Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719-1803) - Liebesgedichte



Johann Wilhelm Ludwig Gleim
(1719-1803)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:

 





Gedichte nach den Minnesängern

Nach dem Kaiser Heinrich
An seine Gemahlinn

Ich grüße mit Gesang
Die Süße, welche Rang
Und Herrlichkeit und Pracht
Mir oft erträglich macht:
Die Süße, deren Gruß
Des Mundes, deren Kuß,
(Ich klag es manchen Tag,)
Ich nicht vermeiden mag:
Die Liebliche, die ich
So gar unsänftiglich
Entbehre, die grüß ich!

Weib sey es, oder Mann,
Wer artig singen kann,
Und diese Süße sieht,
Der sing ihr dieses Lied!
Von Herzen sing ers ihr
Und grüße sie von mir!

Ich steh an ihrer Hand,
Und siehe! Reich und Land
Weit um uns her, ist dann
Mir alles unterthan.
Dann herrsch ich, aber bald
Ist Reichthum, ist Gewalt,
Ist alles, alles hin,
Wenn ich geschieden bin.

Geschieden, ach von ihr,
Zähl ich zur Habe mir
Nur Kummer, Gram und Leid,
Und so, von Zeit zu Zeit,
Steig' ich an Zärtlichkeit
Und Freuden auf und ab,
Und bringe Gram und Leid
Der Unbeständigkeit,
Durch ihre Lieb' ins Grab!

Seit, daß ich sie sogar
Von Herzen liebe, Sie,
Die liebe Süße, die
Zu aller Zeit, fürwahr!
Ich trag in Herz und Sinn,
Sie, meine Königinn,
Mit treuer Zärtlichkeit
Nicht immer ohne Leid;
Was giebt die Liebe mir,
Für einen Lohn dafür?

Sie giebt mir einen Lohn
So schön, daß ich sogleich
Hingäb ein Königreich,
Hingäbe meinen Thron,
Für ihren schönen Lohn!

Der sündigt, wer nicht glaubt,
Daß manchen lieben Tag,
Als ungekröntes Haupt,
Ich wohl geleben mag,
Hätt ich nur Sie, nur Sie
Für meine Monarchie!

Verlöhr ich Sie, o dann,
Was hätt ich armer Mann?
Mir taugte Seel und Leib
Nicht mehr für Mann und Weib,
Mein Trost und meine Macht,
Wär alles in der Acht.
(S. 13-18)

Aus: Gedichte nach den Minnesingern
Berlin 1773
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Nach dem Kiunig Wenzel von Beheim

I.
Ein Gedichtchen
Unter ihren lieben Schafen,
Fand ich eine Hirtinn schlafen,
Zucht und Unschuld im Gesicht,
Ihre rothen, zarten, süssen
Losen, lieben Lippen küssen
Konnt ich nicht.

Eine Macht in ihrem Blicke,
Hielt mich ab, zog mich zurücke,
Zog mich weg von ihr;
Weg von ihr gieng ich und dachte:
Hirtinn, rief ich, da sie wachte,
Segen dir!

Itzt, da ich daran gedenke,
Itzt entstehet ein Gezänke
Zwischen Willen und Verstand:
Wille spricht von freyem Sollen
Wie Verstand von freyem Wollen
Allerhand.

Das Gezänke beyzulegen,
Droht ein dritter Mann mit Schlägen;
Ha! Gewissen, dritter Mann,
Schlag mich nie mit deinem Stabe,
Süß ist, daß du sagst, ich habe
Recht gethan.
(S. 21-23)


III.
An zwey Verliebte
Die beyden Artigsten in meinen Landen,
Sah ich, da sie beysammen standen,
Umringt von Sommermorgenluft,
Von Lilgen und von Rosenduft,
Und Hand in Hand und Mund an Mund;
Westwinde lispelten, Brunnquellen rauschten und
Viel kleine Männervögel sangen
Mayliebe, Weibchen in dem Nest;
Ihr Artigen, ich glaube vest
Da das ergieng, da ist noch mehr ergangen.
(S. 26)

Aus: Gedichte nach den Minnesingern
Berlin 1773
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Nach dem Margrave Otte von Brandenburg mit dem Pfile

II.
An den Winter
Was hat die schöne Blumenblüthe,
Du böser Winter, dir gethan?
Du wüthest, Wüthrig! wüthe, wüthe,
Fürwahr ich weiß es ohne Wahn:

Die hingestorbne Blumenblüthe,
Den May mit aller seiner Pracht,
Vergütet mir mit ihrer Güte
Die Liebliche, die meinem Herzen lacht.
(S. 30)


III.
An seine Gemahlinn
Wo Ritter, und wo Frauen sind,
Da mag der Ehren viel geschehn,
Doch pflegt auch oft ein Lügenwind
Die reinste Tugend anzuwehn.

Die reinste Tugend hüte sich
Und scheine, wie der Sonnenschein,
Erhaben, unveränderlich,
Still, überall, und rein!
(S. 31)


IV.
Apologie der Minne
Spricht einer böses von der Minne,
So seh er mich in Lanz und Speer!
Wer ihrer pflegt, der waltet guter Sinne,
Hat gut Gesicht und gut Gehör!

Hat Herz, hat alles rechtes Gutes
Was Mensch auf Erden haben kann;
Die Minne giebt kein bisgen argen Muthes
Dem braven ihr ergebnen Mann.

Sie läßt ihm manche Tugend sehen,
(Die Weisen sagens,) lehret ihn
Geraden Weg zur Tugend hinzugehen,
Und allen Weg zum Laster fliehn.

Den preis' ich, der zu allen Stunden
Um Minne flehet, Minne sucht,
Denn Minne ward bey Sünden nie gefunden,
Und Sorge nimmt vor ihr die Flucht.
(S. 33)


V.
An den Winter
Der kleinen Vögel süßes Singen
In grünem Wald, auf grünem Plan,
Willst, Winter, du zu schweigen bringen;
Was hat es, Winter, dir gethan?

Mich sollst du nicht zum Schweigen zwingen,
Du Winter! Sieh, ich trotze dir!
Du magst nur toben, ich will singen:
Mein süsses Weibchen lächelt mir.

Du magst mit rauhen Windesschwingen
Ertödten aller Blumen Zier,
Und aller Blüthen, ich will singen
Mein süßes Weibchen lächelt mir.
(S. 34)


VI.
An seine Hofbediente
Räumt mir den Weg zu meiner lieben Frauen
Und streuet Rosen, Majoran
Und alle Blumen auf die Bahn!
Mit Ehren möcht' ein Kaiser wohl sie schauen,
Das sagen alle, die sie sahn!
Des muß mein Herz in hohen Lüften steigen.
Ich will ihr Lob, ich will es nicht verschweigen,
Und, wo sie wohnt, dem Lande muß ich neigen.
(S. 35)


VII.
Die zwey großen Leiden
Von zweyen Leiden, ah!
Bin ich verwundet, ha!
Und diese beyden großen Leiden
Verjagen alle meine Freuden!

Auf meiner lieben Blumenflur
Will meine liebste Blume sterben!
Und von dem Kinde der Natur,
Herzinien, kann ich ja nicht einmal
Nur einen Blick der Liebe mir erwerben!

Zwey solche Leiden machen Quaal.
Ich will auch nur,
Und diesen Abend noch,
Auf meiner lieben Blumenflur
Mit meiner liebsten Blume sterben,
Denn von dem Kinde der Natur
Werd ich ja doch
Nicht einen Blick der Liebe mir erwerben.
(S. 36-37)


VIII.
Der erste Blick auf Sie
Ich sah in reicher Schönheit schön
Die minnigliche stehn
Und wurde gleich
So freudereich,
Daß mir es hoch den Muth erhöhte!

Sie grüßte mich, da stund
Mein Herz im Brand, ihr Mund
Schien mir wie Feuerflammenröthe!
Hey o! Herre Gott ich bitte dich
Du wollest väterlich
Das schöne Weib
An Seel und Leib
Durch deine große Güte pflegen!

Unschuldige, wie sie, sind rar,
Darum, o Gott, nimm ihrer war,
Und send ihr deinen süßen Segen.
(S. 37-38)


IX.
An das Fräulein Winsbeck
Ich dacht' ich hätte satt
Mich schon geliebt, ich wäre losgewunden.
Allein, mit tausend Seilen hat
Die Liebe wieder mich gebunden.

Mein' Augen, das ist wahr,
Verleiteten mein Herz zu dieser einen
Und beydes still, und offenbar,
Will es mit dieser sich vereinen.

Zu dieser will es hin;
Will heilen lassen alle seine Wunden.
Die Liebe wohnt mir in dem Sinn,
So hab' ich sie noch nicht empfunden.

Noch nie hatt' ich so große Noth;
Ihr rother Mund, der hat sie mir gegeben.
Wird sie mir nicht, so bin ich todt,
Und werde nimmer wieder leben.
(S. 39-40)

Aus: Gedichte nach den Minnesingern
Berlin 1773
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Nach dem Margrave Heinrich von Misen

I.
An Eringard
Von vielen Schönen viel gesungen,
Hab' ich in mancherley Gesang,
Nach einer aber nur gerungen
Hab' ich, und hab' es keinen Dank.

O! daß sie doch nicht länger bliebe,
Was sie genung gewesen ist!
In ihrem Herzen kann die Liebe
Haß werden, Falschheit oder List.

O! du geradesweges wende
Geliebte du, dein Herz zu mir!
Noch kann es gut seyn, mach' ein Ende,
Ha! desto besser dien' ich dir.
(S. 43-44)


II.
Der rothe Mund
Den Kopf gestützt, in Felsenschatten,
Auf traurigem verdorrtem Gras,
Wo Nattern ihre Nester hatten,
Saß ich, im Auge Menschenhaß!

Hinweg von Freuden wollt ich gehen,
Da sprach mir Trost ein rother Mund,
In Freuden, sprach er, sollt du stehen,
Du sollt, ich mache dich gesund.

Du rother Mund, könnt ich dich malen,
Die Maler alle malten nach!
Verschwunden waren meine Quaalen,
Im Herzen saß es, was er sprach.

Den Himmel wirst du dir erwerben
Mit deiner wonniglichen That,
Du rother Mund! ich wollte sterben,
Du wustest meinem Leben Rath.

Und nun will ich den Menschen leben,
Will, wieder unter Menschen nun,
Der rechten Freude mich ergeben,
Will wieder Menschen Gutes thun.

Ich will, durch dich herausgerissen
Aus Menschenhasses Seelenpein,
Die Menschen lieben, ich will küssen;
Ahi, wer will ich künftig seyn.

Wen aus der Hölle seiner Leiden
Ein lieblich Weib zu Freuden ruft,
Der steigt so hoch in seinen Freuden
Als wie der Adler in die Luft.
(S. 45-46)


III.
An Eringard
Nun sind die lichten langen Sommertage
Mir ohne Freuden wieder hingeschieden;
Was hilfts, daß ich den schwarzen Kummer klage?
Sie hat den langen Sommer mich vermieden,

Und doch soll sie,
Bey Winter-Sonnenschein,
In meinem Herzen spät und früh,
Und heut und immerhin der Schönen Schönste seyn.
(S. 47-48)

Aus: Gedichte nach den Minnesingern
Berlin 1773
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Nach dem Herzoge von Anhalt

I.
Der Empfang des Winters
Der Winter kommt, behangen
Um seine blassen Wangen
Mit Flocken und mit Eiß;
Er kommt und färbt die Felder,
Die Wiesen und die Wälder,
Und alles, alles weiß.

Die Sänger auf den Zweigen,
Die kleinen Vögel, schweigen,
Und ziehn aus ihrem Hayn;
Ich aber, ich empfange
Den Winter mit Gesange,
Den Winter, ich allein.

Denn ihm, dem Schnee-Erfinder
Trotz ich, ein Ueberwinder,
Und wär er noch so rauh,
Mit Feuer in dem Busen,
Für meine lieben Musen,
Und meine liebe Frau.
(S. 51-52)


II.
An Hillma
Die argen Schalke tragen
Viel großen Haß zu mir,
Und alt und junge sagen
Viel böses, Hillma, dir!

Was aber, du Getreue,
Der's in dem Herzen kränkt,
Du, die so bang an Dreye
Dir argen Schalken denkt.

Was acht ich alt und junge!
Was ihren großen Haß!
Was ihre Lästerzunge!
Da Gott mich nie vergaß!

Was brauch ich Wehr und Waffen!
Was starken Männermuth!
Ein Weib, für mich geschaffen,
Hat mich in seiner Huth.

Für das in Liebe brennen,
Rein, wie das Sonnenlicht,
Das, meine Hillma, können
Die argen Schalke nicht.
(S. 52-53)


III.
An die Freudenhasser
Verbietet, o ihr Freudenhasser!
Dem Walde das bewegte Laub,
Dem West die Lispel und dem Wasser
Das Murmeln, oder werdet taub.

Denn ich will singen, daß man lassen
Den Menschen gute Freude muß,
Und, daß die alle, die sie hassen,
Entsprossen sind ohn einen Kuß.
(S. 54)


IV.
Die schönste Frau
Die schönste Frau in meinem Lande,
Wie Venus Medicea schön,
Unüberwindlich am Verstande,
Hab' ich gesehn!

Von allen andern Frauen schweigen,
Ihr edle Ritterthaten thun,
Vor ihrer Wohnung tief mich neigen,
Daß muß ich nun!

Ich muß es hoch, wie Meister, bringen,
In Saiten- und in Silbenklang:
Denn, ihr zu Ehren will ich singen,
Den Minnesang.
(S. 55)


V.
An Hillmar
Bey Seit! laß mich den Wind anwehen,
Er kömmt von meines Herzens Königinn!
Wie sanft ist erst nach ihm sich umzudrehen,
Kam einem Kaiser in den Sinn.

Ihr Mund ist Rosenfarbe; lange walten
Woll' über ihn ein guter Genius!
Denn gäb' ich ihm nur einen Kuß,
Ich würde, glaub ich, nimmer alten.
(S. 56)

Aus: Gedichte nach den Minnesingern
Berlin 1773
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Nach dem Herzoge Johans von Brabant

I.
Ein Lied
Ich sollt' einmal in einem Garten spielen gehn,
Und da fand ich drey niedliche Jünferchen stehn,
Wie Rosen, Lilien und Hyacinthen schön;
Die eine sang vor, die andre sang nach:
La, lallala, lallala, la.

Und als ich in dem Garten schöne Blümchen sah,
Und stille stand, den niedlichen Jüngferchen nah,
Und ihre süßen Glockenstimmchen hörte, da
Verblühte mein Herz, da lallet' ich nach:
La, lallala, lallala, la.

Da grüßt ich sie, und gieng der schönsten auf den Leib,
Die schönste floh; du niedliches Jüngferchen bleib,
Ich will ja nur zu einem kleinen Zeitvertreib
Dir küssen den Mund; das Jüngferchen, ach!
La, lallala, lallala, la.
(S. 59-60)


II.
An die Frühlingsvögel
Diese Vöglein, die so munter
Mit so lieblichem Getön,
In dem Grünen sicher gehn,
Und die Sonne berghinunter,
Muthig singend, gehen sehn;
Diese Sänger in dem Grünen,
Diese, diese haben's gut!
Müßten ohne Lohn sie dienen,
O, wo wäre denn ihr Muth!

Sie, die sich der Blüthen freuen,
Unter welchen sorgenfrey,
Sie in diesem kühlen May
Ruhen wollen, und erneuen
Ihren Sang und ihr Geschrey;
Sie beneid' ich, unter ihnen
Ist kein Dienst, er lohnet sich;
Aber, aber, immer dienen
Ohne Lohn, ist jämmerlich.

Ihr, der schönsten von den Weibern,
Was Vernunft dagegen spricht,
Ihr entwenken will ich nicht;
Stets getreu will ich ihr bleiben;
Dienen ihr, ist eine Pflicht.
Aber, aber, immer dienen
Ohne Lohn, ist jämmerlich;
Und, ihr Sänger in dem Grünen,
Der's gethan hat, der bin ich.
(S. 61-62)

Aus: Gedichte nach den Minnesingern
Berlin 1773
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Nach dem Herzog Heinrich von Pressela

I.
An seine Gemahlinn
Ach! welche süße Freuden hat
Mein süßstes Weibchen mir gegeben!
Ich war, ich war des Lebens satt,
Nun fang ich wieder an zu leben.

Hoch auf geht mir Gemüth und Herz!
Ihr Wandel, ihre gute Sitte
Bringt Munterkeit und Freud' und Scherz
Zurück in meine kleine Hütte!

Ich will michs freuen offenbar!
Ihr Neider alle mögt es wissen:
Ihr rother Mund, ihr schwarzes Haar,
Ihr Alles ist an ihr zum Küssen.

Zehn Tage schon bin ich ihr Mann,
Wie freu ich mich der süssen Tage!
Mir ist, seh ich mein Weibchen an,
Als ob mir alles Rosen trage.

Gott geb ihr, was ihr Herz begehrt;
Die Weibchen ihrer guten Sitte
Die sind wol aller Ehren werth,
Und, Gott, erhöre meine Bitte.

Die süßen Freuden, die sie giebt,
Die laß sie lange mir noch geben:
Wen solch ein gutes Weibchen liebt,
Der möchte tausend Jahre leben.
(S. 65-67)


II.
Die Klage
Der Dichter
Ich klage dir, du Sommerwonne,
Du höchste süße Freudigkeit!
Ich klage dir, du schöne Sonne!
Du Wald! ich klage dir mein Leid!

Ich klag es dir, du Klee, du Haide,
Dir May, und Göttinn Liebe, dir!
Thusnelde, meine süße Freude,
Nimmt alle süße Freuden mir.

Wenn ich vor ihr vorüber gehe,
Dann stärkt in meinem lieben Wahn
Sie mich nicht einst; ich seh, und sehe,
Sie hat mir keinen Blick gethan.

Ihr Götter, wenn ich mich betrübe,
So bin ich nicht im Herzen schwach:
Denn meinem Herzen giebt die Liebe
Zu bitterliches Ungemach.

Thusnelde ließe mich verderben!
Verderben - mich - in süßer Quaal;
Sie sähe den Betrübten sterben,
Und klagte, glaub' ich, nicht einmal!

Die Sommerwonne
Ich Sommerwonne will ihr zeigen,
Was ich vermag; auf mein Geheiß
Soll ihr in allen Büschen schweigen
Der kleinen Vögel süßer Fleiß.

Die Sonne
Ich Sonne will ihr Herz durchhitzen,
Bis es von zarter Liebe glimmt;
Im Schattenhute soll sie schwitzen,
Bis sie dir deinen Kummer nimmt.

Der Wald
Ich Wald will alle meine Lauben
Abbrechen, wo sie gehen muß;
Um Kühles fleht sie einen Tauben,
Sie gebe dann dir holden Gruß!

Der Klee
Ich Klee will dich mit Scheine rächen,
Verachten will ich ihren Gruß;
Will in die Augen so sie stechen,
Daß sie vor Glanze schielen muß.

Die Haide
Ich breite Haide will sie fangen,
Wenn sie zu meinen Blumen geht;
Ich will sie halten, bis gegangen
Du kommst, und sie mit Willen steht.

Der May
Ich May will meinen Blumen allen
Gebieten, wo sie geht und steht,
Sich zuzuschließen, zuzufallen,
Bis sie zu deinem Herzen geht.

Die Liebe
Ich Liebe will ihr das verleiden,
Was minniglich geschaffen ist;
Sie soll von meinen Wonnen scheiden,
Und sehn, daß Irmegart dich küßt.

Willst du noch mehr dich rächen lassen,
So sey, daß sie dem Schönen blind
Da steht, und aller Freuden Straßen
Von nun an ihr verschlossen sind.

Der Dichter
O weh! o weh! ihr süßes Wesen!
O Göttinn; ist kein andrer Rath:
Laß eh' mich sterben, sie genesen,
So sehr sie mich betrübet hat.
(S. 67-72)

Aus: Gedichte nach den Minnesingern
Berlin 1773

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Ein Lied
Nach dem von Wildonie

Liebe hebt sich in den Augen,
Fliegt ins Herze, sitzt darinn!
Liebe mag zu Liebe taugen,
Liebe winkt, ich fliege hin!

Dieses Lied, empor geschwungen
In ein Nestchen, unterm Dach,
Hat ein Vögelchen gesungen;
Und ich lieb' und sing es nach.

Aus: Gedichte nach den Minnesingern
Berlin 1773 (S. 94)

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An das Fräulein Sunnemann
Nach Her Johann Hadloub

Im Schatten einer Linde sitzend,
Liebkoste sie das schöne Kind,
Und ich, in fetter Ernte schwitzend,
Ließ einen sanften Abendwind,
Als ich es sah, in meinem Busen spielen,
Und so, mit wonnigen Gefühlen,
Die Liebkosung zu sehen, welche Lust!

Sie drückt es sanft an ihre Brust,
Nahm's sanft in ihren Arm, wand ihre weissen Hände
Dem Kind' um seinen Nacken sehr behende,
Sah lächelnd ihm ins Antlitz, und
Drückt' es an ihren Mund;
Und hat, wenn recht von mir gesehen ist,
Wohl gar das Kind geküßt.

Das Kindchen that so froh, so froh!
Es legte seinen kleinen runden
Gelenken Arm,
Als hätt's die Liebkosung empfunden,
Als wär's im Herzen warm,
An ihren Busen so behäglich, so
Als wenn's die Liebe gut verstünde;
Mir aber war, als wenn
In meinem sanften Abendwinde
Die Liebesgötter lispelten.

Das Kindchen that so froh, so froh!
Ich konnt's mit beyden Augen nicht verlassen;
Ich sah sie zärtlich sich umfassen;
Wie sie, dacht ich, so glücklich sind!
Ach! wär ich doch das Kind!

Ich wartete, da kam das Kind,
Mit etwas mehr, als Kinderwitz,
Von ihr, zu meinem Garbensitz,
Und da hob ichs geschwind
Auf meinem Schooß, und drückt' es, und umfieng
Es da, wo sie, und küßt' es, wo von ihr
Ein Kuß noch witterte - - Wie mir
Doch das zu Herzen gieng!

Das Kindchen zupfte mich an meinen längsten Haaren,
Und eine Weile spielten wir. - -
Nun aber ist mir ernstlich weh nach ihr;
Ach, möchte sie's erfahren!


Aus: Gedichte nach den Minnesingern
Berlin 1773 (S. 101-103)
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Walter von der Vogelweide
Das Andenken

Auf diesem Klee hat sie gesessen,
Und meine Laute mir gestimmt!
O Gott, wie könnt' ich sie vergessen!
Die mir so viel Gedanken nimmt!

Auf diesem Klee hat sie gesessen,
Und einen Apfel mir geschält,
O Gott, wie könnt' ich sie vergessen!
Die mir auf allen Auen fehlt!

Auf diesem Klee hat sie gesessen,
Und ihre Liebe mir geküßt!
O Gott, wie könnt' ich sie vergessen!
Die mir so gut gewesen ist!


Aus: Gedichte nach
Walter von der Vogelweide 1779 (S. 26)

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Walter von der Vogelweide
An die Schönen

Wenn die Frühlings-Sonnenblicke brennen,
Und die Blumen aus dem Grase dringen,
Und die kleinen Singe-Vögel singen,
Auf das beste, wie sie können;
Wenn zu Freuden alle Welt erwacht,
Und an jedem Morgen euch,
Alles singt, und alles lacht,
Alles ist, ein Himmelreich;

Und von euch, ihr Schönen, keine
Hin mich winkt, in ihren Hayn,
Wenn ich dann, so ganz allein,
Auf dem Anger sitz', und weine,
Kan's denn, kan's den anders seyn?


Aus: Gedichte nach
Walter von der Vogelweide 1779 (S. 48)

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Walter von der Vogelweide
Das schöne Weib

Den May, so schön, so prächtig, wie itzunder,
Sah ich, in meinem Leben nicht,
Er bringt uns alle seine Wunder
Der Schönheit, vor's Gesicht!
Und doch, was ist so schön,
Als unsrer Winli schlanker Leib?
Wir lassen alle Blumen stehn,
Und gaffen an, das schöne Weib!

Aus: Gedichte nach
Walter von der Vogelweide 1779 (S. 49)

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Walter von der Vogelweide
Vorsatz eines Kranken im May

Wenn ichs erlebe, daß ich Rosen,
Auf der lieblichen Albertus Höhe,
Mit der schönen Anna Winli lesen gehe,
Dann will ich mich so mit ihr erkosen,
Will mit einem Kusse so sie küssen,
Daß wir Freunde werden müssen!


Aus: Gedichte nach
Walter von der Vogelweide 1779 (S. 54)

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Walter von der Vogelweide
Eine Frage

Meine Treue soll ich so entgelten!
Alle Männer soll ich warnen? und vor Ihr?
O, sie hätte lieber noch ein Schelten
Als ein Loben, glaubt es mir!
Sie, zu der ich manchen kleinen Haß,
Mitten unter Liebes-Schmeicheley,
Trag' in diesem meinem Herzen - Ey!
Warum thut sie das?

Aus: Gedichte nach
Walter von der Vogelweide 1779 (S. 55)

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siehe auch: Teil 1 (Liebesgedichte)


 

 


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