einfach erbaute Altar.

Hieher, wann in festlichem Klang die Pfeife erschallet,

Durch die Straßen im Schmuck schreitet der jährliche Zug.

Unter dem Klatschen des Volks führt her man schneeige Kalben,

Die mit Falicischem Kraut eignes Gefilde genährt;

Kälber auch, drohend noch nicht mit Furcht erregender Stirne,

Und ein kleineres Thier niedrigen Kobens, ein Schwein,

Und den Führer der Heerde, das Horn durch die Zeiten gebogen.

Nur die Ziege verhaßt ist der gebietenden Frau.

Durch der Ziege Verrath im Dickicht der Wälder gefunden,

Sah sie sich, heißt es, gebracht um die begonnene Flucht.

Jetzt noch wird der Verräther verfolgt von Knaben mit Spießen,

Und dem, der sie erlegt, selber gegeben zum Lohn.

Wo die Göttin einher soll ziehn, da fegen die weiten

Wege mit schleppendem Kleid Bursche und Mädchen vorweg.

Gold und Edelgestein strotzt prangend im Haare der Jungfrau,

Und das stolze Gewand deckt den vergoldeten Fuß.

Griechischer Sitte der Väter gemäß in weißen Gewändern

Tragen das Opfergeräth sie auf dem Scheitel daher.

Wann der goldene Zug, von den Priesterinnen geführet,

Naht, und sie selber erscheint; betet in Schweigen das Volk.

Ganz argivisch erscheint der Zug. Nach dem Mord Agamemnons

Fluchte Halesus der That, floh aus dem Vatergebiet.

Und nachdem er durchirrt als Flüchtling Länder und Meere,

Baut' er mit glücklicher Hand hier die erhabene Stadt.

Er hat seinen Faliscern gelehrt die Opfer der Juno.

Mögen sie mich und ihr Volk mit Segen erfreun!
(S. 217-219)

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14. Elegie


Daß, da schön du bist, du sündigest, will ich nicht wehren;

Aber warum doch muß wissen ich Armer es stets?

Auch soll züchtig und keusch nicht unsere Rüge dich machen,

Sondern verlangt, daß du nur zu verhehlen es suchst.

Keine vergeht sich, die leugnen es kann, sich vergangen zu haben;

Widerwärtig nur macht eine gestandene Schuld.

Wahnsinn ist's, was decket die Nacht, zu gestehen am Tage,

Und was heimlich man thut, laut zu erzählen, gethan.

Will die Buhlerin sich dem gemeinen Quiriten ergeben,

Legt sie den Riegel erst an, um zu entfernen das Volk.

Du willst deine Vergehn bloß stellen dem übelen Rufe

Und die Verrätherin sein dessen, was selbst du begiengst?

Werde verständiger doch, thu's wenigstens nach den Verschämten,

Und ich will dich für brav halten, obwohl du's nicht bist.

Was du thust, das thu; nur leugne gethan es zu haben;

Scheue dich öffentlich nicht, Worte zu sprechen der Schaam.

Wohl ist ein Ort, der Freiheit erheischt; auf diesen ergieße

Jegliche Wonne, und fern stehe von diesem die Schaam.

Aber verlässest du den, alsbald sei jegliche Frechheit

Fern, und in deinem Bett lasse die Sünden zurück.

Da darf abzulegen das Hemd dich erröthen nicht machen

Noch daß unten du liegst, Lende an Lende gedrückt.

Da werd' eingebohret die Zung' in die purpurnen Lippen,

Und auf verschiedenste Art schaffe die Liebe Genuß.

Da nicht fehl' es an Lauten und unterstützenden Worten;

Und von beweglicher Lust zittre des Bettes Gestell.

Nimm ein Gesicht, das scheuet die Schuld, dann an mit dem Hemde;

Und es läugne die Schaam ab das unzüchtige Werk.

Täusche die Menge und mich; laß irren mich, ohn's es zu wissen;

Laß mich des thörichten Wahns immer der Treue erfreun.

Warum seh' ich so oft dich Briefchen empfangen und schicken?

Warum find' ich das Bett hüben und drüben zerdrückt?

Warum nehme ich wahr, daß mehr als im Schlafe die Haare

Sind zerstört, daß trägt Spuren des Zahnes der Hals?

Nur vor die Augen nicht selbst führst vor du deine Verschuldung.

Willst du den eigene Ruf schonen nicht, schone doch mich.

Hören und Sehn vergeht mir, so oft du Vergehen bekennest;

Über die Glieder herab fließt mir ein eisiger Schweiß.

Da erst lieb' ich, da hass' ich umsonst, was Liebe mir aufzwingt;

Da gestorben zu sein wünschte ich, aber mit dir.

Nichts auskunden, noch was du geheim zu halten bereit bist,

Will ich verfolgen; es soll falsche Beschuldigung sein.

Wenn du jedoch inmitten der Schuld wirst werden betroffen,

Und mit Augen sogar sehen die Schande ich muß:

Sollst du, was deutlich gesehen von mir, du sollst es verleugnen;

Über mein Augenlicht soll es gewinnen dein Wort.

Leicht ist die Palme des Siegs bei dem, der selbst sich besiegt wünscht.

Sei nur: Es ist nicht wahr, immer zu sagen bedacht.

Da zwei Worte dir schon den Sieg zu verschaffen vermögen;

Wenn mit der Sache auch nicht, siege mit deinem Gericht.
(S. 219-221)

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Übersetzt von Heinrich Lindemann (1859)

Aus: Publii Ovidii Nasonis Opera
Ovids Werke
Berichtigt, übersetzt und erklärt von
Heinrich Lindemann
Vierter Theil. Die Liebesergüsse
Leipzig Verlag von Wilhelm Engelmann 1859


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