Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719-1803) - Liebesgedichte




Johann Wilhelm Ludwig Gleim
(1719-1803)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 



Abschied von Chloris

Ihr Schönen zittert gar zu leicht,
Wenn Amor euch bekriegt;
Denn, eh' euch noch sein Pfeil erreicht,
Hat er euch schon besiegt.

Die mich nicht haßt, eh' sie mich liebt,
Die mir nicht widersteht,
Die sich, wie Leipzig, leicht ergiebt,
Die wird von mir verschmäht.

Ich fragte Chloris: willst du mich?
Da sprach sie gleich: Ich will!
Schnell regten meine Lippen sich,
Und ihre hielten still.

Ich küßte sie ein hundert mal,
Da sagte sie: Halt ein!
Dir muß noch eine größre Zahl
Von mir gegeben seyn.

Sie fieng mit hundert Küssen an,
Und hundert folgten drauf.
Sie sprach: Mein liebster künftger Mann!
Ich aber sprach: Hör auf!
(Band 1 S. 38)
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Belisse

Die fast zu zärtliche Belisse
Gab einem ihrer Schäfchen Küsse,
Und sprach: Da sieh, die Küsse gönn' ich dir!
Wenn aber mancher Schäfer wüßte,
Daß ich ihn fast so gerne küßte,
So nähm' er sie wohl auch so gern von mir.

Schnell sprang mit fröhlichen Geberden
Myrtill hervor, geküßt zu werden,
Und sprach: O du, der Schäferinnen Preis!
Was sollen manche Schäfer wissen?
Daß du bereit bist, sie zu küssen?
Ich bin der Schäfer, der es weiß.
(Band 1 S. 40)
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Amalia

Als noch Amalia in unsern Schäferhütten
Die Unschuld selbst, das Muster frommer Sitten,
Und aller Schäfer Ehrfurcht war:
Da schmückt' ein Kranz nur ihr gelocktes Haar.
Als sie noch gern auf meine Weide trieb,
Da waren ihr die kleinen Lieder lieb,
Die ich von ihr, und ihren frommen Sitten
Dem Echo sang, oft wohl auf ihre Bitten.
Jetzt aber, da sie in der Stadt
Viel stolze Schmeichler um sich hat;
Jetzt liebet sie den schweren Pomp von Gold,
Und ist nicht mehr den leichten Blümchen hold.
Jetzt liebet sie der Schmeichler Lügen sehr,
Und hat kein zärtliches Gehör
Für meine kleine Lieder mehr;
Sie kennet sich; sie kennet mich nicht mehr.
(Band 1 S. 41)
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Klage an die Liebe

O du geliebte liebste Liebe,
Machst meine Heerde ja so klein!
Ich lasse sie oft ganz allein,
Und folge deinem Triebe
Zum Daphnis in den Hain,
Mich da mit ihm zu freun!
Indessen müssen Wölf' und Diebe
Der Heerde Mörder seyn.
(Band 1 S. 45)
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Geständniß eines getreuen Liebhabers

Ich hab' einmal ein schönes Weib gesehn;
Cythere selbst war nicht so schön:
Allein, es schien die Siegerin der Herzen
Stolz mit der Liebe nur zu scherzen.
Darum dacht' ich dabey:
Ich will sie nicht, mein künft'ges Mädchen sey
Nur nicht so schön, allein getreu.

Nun aber, ach! nun ich erfahrner bin,
Nun gäb' ich mich ihr willig hin;
Nun würd' ich gern der schönen Ungetreuen
Mein ganzes Herz, mein Leben weihen:
Denn jetzt dächt' ich dabey:
Die Häßliche, wie jede Schöne, sey,
Falsch, flatterhaft und ungetreu.
(Band 1 S. 50)
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Phyllis im Walde

Du lieber kleiner Vogel du,
Hier hör' ich dir im Schatten zu;
Du singst: Ich lieb', ich lieb', ich liebe!
Und sagst dem ganzen Walde frey,
Daß dir ein Hähnchen spröde sey,
Ich thät' es auch, ich sagt' es ohne Scheu,
Daß mir ein Schäfer spröde sey,
Wenn er mir dann nicht spröde bliebe.
(Band 1 S. 50)
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Der freywillige Aktäon

Entfernt vom Lande der Romanen,
Wo Zärtlichkeit den Scepter führt,
Sing' ich, bey Amors Unterthanen,
Die frey sind, weil er sie regiert.

Ich singe: Spröde zu besiegen,
Doch keine mir zum Ehgemahl;
So macht nur Amor mir Vergnügen,
So macht mir Hymen keine Quaal.

Ich lieb' und ehr' euch all', ihr Schönen,
Mit weiser Unbeständigkeit;
Drum sollt ihr alle mich verhöhnen,
Wenn einer einst mein Herz sich weiht.

Und die, die mich alsdann besieget,
Die mich beständig macht, und treu,
Die mich in Hymens Joch einst bieget:
Die kröne mich mit Hirschgeweih.
(Band 1 S. 51)
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Ein Selbstgespräch

Ich, der mit flatterhaftem Sinn,
Bisher ein Feind der Liebe bin,
Und es so gern beständig bliebe,
Ich! ach! ich glaube, daß ich liebe.

Der ich sonst Hymen angeschwärzt,
Und mit der Liebe nur gescherzt,
Der ich in Wankelmuth mich übe,
Ich glaube, daß ich Doris liebe.

Denn ach! seitdem ich sie gesehn,
Ist mir kein andres Mädchen schön,
Ach, die Tyrannin meiner Triebe!
Ich glaube gar, daß ich sie liebe.
(Band 1 S. 58-59)
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An den Schlaf
Auf der Doris Nachttisch gelegt

Senke dich auf Doris Augenlieder,
Holder Schlaf, leichtwallend sanft hernieder!
Drücke mild, du Geber süßer Ruh,
Nun das Paar der schönsten Augen zu!

Und dann laß der Schönen, auf mein Flehen,
Doch im Traume dessen Bildniß sehen,
Der nach ihr schon tausend Seufzer schickt,
Seit er sie auf bunter Flur erblickt.

Aber ach! sollt ihr es nicht gefallen:
O so flieh', entflieh' mit schnellem Wallen,
Daß sie sich, wenn sie erwacht, erfreu',
Daß es nur ein Traum gewesen sey.
(Band 1 S. 59)
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Doris im Garten

Wie hier auf Florens Blumenbeeten
Im Morgenthau die Rose munter steht:
So kömmt sie dorten hergetreten,
Und hält zum Ost den frühen Blick erhöht,
Und sieht Aurorens Purpur prangen.
Ich aber kann auf ihren Wangen
Die Rosen und die Liljen seh'n!
Sind Florens Rosen wohl so schön?
Ach, ich muß hurtig zu ihr geh'n!
Ich küsse dreist mit zärtlichem Umfangen,
Den ganzen Frühling ihrer Wangen,
Und laß es nur, wo Rosen um uns steh'n,
Auroren von dem Himmel seh'n.
(Band 1 S. 61)
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Amor im Zorn

Amor sagte zur Cythere,
In der ganzen Götterschaar,
Als er zornig auf die war:
Daß ja Doris schöner wäre,
Als sie selbst. Die Götterschaar
Widersprach dem Amor zwar,
Aber Amor sagte wahr.
(Band 1 S. 61)
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An Doris

Dein Daphnis saß hier einsam an dem Bach,
Und sahe sich und seine trübe Blicke,
Und seufzete: Grausamer Amor, ach!
Wär' ich Narziß, und hätt' ich sein Geschicke,
So endigte sich einst mein Ungemach;
Verwandle mich! doch schaffe mir das Glücke,
Daß ich, als Blum', am schönsten Frühlingstag',
Das schwarze Haar der spröden Doris schmücke,
Daß ich für sie als Blume sterben mag,
Und daß sie selbst mich von dem Stengel pflücke!
Jtzt seh' ich dich in meinem Arm im Bach,
Jtzt  küss' ich dich, o Doris, welch ein Glücke!
(Band 1 S. 61-62)
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Als Doris im Wald gegangen war

Ihr Thäler und ihr Höhen!
Euch möcht' ich immer sehen.
Doch ohne Doris nie;
Was wär't ihr ohne sie?
Ihr wäret Wüsteneyen.
Ihr ließt, mich zu erfreuen,
Nicht eine Blume blühn,
Ihr wär't nicht schön, nicht grün.
Dann würd' ich traurig irren,
Und mit dem Tauber girren,
Dann brächt' ich, ohne Ruh,
Die Nächte seufzend zu;
In Tagen voller Leid
Verlebt' ich meine Zeit.

Ihr Thäler und ihr Höhen,
Ach! laßt mich Doris sehen!
Wie weit ist sie von mir?
Ach! bringet mich zu ihr.
Wo mag sie Blumen pflücken?
Vor wenig Augenblicken
Verließ sie mich am Bach,
Und gieng den Veilchen nach,
Und wünschte viel zu finden,
Mir einen Kranz zu binden.
Ihr Veilchen, wachst doch nur
Hervor auf ihrer Spur,
So, daß ihr zarter Fuß
Nicht weit hinirren muß.

Komm, Doris, komm zurücke;
Dich suchen meine Blicke;
Was bin ich ohne dich?
Was bist du ohne mich?
Dich kann ein Wolf erjagen,
Dich kann ein Baum erschlagen,
Du kannst im dunkeln Hayn,
Weit weg verirret seyn.
Du kannst vielleicht nicht eilen,
Und bis zur Nacht verweilen;
Vielleicht ertödtet dich,
Ach, einer Schlange Stich;
Vielleicht - - ach, welch ein Glück!
Ach, Doris, kommt zurück!
(Band 1 S. 62-63)
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Der Baum
An Doris

Hier, Doris, schliefst du so sanft, hier hat dich der Baum
Vor brennenden Strahlen bewahrt;
Hier, wo das Blümchen noch blüht, hier raubt' ich den Kuß,
Und barg mich dann hinter den Busch.

Und plötzlich sprangest du auf und sahest umher,
Und suchtest den Thäter voll Zorn.
Allein des heiligen Hayns verschwiegnes Gesträuch,
Entdeckte mich Zitternden nicht.

Da, Doris, fiel es dir ein, daß einstens Apoll
Hat irdische Mädchen besucht;
Und glaubtest billig und fromm, es habe dich auch
Der göttliche Schäfer geküßt.

Du sahst und merktest den Ort, und flohest davon,
Voll zärtlicher heiliger Furcht.
Du überlegtest dein Glück, verschwiegest es keusch,
Und fühltest noch immer den Kuß.

Und kehrtest oft noch zurück, und lagertest dich
Mit deinen Gespielen am Baum.
Und priesest ihnen zu oft den Schatten des Baums,
Das Echo, den Klee, und das Thal.

Die schlaue Lalage ward dein klopfendes Herz
Und röthere Wangen gewahr,
Und nannte Schäfer; allein, du leugnetest ihr,
Doch endlich erforschte sie dich.

O wie entzückte sie dich, indem sie dir bald
Den glücklichen Irrthum verrieth!
Und wie zerschmolz dir das Herz, indem sie dir dann
Mich menschlichen Schäfer empfahl.

Ihn liebe, sprach sie zu dir, du schwurest beym Pan,
Und sagtest; Ich lieb' ihn ja schon!
Da sprang ich plötzlich hervor, und Doris, ach da!
Da schwurst du mir ewige Treu.

Sey du, wohlthätiger Baum, ein Zeuge davon,
Und ewig ein Denkmahl der Huld,
Die meine Geliebte mir schenkt! Es starre die Hand,
Die dich mit dem Beile bedroht.

Der Enkel nenne dich einst den heiligen Baum!
Ihn schaudere, wenn er dich sieht,
Und, wenn dein Schatten ihn deckt, so werd' er verliebt,
Und liebe so zärtlich, wie ich.
(Band 1 S. 63-65)
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An Phyllis
Nach dem Catull

Komm, Phyllis, komm, und laß uns küssen,
Laß uns die Freuden nicht vermissen,
Der Väter und der Mütter Neid
Verbietet, Ha! nicht ohne Lüsternheit.

Die Sonne geht am Abend nieder,
Und eilt, und kommt am Morgen wieder,
Wir aber, wenn des Todes Macht
Uns einmal hat in's Grab gebracht,
Wir schlafen dort nur Eine lange Nacht.
(Band 1 S. 66)
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Galathee

Voll Zorn und eifersüchtger Sorgen
Sprach Seladon zur Galathee:
Erfahr' es heut' an diesem Morgen,
Daß ich von diesen Fluren geh'.
Gieb mir mein Band und meine Lieder,
Mein Lamm, und meine Schaafe wieder;
Denn du sollst mich nicht ferner seh'n.
Gut! sagte sie, es soll gescheh'n,
Ich hab' auch, kannst du das verlangen?
So manchen Kuß von dir empfangen.
Komm, komm, mein Schäfer, komm, mein Leben!
Ich will dir alles wieder geben.
(Band 1 S. 66-67)
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Der freywillige Liebhaber
An einen Bräutigam

Ich bin kein Freund der Zärtlichkeit!
Das sag' ich ohne Scheu.
Ich liebe nach Gelegenheit,
Und schwöre keine Treu.
Und sag' es ein vor allemal,
Daß der kein Weiser ist,
Der wählt, und immer nach der Wahl
Dieselben Lippen küßt.

Denn, ach! wie bald kann es gescheh'n,
Daß Doris Reiz verdirbt?
So bald, wie wir die Rose seh'n,
Die welkt, sich neigt, und stirbt.
Bleib, bleib, du künft'ger Ehemann,
Bey deiner Doris Kuß!
Ich liebe, wenn ich lieben kann,
Und hasse, wenn ich muß.
(Band 1 S. 68)
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An Chloe

Schönste, kannst du widerstreben?
Der nur wünscht für dich zu leben,
Bittet nur um einen Blick,
Einen nur, sein schönstes Glück.
Nur ein Wort aus deinem Munde
Bittet er, für sein Gehör!
Nur den kleinsten Theil der Stunde
Bittet er, und sonst nichts mehr!

Könntest du ihm das versagen?
Wäre dir es abzuschlagen
Leicht, und gleichsam nur ein Scherz,
Himmel, ach! welch hartes Herz!
Du verschmähtest ja die Triebe
Menschlicher Erhabenheit,
Du verlangtest schlechtre Liebe,
Und nicht seine Zärtlichkeit.

Nur nach dir kann er sich sehnen;
Schönste, tausend andre Schönen
Ließen stets sein Herz in Ruh,
Und sein höchster Wunsch bist du.
Eine nur der holden Mienen,
Der holdsel'gen Freundlichkeit,
Wie du ihm zuerst erschienen,
Macht sein Glück, und ist sein Leid.
(Band 1 S. 70-71)
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Zorn über die Zärtlichkeit

Wer kann sich auf sein Herz verlassen?
Ja, ja, nun ist mein freyer Sinn,
Mein Spott und meine Ruh' dahin!
Wie muß ich mich mit Sorgen quälen,
Wenn mir der Chloe Küsse fehlen!
Wie muß ich alle Schönen hassen,
Nun ich ihr treuer Sclave bin!

So züchtigt Amor seine Spötter.
Laß, Amor, laß mein Herz in Ruh,
Dich, du Tyrann, du Räuber du,
Dich, der die Freyheit mir gestohlen,
Dich, Amor, mag der Henker holen,
Dich Venus auch, und alle Liebesgötter,
Und meine Phyllis selbst dazu.
(Band 1 S. 71-72)
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Belinde
Ein Sonett

Das letztere leichtflatternde Gewand
Sank; welch ein Blick! die artige Belinde
Ward um und um ein Spiel der sanften Winde,
Wo sie, wie Venus einst, auf Ida stand.

Durch ihren Reiz, durch ihre zarte Hand,
Von der ich noch den sanften Scherz empfinde,
Durch alles, was an ihr mein Auge fand,
Floß in mein Herz das süße Gift der Sünde.

Erstaunt, entzückt, mir selber unbewußt,
Bemächtigte sich die Gewalt der Sinnen,
Ach! allzu bald der Tugend meiner Brust.

Du, der du sagst: Ich will den Sieg gewinnen;
Ach, laß doch nie das süße Gift der Lust,
Laß es doch nie nach deinem Herzen rinnen.
(Band 1 S. 72)
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Petrarchische Gedichte

Erscheinung der petrarchischen Muse

O welch ein Glanz um mich! welch himmlisches Gesicht!
Welch eine Schönheit ohne Mängel!
Welch eine sanfte Miene! Seh' ich nicht,
O Himmel, deinen schönsten Engel?

Kein Auge hat ein sterblich Weib so schön,
Von so vollkommner Anmuth je gesehn,
Das jeden, wenn er es erblickt,
Mit himmlischer Gewalt entzückt.

Die Erd' ist nicht dein Vaterland;
Wer hat, fragt' ich, o Göttin! dich gesandt?
Welch eine frohe Bothschaft bringest du?

Holdselig lächelte ihr Mund mir zu:
Ein goldnes Buch, auf dem: Petrarca, stand,
Nahm sie hervor, gab mir es in die Hand,
Und sagte: Lies'! ich las, und sie verschwand.
(S. Band 1 S. 338-339)
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An Damon

Hier sah' ich sie zum erstenmal, o Freund!
Hier, wo von ihr der Fußtritt noch erscheint.
Beym allerschönsten Frühlingswetter,
Begleitete der Liebesgötter
Und Grazien vereinte Schaar
Sie, welche selber eine war!

Hier pflückte sie mit zarter Hand
Viel liebe Blümchen ab, und band
Mir einen Blumenstrauß, und hier
Gab sie ihn mir!

Drauf ließ ich meine Flöte schallen,
Da sang sie, wohl nicht unbemüht
Dem Flötenspieler zu gefallen,
In meine Flöt' ein Lied!

Wir ließen uns im Schatten nieder,
Die Nachtigall sang Liebeslieder,
Wir hörten zu, sie sang
Uns beyde, mich und sie,
In zärtliche Melancholie.
Und, Freund! da schlang
Ich meinen Arm vertraulicher um sie.
Sie hinderte mich nicht;
Ich gab den ersten Kuß, da stieg
Ein hohes Roth in ihr Gesicht.
Ich bat sie, mir ihr Herz zu schenken;
Sie schenkt' es mir. O angenehmer Sieg!
O süßes Angedenken!
(Band 1 S. 339-340)
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An den Bach

Ich suche meine Doris, wunderschön
Ist sie, o Bach! hast du sie nicht gesehn?
Wenn sie vielleicht an deinem Ufer geht,
Hinüber will, sich fürchtet, stille steht,
Durst fühlt, sich bückt an deinen grünen Strand,
Dein Wasser schöpft mit ihrer sanften Hand,
Dann wirst du sie leicht kennen, lieber Bach!
So oft sie schöpft, wirst du erseufzen: Ach!
Und: Ey! wie schön, wie wunderschön ist sie!
Und: Ha! ich sah solch eine Nymphe nie!
Wirst du mit dir selbst sprechen, lieber Bach!
Und gleich darauf dann wieder sagen: Ach!
Dann kennst du sie, dann bitt' ich, laß sie nicht
Hinüber, Bach! Zeig' ihr ihr schön Gesicht
Im glänzendem stillstehenden Cristall,
Hier, wo ich steh', weit von dem Wasserfall!
Verschön're, wenn es möglich ist, ihr Bild,
Daß sich ihr Herz mit Eigenlieb' erfüllt,
Die es nicht hat, und mache, daß sie sich
Gern lange sieht. Dann, lieber Bach, spring' ich
Aus dem Gebüsch, das mich versteckt, hervor,
Und laß ihr sehn den Freund, den sie verlohr.
Dann wird dein Chor der Nymphen lauschend stehn,
Und mich, und sie hier als ein Wunder sehn,
Und sagen: Ha! das Mädchen ist wohl gar
Ein Götterkind aus unsrer Nymphen-Schaar
.
(Band 1 S. 340)
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Der dritte Tag im Merz 1753

Auch dich, o Tag! vergeß ich nicht,
An welchem sie mit so geliebten Blicken,
Mit so süßlächelndem Gesicht,
Das fähig war, Tyrannen zu entzücken,
Mir einst des Frühlings erstes Blümchen gab.

Mitleidig, sagte sie, brach ich das Blümchen ab;
Zehnmal zog ich die Hand zurück,
Ward bös auf sie, nannt' es ein Bubenstück,
Das arme Blümchen zu verderben,
Stand lange still, ging weg, that einen Seitenblick,
Nach dem Gebüsch, worin es stand,
Und sprach: Er läßt ja doch in seiner lieben Hand
Das liebe Blümchen vollends sterben
.
Stirb, liebes Blümchen, stirb gelassen, willig, still,
In meines Thyrsis Hand, wie ich einst sterben will
In seinem Arm, sprach ich, und brach es ab!
Noch traurig sah sie aus, und noch wehmüthig bange,
Indem sie mir das Blümchen gab.

Ich nahm's und küßte sie, da floß von ihrer Wange
Wie eine Lilje weiß, wie eine Rose roth,
Ein heißer Thränenbach; denn bey der Blume Tod
Fiel an den meinigen schnell ein Gedank' ihr ein.
Ach, müßtest du, wie sie, doch nur nicht sterblich seyn!

So klagte sie und schwieg. Verliebter stummer Schmerz
Und Wehmuth zitterte durch unser beyder Herz,
Bis der grausame Daphnis kam,
Der mir das liebe Blümchen nahm,
Und sprach: Ich will es Chloen bringen,
Und ihr ein Lied vom Frühling singen,
Und von der Flüchtigkeit
Der Lebenszeit,
Dann wird sie sie schon zu gebrauchen wissen
Und hurtiger mich küssen
!
(Band 1 S. 341-342)
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An Doris

Hier, Doris, war's! hier saß er an dem Bach
Und sahe sich und seine finstern Blicke,
Und seufzte tief: Grausamer Amor, ach!
Wie quälst du mich! Welch Loos von dem Geschicke.
Ha! heute sey mein letzter Jammertag!

Daß ich nicht mehr solch ein Gesicht erblicke;
Laß mich sie sehn, wo nicht, Grausamer, ach!
So sey dieß heut mein letzter Jammertag,
Und hier mein Grab, damit an diesem Bach
Sie eine Blum' auf meinem Grabe pflücke!
(Band 1 S. 342)
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An Doris Blumenbeet

Da deine Rose, Blumenbeet,
Noch schläft, noch zugeschlossen steht,
Noch Himmelsperlen an ihr hangen,
Kommt sie zu dir schon hergegangen,
Hält himmelan ihr Auge, geht
Zu sehn ihr liebes Blumenbeet.
O welche Rosen ihrer Wangen!
Wie Purpur roth! wie sanft! wie schön!
Wie jugendlich erst aufgegangen!
Laß, laß mich ihr entgegen gehn,
Und sie dir bringen, Blumenbeet!
Wenn sie bey dir verwundernd steht;
Sich niederbückt, dich ganz umgeht,
Dich preiset, liebes Blumenbeet,
Und sieht, wie deine Kinder prangen;
O dann will ich begeistert stehn,
Und wie die Rosen ihrer Wangen
Die Lilien des Busens sehn.
(Band 1 S. 343)
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An ihre Blumen

Euch, schönste Kinder der Natur,
Euch, liebe Blümchen dieser Flur,
Euch preis' ich, daß ihr schöner blüht,
Wenn meine Doris euch besieht.

Daß ihr für sie mit stärkerm Duft
Durchbalsamt frische Frühlingsluft
Euch ihr harmonisch Lob erwerbt,
Und gern in ihren Händen sterbt.

Denn, auf der ganzen weiten Welt
Lebt keine, die euch höher hält,
Und in dem ganzen Blumenreich
Ist ihrer Schönheit keine gleich.
(Band 1 S. 343-344)
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Ismene

O wo fänd' ich ihres gleichen!
Iris und Helena weicht!
Meine Doris selbst muß weichen,
Wenn sich solch ein Engel zeigt!
Eine Göttin muß sie seyn!
Mit der stärksten Schönheit Schein
Nimmt sie Aller Herzen ein!

Doris selber weicht Ismenen!
In der schönsten Frauen Kreis
Trat sie ein, und alle Schönen
Ueberließen ihr den Preiß.
Wie bey Sternenvoller Nacht,
Wenn der Morgenstern erwacht,
Er sie alle dunkel macht.

Plötzlich war mein Herz gewonnen,
Plötzlich war, als ich sie sah,
Meine Seel' aus mir entronnen,
Und bezaubert stand ich da.
Wer kann solch ein Lächeln sehn,
Solch ein Angesicht, so schön,
Und nicht ganz begeistert stehn?

Könnt' ich doch den Engel mahlen!
Ihrer rothen Lippen Schein
Sandte wunderwarme Strahlen
In mein kaltes Herz hinein,
Und es ward so freudenreich,
Als thät ich auf sie zugleich
Einen Blick ins Himmelreich!

Im Gefühl von Engelsfreuden
Wollt' ich schon ihr Sklave seyn;
Sie nicht sehn, von ihr zu scheiden,
Schien mir ächte Todespein;
Gieng sie, so folgt' ich ihr nach,
Göttin! rief ich, Engel! ach!
Engel! - plötzlich war ich wach!
(Band 1 S. 344-345)
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An Doris

Mich, o Doris, willst du hassen?
Mich nicht lieben? Mich verlassen?
Doris! welch ein Todesschmerz!
Jammer überfällt mein Herz;
Aber unter seinen Trieben
Ist kein Trieb veränderlich;
Sollst du, willst du mich nicht lieben?
O so lieb' ich dennoch dich.

Dich, den Engel meines Lebens,
Ohne welchen ganz vergebens
Mir der Himmel heiter ist,
Lieb' ich ewig, ewig bist
Du, o Doris! meine Freude,
Meine Wonne, meine Lust,
Was bin ich? O, welchem Leide
Oeffnet sich hier meine Brust!

Deine Weisheit, deine Tugend
Uebertrifft noch deine Jugend,
Dein holdseliges Gesicht
Gleicht der schönen Seele nicht!
Rosen blühn auf deinen Wangen,
Liljen glänzen rund umher;
Doch sie wirken kein Verlangen,
Wenn dein Geist nicht schöner wär'!

Sonnenblick in allen Mienen,
Eifer, aller Welt zu dienen,
Edelmuth, Verschwiegenheit,
Menschenliebe, Gütigkeit,
Jede Tugend ist dir eigen!
Doris, keiner, der sie zählt,
Selbst der Neid nicht, kann mir zeigen:
Daß dir auch nur eine fehlt.

Du gebietest meinen Trieben,
Dich allein kann ich nur lieben.
Tausend rühmt man mir als schön,
Aber keine will ich sehn.
Welche Schöne, welche Reiche,
Ist dir an Verdiensten gleich?
Wenn ich sie mit dir vergleiche,
Find' ich keine schön und reich!

Laß mich meinen Kummer sagen!
Wird mich Doris nicht beklagen,
So beklaget jener mich,
Der dich minder liebt, als ich.
Zeig' ihm dieses Tuch voll Zähren,
Das mein Aug' hat voll geweint,
Zeig' es ihm, und laß ihn schwören,
Ob er es so redlich meynt!

Sein verklagendes Gewissen
Wird die Liebe loben müssen,
Die in meinem Herzen brennt,
Aber die sein Herz nicht kennt!
Glück und Ruh' will ich ihm gönnen,
Wenn er itzt die Wahrheit spricht!
Wahrheit, zwing' ihn zu bekennen:
Solche Liebe hab' ich nicht!

Ihre Macht kann ich nicht hindern,
Meinen Gram kann ich nicht mindern.
Alles, was ich denk' und thu',
Giebt mir nicht verlorne Ruh.
Canitz rief den schnellen Stunden,
Und vergieng, wie sie, im Schmerz;
Was sein wundes Herz empfunden
Hat, empfindet itzt mein Herz.

Denk' an deine Trauerode!
Doris ringt noch mit dem Tode;
Folge dieser Doris nach;
Sage, was ihr Schatten sprach:
Nur drey Worte darf ich sagen:
Ich weiß, daß du traurig bist.
Folge mir, vergiß dein Klagen,
Weil dich Doris nicht vergißt!

Säh' ich in den letzten Zügen
Dich auf deinem Lager liegen,
Sprächest du, daß deine Treu
Mir im Tode sicher sey!
Ach, wie könnt' ich Abschied nehmen,
Wie ein Haller Abschied nahm?
Nein, ich würde mich nur grämen,
Tödten würde mich der Gram!

Willst du's, Doris? Soll ich sterben?
Soll ich mir den Ruhm erwerben,
Den sich jedes Herz erwirbt,
Welches liebt und leibend stirbt?
Daß man einst von mir noch spreche,
Sage meine Treue nach!
Tausend heiße Thränenbäche
Wirke dieser Thränenbach!

Schöne sollen mich betrauern!
Dichter sollen mich bedauern;
Jedes zärtliche Gemüth
Rührest du, mein letztes Lied;
Weint bey meinen Klagentönen,
Ihr gerührten Herzen, weint!
Saget: Hier zerfloß in Thränen
Ein Verliebter, und ein Freund!


Lässest du dich nicht erweichen?
Doris! sieh' auf jene Leichen,
Die der treuen Liebe Macht
Hat zu früh ins Grab gebracht.
Soll ich mich zu Tode grämen?
Gut! dein Wille muß geschehn;
Laß mich nur beym Abschiednehmen
Dich noch einmal freundlich sehn!

Höre, was die Liebe fodert!
Wenn einst dieß Gebein vermodert,
Dann erwachet dein Gehör,
Doch dann fördert sie nicht mehr!
Rufen wird mit tausend Zähren
Doris mich aus meiner Gruft,
Ach! ich werd' es doch nicht hören,
Wenn sie noch so zärtlich ruft.

Aber wenn ich in dem Grabe
Kräfte der Empfindung habe;
Wenn man dort noch sieht und hört;
Wenn dein Gram mich dort noch stört:
Welche Quaal werd' ich verspüren!
Wie wird tief mich deine Pein,
Wie wird mich dein Jammer rühren,
Wenn du wünschest, dort zu seyn.

Sorgen, die das Herz verletzen,
Thränen, die die Wangen netzen,
Nachreu in der zarten Brust,
Seufzer über den Verlust,
Werden mich erwecken sollen;
Doris, ändre deinen Sinn,
Dann wirst du mich lieben wollen,
Wenn ich schon verweset bin.

Weinend einen Strom von Thränen
Sitzest du bey treuen Schönen,
Und zur Lindrung deiner Noth
Ruffst du selber deinen Tod.
Ruf' ihn nicht. Er komme späte!
Warte, bis der Himmel ruft,
Doch nimm deine Ruhestätte
Nur nicht weit von meiner Gruft.

Dann werd ich beym Auferstehen
Dich an meiner Seite sehen,
Dann mischt sich in meiner Brust
Liebe zu der Himmelslust.
Dann wirst du mich erst erquicken,
Wenn du nicht mehr irdisch bist,
Dann wird mich dein Kuß beglücken,
Wann mich erst ein Engel küßt.

Welch ein Donner! welche Freude
Störet mich in meinem Leide,
Welch ein lauter Jubelton!
Sieh'! die Erde zittert schon!
Welten fallen aus der Höhe!
Sterne werden Sonne gleich,
Wo ich meinen Freund dort sehe,
Dorten ist das Himmelreich.

Engel jauchzen in den Lüften,
Menschen steigen aus den Grüften,
Fromme werden schön verklärt,
Und mein Wunsch wird mir gewährt.
Doris, nun will ich dich führen,
Sieh', dort ist dein Vaterland!
Komm, du sollst den Himmel zieren:
Zier' ihn nur an meiner Hand!
(Band 1 S. 345-350)
_____



Anakreon

Wer war Anakreon?
Fragt' einstens Doris mich.
Er war, antwortet' ich,
Er war ein Mann wie ich!
Er sang am Helikon
Den Musen Liederchen
Und küßte Grazien,
Und war mit ihnen froh,
Und lebt' er noch, o so
Verließ er sie für dich.
Zög' aber Doris mich
Ihm vor, o Himmel! so
Wär' in Arkadien
Kein Schäfer wohl so froh,
Und so verliebt, wie ich!
Und seine Grazien
Behielt' er wohl für sich.
(Band 1 S. 363)
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Ein Mädchen

Ich weiß ein Mädchen, schöner ist
Kein Mädchen auf der Welt!
Du, der du nie bezaubert bist,
Du, Weiser, oder Held!

Du solltest nur mit einem Blick,
Mit Einem nur, es sehn!
Demüthig würdest du zurück
Zu Muth und Weisheit gehn.

Hineingezogen in ihr Netz
Der Schönheit, lägst du da!
Ihr Reich, ihr Zepter, ihr Gesetz
Erkennend, lägst du da!

Welch eine Stimme! wie so süß!
Ernst sey es, oder Scherz;
Sie säng' und spräch' ein Paradies
Selbst Gellerten in's Herz!

Ihr Auge? Solche Heiterkeit
Im weiblichen Gesicht
Fand' ich auf Erden weit und breit,
Fänd' ich im Himmel nicht!

Ihr Lächeln macht das Dunkle hell!
Ein Engel würde froh,
Könnt' er es sehn! Kein Raphael,
Kein Oeser mahlt es so!

Ihr Busen? Tugend stirbt davon!
So wunderschön ist er!
Nicht Zeus und nicht Anakreon
Sah einen niedlicher!

O welche Rosen, welch ein Reiz
Sie abzubrechen! Komm!
O Freund, genug für deinen Geiz!
O wärst du nicht zu fromm!

Ihr tiefes Grübchen in dem Kinn!
Ihr schönes Blut! Ihr Schooß!
Ihr Wuchs! Ihr Gang! O Zauberin!
O Göttin! laß mich los!
(Band 1 S. 364-365)
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Die ungläubige Frau

Unbeständig ist er nicht
Dieser zärtliche Geliebte,
Dieser über mich Betrübte,
Der von meinem Sterben spricht,
Unbeständig ist er nicht!
Aber daß er, stürb' ich, nimmer
Trost empfände, daß er immer
Meine Liebe
Noch bedächte, traurig immer
Witwer bliebe,
Daß bey meiner Sterbensnoth
Jammer ihm sein Herz zerschlüge;
Daß er meinen frühen Tod
Nicht ertrüge;
Daß er einsam, bitterlich
Mich beweinte; daß er sich
Gleich zu Tode grämte;
Daß auch seine Männlichkeit
Solcher seltnen Zärtlichkeit
Sich nicht schämte;
Wie er da so zärtlich spricht,
Das - glaub' ich - ihm nicht.
(Band 1 S. 365-366)
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An Phyllis

Ich betete die junge Phyllis an,
Von Schönheit, Witz und Tugend angetrieben;
Von Schönheit, Witz und Tugend kann
Mich itzt nicht reizen, sie zu lieben!

Sie betet itzt den jungen Daphnis an,
Von Schönheit, Witz und Tugend angetrieben;
Liebt den, der sie nicht lieben kann,
Die mich nicht liebt, kann ich nicht lieben!
(Band 1 S. 366)
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Amor schlafend

Amor lag im tiefen Schlaf,
Unter einer Schaar von Schäfern;
Phyllis traf ihn an, und sang
Ihn noch tiefer einzuschläfern!

Aber plötzlich aufgeweckt
Von dem sanften Schäferliede,
Stutzt er, sieht sich munter um,
Und des trägen Schlummers müde,

Springet er vom Lager auf,
Das von Veilchen und Lefkojen
Ihm die Erde wachsen ließ;
Rüstig nimmt er Pfeil und Bogen!

Doris flieht in dicken Wald,
Da vor ihm sich zu verstecken,
Amor sieht es, machet Lärm,
Alle Schäfer aufzuwecken!

Alle Schäfer springen auf,
Folgen ihm mit Jägereile!
Doris fliehet, auf der Flucht
Trift er sie mit seinem Pfeile!

Tausend Seufzer sandt' ich fort,
Wenig ließ mich Phillis hoffen!
Aber der gerührte Gott
Hatte sie für mich getroffen.
(Band 1 S. 367)
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Der Glückliche

Glücklich ist, wer nimmer liebet,
Wer der Liebe lacht:
Denn wer sich der Lieb' ergiebet,
Seufzet, sehnt sich, ist betrübet,
Winselt Tag und Nacht;
Sein Gewinsel, sein Gesehne,
Was er denkt, und thut, und spricht,
Wirkt ein einziges Gesicht!
Alles andre Schöne
Rührt ihn nicht.
(Band 1 S. 370-371)
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Amor

Amor lief mit einer Fackel
Auf Anakreon einst zu!
Freund, ich habe dich errettet,
Sprach er, brennen solltest du!

Hymen saß mit dieser Fackel
Im Gebüsch, und wollte dich
Hinterlistig überfallen,
Und verbrennen wollt' er dich!
Aber ich entriß die Fackel
Seiner kleinen Mörderhand;
Setze, sprach ich, Brüderchen,
Lieber eine Stadt in Brand!
(Band 1 S. 371)
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Amor und Hymen

Amor
Bruder, wollen wir uns beyde
Heut' in deinem Wäldchen hier
Eine kleine Freude machen,
Sage Bruder, wollen wir?

Hymen
Amor ist nicht mehr mein Bruder;
Der in meinem Myrthenhayn
Mich in meiner Freude stöhret,
Könnte der mein Bruder seyn?

Amor
Amor hätt' in deiner Freude
Dich gestöhret? sage mir,
Denn du scheinst auf ihn zu zürnen,
Brüderchen, was that er dir?

Hymen
Brüderchen, will ich nicht hören,
Bis du wieder artig bist,
Und mit seinem lieben Amor
Hymen ausgesöhnet ist!

Seit der Rosenblüthe haben
Wir die Hand uns nicht gereicht!
Daß du mir die Fackel nahmest,
Das vergess' ich nicht so leicht.

Amor
Brüderchen, mit deiner Fackel
Wolltest hinterlistig du
Meinen Dichter überfallen,
Was bewegte dich dazu?

Warum willst du denn so ernstlich
Daß er sich vermählen soll?
O dann säng' er Ehelieder!
Ey! das wolltest du ja wohl?
(Band 1 S. 371-372)
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An Chloe

Daß ich getreu, o Chloe, dir,
Drey lange Tage bliebe,
Bleibst du es einen Tag nur mir,
Das schwör' ich, ja, das schwör' ich dir,
Vor dem Altar der Liebe!
(Band 1 S. 372-373)
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Phyllis und Adonis

Phyllis tanzte mit Adonis
Einen Schäfertanz,
Ihre braunen Locken schmückte
Nur ein Veilchenkranz!

Sittsamkeit und sanfte Tugend
Sprach ihr ganzer Leib.
Alle junge Schäfer seufzten:
Welch ein schönes Weib!

Andre Tänzerinnen starrten
Von Gestein und Gold,
Sich, wie sie, damit verschönern,
Hat sie nicht gewollt.

Phyllis war von allen Schönen,
Ja die Schönste doch!
O wie hat sie mir gefallen,
Tanzte sie doch noch!
(Band 1 S. 373-374)
_____



Amors Irrthum

Amor sah die Doris schlafen;
Stehend unter ihren Schaafen
Sah er ihrem Schlafe zu!
Dick Gebüsch hielt mich verborgen,
Mutter, sprach er, guten Morgen!
Wie so ruhig schliefest du!

Doris, wach, erblickt den Knaben,
Kind, spricht sie, was willst du haben?
Und was hast du hier zu thun?
Hier ist nichts für dich zu spielen;
Laß mich, Kindchen! hier im Kühlen
Laß mich noch ein wenig ruhn!

Amor, näher tretend, siehet
Seinen Irrthum, stutzt und fliehet
Mit erröthetem Gesicht.
Ich ergötzte mich darüber,
Amor, rief ich, kleiner Lieber,
Fliehen willst du? fliehe nicht.
(Band 1 S. 375)
_____



Der reiche Hirt

Wollte mich Belinde lieben,
O wie glücklich wär' dann ich,
Viere, fünfe, sechse, sieben - -
Zwanzig Schaafe wend' ich an!
Zwanzig? - hundert wollt' ich sagen!
Hundert, ja! gäb' ich darum.
Ja! Sie selbst sollt' ich nur fragen,
Aber immer steh' ich stumm!

An den Bach, der durch die Mitte
Meiner fetten Fluren fleußt,
Trat sie einst, mit sanftem Tritte,
Da ermannte sich mein Geist!
Da fragt' ich: willst du mich lieben?
Schweigend drehte sie sich um,
Wäre sie nur stehn geblieben,
O was gäb' ich nicht darum?

Giebst du deine ganze Heerde?
Fragte heute mich Damöt,
Der mit grämlicher Gebärde
Unter seiner Linde steht!
Ja! die ganze will ich geben!
Ja! das schwör' ich! morgen früh!
 Heerd' und Flur, und Lust und Leben,
Alles hab' ich, hab' ich sie!
(Band 1 S. 376-377)
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Amor und Mars

Auf dem Helm des Kriegesgottes,
Der in voller Rüstung stand,
Saß, von mir gesehen, Amor,
Pfeil und Bogen in der Hand.

Gott der Waffen, fragt' ihn Amor,
Gott der Waffen, willst du Krieg?
Mars erkennt ihn an der Stimme,
Knabe, spricht er: Knabe, flieg'.

Flieg' herunter von dem Helme!
Denn ich eil' in eine Schlacht,
Ludwigs Völker stehen fertig,
Und der Plan ist schon gemacht.

Was? spricht Amor, meinen Willen
Sollt' ich nicht erfüllet sehn?
Lieben sollen Mars und Moritz,
Und die Schlacht soll nicht geschehn!

Zweene goldne Pfeile sausen
Plötzlich, da noch Amor spricht.
Plötzlich lieben Mars und Moritz,
Und die Schlacht geschiehet nicht.
(Band 1 S. 377-378)
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Die Rose und der Dichter

Die Rose
Bin ich denn von zwanzigtausend
Deiner Blumen hier
Nicht die Schönste? Warum bleibst
Du nicht stehn bei mir?


Der Dichter
Ja! von allen meinen Blumen
Warst du, Rose, mir
Sonst die schönste! Doris aber,
Doris ist nicht hier.

Schön ist ohne meine Doris
Mir kein schön Gesicht,
Keine Quelle, kein Gefilde,
Selbst die Rose nicht!
(Band 1 S. 378-379)
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Betrachtung

Brot hat mir Gott und Wein dazu gegeben!
Wenn er mir nun noch Liebe giebt,
So fehlt mir nichts! Was hat man von dem Leben,
Wenn man nicht liebt?
(Band 1 S. 379)
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Amor, besänftigt

Amor zürnt, ich soll nicht trinken,
Lieben soll ich nur!
Sich betrinken, sagt er, wäre
Gegen die Natur.

Kluge Männer, sagt er, lieben
Für das Vaterland;
Dumme Männer, sagt er, trinken
Sich um den Verstand.

Amor, sag' ich, lieber Amor!
Zürne nicht so sehr!
Wie gerufen kommt Belinde
Zu der Kelter her!

Eine hohle Hand zu machen,
Lernet sie von mir;
Süssen Most damit zu schöpfen,
Lernet sie von mir!

Lieben will ich, und auch trinken:
Aus der hohlen Hand
Meiner zärtlichen Belinde
Trink' ich mir Verstand!
(Band 1 S. 379-380)
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Lilla

Lilla, meine Lilla singet,
Ist es auch ein Lied von mir?
Tanzet, Schaafe! Lämmer, springet!
Eure Schäferin ist hier!

Seht, da kommt sie, euren Hirten
Zu besuchen, Berg herab,
Seht, sie trägt den Kranz von Myrthen,
Welchen ihr die Liebe gab!

Himmel, wo ist sie geblieben?
War ihr Gang denn nicht zu mir?
Heerde, wie muß ich dich lieben,
Warum eilt' ich nicht zu ihr?

Ihr entgegen sollt ich gehen,
Springen sollt ich Berg hinan.
Heerde, ruhe! laß mich sehen,
Ob ich sie noch finden kann!
(Band 1 S. 380)
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Elpin

In jenem Thal, wo Veilchen blühn,
Sah ich den zärtlichen Elpin,
Vor seiner Phyllis auf den Knien!

Er bat, und seiner Bitte Schluß
War: Wisse, daß ich ohne Kuß
Von dir, o Doris, sterben muß!

Sie schlug mit ernsterfülltem Blick
Den Kuß ihm ab, er sank zurück,
Und starb vor ihr im Augenblick.
(Band 1 S. 384)
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Gespräch mit sich selbst

Chloe will mit ihren Blicken
Mich bestricken,
Aber sie bestrickt mich nicht!
Ihr will ich, gleich schlauen Fischen,
Wohl entwischen,
Aus den Netzen im Gesicht!

Länger soll sie mich nicht sehen,
Ich will gehen,
Hundert Meilen weit von hier!
Kann sie da mit ihren Blicken
Mich bestricken;
Nun, so sey es aus mit mir!
(Band 1 S. 384)
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Amor, ein Vogel

Sieh, wie dort ein kleiner Amor
Auf dem Myrtenbäumchen sitzt,
Lauschend nach den Schatten blicket,
Und den Mund zum Pfeifen spitzt!

Denkt er eine, deren Herzchen
Nicht sein schärfster Pfeil durchdrang,
Etwa heute zu bezwingen
Mit harmonischem Gesang?

O du lieber kleiner Vogel,
Meine Magdalis ist hier!
Pfeif' ihr doch ein kleines Liedchen,
Und erpfeif' ihr Herzchen mir!
(Band 1 S. 385)
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An Phyllis

Phyllis, sollt' es mich nicht kränken,
Einen ganzen Tag bringst du
Tanzend, scherzend, lachend zu,
Ohn' an mich zu denken?
Sollt' es mich nicht kränken?
Traurig dacht' ich unterdessen
Tausendmal an dich!
Phyllis, so mich zu vergessen?
Lieber hasse mich!
(Band 1 S. 386)
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Der Vermittler

In dem Garten, den ich liebe,
Wollt' ich mitten unter Rosen,
Mit der artigsten Brunette
Frohe Gartenspiele spielen.
Schatten, West und Nachtigallen
Pries ich ihr als Spielgesellen;
Aber die vergnügte Schöne
Ließ sich nicht zum Spiele reizen;
Ob sie gleich die Lust zum Spielen
Röthend auf den Wangen zeigte.
Neue Gründe, neue Bitten
Schafften endlich Ja und Willen,
Daß ich mir mit Rosenknospen
Ihren Kuß erwerben sollte,
Wenn ich sie damit, von weiten,
In der Laube treffen könnte.
Niemals hab' ich mehr gezielet,
Als ich mit den Knospen zielte;
Niemals traf mein Bogen besser.
Aber Doris, die Geliebte,
Weigerte den Preis der Wette
Dem Gewinner abzuliefern,
Und versprach bey jedem Treffer
Alle Schulden auszulöschen,
Wenn noch eine Knospe träfe.
Als nun eine unter dreyen
Treffen oder fehlen sollte,
Traf sie plötzlich an den Busen
Eine schwere Rosenknospe.
Augenblicks, indem sie's fühlte,
Oeffnete die Rosenknospen
Das Behältniß der Gerüche,
Und, ihr Schönen, welch ein Wunder!
Amor kam heraus gesprungen.
Kleine anmutsvolle Locken
Fielen von der zarten Scheitel,
Von den küssenswerthen Lippen
Träufelten die Küsse sichtbar,
Und ein Trupp verliebter Geister,
Und ein Schwarm vergnügter Silfen
War geschäftig sie zu sammlen.
Mit vergnügten Wollustmienen
Lächelte der Götterknabe.
Schwebend flog er, wie ein Engel,
Zwischen mir und meiner Schöne,
Welche voller Furcht und Schrecken
Hurtig aus der Laube flohe.
Aber Amor, rief sie freundlich,
Kleines Närrchen, bist du blöde?
Bleib' nur hier, sonst schießt mein Bogen,
Und du wirst ihm nicht entrinnen.
Als er eben schießen wollte,
Kam sie wieder nach der Laube,
Wo sich Amor ihren Augen,
Ohne Kleid und Hemde zeigte.
Hurtig wandte sie die Augen
Nach der Gärtnerin im Garten;
Wie sie schamhaft kluge Schönen,
In Gesellschaft wehrter Freunde,
Von geschnitzten Liebesgöttern
Lieber nach Cytheren wenden.
Aber Amor flog ihr näher,
Und befahl mir, daß sie's hörte:
Liebling, pflücke Rosenknospen,
Ich will sehn, ob deine Knospen
So, wie meine Pfeile, treffen.
Ich gehorchte dem Befehle;
Als ich aber unterwegens
Die gepflückten Rosenknospen
In die Tasche stecken wollte:
Fand ich, Freunde, glaubt dem Finder!
Beßre Knospen in der Tasche.
Diese nahm ich, statt der andern,
Und indem mir Amor winkte,
Und indem sie Amor küßte,
Ließ ich schnell die Knospe fliegen.
Kaum war sie der Hand entflohen,
Als mich schon der Wurf gereute;
Denn sie sank in Amors Arme,
Und ich dachte, meine Knospe
Hätte sie so stark getroffen,
Daß sie hurtig sterben würde.
Denn sie seufzte: Welche Wunde!
Seht nur her! ich bin verwundet!
Aber Amor lachte fröhlich,
Und besichtigte die Wunde,
Und wies mit dem kleinen Finger
Knosp' und Pfeil und Wund' am Busen.
Siehst du, sprach er: deine Knospe
Mußte diesen Pfeil verwahren,
Denn du solltest diese Lose,
Die mich oft, wie dich, verspottet,
Für die Spötterey bestrafen.
Laß sie noch ein bisgen quälen,
Und dann nimm den Liebesbalsam,
Das Geschenk von meiner Mutter,
Und bestreich damit die Wunde.
Küsse sie, nun wird sie küssen;
Laß dir den Gewinnst bezahlen,
Und bezahle du sie wieder,
Wenn sie dich in Zukunft mahnet.
Denn, mein Freund, so und nicht anders
Hab' ich dich und sie vermittelt.
O wie oft, wie sanft, wie zärtlich
Küßte mich die liebe Schöne,
 Als sie Amors Vorwurf hörte!
Neuerfüllte Freudenthränen
Flossen von den schönen Wangen.
Amor ließ sie von den Silfen,
Die wie Sonnenstäubchen schwärmten,
In ihr Kußgefäße sammlen,
Wo sie, wie mir Amor sagte,
Seine Küsse feuchten sollten,
Daß sie frisch und reizend blieben,
Bis er zu der schönen Mutter
Wieder in den Himmel käme.
Wie vertraut, wie froh, wie freundlich
Sprach mit uns der Gott der Liebe!
Könnt' ihn doch mein Pinsel mahlen,
Daß ihn alle Schönen sähen,
Daß die Anmuth seiner Glieder,
Ob sie gleich nicht männlich stehen,
Dennoch sie zum Kusse reizte!
Könnt' ich doch die kleinen Geister,
Die auf Pfeil und Bogen lachten,
Die um Kinn und Wangen schwärmten,
Mit der Göttersprache mahlen!
Könnt' ich doch den blöden Schönen
Die Erscheinung sichtbar machen.
Doch sie werden dem Erzählen
Meiner lieben Doris glauben;
Denn man weiß, sie kann nicht lügen.
Ja, sie werden alles glauben,
Wenn sie künftig sehen werden,
Daß die Rosen nie verwelken,
Die auf ihren Busen blühen.
Doris soll zwar viel erzählen,
Aber das, was ich verschweige,
Soll sie ebenfalls verschweigen.
Welche seltne Heimlichkeiten
Hat uns Amor nicht entdecket,
Eh' er schnell, vor unsern Augen,
Wieder in die Knospe flohe,
Oder in den Götterhimmel.
Drey Minuten nach dem Wunder
Blühten beyde Wunderrosen,
In der schönsten Rosenblüthe,
Auf den Busen meiner Doris.
Brüder, wollt ihr es nicht glauben?
Geht nur hin, und seht die Rosen.
(Band 2 S. 6-11)
_____



Pflicht zu verliebten Gesprächen
an Herrn Amtmann Fromm

In den lauten Nachtigallen
Lockt und schlägt und jauchzt die Liebe;
In der Lerche unterm Himmel
Lobt und tirelirt die Liebe;
In dem Enter, auf dem Wasser,
Schwimmt und schnattert nichts als Liebe;
In den Schwalben, unterm Dache,
Zwitschert, baut und spricht die Liebe;
In den Spatzen, vor dem Fenster,
Lauscht und ruft und hüpft die Liebe;
In dem Täuber, in der Taube,
Girrt und lockt und lacht die Liebe;
In den Tönen meiner Laute,
Klingt und lobt und scherzt die Liebe;
In dem Kind, auf meinem Schooße,
Hüpft und scherzt und singt die Liebe;
Alles Wild im freyen Felde,
Alle Vögel unterm Himmel,
Haben Stimmen zu der Liebe;
Alles scherzt und spricht vom Lieben;
Soll ich denn davon nicht sprechen?
(Band 2 S. 11-12)
_____



Geschäfte

Mir deucht, so oft ich schlafe,
Schlaf' ich bey lauter Mädchen;
Und immer, wenn ich träume,
Träum' ich von nichts als Mädchen;
Und wenn ich wieder wache,
Denk' ich an nichts als Mädchen;
Im Schlaf', im Traum, im Wachen
Spiel' ich mit lauter Mädchen.
(Band 2 S. 12)
_____



An Doris

Könnt ich Holz, wie Menschen, schnitzen,
Lauter Nymphen wollt' ich schnitzen;
Könnt' ich Marmorsäulen hauen,
Lauter Nymphen wollt' ich hauen;
Könnt' ich nur Tapeten wirken,
O! so wirkt' ich lauter Nymphen;
Lauter zärtliche Blondinen,
Lauter willige Brunetten,
Und die zuckersüsse Schöne,
Die mich itzt so zärtlich küßte,
Sollte mir zum Muster dienen.
(Band 2 S. 15)
_____



Doris im Garten

Die Sonne sank nach Westen,
Und machte noch im Sinken
Die letzte Abendröthe;
Als mich ein kühler Zephir
Aus meinem Zimmer lockte
Ich folgt' ihm in das Grüne,
Wo tausend Rosen blühten,
Um die er gaukelnd scherzte.
Der Büsche kleine Sänger
Ergötzten mich im Stillen,
Und meine Augenlieder
Befiel ein süßer Schlummer,
Ich träumte von der Liebe,
Ich träumte von Dorinden,
Von vielen andern Schönen,
Und von der lieben Venus,
Ich küßte sie im Traume,
Ich saß auf ihrem Schooße,
Und sagt' ihr von Dorinden.
Sie hielt mich in den Armen,
Und sprach: Sie soll dich lieben.
Schnell ward ich wieder munter.
Ich sah mich um, und lauschte;
Denn unter frischen Rosen
 Fand ich mich ganz begraben.
Ich sprang von meinem Lager,
Den losen Gast zu suchen,
Der mich so schön bedecket;
Allein im schnellen Springen
Empfand ich plötzlich Schmerzen.
Ein kleines Kind mit Flügeln,
Das ich noch nie gesehen,
Saß lächelnd hinterm Busche,
Und sprach: Dies kann mein Bogen,
Und wies mir mit dem Bogen,
Dorinden in der Laube.
Ich weiß nicht, welche Wunde!
Sie schmerzt, und that doch sanfte,
Und, als ich nur die Schöne
Drauf in der Laub' erblickte,
Verschwanden alle Schmerzen;
Denn sie war gar zu freundlich.
(Band 2 S. 16-17)
_____



Das Gelübde

Wo ich morgen oder heute
Meine Doris wieder finde;
Wo ich etwa dort am Ufer
Ihre Spur und sie entdecke;
Wo ich sie vielleicht im Schatten
Unter Rosen schlummern sehe;
Wo ich morgen oder heute
Ihren zweyten Kuß empfinde;
Da will ich, vernimm's o Liebe!
Da will ich, du sollst es sehen!
Dreist nach ihrem Busen schielen.
(Band 2 S. 19-20)
_____



An das Frauenzimmer

Sagt mir doch, geliebte Schönen,
Ist euch Amor denn nicht sichtbar?
Oder sagt ihr's niemand wieder,
Weil er allzu oft erscheinet?
O! ihr dürft es nicht verbergen,
Wenn er euch gleich oft erscheinet.
Kann ein Gott euch Schande bringen?
Wenn er euch des Nachts belauschet,
Wenn er euch des Tages locket?
O! so sagt es, euch zur Ehre,
Freunden oder Gönnern wieder;
Dann wird euch ein jeder loben.
Oder wollt ihrs mir entdecken:
So will ich, ihr sollt es sehen,
Euch einmal den Amor fangen;
Dann könnt ihr mit goldnen Stricken,
Ihn an euer Bette binden,
Daß er Wunsch und Klagen höre;
Dann könnt ihr ihm alles klagen,
Und ihn eher nicht befreyen,
Bis er sich mit euch versöhnet,
Bis er alle Kammersorgen
Mit der Kammerlust verwechselt;
Bis er sich in allen Stücken
 Gütig, wie ein Gott, erwiesen.
O! wie werdet ihr die Güte
Des gefangnen Gottes preisen:
Ruft mich nur, wenn er erscheinet,
Denn ich weiß ihn gut zu fangen.
(Band 2 S. 20-21)
_____



An die Liebe

Liebe! allerliebste Liebe!
Segne mich mit deinem Triebe.
Laß mich deinen Reiz empfinden,
Laß mich deine Glut entzünden,
Laß mich deinen Zucker schmecken,
Laß mich durch dein Lied erwecken,
Wenn ich Zeit und Lust versäume,
Müßig wach', und müßig träume.
Laß mir hübsch durch dein Geniessen
Zeit und Stunden schneller fließen.
Laß mirs in der Müh' zu wählen,
Aber nie an Schönen fehlen.
Und damit auch viel Beschwerden
Durch ein Mittel minder werden,
Laß mir künftig nur von allen
Eine schön seyn und gefallen.
Lehr' sie denn, sich gut zu schicken,
Gut zu spielen, gut zu blicken;
Lehr' sie meine Neigung kennen,
Klug zu frieren, klug zu brennen;
Lehr' sie witzig abzuschlagen,
Lehr' sie reizend ja zu sagen.
Aus den Worten, aus den Werken,
Laß ihr Wunsch und Willen merken.
Aber lehr' sie Wunsch und Willen
Nicht zur Unzeit zu erfüllen,
Daß sie sich erst artig schäme,
Und sich nicht zu bald bequeme.
Lehr' sie alle frohe Mienen,
Die der Lust zum Vortheil dienen;
Lehr ihr alle Fröhlichkeiten,
Lehr' sie auch, was sie bedeuten;
Daß sie stets in Unschuld prange,
Daß sie nie zuviel verlange;
Daß sie mirs vernünftig klage,
Wenn ich ihr zuviel versage.
Lehr' sie, wie man nie veralte,
Wie man Reiz und Wert behalte,
Wenn auch einst auf Brust und Wangen
Aller Rosen Schmuck vergangen.
Lehr' sie, wenn wir uns vereinen,
Treu zu seyn, und treu zu scheinen,
Daß sie mich mit nichts betrübe
Und mich immer stärker liebe.
Lehr' auch mich, durch deine Lehren,
Solchen Engel zu verehren,
Daß er, wenn ich ihn vergnüge,
Keine Lust zum Wechsel kriege.
(Band 2 S. 30-31)
_____



Amor, ein Werber

Amor wirbt, ich seh' ihn werben.
Wie geschäftig, und wie freundlich
Dringt er sich in alle Haufen;
Doch! er ist nicht jedem sichtbar.
Seht! itzt geht er mit spatzieren,
Seht! itzt führt er die Geworb'nen
An den Händen treuer Freunde,
Unter Weiden oder Linden;
Und gesichert vor Verräthern,
Schwören sie zu seiner Fahne.
Seht ihn bey den Ueberläufern,
Seht doch! er bedeckt mit Larven
Wangen, welche leicht erröthen,
Und entführet sie den Wächtern,
Und verbirgt sie vor Verächtern,
Und begleitet sie zum Tanze,
Und entdeckt sie nur dem Tänzer,
Dem er sie zum Tanze bringet.
Graun und Cato hilft ihm werben.
Er bestellt in weißen Sälen
Spieler zu den Spielerinnen,
Tänzerinnen zu den Tänzern,
Und Verliebte zu Verliebten;
Und dann wirbt er sich die Besten.
Wenn es ihm an Volke fehlet,
Darf er keine Trommel rühren.
Alle Straßen voller Schlitten,
Alle Säle voller Larven,
Alle Böden voller Tänze,
Alle Stühle voller Andacht,
Alle Bänke voller Weisen,
Alle Gärten voller Rosen,
Alle Ufer klarer Bäche,
Alle Logen und Parterren
Dienen ihm zu Werbeplätzen.
Seht! dort führt er die Geworb'nen
Durch die Thür des Opernhauses;
Sagt mir, konnten einst die Preussen
Ihre Riesen besser werben?
(Band 2 S. 36-37)
_____



Der Atheist

Allerliebster Gott der Liebe,
Die dich lieben, liebst du wieder.
Ach! willst du mich denn nicht lieben?
Doris ist noch immer spröde.
Spanne doch den Bogen strenger,
Nimm den ärgsten deiner Pfeile,
Denn ihr Herz ist hart, wie Marmor.
Mit der Kunst bered'ter Lippen,
Mit der Macht vertrauter Schwüre,
Mit der Staatslist deiner Lehrer,
Mit der Wirkung meiner Waffen
Werd' ich es nicht leicht erobern;
Denn sie ist zu stark bewaffnet.
Sie versteht die Kunst zu siegen,
Trotz dem besten deiner Krieger.
Wirst du sie denn überwinden?
Liebesgott! nur drei Minuten
Glaub' ich noch an deine Pfeile;
Hast du mir nach drey Minuten
Diese Spröde nicht gebändigt:
O! so will ich in der vierten
Dich und deine Mutter leugnen.
(Band 2 S. 37-38)
_____



Ursachen zum Lieben

Da, wo die Adler fliegen,
Ist alles voll von Liebe;
Da, wo die Karpen schwimmen,
Ist alles voll von Liebe;
Im Garten, auf den Fluren,
In Thälern, auf den Bergen,
In Stuben und in Kammern,
Auf Kanzeln und auf Thronen,
Im Himmel und auf Erden,
Ist alles voll von Liebe;
Soll denn mein Herz nicht voll seyn?
(Band 2 S. 38-39)
_____



Amor auf der Jagd

Amor winkt mir, soll ich folgen?
Seht! wie schalkhaft kann er lächeln.
Seht ihn doch! den kleinen Jäger.
Dort im Busche sieht er Mädchens;
Seht! er zeigt sie mit dem Bogen.
Seht! nun schleicht er an der Seite;
Seht ihr nicht? er winkt schon wieder.
Brüder, laßt uns nicht mehr trinken,
Wollt ihr mit? ich muß ihm folgen.
Kommt, er soll die Nymphen schießen.
Seht! er schießt schon. Laßt mich laufen.
(Band 2 S. 40-41)
_____



Die geheime Sprache

Wenn ich mich und meine Schöne
Mit der gelben Nelke kröne,
Wenn ich ihr mit Epheu winke,
Und ihr zeige, wie ich trinke,
Wenn ich lustig guter Dinge
Ihr vergnügt entgegen springe,
Wenn ich, da ich ihr begegne,
Ihren vollen Busen segne,
Wenn ich ruf': ich will im Garten
Bey der Sonnenblume warten,
Wenn ich sie ins Thal begleite,
Weiß sie schon, was es bedeute;
Und weil wir uns fürchten müssen,
Muß sie's nur alleine wissen.
(Band 2 S. 41)
_____



Der Sternseher

Des Abends funkeln Sterne;
Und ist der Himmel helle:
So seh' ich gern ihr Funkeln.
Doch seh' ich meines Mädchens
Recht feuervolle Augen
Zugleich im Fenster funkeln:
So lenk' ich schnell mein Auge
Vom Himmel nach dem Fenster,
Da seh' ich beßre Sterne;
Da schimmert meinen Augen,
Die allerschönste Venus;
Da seh' ich, in der Nähe,
Den Glanz der rechten Henne,
Und einen bessern Wagen.
(Band 2 S. 43)
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Die Aerzte

Durch den Anblick holder Nymphen,
Durch die Wirkung sanfter Hände,
Frischer Wangen, schwarzer Augen
Senken sich in Geist und Glieder
Neue Kräfte, neues Leben.
Wenn ich, voll von Schlafsucht, liege,
Darf mich nur Dorinde kitzeln,
Plötzlich hör' ich auf zu schlafen.
Wenn mir Kopf und Wangen schmerzen,
Darf sie sie nur einmal streicheln,
Plötzlich weichen alle Schmerzen.
Neulich raubte mir ein Fieber
Kraft und Lust aus allen Nerven,
Und ich fieng schon an zu sterben;
Aber Doris, meine Taube,
Strich, mit sanften Liebeshänden,
Alle halberstorb'ne Glieder,
Und, indem ich sterben wollte,
Küßte sie zum Abschiedssegen
Noch einmal die blassen Lippen.
Plötzlich hört' ich auf zu sterben,
Plötzlich flohen Brand und Fieber,
Plötzlich ward ich froh und munter.
Zwanzig Stunden nach dem Kusse
 Fühlt' ich schon in allen Gliedern
Neue Kräfte, neues Leben;
Und nach zwanzig andern Stunden
Hatt' ich mir mit neuen Kräften
Schon die Lippen roth geküsset.
Doris! dein Genesungsmittel
Hat den Beyfall aller Aerzte;
Aber lehr' es nicht den Aerzten,
Spar' es nur für meine Fieber,
Und verschreib' es keinem andern.
Deinen Schwestern kannst du's lehren.
(Band 2 S. 56-57)
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Der Sammler, an Doris

In den Wäldern voller Linden,
Sammlen Bienen Wachs und Honig;
Auf den Fluren, voll Getreide,
Sammlen Hamster Weitzenkörner,
Und die Ameis in dem Gärten,
Sammlet Nahrung für den Winter.
Wißt ihr wohl, was ich mir sammle?
Meynt ihr etwa goldne Münzen?
Mir vom Pabst und seines gleichen
Einen Himmel zu erhandeln.
Oder meynt ihr Silberlinge?
Mir beym Richter Recht zu schaffen.
Nein, dies hat Nikandor nöthig,
Nein, ich sammle mir nur Küsse.
Gold zu sammlen macht nur Mühe,
Küsse kann ich leichter sammlen.
Neulich hab' ich erst in Sachsen,
Zwanzig tausend eingesammlet.
(Band 2 S. 68-69)
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Der Verliebte

Ach, seht doch den Jüngling!
Er wird ja so stille,
Er schleicht in die Winkel,
Er spricht mit sich selber,
Er trauret, er sinnet,
Die Wangen erblassen,
Er scherzt nicht mehr feurig,
Er hört nicht die Freunde,
Er sieht nicht die Gläser,
Er sieht nur das Mädchen,
Ach, seht doch den Jüngling,
Er hat sich verliebet!
(Band 2 S. 69)
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Die Revüe

Was lieb' ich doch für Schönen?
Ich liebe die Helenen,
Die Hanchen und die Fiekchen,
Die Lieschen und die Miekchen,
Die Willigen, die Spröden,
Die Freundlichen, die Blöden,
Die Zärtlichen, die Netten,
Die Schlanken, die Brunetten.
Ich liebe die Blondinen,
Mit zarten Venusmienen,
Und die mit treuen Herzen,
Und die so witzig scherzen,
Und die mit edlen Seelen,
Die mich zum Schatz erwählen.
Ich hasse nur die Schönen,
Die dich, o Liebe, höhnen,
Die mit nicht edlen Trieben,
Und die, so mich nicht lieben.
(Band 2 S. 70)
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Einladung zur Liebe

Mädchen, wollt ihr mich nicht lieben?
Seht, hier lieg' ich in dem Schatten!
Seht mich nur, ihr müßt mich lieben!
Rosen blühen auf den Wangen,
In den Adern glühet Feuer,
In den Mienen lacht Vergnügen,
In den Augen locket Liebe,
Und bewegen sich die Lippen,
So bewegt sich Scherz und Freude.
Mädchen, wollt ihr mich nicht lieben?
Seht, hier lieg' ich in dem Schatten,
Mädchen, seht, wie schön ich liege!
(Band 2 S. 78)
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Arbeit für Doris

Liebstes Mädchen, sey nicht müßig.
Fürchtest du dich denn vor Arbeit?
Laß dich doch dazu nicht treiben,
Denn wir sind zur Müh erschaffen.
Komm, du mußt nicht müßig gehen,
Komm, du mußt für Arbeit schwitzen,
Liebstes Mädchen, sey nicht müßig.
Liebstes Mädchen, gieb mir Küsse!
Gieb mir hundert, gieb mir tausend!
Gieb mir neun und neunzig tausend,
Gieb mir volle hundert tausend!
Küsse, bis ich nicht mehr zähle,
Küsse heute, küsse morgen,
Denn du sollst nichts thun, als küssen.
(Band 2 S. 78-79)
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Der Tausch

Willst du tauschen? sprach ein Reicher,
Und er wies mir seine Schätze,
Und ich sollt ihm für die Schätze,
Meine braune Doris geben.
Aber wißt ihr, was ich sagte?
Reicher, sprach ich, du bist närrisch!
Macht dein Gold vergnügte Mienen?
Ist dein Gold getreu und artig?
Ist es witzig, ist es zärtlich?
Ist es tugendhaft wie Doris?
Kann es dem Besitzer schmeicheln?
Kann es scherzen, kann es küssen?
Kann es tändeln, wie mein Mädchen?
Reicher! können dies die Schätze?
So vertausch' ich dir mein Mädchen.
(Band 2 S. 82)
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Die Sehnsucht

Jüngst ging ich in den Garten,
Wohin mich oft die Liebe
In sichre Schatten locket;
Wohin mich oft der Frühling
Zu meiner Doris führet;
Wohin mich meine Doris,
Wann sie allein spatzieret,
Selbst oft durch Hecken winket.
Itzt sah' ich keine Doris.
Ich wünschte sie zu sehen.
Ich schlich in alle Gänge,
Und wünschte sie zu sehen.
Ich lauscht' an allen Büschen,
Und wünschte sie zu sehen.
Ich streckte mich im Schatten,
Auf ein geblümtes Lager,
Und wünschte sie zu sehen.
Ermüdet von den Wünschen,
War ich hier eingeschlafen.
Ich schlief, und fieng im Schlafe
Von neuem an zu wünschen.
Ich träumte von der Doris,
Ich wünschte sie zu sehen,
Ich wünschte sie zu sprechen,
 Ich wünschte sie im Garten
An meiner Hand zu führen,
Und ihre schönen Hände
Wünscht' ich so sanft zu drücken,
Wie sie sie mir oft drücket.
Ich sahe sie im Traume.
Schnell sprang ich von dem Lager.
Da stand sie mir vor Augen,
Da hab' ich sie gesehen,
Da hab ich sie gesprochen,
Da hab' ich sie im Garten
An meiner Hand geführet.
Was hab' ich mehr, ihr Schönen?
Befragt nur dort im Winkel
Das kleine lose Miekchen!
Es sagt, wenn ich es frage:
Du hast sie auch geküsset.
(Band 2 S. 82-83)
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Die Reue

Doris, sieh, die falben Blätter,
Sieh, hier werden sie zu Leichen,
Willst du nicht den Herbst verachten?
Sieh, er raubt uns Laub und Schatten,
Und die Sänger auf den Zweigen,
Jagt er aus den grünen Zellen
In die Ritzen hohler Klippen!
Werden sie nun noch wol singen?
Doris, nein, sie werden schweigen,
Und sie haben schon geschwiegen,
Als du gestern früh im Garten
Mich mit tausend Küssen labtest.
O wir werden ihre Lieder
Küssend wünschen und nicht hören.
O wie lange wird es währen,
Daß sie froh zu deinen Küssen
Ihre Lieder wieder singen;
Engel, jetzt empfinde Reue;
Denn, am zwanzigsten des Mayen,
Als dich Nachtigallen lockten,
Wolltest du nicht immer küssen!
Wenn sie künftig wieder locken,
Willst du dann nicht immer küssen?
(Band 2 S. 86)
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Bacchus und Cithere

Soll ich trinken oder küssen?
Hier winkt Bacchus, dort Cithere.
Beyde winken, beyde lächeln.
Bacchus mit gesetzten Mienen,
Und Cithere mit verliebten.
Bacchus zeigt mir seine Reben,
Seht, sie sinken, schwer von Trauben!
Aber seht nur, dort im Schatten,
Dort im Schatten, unter Reben,
Liegt ein Mädchen lang gestrecket;
Seht, es schläft, es lächelt schlafend,
Und es lächelte Cithere
Nicht so reizend, als sie winkte.
O wie süß mag es nicht schlummern!
O wie reizend liegt das Mädchen!
Um den weißen regen Busen
Hangen schwarze reife Trauben,
Und es glänzen um den Locken,
Um den Rabenschwarzen Locken,
Goldne Blumen in den Schatten.
Weingott, winke nur nicht länger;
Denn ich muß erst bey dem Mädchen
Unter deinen Trauben schlummern.
(Band 2 S. 91)
_____



Das Thierchen ohne Namen

Am zwanzigsten des Mayen,
An dem du mich, o Doris!
Nicht immer küssen wolltest,
Saß an dem weißen Halse
Der freundlichen Filinde
Ein kleines schwarzes Thierchen.
Ich weiß es nicht zu nennen;
Dies weiß ich, daß es hüpfet,
Wie Grasepferde hüpfen,
Und daß es oft entwischet,
Wenn es erzürnte Schönen
Im freyen Felde jagen.
Ein Kenner der Insekten,
Beschrieb mir jüngst das Thierchen.
Er sprach: Es wird bey Schönen
Gebohren und erzogen,
Es wohnet bey den Schönen,
Und wagt sich nur zu Männern,
Wenn sie mit Schönen spielen.
Ein solch' beglücktes Thierchen
Saß an dem weißen Halse
Der freundlichen Filinde.
Ich wollt' es schnell erhaschen,
Und dann wollt' ich es fragen:
Wie wohnt es sich bey Schönen?
Allein es sprang vom Halse,
Und hüpfte nach den Hügeln,
Die an dem Halse grenzen.
Ich sah' es wieder sitzen,
Es sah' sich um, und lachte,
Und, trügen nicht die Mienen,
So schien's, als wollt es sprechen:
Nun sollst du mich nicht kriegen,
Itzt will ich weiter hüpfen.
Du darfst mich nicht verfolgen
Wohin ich itzo hüpfe,
Du hörtest nicht, Filinde,
Als ich zum Thierchen sagte:
Adieu du kleiner Springer,
Dürft' ich dich nur verfolgen,
Wie bald wollt' ich dich kriegen!
(Band 2 S. 92-93)
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Der Rangstreit

Was willst du? sprach mein Mädchen,
Ich sprach: Ich will dich küssen.
Da that das Mädchen böse,
Und sprach: Laß mich erst küssen!
Da zankten wir uns beyde.
Da nannt' es mich: Du Falscher!
Und sprach: Ich liebe stärker,
Drum muß ich dich erst küssen.
Da hört' ich auf zu zanken.
Da küßte mich mein Mädchen.
Da merkt' ich, als es küßte,
Es sey kein Rang im Küssen;
Denn wenn sich zweene küssen,
Ist jeglicher der Erste.
(Band 2 S. 93-94)
_____



Diener der Liebe

Alles, Liebe, muß dir dienen,
Alles dienet deinen Kindern.
Sonnen scheinen, sie zu wärmen,
Schatten schweben, sie zu kühlen,
Vögel singen, sie zu locken,
Tauben girren, sie zu reizen,
Rosen blühen, sie zu schmücken,
Sterne funkeln, sie zu führen,
Monde leuchten, sie zu zeigen,
Und die Nächte tragen Wolken,
Deine Kinder zu verbergen.
Liebe, laß doch, wenn ich liebe,
Schatten, Rosen, Vögel, Sonnen,
Sterne, Mond und Nächte dienen.
(Band 2 S. 94)
_____



Die Träumerin

Ein kleines schwarzes Mädchen,
Hielt auf dem weichsten Bette,
Die sanfte Mittagsruhe.
Es schlief, wie Mädchen schlafen,
Es lächelte im Schlafe;
Es regte sich der Busen,
So oft es Athem holte;
Es that, als wollt' es wachen;
Es warf sich hin und wieder,
Und lächelte noch zweimal.
Es steckte bey dem Lächeln,
Die rechte Hand im Busen.
Ich bückte mich und lauschte
Die Linke zu erblicken:
Allein sie war verborgen.
Doch, als ich nicht mehr lauschte,
Zog es sie schnell zurücke,
Und warf sie zu der Rechten,
Und faltete die Hände,
Wie fromme Beterinnen,
Die Händ' aus Andacht falten.
Ach sprach ich zu den Brüdern,
Ach seht, das Mädchen betet!
Warum mag doch das Mädchen
 Den harten Himmel bitten?
Vernimm es, sprach ein Bruder;
Ich weiß, daß fromme Mädchen
Gott oft um Männer bitten,
Und daß sie oft in Träumen
Die Bitten wiederholen.
In Träumen Männer haben,
Und glauben sie zu küssen.
Dies, glaub' es, lieber Bruder,
Dies glaubet auch das Mädchen.
Gleich schlich ich zu dem Mädchen,
Und fragt es: Willst du küssen?
Da streckte mir das Mädchen
Die Lippen schnell entgegen,
Und eh' ich sie berührte,
Ertönten schon die Schmätzgen.

Nun sagt einmal, ihr Schönen,
Zu mir und meinen Brüdern:
Ihr woll't nur immer küssen!
(Band 2 S. 95-97)
_____



An die Helden
(Nach Anakreons erster Ode)

Ich wollte Kriegeshelden
Und das, was sie gethan,
In meine Leyer singen,
Und fieng zu singen an;

Allein die Leyer tönte
Dem Liede viel zu fein,
Vom Helden will ich singen,
Dem Amor ganz allein!

Ich spannte stärkre Saiten
Der ganzen Leyer auf,
Sang Friedrichs Heldenthaten,
Und spielte sie darauf.

Allein die Leyer tönte
Dem Liede viel zu fein,
Von Helden will ich singen,
Den Amor ganz allein.

Drum weg, ihr andern Helden,
Ihr könn't mein Lied nicht seyn;
Denn meine Leyer singet
Den Amor ganz allein.
(Band 2 S. 117)
_____



An die Schönen
(Nach der zweyten Ode)

Wer sahe die Natur erschaffen?
Wer durfte weigern, was sie gab?
Wer trotzte Waffen oder Weisheit
Ihr, oder ihrem Schöpfer ab?

Sie gab dem Stiere seine Hörner,
Dem wilden Eber seinen Zahn,
Dem Löwen seinen weiten Rachen,
Und seinen krummen Sporn dem Hahn!

Verstand und Witz gab sie dem Manne,
Damit erfand er Lanz und Schild;
Was nahm das Weib aus ihren Händen,
Das Weib, des Mannes Ebenbild?

Die Schönheit nahm es. Eine Schöne
Führt ihren Krieg mit dem Gesicht!
Ihr widerstehen Schild und Lanze,
Verstand und Stahl und Feuer nicht.
(Band 2 S. 118)
_____



Amors Nachtbesuch
(Nach der dritten Ode)

Zur Zeit, wenn alle Menschen
Von ihrer Arbeit ruhn,
Wenn Patrioten träumen,
Was Könige nicht thun;

Wenn etwa nur ein Weiser
Bey seiner Lampe wacht;
In der Gespenster-Stunde,
Kurz: In der Mitternacht

Kam Amor, der die Schönen
Sonst immer nur besucht,
Vor meine Thür, und klopfte;
Vielleicht auf einer Flucht!

Ey! rief ich, wer zerschmeisset
Mir draussen meine Thür?
Wer ist es? wer verjaget
Die süssen Träume mir?

Sanftmüthig hört' ich sprechen:
Mach auf! ich bin ein Kind.
Vor nichts darfst du dich fürchten,
Mach' auf, bitt' ich, geschwind.

Der Mond hat nicht geschienen,
Ich habe mich verirrt,
Es ist so kalt, es regnet,
Erbarme dich, Herr Wirth.

Schnell macht' ich Licht, ich eilte,
Mitleidig muß man seyn,
Und ließ den armen Pilger
Mit allem Willen ein.

Es war ein Kind mit Flügeln,
Noch nie von mir gesehn,
Mit Köcher, Pfeil und Bogen,
Ein Knabe, wunderschön!

Komm, Kleiner, sagt' ich freundlich,
Führt' ihn an meiner Hand
Zum Herde, holte Späne,
Blies, brachte sie in Brand.

Ich ließ ihn sich erwärmen,
Nahm ihn in meinen Arm,
Und macht' in meinen Händen
Ihm seine Hände warm.

Aus seinen goldnen Locken
Drückt' ich den Regen aus.
Ihm helfen, dacht' ich, bringet
Mir Segen in mein Haus.

Hätt' ich, sprach er, wie traurig,
Mich doch nur nicht verirrt!
Mein Bogen ist verdorben!
Sieh nur, mein lieber Wirth.

Erschlaffet von dem Regen
Ist er! Ach, ach, ich bin
Um meinen lieben Bogen!
Ja, sprach ich, der ist hin!

Laß sehn, sprach da der Knabe,
Faßt' ihn, und drückt' ihn los,
Und traf recht in die Mitte
Mein Herz mit dem Geschoß.

Und rief: O Lieber, Lieber,
Mein Bogen ist noch gut!
Du greifst nach deinem Herzen,
Sprich, ob es wehe thut?
(Band 2 S. 118-120)
_____



Amor und der Dichter
(Nach der siebenden Ode)

Einen Hyacinthenstengel
Nahm Cupido jüngst und schlug
Mich damit, wie seinen Schüler;
Knabe, sprach er, werde klug!

Seinen Schlägen zu entrinnen,
Floh' ich über Berg und Thal,
Und da stach mich eine Schlange,
Plötzlich fühlt' ich Todes-Quaal!

Aber Amor kam und kühlte
Mit den Flügeln mein Gesicht,
Sprach mir Muth ein, fragte gütig:
Warum liebst du denn auch nicht?
(Band 2 S. 125-126)
_____



An Doris
(Nach der achten Ode)

Vom Bacchus eingeschläfert,
O Doris! träumte mir
Von Lalagen, von Phillis,
Und, Engel, auch von dir!

Auf meiner Füße Spitzen
Lief ich dir leise nach,
Und wollte dich erhaschen,
Und plötzlich war ich wach!

O Traum, von kurzer Wonne!
Konnt' er nicht länger seyn?
Ich will nur wieder trinken,
So schlaf' ich wieder ein!
(Band 2 S. 126)
_____



Amor von Wachs
(Nach der zehnten Ode)

Ein Amor, nur von Wachs gemacht,
Ward neulich mir zum Kauf gebracht!
Ein schöner Jüngling bracht' ihn mir!
Was willst du denn, fragt' ich, dafür?
Nicht viel, sagt' er. Der lose Gast
Wird, im Vertrauen! mir zur Last!
Er äspert mich, so viel er kann,
Denn, was er siehet, steht ihm an!

Zwey halbe Gulden geb' ich dir,
Gut! sprach er; nimm ihn nur dafür.
Gleich, Amor! laß mein Herze glühn:
Sonst werf' ich dich in den Camin!
(Band 2 S. 129-130)
_____



Zweykampf mit Amor
(Nach der vierzehnten Ode)

Ich will nur immer lieben,
Der kleine Liebesgott
Mit Köcher, Pfeil und Bogen
War lange Zeit mein Spott.

Er zeigte mir ein Mädchen
Mit Venus Angesicht,
Und wollt', ich sollt' es lieben,
Allein ich wollte nicht.

Da ward er böse! Zornig,
Ein kleiner Mars, stand er,
Und sprach: du sollst dich schlagen.
Ich holte mein Gewehr,

Und stand vor ihm gerüstet,
Ein andrer Goliath.
Der erste Schuß gebühret
Dem, der gefodert hat.

Er schoß, wir schossen beyde,
Die Köcher wurden leer.
Ich griff zu meiner Lanze,
Stand fest, und Amor - Er?

Mich besser zu bezwingen,
Schoß - Ach, ein Höllenschmerz!
Mit seinem letzten Pfeile
Sich selber in mein Herz.

Nun steh' ich mit der Lanze
Noch trotzend? Welchen Sieg
Versprach ich mir von aussen?
Inwendig ist der Krieg.
(Band 2 S. 132-133)
_____



Amor, ein Gefangener
(Nach der dreyßigsten Ode)

Den Amor, welcher von den Nymphen
Sich sonst so leicht nicht fangen läßt,
Den fiengen am Parnaß die Musen,
Und machten ihn mit Blumen fest!

Und führten ihn, wie einen armen
Gefangnen, zu der Schönheit hin.
Apollo spielte seine Leyer,
Melpomene war Heroldin.

Die Schönheit nahm ihn an, und sagte:
Gut! er soll mein Gefangner seyn;
Cythere kommt mit vielem Golde,
Den armen Amor zu befreyn.

Er aber spricht zu seiner Mutter:
Laß, Mütterchen, mich immer hier!
Bey dieser Göttin will ich dienen,
Bin ichs doch schon gewohnt bey ihr!
(Band 2 S. 146-147)
_____



An Amalia

Amalia, was fliehest,
Was fliehst du mich? du fliehst,
Weil du auf meinen Locken
Schon Schnee gefallen siehst.

Weil noch auf deinen Wangen
Der Jugend Rosen blühn;
O, darum darfst du eben
Nicht meine Liebe fliehn.

Sieh Chloen, sieh Belinden,
Sieh Daphnen, wie so schön
In ihren Schäferkränzen,
Bey Rosen Liljen stehen!
(Band 2 S. 148)
_____



Amor, von einer Biene gestochen
(Nach der vierzigsten Ode)

Ermüdet von dem Honigsuchen
Und von des Tages Hitze, schlief
Uneingewiegt auf einer Rose
Jüngst eine kleine Biene tief.

Der Gott der Liebe geht vorüber,
Wirft einen scharfen Blick darauf,
Und weckt die arme müde Biene
Mit seinem kleinen Finger auf.

Die Strafe folgt der That, sie rächet
Mit ihrem scharfen Stachel sich,
Er springet auf, denn er empfindet
In seiner kleinen Hand den Stich.

Ach Mutter, Mutter, liebe Mutter,
Schreyt er, und bläs't den Finger an,
Ich bin gestochen, eine Schlange,
Die Flügel hat, hat es gethan.

Der Landmann nennt die Schlange Biene;
Wie schmerzt die Wunde mir so sehr.
Ach Mütterchen, ich sterb', ich sterbe,
Dann aber ist kein Amor mehr.

Mein Sohn, spricht Venus, macht der Stachel
Von einer Biene solchen Schmerz;
Was muß ein Pfeil vor Schmerzen machen,
Von dir geschossen in ein Herz.
(Band 2 S. 151-152)
_____



An Chloe
(Nach der vier und vierzigsten Ode)

Getreu soll ich, o Chloe, seyn,
Ich Flatterer? getreu?
Ich träumte jüngst, der Liebesgott
Hätt' an den Füßen Bley;

Ich aber Flügel, und ich lief
Dem Liebesgott davon.
Er lief mir nach; o wie so gern
Wär' ich dem Gott entflohn!

Er aber holte bald mich ein,
Und führte mich zurück,
O, liebste Chloe, welchen Zorn
Las ich in deinem Blick?

Was sagt der Traum? der Liebesgott
Hätt' an den Füßen Bley?
Getreu soll ich, o Chloe, seyn.
Ich Flatterer? getreu?
(Band 2 S. 154)
_____



Mars und Amor
(Nach der fünf und vierzigsten Ode)

Es schmiedete zu Lemnos
Der Schmiedegott Vulkan
Einst Pfeile für den Amor,
Und Venus griff mit an.

Sie bracht' ihm seine Zange,
Trug Kohlen, holte Stahl,
Die treueste Gemahlin,
Vom treuesten Gemahl.

Viel Pfeile waren fertig,
Sie kann nicht müßig seyn;
Die Spitzen von den Pfeilen
Taucht sie in Honig ein.

Es wird ein wenig Galle
Vom Amor drein gemischt.
Vulkan hört auf zu schmieden,
Vulkan wird angefrischt.

Als alle Bälge blasen,
Als Schlag auf Schlag erschallt,
Der Ambos bebt, und bebend
Der Aetna wiederhallt;

Da tritt mit Kriegertritte
Mars in die Werkstatt hin,
Und, schwenkend seine Lanze
Spricht er: Vulkan, ich bin

Mit Friederich gewesen
In einer großen Schlacht,
Zehn tausend seiner Feinde
Sind heute todt gemacht.

Er will ihm seine Thaten
Erzählen, als er sieht,
Womit sich itzt, im Kriege,
Sein Waffenschmidt bemüht.

Er schweigt, und lacht der Pfeile
Des Amors, nimmt, und wiegt
In seiner Hand den kleinsten,
Der ihm an nächsten liegt.

Und sagt mit Kriegerstimme
Darüber seinen Spott.
Es sind noch andre, saget
Zu ihm der Liebesgott.

Er geht, und schleppet einen
Gestemmt mit Fuß und Hand
Hin, zu dem Gott der Waffen,
Der neben Venus stand;

Legt vor dem Mars ihn nieder.
Was thut der Gott der Schlacht?
Er bückt sich, ihn zu nehmen,
Er nimmt ihn, Venus lacht.

Er wiegt ihn auch, er saget:
Ja, warlich dieser ist
Recht schwer
! den Gott des Krieges
Schützt weder Muth noch List;

In seinen Heldenaugen,
Glüht Kriegesgrimm nicht mehr.
Er lächelt, spricht von Liebe,
Ganz umgekehrt ist er.

Er will ihn wiedergeben
Dem Stifter süßer Pein!
Da, spricht er, Amor saget:
Behalt ihn, er ist dein.
(Band 2 S. 156-157)
_____



Amor
(Nach der ein und sechzigsten Ode)

Amor ist mein Lied!
Schön ist er bekränzt,
Sein Gesichte lacht,
Seine Wange glänzt!

Seht! wie stolz er da
Seinen Bogen trägt,
Ganz gewiß hat er
Einen Held erlegt!

Welch ein großes Herz
Schwebt in seiner Hand?
Ist es Friederich,
Oder Ferdinand?
(Band 2 S. 161-162)
_____



An Lalage
(Nach der zwey und sechzigsten Ode)

Laß, Lalage, dir klagen
Mit bitter süßem Schmerz,
Wie jüngst der Gott der Liebe
Sich senkte in mein Herz!

Von frisch gepflückten Rosen
Flocht' ich mir einen Kranz,
Ihn um das Haupt zu tragen
Beym nächsten Schäfertanz.

Da ward auf einer Rose
Der Gott von mir entdeckt,
So klein, wie jene Biene,
Die er einst aufgeweckt!

Schnell faßt' ich ihn beym Flügel,
Warf ihn in meinen Wein,
Und eilte nach den Lippen,
Und trank ihn mit hinein!

Nun übt er lose Händel
In meinem Herzen aus!
Ach schaffe mir den Knaben
Doch wiederum heraus!
(Band 2 S. 162)
_____



An die Göttin der Liebe
[Nach den Oden des Horaz]

Dich, Göttin, mit dem schönen Busen,
Den Pallas selbst gehasset hat,
Dich, gnädiger, als alle Musen,
Bitt' ich um guten Rath.

Um zweye deiner Priesterinnen
Geriethen Götter selbst in Streit,
Die Schönste wäre zu gewinnen
Mit großer Tapferkeit;

Die Jüngste singet, liebet Scherze,
Liebt Musen, liebt Anakreon,
Trag' ich mit Witz, trag' ich mit Herze
Gewissen Sieg davon?

Soll ich mir Heldenruhm erwerben?
O Göttin, Göttin, rathe mir!
Soll ich in Elegien sterben?
Zu Paphos? oder hier?
(Band 2 S. 188-189)
_____



An die Göttin der Liebe
(Nach der 26sten Ode [des Horaz] des dritten Buchs)

Den Mädchen ein geliebter Knabe
War ich, um meine Schläfe grünt
Noch Myrth' und Epheu! denn ich habe
Nicht ohne Ruhm gedient.

Nun aber häng' ich meine Waffen
In deinen Tempel auf, ich bin
Zufrieden, habe nichts zu schaffen
Mit deiner Priesterin.

Mit ihr, o Göttin, will ich scherzen,
Wenn sie dem Daphnis sich ergiebt,
Der sie verachtet und von Herzen
Die kleine Chloe liebt.
(Band 2 S. 189)
_____



Die beyden Amorn
An Lalage

Ein Schäfer ist der Amor auf dem Lande,
Kind allezeit, und nackend allezeit,
Der an dem Hof' ein Stutzerchen vom Stande,
Sich immer gleich an Sitte, Stimm' und Kleid
Zwey Götter, Lalage! der eine
Geheim, bescheiden, blöde, still!
Der andre laut und flüchtig; nicht der Meine!
Zu seinem Gott erwähl' ihn, wer da will.
(Band 2 S. 232)
_____



Amor schlafend

Still ihr Schönen, schweiget, schweiget!
Dort, wo Zephir leise spricht,
Wo die zarte Myrte sich
Schattend über Blumen neiget,
Dort schläft Amor; sehet ihr ihn nicht?
Seiner Heldenthaten müde
Schläft er. Gönnt zur Ruh' ihm Frist!
Denn, wenn Amor schläft, so ist
Auf der ganzen Erde Friede.
(Band 2 S. 233)
_____



Lied

Endlich, endlich doch einmal
Wurde sie von meiner Quaal
In dem Innersten gerühret,
Und in dieses schöne Thal
Von der Liebe selbst geführet!

Einen süßen Augenblick
Mir zu geben, welch ein Glück!
Ließ sie sich auf Blumen nieder.
O du süßer Augenblick,
Wann beseeligst du mich wieder?

Wonne, die die Lieb' ertheilt,
Weggeflohen, unverweilt,
Dir will ich ein Liedchen dichten:
Aber, o ihr Blümchen, eilt,
Eilt euch wieder aufzurichten!

Eifersucht ist selten weit,
Und die kleinste Kleinigkeit
Kann sie leicht in Harnisch jagen.
Blümchen unsre Seeligkeit
Müßt ihr keinem wieder sagen.
(Band 2 S. 233-234)
_____



Begebenheit im Olympus

Amor sah' den Gott der Götter
Von der schön gewachs'nen Hebe
Nektar bringen: Ihrer spottend
Sprach er leise: Bring ihm lieber
Einen Kuß! und mit den Worten
Floß in ihre rothe Lippen
Lust zu küssen: Liebe flehend
Stand sie da! Der Gott der Götter
Nahm von ihren rothen Lippen
Einen Kuß, der ganze Himmel
Röthete, wie ihre Wangen
Und, als wie mit einem Blicke
Sahen Götter und Göttinnen
Auf den Kuß! die große Juno
Sah' mit rachevollen Blicken
Nach den schönsten aller Götter,
Aber Amor, Friedenliebend,
Wollte keinen Krieg im Himmel,
Eiligst lenkt' er seinen Bogen
Nach den häßlichsten der Götter,
Momus heißt er. Vor dem Throne
Seine Juno Liebe flehend
Steht er da! Die stolze Göttin
Nimmt von seinen blassen Lippen
Einen Kuß! der ganze Himmel
Wird entfärbt, wie seine Lippen,
Und, als wie mit einem Lachen,
Lachen Götter und Göttinnen,
Welche sonst so leicht nicht lachen,
Und es war kein Krieg im Himmel.
(Band 2 S. 350-351)
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Amor, ein Lehrer

Amor, den die Musen
Einst der Schönheit gaben,
Dieser Amor diente
Lange bey der Schönheit!
Und bey ihr besuchten
Ihn die keuschen Musen!
Amor in der Schule
Bey den keuschen Musen
Lernte, las, studierte
Fleißig ihre Lehren,
Und, in ihren Lehren,
Bald ein großer Meister,
Wollt' er seine Lehren,
Amor wieder lehren.
Zwar gab ihm die Schönheit
Einen Wink; er lehrte,
Dennoch seine Lehren,
Und da band die Schönheit
Einen Priesterkragen
Ihm an seine Binde!
Und, da hielt er Schule!
Mädchen eine Menge
Kamen in die Schule!
(Band 2 S. 354)
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Aus: J. W. Gleims sämmtliche Werke
Erster und zweyter Band
Carlsruhe im Büreau der deutschen Classiker 1819


siehe auch: Teil 2 (Nachdichtungen der Minnesänger)


Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Wilhelm_Ludwig_Gleim




 

 


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