Johann Christian Günther (1695-1723) - Liebesgedichte

Johann Christian Günther


 

Johann Christian Günther
(1695-1723)

 

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 




ROSETTE
(ANNA ROSINA LANGE)
Leipzig 1718

ALS SELIMOR AMARINDEN SEINE LIEBE NICHT
ENTDECKEN DURFTE

Aria
IHR still- und kahl- und öden Gründe,
Behaltet dieses Wort bey euch:
Ich leid und darf mich nicht beklagen,
Ich lieb und fürcht es euch zu sagen:
Die Brust der hohen Amarinde
Ist mir ein Blick ins Himmelreich.

Recitat
Mit diesen Worten trug erst heute
Der arme Dichter Selimor
Der grünen Einsamkeit die lange Sehnsucht vor;
Denn weil er die Gesellschaft scheute,
So wehlt' er oft das Rosenthal
Zum Arzte seiner Qual
Und zum Vertrauten seiner Liebe,
Die jezt mit stärckerm Triebe
Durch Augen und durch Lippen brach.
Er dachte seiner Schickung nach:
Wie lang er doch noch weinen sollte
Und ob denn Glück und Stern
Sich ewig grausam stellen wollte.
Er hätte gern
Den Anfang seiner Ruh gemacht,
Nachdem ihm die vergangne Nacht
Ein holder Strahl von Amarindens Mienen
So unverhoft ins Herz gelacht.
Ein andrer würde sich des Vortheils leicht bedienen;
Er aber sprach: Was hilft es dich?
Was hilft es dich, verlaßnes Kind?
Hier magstu nur die Hofnung sparen,
Dieweil der Lenz von deinen Jahren
Dir sonder Fried und Lust verschwindt.
Du weist, daß Kunst und Treu nicht trüget,
Wo Hoheit und Vermögen gilt;
Darum vergiß das schöne Bild,
Das deine Lust an Stand und Schönheit überwieget.

Aria
O ungerechter Unterscheid,
Den Wahn und Geld im Lieben sezen!
Wie glücklich war noch jene Zeit,
Da jeder nur nach Wunsch gefreyt!
Man wuste weniger von Schäzen,
Doch mehr von Treu und Zärtligkeit.

Recitat
So sang, so fuhr er fort:
Ich darf nur ja kein Wort
Um Amarindens Huld verlieren;
Wie würd mich ihre Hoheit führen!
Mein Leib, mein Vers, mein Angesicht
Sind ziemlich zu Gefallen,
Geburth und Beuthel trügt mich nicht -
Hier störten ihn die Nachtigallen,
So daß sich sein betrübter Mund,
Fast selber nicht verstund;
Drum hielt er erstlich etwas ein
Und lies hernach die Flöthe schreyn:

Arioso
Ihr kleinen Schwezer habt gut lachen,
Ihr liebt und könt euch glücklich machen,
Ihr scherzt und buhlt mit wem ihr wollt
Und braucht doch weder Schmuck noch Gold;
Die Mode wehrt euch keine Freude,
Ihr dürft vor keiner Thüre stehn;
O stecktet ihr in meinem Kleide,
Das Singen sollt euch wohl vergehn.

Recitat
Da seht mich hier, den Armen, mich!
Die Seufzer wälzen sich,
Die Augen brennen unter Quellen;
Von allen meinen Unglücksfällen
Ist keiner so gar elendsvoll,
Als daß ich sehn und meiden
Und doch noch leben soll.
O ungemeines Leiden!
O schönes Kind, verstündestu,
Wie wenig dein,
Wie redlich mein,
Wie gut mein Herze lieben könne!
O köntestu empfinden,
Wie viel verliebte Kunst und Treu
In dieser Brust vergraben sey:
Ich weis, du liebtest mich,
Ich weis, du ließest dich
Den tollen Modezwang nicht binden;
Du ließest Tittul, Hof und Stand
Und nähmst mich bey der Hand
Und folgtest mir durch Thal und Höh
Bis an das Eußerste der weiten Wintersee.

Aria
In Begleitung meiner Füße,
In Gesellschaft sanfter Küße
Reist man freudig durch Gefahr.
Herzen, die einander kennen
Und durch Wüst- und Klippen rennen,
Werden keiner Furcht gewahr.

Recitat
Hier schwieg der müde Selimor,
Zerlegte sein beneztes Rohr
Und wollte gleich den Rückweg suchen,
Und weil er noch zwei glatte Buchen
Vor seinen Gram bequem befand,
So schnidt er mit geübter Hand
Ein traurig Denckmahl in die Rinden:
O Himmel, las in dieser Schrift
Manch treues Aug Ergözung finden
Und schone, wenn dein Bliz um diese Gegend trift!

Aria
So tief steht Amarind im Herzen,
Als hier ihr Nahm in Holz gerizt;
So viel vergieß ich reine Schmerzen,
Als hier Aurora Perlen schwizt.
Ich kan ihr Herz so schwer erreichen
Als wie den Gipfel dieser Klee;
Doch läst sie mir dies Liebeszeichen,
So schweig und trag ich gern mein Weh.
(S. 105-108)
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WAS war das vor ein göttlich Paar?
Wo hat die Welt dergleichen Lüste?
So lacht' ihr Mund, so flog das Haar,
So hüpften die gefüllten Brüste.
Die Sehnsucht schilt den leeren Raum,
Ich weis nicht, was ich selbst begehre.
Der Menschen Leben heist ein Traum,
O wenn doch meins ein solcher wäre!
(S. 109)
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AN DIE DORIS, WELCHER ER SEINE LIEBE BEY
GELEGENHEIT EINES TRAUMES ENTDECKT

AUF der blumenvollen Heide,
An der schattenreichen Bach
Sann ich jezt der Augenweide
Des vergangnen Traumes nach,
Der mich darum drückt und quält,
Weil mir nunmehr wachend fehlt,
Was mir deine Lust vermehlt.

O was waren das vor Glieder!
O welch schöner Selbstbetrug
Riß mich vor Entzückung nieder!
O da küst ich kaum genug,
Bis die Morgenröthe kam
Und aus Misgunst oder Scham
Bildnüß, Lust und Schlummer nahm.

Unaussprechliches Ergözen,
Soll ich dich nicht wiedersehn?
Nein, nach solchen theuren Schäzen
Darf ich wohl nicht wachend flehn.
Sezt dein Schatten meiner Ruh,
Schönste Doris, schon so zu,
Dencke, was dein Antliz thu.

Deiner Augen scharfes Blicken
Zeigt mir einen hohen Geist,
Der zum Herrschen und Entzücken
Gleiche Kraft und Anmuth weist;
Dieses ward ich mit Gefahr
Meiner Freyheit nechst gewahr,
Als dein Strahl die Glut gebahr.

Doris, halt es nicht vor Scherzen;
Ich verachte Spott und Neid,
Hätt ich auch noch tausend Herzen,
Blieben alle dir geweiht.
Trag ich einen Tropfen Blut,
Welcher dir kein Opfer thut,
So verzehr ihn Gift und Glut.

Die Vergnügung wahrer Liebe
Ist nicht eben so gemein,
Der Gemüther gleiche Triebe
Müßen ihre Quellen seyn;
Prüfe mich und sey vergnügt,
Daß ein Herz, so du besiegt,
Auch mit Ehrfurcht vor dir liegt.

Von der Wiege bis zur Baare
Ist gar oft ein kurzer Schritt.
Doris, nimm die besten Jahre
Und die Lust der Jugend mit,
Eh der Lippen May verblüht
Und die Zeit, so plözlich flieht,
Farbe, Muth und Lust entzieht.

Kommt mein Ziel an Lebensschrancken,
Wüntsch ich von der Phantasie,
Daß dein Bildnüß in Gedancken
Mich der Welt vergnügt entzieh;
Dieses wüntsch ich und dabey,
Daß der Spruch der Grabschrift sey:
Klug, verschwiegen und getreu.
(S. 110-111)
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DIE VERLIEBTE GELASSENHEIT

MEIN Lieben schilt das faule Glücke;
Die Hofnung spricht: Gedulde dich.
Der Himmel giebt zwar saure Blicke,
Allein er zürnt nicht ewiglich;
Er kan durch unverhoftes Lachen
Die Freude desto süßer machen.

Ja, wenn nur auch die Jugend säumte!
Allein sie streicht so schnell vorbey.
Und wenn mir nur nicht stündlich träumte,
Wie schwer ein einsam Leben sey!
Man kan doch bey so bösen Tagen
Den Kummer ohne Trost kaum tragen.

Und wenn ich noch mehr wißen könte,
Vor welch ich aufgehoben bin
Und ob ihr Herz auch redlich brennte,
Denn reine Treu sucht gleichen Sinn,
Ich wollte mich zum voraus üben,
Sie als mein Theil geschickt zu lieben.

Mein Herz, verwirf dies eitle Sorgen,
Es macht dich doch nur grillenvoll;
Du weist, die Vorsicht geht verborgen
Und will nicht, daß man grübeln soll,
Damit man nicht durch blinde Räncke
Sich selbst aus Übereilung kräncke.

Ich trau, o Himmel, deiner Güte,
Auf diese kommt mein Wohlseyn an;
Verbinde mir ein klug Gemüthe,
Das treu und zärtlich küßen kan
Und das mich, wenn ich auch veralte,
In Lust und Unruh wohl verhalte.
(S. 112)
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AN ROSETTEN

IHR drückt mich zwar, ihr schwanenreinen Hände,
Ihr drückt mich zwar, doch leider nur aus Scherz;
Ihr fühlt den Puls, ihr merckt die schnellen Brände,
Ach führt sie doch Rosetten in das Herz!
Meldet ihr dabey
Den Ursprung solcher Qual
Und sagt, es sey
Nichts anders als ein Strahl.

Ein holder Strahl der feuerreichen Blicke
Steckt unverhoft den Siz der Freyheit an;
Da diese flieht, so bleibt kein Trost zurücke,
Als den mir noch die Liebe geben kan.
Aber ach, auch die
Giebt Finsternüß auf Licht
Und zeigt zu früh,
Wie leicht die Hofnung bricht.

Die Hofnung bricht; ach Kind, du köntest retten,
Du siehst und hörst viel Sehnsuchtszeichen gehn;
Ich wüntsche mir das Glücke deiner Ketten,
Es giebt es selbst mein Finger zu verstehn.
Ach, erbarm dich noch!
Und folgt auch kein Gehör,
Vergeß ich doch
Dein Wesen nimmermehr.
(S. 113)
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AN EBEN DIESELBE

ACH, was ist das vor ein Leben,
Niemahls recht verliebt zu seyn!
Nichts kan Trost im Unglück geben
Als ein Kuß voll süßer Pein.

Reizt mich nicht an große Tittel
Oder rühmt mir etwan Geld;
Schöne Redligkeit im Kittel
Ist mein höchstes Gut der Welt.

Neider fluchen, Spötter kräncken,
Alles hof ich auszustehn,
Läst mich nur dein Angedencken
Auf den Hofnungsrosen gehn.

Nach dem Hauche deiner Lippen
Geht der Sehnsucht schneller Kahn:
Ist die Lieb ein Meer voll Klippen,
Nimm nur mich zum Ancker an!
(S. 114)
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AN DIE VORHERGEHENDE

VERSTEHT ihr auch, ihr sanften Hände,
Warum euch mein Verlangen drückt?
Die Freyheit, merck ich, geht zum Ende
Und wird mir mit Gewalt entrückt;
Ich such und denck euch zu bewegen,
Mir stärckre Feßel anzulegen.

Ach, fragt nur eurer Schönen Herze,
Von dem ihr Blut und Feuer kriegt;
Es weis vielleicht von diesem Schmerze,
Den mir ihr Auge zugefügt,
Ihr Auge, deßen Glut und Lachen
Mir größre Pein als Hofnung machen.

Und hätt ich auch noch sonst zu hofen,
So wehrt es mir die kurze Zeit,
Es steht kein Weg zum Umgang ofen;
Komm, seelige Gelegenheit,
Und schaffe, daß ich zeigen könne,
Wie zart und rein mein Herze brenne.

Ich weis, die artige Rosette
Erklärte sich vor meine Treu,
Wofern sie erst geprüfet hätte,
Wie gleich ihr mein Gemüthe sey,
Und wenn sie aus Erfahrung wüste,
Was manch Verliebter dulden müste.

Ich bin mit mancher umgegangen,
Die noch wohl liebenswürdig wär,
Bis jezo blieb ich ungefangen;
Du, schönes Kind, kommst ohngefehr
Und rührst mich gleich zum ersten Mahle
Auch nur mit einem holden Strahle.

Die kurze Lust der Abendstunde
Vermehrte diese Leidenschaft,
Da nahm ein Kuß von schönem Munde
Das Herze völlig in Verhaft;
Es hies zwar nur im Scherz und Spielen,
Allein ich kan es anders fühlen.

Dein Bildnüß kam darauf im Schlummer
Dem träumenden Gedächtnüß ein,
Mich deucht, ich klagte dir den Kummer,
Du schienest nicht erzürnt zu seyn;
Da gab mir der verhaste Morgen
Vor falsche Wollust wahre Sorgen.

Dies alles ist wohl nicht vergebens,
Der Himmel paart oft wunderlich;
Zum Troste des betrübten Lebens
Begehrt ich sonst kein Kind als dich;
Die Liebe könte Mittel zeigen
Und heute - doch ich muß nur schweigen.
(S. 115-116)
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AN EBEN DIE VORIGE

ICH untersteh mich, dir, galant- und treues Kind,
Ein schlecht geseztes Lied verwegen darzureichen;
Doch weil dein Schluß und Wort sein schönster Inhalt sind,
So wird ein holder Blick auf deßen Zeilen streichen.

Die Dinte scheint sehr bleich. Was macht es ? Sie erschrickt,
Mit solcher Klimperey dein Auge zu beschweren;
Dein Auge, deßen Strahl so scharf als Sonnen blickt,
Kan leicht den fahlen Saft wie mich in Brand verkehren.

Und ist auch dies Papier in etwas schmal und klein,
So scheint mir doch der Stern von deiner Sanftmuth größer;
Daher versprech ich mir ein gütiges Verzeihn,
Drum tadle nicht die Schrift, mein Herz ist desto beßer.
(S. 117)
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SCHERZHAFTE GEDANCKEN ÜBER DIE ROSEN

AN Rosen such ich mein Vergnügen,
An Rosen, die die Herzen ziehn,
An Rosen, die den Frost besiegen
Und hier das ganze Jahr durch blühn,
An Rosen, die wir bey den Linden,
Sonst nirgends leicht so reizend finden.

Man lobt die bräunlichen Violen,
Sie sind auch ihres Lobes werth;
Doch weil sie nur die Kinder holen,
So bin ich nicht vor sie erklärt
Und wehle mir die holden Strahlen,
Womit die vollen Rosen prahlen.

Erhebt mir nicht die Kaysercronen,
Die sonder Kraft und Balsam sind;
Entfernt euch mit den Anemonen,
Ihr Nahm und Ruhm ist nichts als Wind;
Narcissen sind im besten Lande
Ein Abriß von dem Unbestande.

Die Rose trägt das Blut der Götter
Und ist der Blumen Königin,
Ihr Antliz sticht das schönste Wetter
Und selbst Aurorens Wangen hin,
Sie ist ein Stern der milden Erden
Und kan von nichts verfinstert werden.

Die Ros erquickt die blöden Sinnen
Und hat das beste Zuckerrohr;
Ihr göldner Umfang bricht von innen
So wie die Sonn aus Nacht hervor;
Die Rose nährt die süßen Triebe
Und reizt die Liebe selbst zur Liebe.

Mit Rosen schmück ich Haupt und Haare,
Die Rosen tauch ich in den Wein,
Die Rose soll vor meine Jahre
Die allerbeste Stärckung seyn,
Die Rose zieret meine Flöthen
Und crönt mich mächtigen Poeten.

Auf Rosen mach ich gute Reime,
Auf Rosen schläfet meine Brust,
Auf Rosen hab ich sanfte Träume
Von still- und warm- und weicher Lust,
Und wenn ich einst von hinnen fahre,
So wüntsch ich Rosen auf die Baare.

O dörft ich nur bey einer Rose
Wie Bienen Honig naschen gehn!
Ich ließe warlich unserm Bose
Den schön- und theuren Garthen stehn
Und wollt es mir bald angewöhnen,
Mich nie nach fremder Kost zu sehnen.

Mit dieser Rose will ich scherzen,
Und hier erschröckt mich nicht der Dorn;
Denn bey verliebt- und schönen Herzen
Ergözt uns oft ein kleiner Zorn,
Und so viel Anmuth abzubrechen,
Verachtet man ein kurzes Stechen.
(S. 118-119)
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ARIA ZU EINER ABENDMUSICK

BEFÖRDERT, ihr gelinden Saythen,
Den sanften Schlummer süßer Ruh!
Rhodante legt die müden Glieder,
Der Arm wird schwach, das Haupt sinckt nieder,
Und schlägt die holden Augen zu.
Da Capo.

Ihr angenehmen Nachtbetrieger,
Ihr süßen Träume, schleicht herein!
Und sucht wie Bienen jungen Rosen
Der schönsten Seele liebzukosen,
Und nehmt so Herz als Lager ein.
Da Capo.

Ergözt sie mit den schönsten Bildern,
Die Scherz und Lieb erdichten kan!
Entdeckt ihr mein getreu Gemüthe
Und steckt das zärtliche Geblüte
Mit starck- und frischem Zunder an.
Da Capo.

Der Himmel wacht mit tausend Augen,
Doch nicht so gut als meine Treu.
Die wacht und läst sich nichts ermüden,
Bis daß sich Leib und Geist geschieden,
Und trägt dein liebstes Conterfey.
Da Capo.

Schlaf, Engel, schlaf voraus und liege
Im Schooße der Zufriedenheit!
Denn eine Nacht voll Scherz und Küßen
Wird bald dein Bett erweitern müßen,
Und diese Nacht braucht Munterkeit.
Da Capo.

Schlaf, bis der Morgenröthe Flügel
Der Welt die Farben wieder bringt!
Die Eintracht mein- und deiner Flammen
Stimmt mit dem Glücke so zusammen,
Als jezt mein Abendopfer klingt.
Da Capo.
(S. 120-121)
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AUF SEINE ROSILIS, ALS SIE SICH SO SPRÖDE
GEGEN IHN ERZEIGTE

BISTU gar nicht zu gewinnen,
So beklag ich dich, mein Kind,
Weil dir die verstockten Sinnen
Selbst am meisten schädlich sind.
Wem versparstu deinen Garthen?
Glaube nur: Ein langes Warthen
Speist die Hofnung oft mit Wind.

Blumen wachsen nicht vergebens,
Früchte reifen vor den Mund,
Schönheit blüht zur Lust des Lebens,
Brauchen macht den Werth erst kund;
Nimm ein Beyspiel an den Bienen,
Die mit Honig andern dienen,
Und versüße mir den Bund.

Warum schämstu dich der Liebe,
Die dich selbst hervor gebracht,
Und zur Nahrung meiner Triebe
Nicht umsonst so schön gemacht;
Als der Himmel dich geschmücket
Und sein Bild dir eingedrücket,
Hat er auch auf mich gedacht.

Bringt dir irgend ein Geschweze
Diese falsche Meinung bey,
Daß die Schärfe vom Geseze
Solcher Lust zuwider sey,
Las dir doch den Aberglauben
Nicht dein schönstes Glücke rauben;
Lieben steht auch Sclaven frey.

Deiner Keuschheit reiner Spiegel
Kriegt durch Küße keinen Schröck,
Denn sie sind ein Freundschaftssiegel
Und verlaßen keinen Fleck.
Suche deine guten Tage,
Eh die späte Nachreu klage:
Da ich suche, sind sie weg.
(S. 122-123)
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FLAVIA
Leipzig

AN FLAVIEN

NUN warthe, Flavia, das will ich dir gedencken!
Du kennst den schmerzlichen Verdruß,
Wenn Lieb und Sehnsucht warthen muß,
Und kanst mich so empfindlich kräncken.
Ich weis ja nicht, woran ich bin,
Ob Falschheit oder Noth dir Fuß und Willen binde.
Hier schick ich bey der kahlen Linde
Aus Eifer und aus Angst so Fluch als Seufzer hin.
Du nennst mir Zeit und Ort, du schwierst mir, gleich zu kommen;
Ich lausch, ich zehl, ich hoff und fleh,
Das Mondlicht hat, so viel ich seh,
Fast um ein Vierthel zugenommen.
Es teuscht mich Schatten, Hahn und Wind,
Ich mein, ich seh dein Bild, so sind es nur Gedancken,
Und regt sich was um Strauch und Plancken,
So schleich und zisch ich nur: Ach, kommstu ? Komm, mein Kind!
Die Nacht ist niemands Freund. Sie ist vielleicht erschrocken?
Verliebte ficht kein Blendwerk an.
Die Mutter ist nicht Schuld daran,
Denn jezo ruhn Gestrick und Rocken.
Wie, wenn das Mägdgen untreu wär?
Dies kenn ich auch zu gut, es thut mir nichts zum Poßen.
So geh und mach ich tausend Gloßen
Und sinne doch umsonst mit Unruh hin und her.
Ach, warum lies ich dich doch einmahl aus den Armen?
Mein Weinen schmelzt und mehrt den Teich;
Ich werd auf einmahl grau und bleich,
Es möchte Stern und Stein erbarmen.
Ach, sollte morgen doch das Eiß
Die traurende Gestalt dir noch im Spiegel zeigen!
Du würdest vor Erschröcknüß schweigen,
Indem wohl deine Schuld nicht einen Vorwand weis.

Du scherzest wohl nicht gar? Das will ich ja nicht hofen,
Es käm uns beiden hoch zu stehn.
Was hör ich dort vor Thüren gehn?
Was seh ich vor ein Fenster ofen?
Hilf Himmel! Welcher Anblick fällt?
Ist dies nicht Scandors Haar? Ist dies nicht meine Schöne?
So hastu, listige Syrene,
O Ansehn voller Schimpf, mich darum hergestellt?

Den Streich vergeß ich nicht, es sey denn nach der Strafe.
Die Rache sey von nun an scharf
Und gebe, wo ich wüntschen darf,
Daß eure Brunst den Tag verschlafe.
Das Schröcken mache Spiel und Kuß,
Die Hize deinen Leib, die Ohnmacht ihn zu Schanden,
Bis, wenn du trostlos aufgestanden,
Dein eigner Mund mir selbst die Thorheit beichten muß.
(S. 127-128)
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ALS ER IM LIEBEN VORSICHTIG SEYN WOLLTE

GLAUBT es nicht, ihr falschen Blicke,
Daß ihr mich ins Neze zieht,
Weil mein Herz auch goldne Stricke
Und gepuzte Brücken flieht.
Farbe kan den Geist wohl stärcken,
Und der Mienen Schmeicheley
Dient wohl oft zu Satans Wercken,
Aber nicht zu wahrer Treu.

O wie manchem kömmt der Glaube
Mit der Nachreu in die Hand,
Wenn er bey verbuhltem Raube
Kraft und Kosten aufgewand.
Wie das Morgenroth dem Tage
Wind und Regen prophezeit,
Also kommt ein Haus voll Plage
Durch ein Kind der Eitelkeit.

Blumen stehn in ihrem Kleide
Auf den Feldern noch so schön
Als auf Leinwand oder Seide,
Wo sie Strich und Kunst erhöhn;
Mir gefällt bey netten Sachen
Stets die Einfalt der Natur,
Und wo fremde Wangen lachen,
Sieht mein Eckel gleich die Spur.

Überhaupt blüht mein Vergnügen
Noch bis jezo ganz allein;
Soll was Süßes bey mir liegen,
Muß es nur die Freyheit seyn,
Weil mein Geist an ihrer Seite
Lauter Himmelsträume spürt,
Ob gleich Belgrads reiche Beute
Eben nicht mein Lager ziert.

Zwar ich will es nicht verschwören,
Weil die Liebe, wie man sagt,
Die, so ihr den Rücken kehren,
Öfters unverhoft erjagt;
Ich befind auch mir im Herzen
Einen Zunder, der leicht fängt,
Wenn der schönen Kinder Scherzen
Lust und Glut ins Auge senckt.

So weit kann ich mich vermeßen,
Daß mich wohl kein Kind berückt,
Deßen Anmuth und Caressen
Nicht der Tugend Wohlstand schmückt;
Find ich Wiz und Treu beysammen
Und Vernunft und Zucht vermehlt,
O so will ich gern die Flammen,
Deren Reizung zärtlich quält.
(S. 129-130)
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AUF DIE IHM SO BELIEBTE ABWECHSLUNG
IM LIEBEN

VERFLUCHT nicht, ihr Mägdgen, mein flüchtiges Lieben!
Die Jugend, ihr wist's wohl, hat Feuer und Muth;
Es kauft ja ein jeder am liebsten frisch Gut,
Drum las ich mich niemahls den Vorwurf betrüben,
Ich wäre von Flandern und striche herum;
Das thu ich und dencke: Wer schiert sich was drum!

Wir sind doch nicht alle vor eine gebohren
Und haben nicht alle solch Fleisch und solch Bein,
Der Ersten, der Besten beständig zu seyn.
Der Lobspruch der Treue verführt nur die Thoren;
Was schadet's der Liebsten, die unser begehrt,
Wenn man gleich zuweilen den Nebenweg fährt?

Der Wechsel vergnüget die menschlichen Sinnen,
Dies lehrt uns der Umgang und auch die Natur;
Das Weltlicht verändert fast stündlich die Spur,
Und einerley Farbe wird selten gewinnen;
Auch Zucker bringt Eckel durch steten Genuß,
Und Fleisch alle Tage nährt blos den Verdruß.

Im Geigen entzückt uns ein künstliches Greifen,
Das vielerley Stimmen und Tacte vermengt;
Denn daß oft der Bogen die Quinte zersprengt,
Macht, weil die Finger so lange drauf schleifen;
Und daß auch der Ehstand die Liebe vergällt,
Macht, weil er die Freyheit im Kercker behält.

Bedenckt euch, ihr Mägdgen, was wollt ihr viel sagen?
Ihr ändert ja jährlich Schmuck, Spizen und Kleid;
Und wen ihr jezt selber durch Kuppler gefreyt,
Dem gebt ihr das Jawort im Korbe zu tragen;
Daß mancher den Proteus nur Fabelwerck nennt,
Macht, weil er die Farben der Schönheit nicht kennt.

Die Eifersucht haß ich noch ärger als Schlangen;
Und hätt ich ein Mägdgen von englischer Pracht,
Und würd ich auch stündlich zum Schwager gemacht,
Ich wollte sie wohl nicht gerichtlich belangen;
Ich spräche: Mein Engel, ach zürne nur nicht!
Dies sind ja die Besten, wo jedermann bricht.

Nur kommt mir nicht etwan mit albernen Poßen
Und rückt mir die starcken Versprechungen vor!
Im Lieben hat warlich die Rache kein Ohr.
Ich schwöre verbindlich, bis daß ich's genoßen;
Und bin ich dann fertig, so schwenck ich den Hut
Und gehe zur andern, die eben das thut.

Ich habe, das glaubt nur, ein ziemlich Gewißen,
Worein schon mein Scherzen manch Duzend begräbt,
Die, wo ich auf Erden gewohnt und gelebt,
Mein zärtliches Leiden befriedigen müßen.
Kommt, artige Kinder, kommt heufig heran,
Dieweil ich noch manche beherbergen kan.

Mein Eigensinn legt sich auch hier auf das Wehlen;
Versteht sich ein Mägdgen auf Küßen und Scherz
Und hat sie kein geizig noch murrisches Herz,
So wird sie mein Abschlag warhaftig nicht quälen;
Ja, will sie es anfangs auch gleich nicht verstehn,
So tröst ich mich immer: Es wird schon noch gehn.

Bald locken mich schwarze, bald feurige Kohlen,
Bald ziehn mich die Blonden, bald reizt mich die Brust;
Die Tänzerin scheint mir geschickter zur Lust,
Ich weis auch bey Lahmen mein Glücke zu holen.
Klug, thöricht, frey, furchtsam, starck, lang oder klein,
Sie seyn, wie sie wollen, ich finde mich drein.

Ich gönne ja jedem sein eigen Ergözen,
Drum last mich zufrieden und gönnt es auch mir.
Denckt jemand zu lieben, der thu es noch hier,
Eh Zeit und Verhängnüß den Scheidebrief sezen.
Die Welt hat nichts Süßers als dies, was man liebt,
Drum leb ich und liebe, so lang es was giebt.
(S. 131-133)
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LEONORE . . . . . . . . . . ?
Leipzig Frühjahr 1719 - August 1719

AN LORCHEN

NIMM, Lorchen, diese Wurst, und scheint sie dir zu klein,
So dencke, daß sie muß nach deinem Alter seyn.
Drum nimm indes vorlieb mit diesen kleinen Gaben;
Du solst schon mit der Zeit was Schön- und Größers haben.
(S. 137)
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AN SELINDEN

HIER seze dich, verschämtes Kind;
Hier ist gut seyn, hier las uns bleiben,
Wo Lind und West gesprächig sind
Und Fels und Wald den Gram vertreiben;
In dieser grünen Einsamkeit,
Wo Bach und Stein und Blätter rauschen,
Soll weder List, Gefahr noch Neid
Den süßen Frühlingsscherz belauschen.

Die Schäze deiner keuschen Zucht
Und der noch unberührten Brüste
Sind warlich eine seltne Frucht,
Nach der ich innerlich gelüste.
Erschrick nicht vor der schnellen Hand
Und las sie in dem Busen spielen;
Ich führe dich in einen Stand,
Des Lebens Kern und Marck zu fühlen.

Wohin mein Kuß dein Wange drückt,
Da wächst der Rosen Glanz und Menge;
So bald mich nur die Haut entzückt,
Kommt Herz und Sehnsucht ins Gedränge,
Da wallt, da springt es in der Brust,
Da will es sich genau verbinden,
Ach paare doch mit ihm die Lust
Und las es seine Ruhstatt finden!

Vor was erröthestu, mein Licht?
Ich werde dich nichts Böses lehren;
Du kennst das süße Spiel noch nicht,
Dein Anblick raubt mir Sehn und Hören.
Die Liebe wüntscht dich in ihr Reich,
Gehorch ihr doch auf mein Erklären,
Sie wird sich dir und dies zwar gleich
Mit aller ihrer Lust gewähren.

Sie ist der Erden höchstes Gut,
Sie giebt dem Leben erst das Leben;
Erforsche nur dein eignes Blut,
Es wird mir heißen Beyfall geben.
Ich weis, ein unbekandter Zug
Erhizt dir Adern, Brust und Wangen;
Ach werde doch bey Zeiten klug
Und hintertreib nicht dein Verlangen.

Die Einfalt macht die Hölle heiß,
Vermeid des Aberglaubens Neze,
Von welchen die Vernunft nichts weis,
Es ist ein bloßes Weltgeseze.
Der Himmel flöst den Zunder ein
Und giebt den Saamen treuer Flammen,
Wie sollt er denn so thöricht seyn
Und, was er selbst befiehlt, verdammen?

Beschau die Wercke der Natur,
Betrachte Bäume, Feld und Thiere
Und lerne, wie der Liebe Spur
Dich überall zum Scherzen führe!
Wodurch sind ich und du denn da?
Zu was bist du nebst mir gebohren ?
Der, so die Welt im Wesen sah
Hat uns zum Lieben auserkohren.
(S. 138-139)
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AN SELENEN, ALS ER IHR KRÄUTERTHEE
SCHICKTE

SELENE, was mich stets ergözt,
Das ist die Freyheit, dir zu dienen,
Und was ich hier auch aufgesezt,
Entdeckt ein wohlgemeint Erkühnen.
Die Kranckheit, so dir jezo droht,
Erschröckt mich ärger als du denckest;
Doch, wo du mir Erhörung schenckest,
So hat der Anstoß keine Noth.

Ich weis es zwar, dein hoher Geist
Vermag sich allemahl zu faßen,
Und wie sein Wesen himmlisch heist,
So kan er leicht die Welt verlaßen;
Allein du kanst zu jeder Zeit
Noch früh genug zum Engel werden,
Und also gönne doch der Erden

Den Schmuck von deiner Seltenheit.
Bedencke doch nur den Verlust,
Wofern ein früh Verhängnüß wollte,
Daß so viel Schönheit kluger Brust
In besten Jahren sterben sollte!
Las die getrost zur Grube gehn,
Die Freude, Wiz und Muth verlieren;
Du solt hinfort von neuem spüren,
Wie artig frische Myrthen stehn.

Du bist ja sonst so sehr bemüht,
Dich nett und kostbar anzukleiden;
Denn wenn dich deines gleichen sieht,
So hört und sieht man dich beneiden;
Jedoch bey aller dieser Tracht,
Du magst sie noch so schön ergründen,
Ist doch kein beßer Kleid zu finden
Als was dir die Natur gemacht.

Trag Sorge vor den schönen Leib
In Arbeit, Speisen, Luft und Wachen
Und nimm bequemen Zeitvertreib,
Ihn weder faul noch schwach zu machen.
Fleuch Salz und Eßig als das Gift,
Bezwinge Zorn, Verdruß und Schröcken
Und las dich niemahls eh erwecken,
Als bis dein Ohr die Stunde trift.

Verzeih, Selene, meiner Hand,
Sie schreibt nur kurze Grundgeseze,
Damit kein größer Übelstand
Der schönen Glieder Bau verleze.
Sechs Wochen las dies Thee nicht ruhn;
Mein Wuntsch hat Kräfte beygetragen,
Ich weis, du wirst in kurzem sagen:
Kan Waßer solche Dinge thun?
(S. 140-141)
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ALS LEONORE SICH ENDLICH ZUM LIEBEN
BEWEGEN LIES
Leipzig, A. 1719. den 26. Jun.

ELEONORE lies ihr Herze
Nicht länger unempfindlich seyn,
Sie räumt es nach so langem Schmerze
Dem wohlbekandten Dichter ein
Und lies ihn unter Schwur und Küßen
Den Anfang ihrer Neigung wißen.

Sie nahm ihn in die treuen Armen
Und sprach bey zärtlicher Gewalt:
Hat ja der Himmel ein Erbarmen,
So gönnt er mir den Aufenthalt,
Bis daß ich in dem sanften Grabe
Das Ziel der Angst erlanget habe.

Drauf schwieg sie mit verwandten Blicken
Und strich des Dichters Angesicht,
Ergözt ihn durch ein Händedrücken
Und sprach von neuem: Ach, mein Licht!
Ach, wird auch dieses mein Verbinden
Dein Herz beständig rein erfinden?

Bedencke nur, wie viel ich wage
Und was ich deinetwegen thu!
Ich eile mit Gefahr und Plage
Nach deinen schönen Lippen zu
Und breche dir allein zu Liebe
Die Ketten meiner ersten Triebe.

Ich habe nichts als dein Gemüthe,
Worauf ich mich verlaßen kan;
Verläst mich jemahls deßen Güte,
So ist es ganz um mich gethan,
So werd ich allen auf der Erden
Ein Mährchen und ein Greuel werden.

Dies sagte sie mit naßen Wangen
Und zog ihn eilends brünstig fort
Und führte sein bestürzt Verlangen
An den schon oft besuchten Ort,
Wo nichts als Graus und Nacht regieret
Und Tod und Stille triumphieret.

Hier fing sie brünstig an zu weinen
Und rief: Ihr Todten zeuget mir,
Bey meiner Eltern Leichensteinen
Und ihrer Asche schwör ich dir,
Daß mich dein Herz allein vergnüge,
Bis daß es hier versammlet liege.

Du wirst die Redligkeit erkennen
Und, bin ich gleich ein armes Kind,
Mir ewig deine Seele gönnen.
Ich weis zwar, wie die Männer sind;
Aus Liebe glaub ich deinen Schwüren,
Sie werden mich wohl nicht verführen.

Der Dichter trocknet' ihre Thränen
Mit tausend warmen Küßen ab,
Und als das weich- und stumme Sehnen
Ihm endlich Zeit zur Antwort gab,
So zog er die geliebten Glieder
Mit diesem Trost ins Graß darnieder:

Komm her, du Nahrung meiner Flammen,
Komm, lege dich an meine Brust;
Hier wohnen Glut und Treu beysammen,
Hier wallen sie nur dir zur Lust,
Hier wird, so oft das Herze schläget,
Dein Bildnüß fester eingepräget.

Ich lebe dir allein zu eigen,
Und leb ich gleich vorjezt gedrückt,
So wird sich bald ein Mittel zeigen,
Das unsre Tugend höher rückt;
Alsdenn soll unser Rosenbrechen
Die Misgunst in das Auge stechen.

Du bist mein einziges Ergözen,
Ich bin nechst Gott dein Schuz und Schild;
Und wie der Werth von allen Schäzen
Mir gegen dein Verdienst nicht gilt,
So soltu auch nach langen Jahren
Die Dauer meiner Lieb erfahren.
(S. 143-145)
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AUF DIE VERSTELLUNG DERER FRAUENZIMMER

MÄGDGENS, stellt euch nicht so spröde
Und entflieht uns nicht so fern!
Scheint gleich euer Antliz blöde,
Hat es doch das Herze gern.
Küst man euch, so heist es thalen;
Ich versteh wohl, das sind Schalen,
Darum wollt ihr nur den Kern.

Wenn wir etwan Rosen brechen
Und in Busen stehlen gehn,
Wollt ihr flugs mit Nadeln stechen
Und den Galgen gleich erhöhn;
Ja, ihr flucht wohl um die Wette
Und entlauft uns bis zum Bette,
Nur damit wir schärfer stehn.

Meint nicht, daß es niemand mercke,
Wie es euch geheim verdreust,
Wenn man zu dem süßen Wercke
Gar zu fromm und christlich heist;
Denn da könt ihr bey den Schwestern
Deßen Einfalt gut verlästern,
Der sich gar zu feig erweist.

Wenn ihr uns den Mund entrücket,
Wollt ihr nur gezwungen seyn,
Wenn man den nun ernstlich drücket,
Hört man keine Feuer schreyn.
Kurz, ihr pfleget in dem Lieben
Nie kein Waßer zu betrüben,
Sondern plumpt mit uns hinein.
(S. 146)
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HAT jemahls Furcht und Scham, du ungemeines Kind,
Dem niemand an Verstand und Schönheit abgewinnt,
Den angesezten Kiel mir in der Hand verrücket,
So ist es warlich wohl auf diesen Tag geschehn,
An dem, weil ich nunmehr dein Antliz recht gesehn,
Die kühne Feder sich zu deinem Lobe schicket.
Zwar geb ich gerne zu, daß keines Dichters Fleiß
Dein seltenes Verdienst recht abzuschildern weis
Und daß dein Conterfey die Mahlerkunst beschäme;
Jedennoch weil ich jezt von deiner Gunst den Geist,
Von deiner Gütigkeit so Farb als Pinsel nehme,
So waget meine Faust dies, was unmöglich heist,
Und ist noch ungewis, ob, wenn ich dich besinge,
Dies Unternehmen mir Ruhm oder Schande bringe.

Die Sorgfalt der Natur berief auf einen Tag,
An dem der Aeolus in seiner Grotte lag
Und das gefangne Heer bis auf den West verwahrte,
Die Schaar der Tugenden in ihren Fürstensaal,
Dem auch das Louvre nicht den Ruhm des Vorzugs stahl,
Weil Kunst und Werth an ihm nicht die Verschwendung sparte.
Ihr Wort war ein Gesez, ihr Wincken ein Befehl
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(S. 147)
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ALS ER GEGEN SEINE SCHÖNE SICH ETWAS
ZU FREY AUFGEFÜHRET HATTE

HAT jemahls Furcht und Scham, du angenehmes Kind,
Dem wenig an Verstand und Schönheit ähnlich sind,
Den angesezten Kiel mir in der Hand verrücket,
So ist es warlich wohl auf diesen Tag geschehn,
Da meine Grobheit es um deine Gunst versehn
Und meine Demuth sich vor deinem Eifer bücket.

Ich fühle deinen Zorn, der als ein scharfes Schwerd
In meine Seele dringt und durch das Herze fährt,
Ein jeder Blick von dir verweist mir das Verbrechen;
Mich deucht, ich sehe schon, wie heftig, wie erhizt
Der Augen Wetterstrahl auf meine Scheitel blizt,
Mich deucht, ich höre dich schon zu dir selber sprechen:

Ist dies der schöne Mensch, der sich so heilig stellt
Und der kein Waßer trübt, bis er ins Waßer fällt?
Das, warlich, hätt ich mir von ihm nicht träumen laßen,
Das hätt ich auch in ihm mit Spießen nicht gesucht.
O großer Aberwiz, o Junggesellenzucht!
Ach, möchte doch ein Strick ihn bey der Gurgel faßen!

Ach, keusche Marilis, dein Eifer ist gerecht,
Die Strafe noch zu klein, und dein gefallner Knecht
Nicht würdig, nur ein Wort vor dich mehr aufzusezen.
Ruf alle Hencker auf, sprich mir das Leben ab,
Stoß den zerfleischten Leib in ein beschimpftes Grab,
Auch dieses müst ich noch vor eine Gnade schäzen.

Allein was nüzt dir wohl die schlechte Hand voll Blut
Des Sünders, der in Staub und Asche Buße thut?
Zum Creuze kriech ich jezt wie gestern in das Bette.
Erwege meine Reu, schau meine Thränen an
Und glaube, daß kein Mensch so ernstlich weinen kan,
Wenn er wie Petrus gleich auch Gott verleugnet hätte.

Ich rede fast zuviel; jedoch der herbe Schmerz
Beraubt mich der Vernunft, und mein beklemmtes Herz
Hat in der Brust nicht Raum, weil es der Kummer schwängert.
Erbarme dich, wo noch Erbarmung übrig ist;
Du weist es ohnedem, der ist kein guter Christ,
Der, wenn er helfen kan, des Nechsten Pein verlängert.

Es stirbt kein Mensch so jung, den nicht ein Fall gedenckt;
Kein Weiser ist so klug, den nicht ein Irrthum kränckt;
Den Salomon beschämt die Weißheit seiner Bücher.
Wie leichtlich wird doch nicht die Jugend übereilt;
Wer weis, wer heute noch mit mir die Strafe theilt;
Es lebt kein Sterblicher vor Tod und Fehlern sicher.

Vergieb, vergiß und nimm vor das, was ich verübt,
Dies Blat, so meine Faust dir zitternd übergiebt,
Und schencke meiner Haut vor dieses Mahl die Strafe;
Entreiß mir deinen Zorn, der mich wie Feuer schmerzt.
Schweig, doch wo jemand fragt, ob Günther dich geherzt,
So gieb zur Antwort: Ja, er that es nur im Schlafe.
(S. 148-149)
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ALS IHN AMARILLIS NICHT HÖREN WOLLTE

SCHWEIG, mein Herz, und halt die Triebe
Deiner Regung an und ein,
Denn die Unschuld deiner Liebe
Soll des Todes schuldig seyn.
Deine Seufzer sind vergebens
Und nur stets umsonst geschehn,
Ja, die Hofnung deines Lebens
Wird nun bald ihr Ende sehn.

Schweigt, ihr bangen Klagelieder,
Amarillis hört euch nicht,
Euer Klang ist ihr zuwider
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 (S. 150)
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ELIDOR AN DIE AMARILLIS, ALS SIE IHN DER
FALSCHHEIT BESCHULDIGTE UND DAHER
BRECHEN WOLLTE

AMARILLIS, hat mein Sehnen
Dieses um mein Herz verdient,
Daß mein Fluch von deinen Thränen
Mit dem feuchten Graße grünt,
Welchem meiner Liebe Brand
Saft und Wachsthum längst entwand?
Hastu darum mich gebunden,
War ich darum freudenvoll,
Daß der Riß, so schnell verwunden,
Desto schärfer schmerzen soll?

Rufe nur den leichten Wellen
Und dem grünen Ufer zu,
Denn bey meinen Unglücksfällen
Ändern sie so schnell als du;
Ja, sie ändern Lauf und Ort,
Und du änderst Herz und Wort.
Seht, ihr angenehmen Wiesen,
Elidor steht jezt beschämt,
Weil er die bey euch gepriesen,
Die sich ihm nicht mehr bequemt.

Himmel, hastu einen Seegen,
Der auf Erden glücklich macht,
O so sey er meinetwegen
Amarillen zugedacht.
Überschütt ihr Haupt und Brust
Mit des Paradieses Lust !
Dieses wüntsch ich, mich zu rächen
Vor den falschen Selbstbetrug;
Denn sich meiner zu entbrechen,
Ist sie schon gestraft genug.

Aber, ach, was soll die Rache?
Was entbrechen ? Nimmermehr.
Was ich höre, seh und mache,
Rührt mich ihrentwegen sehr;
Linden, Waßer, Feld und Stein
Prägen mir ihr Bildnüß ein
Und erwecken meine Liebe,
Die sie wider mich beschüzt
Und, indem ich mich betrübe,
An der Seite weinend sizt.

Amarillis, hat mein Küßen
Dich nur einmahl recht vergnügt,
Kanstu Ort und Zeit noch wißen,
Die mein Herz an deins gefügt,
O so bitt ich durch den Schwur,
Der uns mit Bedacht entfuhr,
O so bitt ich durch die Plagen,
Die ich mir mit dir erwehlt
Und bisher mit Lust getragen:
Lebe doch nur ungequält !

Nimm den Ring, das Pfand des Eides,
Und behalt den leichten Flor,
Denn die Menge meines Leides
Stellt dir schon ein Trauren vor;
Dein Verdacht und meine Treu
Machen schon die Seele frey
Und erlösen mich im Grabe,
Und auf diesem soll allein,
Daß ich dich betrogen habe,
Meine schönste Grabschrift seyn.

Lebe wohl mit deinem Kummer,
Wo dich der nur leben läst,
Und verstöre meinen Schlummer
Durch kein naßes Trauerfest.
Hier um diesen wüsten Thal,
Der uns mehr als tausendmahl
Vor der Tadelsucht verborgen,
Schneid ich in den nechsten Baum:
Elidor und seine Sorgen
Suchten hier den lezten Raum.

Ist noch einer von den Hirten,
Der die rechte Liebe kennt,
Dem verbleibt mein Kranz von Myrthen,
O betrübtes Testament!
Meine Schwachheit vor ein Kind,
Meine Hofnung vor den Wind,
Meine Glieder dem Verwesen;
Amarillen leg ich bey,
Was sie sich schon selbst erlesen:
Frühen Schmerz und späte Reu.
(S. 151-153)
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ALS ER OHNGEFEHR AUF DEM KIRCHHOFE MIT
SEINER LEONORE ZUSAMMENKAM

DER Mittag brannte scharf, als Philimen spazierte
Und Leib und Herz voll Glut, das Haupt voll Kummer führte
Und, weil die Mattigkeit der Angst zu Hülfe kam,
Den erst- und besten Weg zur Ruh im Schatten nahm.
Dies war die Einsamkeit der grünen Kirchhofslinden,
Sonst war auch in der Näh kein Aufenthalt zu finden.
Hier lies er seinen Gram bey Gräbern, Asch und Graus
Mit aufgestüztem Arm und naßen Seufzern aus.
Die bange Nachbarschaft empfing die schweren Lieder
Und gab sie so, wie folgt, aus hundert Grüften wieder:
Verhängnüß, schencke mir Erbarmung oder Tod.
Verdient mein treuer Sinn dergleichen harte Noth,
Und ist es dir ein Ruhm, die Liebe so zu quälen?
Du läst sich Baum und Vieh nach Wuntsch und Lust vermehlen,
Der Mensch, der arme Mensch soll einzig und allein
Aus abergläubscher Furcht ein blöder Sclave seyn.
Du kennst die fromme Brust der weisen Philidoren,
Sie hält sich blos vor mich und mich vor sie gebohren;
Du kennst auch dies mein Herz und weist, daß deßen Treu
Ihr jederzeit geweiht und dir gehorsam sey,
Und gleichwohl marterst du die unverfälschten Flammen,
Und gleichwohl läst dein Neid uns gar so karg zusammen.
Ich leid es mit Gedult, wenn Glück und Hofnung bricht;
Ach, martre nur mein Herz mit ihrer Trennung nicht.
Es sind, du weist es wohl, fast mehr als sieben Wochen,
Seitdem wir uns bereits nicht mehr vertraut gesprochen,
Seitdem mein dürrer Mund den reinen Kuß entbehrt
Und Sehnsucht und Verdruß mein trocknes Marck verzehrt.
Wir sind in einer Stadt, ja gar in einer Mauren,
Jedoch weil Haß und Neid auf unsern Umgang lauren,
So sind wir halb entfernt. Dies ist ein härtrer Stand,
Als wär sie in Stockholm und ich in Morgenland.
Kein Zufall will sich noch in unsre Wüntsche schicken,
Die Mutter hütet sie mit viel Verfolgungsblicken,
Kein Fenster und kein Spalt, kein Winckel, keine List
Ergözt mich nur mit dem, was doch noch wenig ist.
Ja, wenn ein einzler Druck die Hand vergnügen möchte,
Ja, wenn mir nur ein Blat verstohlne Nachricht brächte,
So hätt ich etwas Trost und so behülf ich mich
In Hofnung beßrer Zeit. Verhängnüß, beßre dich
Und liefre mir mein Kind nur einmahl in die Armen.
Verdien ich auch gleich nicht ein gütiges Erbarmen,
O so verdient es wohl die Länge meiner Qual.
Ich sterbe schon vor Angst des Tages tausendmahl
Und hab ohn ihre Gunst kein ander Glück auf Erden,
Als daß ich hofen kan, gar bald verscharrt zu werden.
Du weist, ich habe noch dein Blizen nicht verklagt;
So scharf mich auch dein Zorn und deßen Würckung plagt,
So viel ich darben muß, so oft ich schwiz und friere,
So viel ich Ungemach, so wenig Trost ich spüre,
Bleibt Philidore mein, so hab ich, was ich will,
Und bin, so scharf du zürnst, in allen Wettern still.
Gedenckstu mich vielleicht mit Härt und Schlag zu zwingen
Und wiltu mich sogar um ihre Liebe bringen,
So wie du mich bereits um Glück und Ruhm gebracht,
So weit erstreckt sich nicht die Herrschaft deiner Macht.
Du magst auch, denckstu dich des Sieges nicht zu schämen,
Mir, dem du alles nimmst, das Leben vollends nehmen,
Ich geb es willig hin, du bringst es nicht dazu,
Daß ihr mein Unbestand Gewalt und Unrecht thu
Und daß - - Hier nahm sein Schmerz ein schön und plözlich Ende,
Indem ein sanfter Druck zwo unversehner Hände
Ihm, deßen Herz dabey so Furcht als Hofnung fand,
Mit zärtlich starcker List das Antliz rückwärts band.
Er fühlte kaum die Haut, so ward der Gram geringer.
O drückt nur, fing er an, ihr allerliebsten Finger,
Ich kenn euch gar zu gut, auch bey des Auges Nacht,
Wodurch ihr mir anjezt den Himmel heiter macht;
Befreyt nur mein Gesicht und last euch danckbar küßen. -
Er schwieg und ward sogleich von Philidorens Grüßen
Mit größrer Freud umringt, als wenn das gröste Land
Ihm jezo Stimm und Wahl zur Crone zugesand.
Er schwieg, sie weint' und sprach: So müßen uns, mein Leben,
Die Gräber Sicherheit, die Todten Zuflucht geben;
Sonst ist kein Ort vor uns so heimlich und versteckt,
An dem die Tadelsucht nicht unsern Scherz entdeckt.
Der Kirchhof nimmt uns ein und stillt mein heiß Verlangen,
Dich, eh du reisen solt, noch einmahl zu umfangen.
Wie hab ich mich gesehnt, wie hab ich nicht so oft
Bey Nebel und bey Nacht auf diese Lust gehoft!
Jezt hat sich gleich mein Fuß den Wächtern weggestohlen,
Um bey der Eltern Grab betrübten Trost zu holen.
Ich war kaum angelangt, so traf ich dein Gesicht;
Ich dacht, es scheuchte mich, und traut und traut auch nicht.
Doch Liebe wehrt der Furcht, ich schlich dir nach dem Rücken
Und sah dich westwärts zu betrübt gen Himmel blicken;
Ich hört auch, wie dein Mund, der mir das Herze brach,
Von meiner Redligkeit so vortheilhaftig sprach.
Ach Kind, ach liebstes Kind, womit vergelt ich's wieder? -
Und damit sanck ihr Arm auf meiner Achsel nieder,
Und damit lag zugleich ihr Haupt in meiner Schoos.
Der Zephyr riß vor Neid den halben Busen blos,
Wo Philimen sogleich, so weit sie ihm erlaubte,
Der Schönheit Rosenknopf mit sanften Fingern schraubte.
Bey dieser stillen Lust, die beiden gleich gefiel,
Erzehlte Philimen, wie heftig und wie viel
Sein längst geübter Geist gewüntscht, gehoft, gelidten,
Wie giftig ihn der Neid bey aller Welt verschnidten,
Und wenn er dann und wann die Lippen zugethan,
So küst er sie einmahl und fing von neuem an:
Betrachte dieses Feld, den Schauplaz kalter Leichen;
Hier triumphiert der Tod, hier stehn die Siegeszeichen
Der starcken Eitelkeit, hier siehstu, liebstes Kind,
Was Hoheit, Wiz und Pracht und was wir Menschen sind.
Den Pöbel schröckt der Ort mit Knochen, Furcht und Särgen,
Uns aber muß er jezt mit Lust und Trost verbergen;
Ja, was noch größer scheint, so muß ein jeder Stein
Und deßen grünes Moos uns statt der Warnung seyn:
Ihr Menschen, fangt die Zeit, bedient euch eurer Jahre
Und nehmt den Frühling mit ! So weckt uns selbst die Baare,
Die andre traurig macht, so führt sie uns zur Lust.
Die Predigt, so ich thu, kömmt nicht aus geiler Brust,
Ich reize deinen Sinn zu keiner frechen Sünde,
Ich sag es, weil ich dich vor treu und klug befinde
Und will, daß auch dein Herz, so ich an Ketten zieh,
Die liederliche Zunft verwegner Dirnen flieh;
Doch darum ist der Scherz der Jugend nicht verbothen.
Ich schwöre bey der Ruh und Seeligkeit der Todten:
Sind Herzen reicher Treu vernünftig, zart und rein
Und stimmt Gemüth und Mund nach Überlegung ein,
So ist der Kuß erlaubt, so mag der Glieder Spielen
Ohn alle Sünd und Schuld der Seelen Bündnüß fühlen.
Bedenckstu dies nur recht, so wirstu mich verstehn,
Ich will dir nicht gesund von dieser Stelle gehn,
Wofern dich nicht mein Ernst auf ewig auserwehlet.
Ich habe dich geprüft, verachtet und gequälet
Und überall versucht; dein Wesen steht mir an,
Und Lorchen ist allein, was Günthern halten kan.
Verdien ich nun dein Herz, so schwör und bleib mein Eigen
Und nimm mit mir vorlieb und las das Unglück steigen
Und halt, ich geh dir vor, in allen Wettern still;
Es geh auch, wie es geh, und komme, wie es will,
So kommt es uns zur Lust. Denn wenn wir ehrlich lieben,
So kan uns auf der Welt nichts als der Tod betrüben.
Erinnre dich der Zeit, worin ich dich bedient;
Denn daß dein schöner Kranz noch ohne Flecken grünt,
Dein Leib nicht Würmer speist, dein Ruhm den Neid vernichtet,
Wer hat es sonst als Gott und ich durch ihn verrichtet?
Ich rück es dir nicht vor, ich sez es darum hin,
Damit man glaub und seh, daß ich dein Liebster bin.
Jezt weis ich freylich nicht, wie lang ich hier noch bleibe,
Noch wo mich Glück und Wind in kurzem hin vertreibe;
Und darum sey es dir hiermit vorausgesagt:
Bleib, wie du jezo bist, und wenn dich alles plagt,
So denck an Gott und mich und an mein Wiederkommen.
Ich werde, wenn mein Fleiß an Wachsthum zugenommen,
Dein Glücke mit erhöhn. Nichts nimmt man von der Welt,
Als was genoßen ist und was man bald erhält.
Wir wollen unsern Lauf in süßer Ruh vollbringen;
Auch dein Gedächtnüßmahl soll Zeit und Tod bezwingen,
Und Lorchens Nahme wird in meinen Büchern blühn,
So lange Kunst und Fleiß noch einen Dichter ziehn.
Ich will den Pleißenstrand um deine Lieb erheben,
Ich will dem Rosenthal des Pindus Ehre geben,
Nachdem mir sein Revier als deine Vaterstadt
Den besten Schaz der Welt an dir gegeben hat.
Veraltet dein Gesicht und werd ich auch zum Greisen,
So will ich doch dein Kind, du solst mein Mägdgen heißen.
So lebt es sich vergnügt, so stirbt sich's friedenvoll.
Ach Lorchen, daß ich nicht mit dir erblaßen soll!
Kan noch ein treues Flehn des Himmels Schluß gewinnen,
So reißt ein Augenblick uns ganz gewis von hinnen;
Denn gleiche Lieb und Lust begehrt auch gleichen Fall.
Wo du nicht bey mir bist, da sterb ich überall. -
Damit schloß Philimen mit Küßen und Verlangen,
Das Zeugnüß gleicher Gunst begierig zu empfangen.
Sie drückt' ihn scharf und fest an Armen, Brust und Mund,
Der tausend Seufzer lies und voller Sehnsucht stund,
Und sprach: Ich bin zu schwach, mich weiter zu erklären,
Die Zunge kan nicht fort, drum reden Blick und Zähren,
Selbst Silben sind genug: Du lebst und stirbst in mir.
Ach, sagte Philimen, was wollt ich mehr von dir?
Und damit sezten sich die zwey vertrauten Herzen,
Besahen Schrift und Grab mit untermengten Scherzen,
Erzehlten ihren Gram den Bäumen und der Luft
Und kamen ohngefehr zu jener düstern Gruft,
Worein der Schickung Grimm in viermahl sieben Tagen
Ein jung und treues Herz dem andern nachgetragen.
Der Stein gab den Bericht : Mein Pilger steh und lis :
Die Sonne dieser Welt lidt hier die Finsternüß;
Das ist: Die schönste Braut von Geist- und Leibesgaben,
Die edle Kunauin ward hier zu früh begraben.
Ihr Conrad, dem sie schon ihr ganzes Herz geweiht,
Gerieth dadurch in Gram und folgt' in kurzer Zeit.
Ihr Männer, seyd vergnügt; denn euer Ruhm und Liebe
Besiegt jezt, wie ihr seht, des Frauenzimmers Triebe. -
Hier scherzte Philimen und sprach: Da sieh, mein Licht,
Wie dieses Beyspiel uns des Vorzugs Lorbeer flicht. -
Ja, sprach sie, stirbt mein Kind zuerst an unsern Ketten,
So will ich mein Geschlecht durch größre Tugend retten:
Ich wüntschte mir hernach der Jahre Zahl vermehrt,
Daß, wenn mein Wittwenstand dich in der Aschen ehrt,
Die Größe meiner Treu dich länger klagen könne;
Und daß ich dir vor mir den Abschied willig gönne,
Das ist ein Liebeszug und zeigt die Regung an,
Durch die ich mich um dich zu Tode weinen kan. -
Ihr Mund beschloß dies Wort mit Nachdruck und mit Küßen,
Und beide fuhren fort, den Abend zu genießen,
Bis daß die Dämmerung mit Macht darzwischen kam
Und dies verliebte Paar den Weg nach Hause nahm.
(S. 154-159)
_____



AN SEINE SCHÖNE
Bora, den 22. Aug. A. 1719.

NUN Kind, ich kan dich nicht mehr bitten,
Behalt mein Herz in treuer Brust.
Das Denckmahl deiner muntren Sitten
Erweckt mir auch von weiten Lust,
Und wo ich reise, wohn und bin,
Da folgt mir dein Gedächtnüß hin.

Ein Waldhorn klingt bey Abendstunden
Von weiten durch die Gärthen schön,
Es reizt das Blut verliebter Wunden
Und läst die Geister flüchtig gehn;
Jedoch ergözt mich das Gehör
Von deinem Wohlseyn noch viel mehr.

Das Glücke spielt mir tausend Poßen
Und lockt mich auf des Hofes Eiß,
Ich folg ihm klug und unverdroßen,
So gut ich seine Tücke weis;
Die Vorsicht leite, wie sie will,
Ich halt in allen Wettern still.

Die Gegend, wo ich jezund dichte,
Ist einsam, schatticht, kühl und grün;
Hier hör ich bey der schlancken Fichte
Den sanften Wind nach Leipzig ziehn
Und geb ihm allzeit brünstiglich
Viel tausend heiße Küß an dich.

Hier kan ich mich der Zeit bequemen,
Hier ist mir Still und Ort geneigt,
Die große Rechnung vorzunehmen,
Wie viel mir Leipzig Guts erzeigt;
Doch alles, was ich schäzen kan,
Das kömmt auf deinen Umgang an.

Erinnre dich der ersten Küße,
Die niemand als der Schatten sah;
Sie machten mir die Äpfel süße;
Ach, wäre doch die Zeit noch da!
Gedenck an Pfeifers Schlafgemach
Und zehle dort die Wollust nach.

Der Umgang wurd uns sonst verbothen,
Wir suchten die geheimste Bahn,
Wir riefen die verwandten Todten
Zu Zeugen unsrer Freundschaft an
Und ließen bey verschwiegner Pein
Den Kirchhof unsre Freystatt seyn.
(S. 160-161)
_____



AN DIE UNGETREUE LEONORE

NUN hab ich schon genug; schweig, trauriges Gerüchte.
Das Herze sagt es mir, mein Kind sey nicht mehr mein.
Der unverhofte Riß nimmt Regung und Gesichte
Mit stummer Ungedult und blaßem Schröcken ein.

Mich deucht, ich höre schon die neuen Hochzeitlieder,
Ja, ja, ich höre schon der Hofnung Leichenklang;
Die Angst durchwandert mir das Marck der starcken Glieder,
Um die sie kurz vorher die falschen Armen schlang.

Du Kind der Ewigkeit und Mutter alles Guten,
O Liebe, stehstu gern verliebten Dichtern bey,
So gieb, da Aug und Herz in süßer Wehmuth bluten,
Daß diese schwere Last nur noch erträglich sey.

Du weist, ich diene dir mit unverfälschtem Herzen,
Du weist, ich habe stets das böse Volck verflucht
Und blos, das Elendweh im Leben zu verschmerzen,
Ein Kind von frommer Art und gleicher Treu gesucht.

Wie thustu das an mir und stürzest mein Vergnügen,
Worauf ich so viel Zeit und Müh und Fleiß gewand?
Warum erlaubstu nicht, an dieser Brust zu liegen,
Mit der mich deine Macht so lang und starck verband?

Ja, wenn mir alle Welt auf solchen Fall geschworen,
Ja, wenn ein Engel selbst dergleichen prophezeit,
So hätt ich wohl gedacht: Sie reden wie die Thoren
Und kennen wohl noch nicht der Liebe Zärtligkeit.

Ach allerliebstes Kind, so muß ich dir noch schreiben,
Indem ich doch so bald mein Herz nicht trennen kan;
Wie magstu solchen Scherz mit Eid und Schwüren treiben,
Und warum hastu so und noch an mir gethan?

An mir, an deßen Gunst dein irdisch Heil gehangen
Und der um dich sogar ein Spott der Misgunst hies,
An mir, durch welchen du so vieler Noth entgangen,
An mir, der fast vor dich sein Auge nehmen lies.

Bedencke doch nur dich, ich will von mir nichts sagen;
Wie ofters hat dein Mund (du weist, bey welcher Gruft,)
Der Eltern Asch und Staub, auf dem wir sicher lagen,
Zum Zeugnüß wahrer Treu mit Thränen angeruft!

Geh in dich, falsches Kind, und frage dein Gemüthe;
Dies, weis ich, wird vor mich ein frey Bekäntnüß thun,
Mit was vor Ehrligkeit und nicht erkaufter Güte
Mein Herz allein gewüntscht, in deiner Schoos zu ruhn.

Bedenck auch, was wir schon zusammen ausgestanden,
Wie hart uns Neid und Gram und Eifersucht gequält;
Wie manchmahl rühmtestu bey allen Unglücksbanden,
Es wäre Philimen zu deinem Trost erwehlt!

Wie sauer wurd es mir, dich anfangs zu gewinnen,
Wie lange wurd ich nicht mit List herumgeführt!
So viel der Thränen sind, die jezt aus Unmuth rinnen,
So viel Mahl hat dir dort mein Kuß das Herz gerührt.

Ich troz auf kein Verdienst, so gut ich trozen möchte,
Ich bringe dieses nur aus guter Meinung vor:
Wer schäzte dazumahl dein Ansehn und Geschlechte,
Das vor der halben Stadt bereits sein Lob verlor?

Wer lehrte dich, dein Lob vernünftig zu bedencken?
Wer wies dich auf den Weg, der Menschen glücklich macht?
Wer lies sich deinen Gram bis zur Verzweiflung kräncken?
Wer hat dir den Geschmack der Liebe beygebracht?

Die Kranckheit warf dich hin, der Tod stund vor der Thüre,
Ich kam und hies gesund und lidt wohl mehr als du.
So oft ich mir die Zeit jezt ins Gedächtnüß führe,
So ofters hängt mir noch ein Theil der Ohnmacht zu.

Mein Helfen schlug nichts an, ich gieng in meine Kammer,
Verschloß mich mit der Angst und warf mich auf die Knie
Und bat ich weis nicht was vor allzu großem Jammer,
Denn eh ich mich besann, so war es wieder früh.

Nun merck ich, daß ich dort um meine Noth gebethen,
Um dich, um meine Noth, die mehr als Schwefel brennt;
Ach, sollte deine Brunst so aus dem Gleiße treten,
Ach, warum hab ich dich dem Tode nicht gegönnt?

Mir wärestu getreu, dir ohne Schuld gestorben,
Mein Seufzen hätte dich in jene Welt geführt,
Es hätte deine Treu ein ewig Lob erworben
Und selbst mein Wittwerflor dein Leichenkleid geziert

Verführteste der Welt, betrogne Leonore,
Bedenck, um was du dich mit dieser Falschheit bringst
Und ob du als ein Spott von meinem Musenchore
Nicht aus dem Paradies in Cabuls Wüste springst.

Durch Eintracht wäre dir die Eh zum Himmel worden,
Hier hättestu das Marck der keuschen Brunst geschmeckt;
Du strahltest als ein Stern in jener Frauen Orden,
Dem unsre Poesie des Nachruhms Lorbeer steckt.

Steh nächtlich einmahl auf und miß die hohe Ferne
Und sieh den Milchweg an, der ist der Helden Haus;
Dein Nahme mehrte da den Glanz der holden Sterne,
Ich las bereits den Plaz vor deßen Bildnüß aus.

Du bist vorhin gestraft, indem du mich entbehrest,
Du strafest dich noch mehr durch deine neue Wahl,
Bey der du auf der Welt schon in die Hölle fährest,
Aus welcher meine Treu dich so zu reden stahl.

Mit was vor Zuversicht und Augen und Gewißen
Getraustu dich hinfort mein Antliz anzusehn?
Was wirstu, sterb ich bald, vor Larven fürchten müßen!
Geschieht's, so wiße nur, es sey durch dich geschehn.

Dein Mops, gedenck an mich, wird mich an dir schon rächen,
Sein Kopf ist boßheitsvoll und wird ein Hencker seyn;
Du wirst, wenn Tag und Nacht dich unter Sorgen schwächen,
Dein unbesonnen Werck, doch stets zu spät, bereun.

Alsdenn besinne dich auf Gärthen, Grab und Linden,
Worunter meine Schoos dein schläfrig Haupt gewiegt;
Da wirstu mich nicht mehr auf jenem Felsen finden,
Auf welchem noch von uns ein Bundeszeichen liegt.

Die lezte Sommernacht wird nicht mehr wiederkommen;
Spiel, Küße, Tanz und Vers und Sträußer treuer Hand
Sind Schäze, welche dir der Raub der Zeit genommen,
Was sag ich! die du dir aus Falschheit selbst entwand.

Es hat mir wohl geahnt; denn kanstu dich besinnen,
Bey welcher Garthenlust dein Ring den Finger band?
Mein Auge fing dort nicht ohn Ursach an zu rinnen,
Dir aber fiel das Blut in Tropfen auf die Hand.

Noch mehr, die nechste Nacht verlor ich dich im Traume
Und weckte mich fast selbst durch Angst und Winseln auf;
Der unverhofte Bruch von deinem liebsten Baume
Wies etwan auch vorher der Liebe kurzen Lauf.

Sey da und schüze vor, man habe dich gezwungen;
Der, die warhaftig liebt, hat Flehn und Zwang nichts an.
Du selbst hast nicht gewollt, sonst wär es wohl gelungen,
Indem doch Weiberlist viel Ausflucht machen kan.

Du daurest mich noch sehr, nicht weil du dies verdienest,
Blos weil mich die Natur zum Mitleid aufgelegt
Und weil mein Herz das Bild, in dem du ehrlich schienest,
Aus großer Zärtligkeit in seinem Blute trägt.

Wie wird mir doch so angst, dir gute Nacht zu geben!
Ist's möglich, liebstes Kind, so kehre doch zurück,
Ich will dir gern verzeihn und noch vertrauter leben;
Ach, wende dich nur um, hier ist der alte Blick.

Der Himmel sieht sich Lust, sobald wir uns vertragen,
Ich selbst berede mich, du habest nichts gethan.
Bleib, Leonore, bleib! Du spottest meiner Klagen
Und siehst mich nun nicht mehr mit deinen Augen an.
(S. 162-166)
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ODE
AN SEIN LENCHEN

SO sollt und must es seyn: Die Strafe folgt der Sünde,
Und so, verführter Geist, geschieht dir eben recht;
Es läst dich endlich auch die nette Philirinde,
Dies ist es, was dein Herz mit neuem Kummer schwächt,
Dies ist auch, was dich jezt mit Nachdruck lehren kan,
Wie weh du Lenchens Brust durch Flucht und Bruch gethan.

Ach, freylich thut es weh, wenn solche Ketten springen;
Brecht, süße Feßel, brecht! Ich bin genug gedrückt,
Mich soll kein frischer Kuß in neue Bande zwingen;
Da Philirindens Zorn die lezte Glut erstickt,
Und da mich ihre Flucht auf Erden elend macht,
So sag ich auf einmahl der Liebe gute Nacht.

Der Liebe gute Nacht und auf einmahl zu sagen,
Mein Herz besinne dich und schäze diesen Schluß
Und wiße, daß ein Mensch bey allen Unglücksplagen
Durch wahre Lieb allein den Gram versüßen muß;
Las seyn, daß dieses Kind den treuen Wuntsch betriegt
Wer weis, wie bald dich noch was Artigers vergnügt.

Vergnügt mich diese nicht, so darf mich nichts vergnügen:
Dies ist ein blinder Wahn bethörter Weichligkeit.
Zwey Mittel geben Rath, den Kummer zu besiegen:
Gebrauche der Vernunft, vertrau den Schmerz der Zeit,
Und wiltu ja noch mehr und bald getröstet seyn,
So nimm mit Buß und Reu die alten Flammen ein.

Ja, ja, ich fühle schon die Rückkunft erster Triebe,
Mein Blut erinnert sich der damahls reinen Treu,
Es wallt und jauchzt vor Lust und wehlt die alte Liebe,
Damit sie dermahleins des Ehstands Himmel sey.
Was denckstu dir, mein Herz ! O gieb dir selbst Gehör:
Du suchest Lenchens Gunst, sie liebt dich ja nicht mehr.

Ich weis, sie liebt mich noch und kan mich nicht verlaßen;
Die Neigung gleicher Art verband uns gar zu scharf.
Komm wieder, liebster Schaz, nun will ich dich umfaßen,
So lang ich nur noch hier der Luft genießen darf;
Ist etwas, das uns trennt, so ist's der Leichenstein;
So stärckt der Riß das Band: so sollt und must es seyn.
(S. 167-168)
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CANTATE
Dresden, in dem königl. Garthen

ARIA
GETRENNT, allein und doch vergnügt!
Geh, Delila, mit Band und Schlingen;
Hier lern ich um den stillen Hayn,
Dir, falsche Seele, gram zu seyn,
Hier kan ich wieder ruhig singen.
Wen Lieb und Unbestand betriegt,
Der bleibt allein und doch vergnügt.

RECITAT
Geh hin, du falsches Blut!
Ich nehme freudig gute Nacht.
Das hätt ich doch noch nicht gedacht,
Daß Leonorens Wanckelmuth
Mich nicht mehr Thränen kosten sollte.
Vor die ich sterben wollte,
Die lies ich jezt mit Lust
Aus Schoos und Brust
Das machen die verfälschten Triebe.
Ach Liebe!
Komm, komm doch, sanfter West,
Und trage diese Lieder
Hier, dort und hin und wieder
Und schwaz es allen Blumen vor:
Um dieses Lindenthor,
Wo Muschel, Blum und Waßer spielet,
Hat Damon seine Glut gekühlet,
Ja gar verlöscht.

ARIA
Edle Freyheit, komm zurücke,
Dir vermehl ich Hand und Herz.
Warme Grife, sanfte Biße,
Augen, Busen, Schoos und Küße
Sind mir ein verhaster Scherz.
Flieht nur, flieht, ihr falschen Blicke!
Liegt nur, ihr entdeckten Stricke!
Da Capo!
(S. 169-170)
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PHILIMEN AN SELINDEN, ALS SIE IHM
UNTREU WURDE

BLEIB, wer du bist und wilst, Selinde!
Ich bleibe gleichfalls, wer ich bin.
Dein Herz besteht wie Rohr am Winde;
Dafür bedanckt sich nun mein Sinn
Und wüntscht dir zu der guten Zeit
Nichts weiter als Beständigkeit.

Du hängst dich, wie ich seh, an alle
Und siehst das Herze nicht mehr an.
Ich geh und räume deinem Falle;
Er kommt, der Hochmuth kommt voran;
Spott aber, Reue, Gram und Schmach
Folgt wie der Rauch dem Brande nach.

Eh soll der Himmel Bäume tragen
Und unser Queis voll Flammen stehn
Als jemand auf der Erde sagen:
Selinde läst den Philimen.
Besinnstu dich noch auf die Nacht,
Die dieser Schwur vergnügt gemacht?

Nun grüne, lieber Himmel, grüne
Und gieb dem Queiße deine Glut,
Damit es der zur Ausflucht diene,
Die wider ihr Geseze thut
Und, wo kein Wunderwerck geschieht;
Der Rache nimmermehr entflieht!

Mit was vor Ruh und vor Gewißen
Gedenckstu, falsches Kind, der Lust
In fremden Armen zu genießen,
Wobey du allzeit fürchten must,
Jezt trenne Donner, Bliz und Streich
Kuß, Mund und Herzen unter euch?

Ein andrer würd es wüntschen können,
Ich aber bin nicht aufgelegt,
Den Feinden meinen Zorn zu gönnen;
Die Liebe, so mich treibt und regt,
Läst fahren, was nicht bleiben will,
Und schweigt wie fromme Kinder still.

Genug, daß du dich selbst betrogen
Und etwas wider dich gethan.
Bedenck, ich war dir so gewogen,
Als keiner ist und werden kan,
Ich zeigte dir durch wahre Treu,
Was Leben und was Lieben sey.

Die Eintracht zwo vertrauter Herzen
Macht aus der Welt ein Himmelreich,
Ihr reiner Kuß verbeißt den Schmerzen,
Ihr Auge kommt der Sonne gleich,
Die Wolck und Regen um sich sieht
Und doch davon nichts in sich zieht.

Den Vorschmack hastu schon genoßen,
Betrachte Felsen, Bach und Wald,
Wo ich dich oft in Arm geschloßen
Und unser Scherz noch widerschallt;
Die Vögel wurden selbst erweckt
Und durch Exempel angesteckt.

Du wustest damahls vor Vergnügen
Oft selbst nicht, wo dein Herze wär;
Du bliebest vor Entzückung liegen
Und sagtest, deucht mich, ohngefehr:
Kind, daß mich nicht der schöne Tag
An deiner Brust entseelen mag!

Ich mag nichts mehr davon gedencken,
Sonst leid ich mehr dabey als du;
Die Zeit weis alles so zu lencken,
Damit sie keinem Unrecht thu,
Und wird vielleicht zu deiner Pein
Bald zwischen uns ein Richter seyn.

Ich übergeb ihr meine Rache;
Die doch nicht weiter um sich fast,
Als daß sie bald zu Schanden mache,
So viel du Schönes an dir hast,
Bis daß Selinde nicht mehr ist,
Was du anjezt, Selinde, bist.
(S. 172-174)
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ALS SIE NACHGEHENDS ÜBEL GEHEIRATET

BLEIB nur, bleib, betrogne Schöne,
Bleib nur, bleib bey deiner neuen Lust!
Vormahls traf mich dein Gehöhne
Bey den Seufzern treuer Brust;
Jezo rächstu mich an dir
Jezo klagst und weinstu mir;
Klag und weine nur,
Falsche Creatur!
Meine Treu spricht: Weit von hier!

Kont ich dir vordem nicht taugen,
Seh auch ich dich jezt verächtlich an
Und mit eben falschen Augen,
Als du jener Zeit gethan.
Mein Verlangen war dein Scherz,
Mein Vergnügen ist dein Schmerz;
Deiner Thränen Fluth
Löscht die erste Glut
Und erquickt mein lechzend Herz.

Hastu doch dein Theil erwehlet,
Küße, was mich dich nicht küßen lies;
Diese Hölle, so dich quälet,
Ist vorwahr mein Paradies.
Deines Ehstands Trauerspiel
Zeiget meiner Wüntsche Ziel;
Wirstu jezt verlacht
Und in Angst gebracht,
Dencke, wie es mir gefiel.

Spare nur die späten Thränen,
Leide, bitte, schwöre, geh und fleuch;
Deiner Wehmuth naßes Sehnen
Macht mein Herze nicht mehr weich.
Was ich dir nur wohl gethan,
Schreib ich mir zum Fehler an;
Zeigt doch schon das Weh
Deiner tollen Eh,
Was verstoßne Liebe kan.
(S. 175-176)
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LEONORE
(MAGDALENE ELEONORE JACHMANN)
Dresden August 1719 - Breslau Herbst 1720


ODE

Damon. Als Lenchen noch mit treuem Herzen
Allein an Damons Lippen hing
Und durch kein frech und eitles Scherzen
Bey andren Buhlern naschen gieng,
Da hätt ich mit dem grösten Kayser
Warhaftig keinen Tausch gethan,
Da sah ich auch die reichsten Häuser
Ohn Ärgernüß und Sehnsucht an.

Lenchen. So lang als Damons rein Gewißen
Mir freundlich unter Augen trat,
So lange noch kein andres Küßen
Dem armen Lenchen Eintrag that,
So lange machte mein Gerüchte
Bey zärtlicher Zufriedenheit
Den Ruhm Penelopens zu nichte;
Allein was ändert nicht die Zeit?

Damon. Jezt tröst ich mich mit Leonoren
In heiß- und angenehmer Pein,
Mein Vers ergözt ihr Geist und Ohren
Und bringt mir manche Nachtlust ein.
Sie ist ein Kind von edlen Sitten,
Und eh ich sie verlieren kan,
Eh will ich selbst den Himmel bitten,
Er fang an mir die Trennung an.

Lenchen. Mich feßeln auch Selanders Blicke,
Und ihn entzückt mein weicher Arm,
Die Eintracht schenckt uns Ruh und Glücke
Und macht uns unter Rosen warm.
Ich weis, wie viel ich an ihm habe,
Wir sind ein Herz und auch ein Sinn;
Erlöst ich ihn dadurch vom Grabe,
So fiel ich selber zehnmahl hin.

Damon. Wie, wenn ich Leonoren haste?
Wie, wenn ich dich, mein erstes Licht,
Mit neuer Reu und Huld umfaste?
Ach, alte Liebe rostet nicht.
Wie, wenn es zur Versöhnung käme
Und Lenchen vor Selanders Brust
Den treuen Damon wieder nähme?
Ein kurzer Krieg mehrt oft die Lust.

Lenchen. So scharf ich gegen ihn entbrenne,
So schön, galant und treu er ist,
So gut ich deine Regung kenne
Und weis, was vor ein Rohr du bist,
So wenig kan ich mich bezwingen,
Dem Damon länger gram zu seyn.
Komm, las uns miteinander singen:
Ich leb und sterbe dir allein.
(S. 182-183)
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ODE
AN SEINE HARTE SCHÖNE

O geh nur, harter Sinn, begieb dich außer Lande;
Fleuch an das Eußerste des kalten Cymberstrandes,
Fleuch hin, wo Sonn und Tag des Jahres einmahl wacht,
Du solt mich folgen sehn, und wenn mich Frost und Klagen
Vor deiner Thür erstickt, mit schwerem Herzen sagen:
Das hätt ich nicht gedacht.

Allein, verstocktes Herz, das läst sich leicht gedencken,
Du hörest Tag und Nacht mein ungewöhnlich Kräncken,
Du siehst mich schwach und blos vor Haus und Fenster stehn,
Der Nordwind pfeift ums Dach und heulet in den Linden,
Ich lieg auf Eiß und Schnee, die mehr als du empfinden
Und selbst vor Leid zergehn.

Ach, grausam schönes Kind; ach las den Hochmuth fahren,
Die Lieb ist Stolzen gram und stürzt sie mit den Jahren,
Es ist noch kurze Zeit, so wendet sich das Blat;
Du folgst Penelopen, ja, folg ihr auch am Stande,
Die wegen seiner Höh und ihres Ehherrn Schande
Zu halten Ursach hat.

Denn ob gleich, gutes Kind, die Klug- und Schönheitsgaben
Der Mutter aller Welt dein Herz bereichert haben,
Obgleich kein heißes Flehn dies Herz in Feßel bringt,
Obgleich dein Angesicht im ersten Lenze grünet
Und Kunst und Wißenschaft, so treu sie dich bedienet,
Nur tauben Ohren singt:

So spotte darum nicht, du solt es näher geben,
Es bleibt nicht immer so, ich will es wohl erleben,
Daß Iris, die jezt lacht, sich selber strafen soll;
Wie manche ward vor dir von Freyern hochgepriesen!
Jezt macht ihr Schimpf den Korb, mit dem sie viel verwiesen,
An Flederwischen voll.
(S. 184)
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AN SEIN LENCHEN

NACH so viel Angst und Neid und mancher trüben Nacht
Ersah ich wiederum des Glückes Morgenröthe.
Auf, Musen, auf und sucht die lang entrißne Flöthe,
Die uns in Schweidniz einst den Abend kurz gemacht!
Ihr habt mit mir geweint, ihr sollt auch mit mir singen
Und Lenchens Gegenwart mit Treu und Lust umringen.

Ach Kind, ach liebstes Kind, ach, könt es möglich seyn,
Dies mein getreues Herz im Blute zu erblicken,
Sein Jauchzen müste dich noch halb so scharf entzücken;
So viel hier Tropfen gehn, so viel auch Wüntsche schreyn,
Dir mit geschickter Hand und tausend Freudenzähren
Die Wollust über dir nachdrücklich zu erklären.

Ich hatte mich nunmehr des Glückes längst verziehn,
Noch einmahl auf der Welt mein Lenchen zu umfangen,
Ich ward in fremder Luft von Freunden hintergangen
Und muste blos und arm bald hier- bald dorthin fliehn;
Die Trübsahl machte mich durch Läng und Größe mürbe,
So daß ich ofters sprach : Ach, gäbe Gott, ich stürbe!

Es wär auch bald geschehn: die Kräfte fielen hin,
Das Fieber grif mich an und warf mich auf das Bette;
Da wüntscht ich, daß ich nur dein Abschiedsmäulchen hätte;
Doch sprach ich: Da ich schon dazu versehen bin,
So las doch nur, mein Gott, nebst viel- und wahrem Seegen
Das Alter, so mir fehlt, zu Lenchens Jahren legen!

Gott hat mich noch so lieb und will dir, werthes Herz,
Das Leben durch mein Grab noch nicht so elend machen.
Verbanne deinen Gram, fang an, aufs neu zu lachen,
Verkläre Blick und Mund mit Freundligkeit und Scherz,
Damit mir, wenn ich dich in nechstem Tage spreche,
Dein Unmuth alle Lust nicht wider Willen schwäche.

Dies ist der vierte Herbst, seit dem ich dich entbehrt;
Was hab ich in der Zeit vor Ungemach erlidten !
Was hat man nicht auf mich vor Creuze zugeschnidten!
Welch Arbeit hat mir nicht der Glieder Marck verzehrt!
Was hat man mir vor Schimpf statt Wohlthat zugemeßen!
Gnug! Da ich Lenchen seh, sey alles gern vergeßen.

Ach aber, was vor Furcht verringert mir die Lust?
Ach, kräh ich auch zu früh? Ach, werd ich auch betrogen?
Wer weis, ist nicht dein Schwur mit Zeit und Wind verflogen?
Wer weis, steht Günther noch in jener Schwanenbrust?
Vielleicht war meine Noth und langes Außenbleiben
So mächtig, Lenchens Herz in andre Brunst zu treiben?

Dies glaub ich doch wohl nicht. Nein, falscher Argwohn, fleuch!
Sie ist mir zu genau mit Wort und Fleisch verbunden;
Ich habe sie geprüft und allzeit rein befunden,
Und darum hof ich auch ein irdisch Himmelreich,
Wenn endlich Gott und Zeit die Sehnsucht stillen wollen
Und unsre Glieder sich in Myrthen paaren sollen.

Man lacht uns beiderseits, geliebter Engel, aus,
Warum ich armes Kind dich armes Kind erwehle;
Man meint, wo Liebe nicht die güldnen Ringe zehle,
Da komme nach und nach der Mangel in das Haus.
Doch las dich, treues Herz, den blinden Wahn nicht irren;
Gott kan den Rechnungsschluß der Spötter leicht verwirren.

Ich hab es oft gesagt und sag es noch einmahl:
Ich wollte, bliebe mir kein beßer Glück auf Erden,
Bey Salz und Brodt mit dir in Hütten seelig werden
Und halt ein großes Gut im Lieben nur vor Qual.
Mein Fleiß wird endlich auch nach so viel naßen Tagen
Mit Ruhm und Anmuth blühn und reife Früchte tragen.

Gedencke nur zurück und sieh die Schwester an;
So wie ich prophezeit, so ist es auch ergangen.
Was hilft ihr aller Prast von Kleidern, Perl- und Spangen,
Wenn kein geruhig Herz davon genießen kan?
Ihr Kuß ist lauter Gift, ihr Ehbett eine Hölle,
Und wo ihr Mann nur weicht, füllt Schimpf und Groll die Stelle.

Nur bitt ich, trau nechst Gott sonst keiner Seel als mir!
Du bist mein Schaz und Ruhm, dich will ich auch beschüzen.
Las fahren, was nicht bleibt, las Tadler Pfeile schnizen;
Kein Blutsfreund ist so nah, er schadet mir und dir;
Gott räche mit Gedult und Ablas ihre Sünden,
Wir werden unsern Herd ohn ihren Vorschuß finden.

Ach, breite zum Voraus Hand, Lippen, Brust und Arm,
Ich komm und zitter schon vor Unruh und Verlangen,
Dich, längst erwehltes Herz, von neuem zu umfangen,
Und werde durch ein Bild schon in Gedancken warm.
Ach Himmel, mache bald, damit sie mich entzücke:
Vor zehlt ich Jahr und Tag, jezt Stund und Augenblicke.
(S. 185-187)
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ALS ER 1719. D. 25. SEPTEMBER WIEDER NACH
SCHWEIDNIZ KAM

DU ehmahls liebster Ort der treuen Leonore,
Wie zärtlich rührt mich nicht der Anblick deiner Thore,
Wodurch ich damahls oft an ihrer Hand spaziert!
Dort merck ich schon den Raum, worauf wir uns versprochen,
Dort blickt der Altan vor, auf dem wir sechzig Wochen
Die Wächter hinters Licht geführt.

Seyd tausendmahl gegrüßt, ihr Felder, Sträuch und Bäume;
Ihr kennt wohl diesen noch, von dem ihr so viel Reime,
So manches Lied gehört, so manchen Kuß gesehn;
Besinnt euch auf die Lust der heitern Sommernächte!
Was meint ihr, wenn mein Wuntsch nur eine wiederbrächte?
Das wird wohl nimmermehr geschehn.

Wo find ich aber nun mein Allerliebstes wieder?
Verräth mir gar kein Graß das Lager ihrer Glieder?
Ich spüre keinen Schritt, die Sommerstub ist leer.
Wie traurig scheinstu mir, du nicht mehr schöner Garthen!
Du hast ja zween gehabt, was soll ich einsam warthen?
Ach, stell auch beyde wieder her !

Du schickst mich in die Stadt; die tref ich desto schlimmer:
Der Wirth, das Volck ist neu, ein Gast entweiht das Zimmer,
Worein sonst nichts als wir und unsre Liebe kam.
Mein Gott, wie ändert sich so viel in wenig Jahren !
Was wird nicht noch geschehn ? O sollt ich dies erfahren!
Wie war mir, daß ich Abschied nahm!

Ich geh den Tempel aus, ich suche durch die Gaßen,
Ich such auch, wo sie sich wohl niemahls finden laßen,
Ich ruf ihr um den Wall, der Wall hat schlecht Gehör.
Steig, Schweidniz, steig und sey ein Phoenix in den Flammen,
Bau Marmor, Erz und Gold und Schloß und Thurm zusammen,
Mir bistu doch nicht Schweidniz mehr.
(S. 188)
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AN SEINE LEONORE
DIE IMMER GRÜNENDE HOFNUNG

STÜRMT, reißt und rast, ihr Unglückswinde,
Zeigt eure ganze Tyranney!
Verdreht, zerschlizt so Zweig als Rinde
Und brecht den Hofnungsbaum entzwey!
Dies Hagelwetter
Trift Stamm und Blätter,
Die Wurzel bleibt,
Bis Sturm und Regen
Ihr Wüten legen,
Da sie von neuem grünt und Äste treibt.

Mein Herz giebt keinen Diamanten,
Mein Geist den Eichen wenig nach;
Wenn Erd und Himmel mich verbannten,
So troz ich doch mein Ungemach.
Schlagt, bittre Feinde,
Weicht, falschen Freunde!
Mein Heldenmuth
Ist nicht zu dämpfen,
Drum will ich kämpfen
Und sehn, was die Gedult vor Wunder thut.

Die Liebe schenckt aus göldnen Schaalen
Mir einen Wein zur Tapferkeit,
Sie spricht, mir guten Sold zu zahlen,
Und schickt mich in den Unglücksstreit.
Hier will ich kriegen,
Hier will ich siegen;
Ein grünes Feld
Dient meinem Schilde
Zum Wappenbilde,
Bey dem ein Palmenbaum zwey Ancker hält.

Beständig soll die Losung bleiben:
Beständig lieb ich dich, mein Kind,
Bis dermahleinst die Dichter schreiben,
Daß du und ich nicht sterblich sind.
Das Wort Beständig
Macht alles bändig,
Was Elend heist;
Das stärckste Fieber
Geht bald vorüber,
Wenn man nur mit Gedult den Frost verbeißt.

Nur zweifle nicht an meiner Treue,
Die als ein ewig helles Licht,
Wenn ich des Lebens mich verzeihe,
Die Finsternüß der Gräber bricht.
Kein hartes Glücke,
Ja kein Geschicke
Trennt mich von dir;
Du stirbst die Meine,
Ich bin der Deine,
Drum wirf den Argwohn weg und glaube mir!
(S. 189-190)
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EHER TODT ALS UNGETREU

EHER todt als ungetreu!
Dieser Leichentext soll zeigen,
Daß ich, wenn die Wetter steigen,
Gleichwohl Leonorens sey.

Eher todt als ungetreu!
Soll ich dich, mein Kind, nicht heben,
Halt ich alle Lust im Leben
Vor des Himmels Tyranney.

Eher todt als ungetreu!
Was gewinnt man auf der Erden?
Hofnung, Kummer und Beschwerden
Und zulezt nur späte Reu.

Eher todt als ungetreu!
Irrthum, Sehnsucht und Gedancken
Reißen durch der Jugend Schrancken
Unsre Freude bald vorbey.

Eher todt als ungetreu!
Treue Liebe läst die Plagen
Böser Zeiten noch ertragen
Und erquickt in Sclaverey.

Eher todt als ungetreu!
Du mein Schaz und ich dein Glücke,
So verlachen wir die Stricke
Der vergällten Heucheley.

Eher todt als ungetreu!
Neid und Pöbel kan nicht faßen,
Wenn wir ihm die Güter laßen,
Wie so wohl uns beiden sey.

Eher todt als ungetreu!
Tröste dich mit diesem Spruche,
Neh ihn auf dem Leichentuche
Neben unser Conterfey.

Eher todt als ungetreu!
Glaube das, du treue Seele,
In der finstern Grabeshöhle
Schläft mir auch dein Schatten bey.
(S. 190-191)
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ALS ER SICH DER EHEMALS VON FLAVIEN
GENOSZENEN GUNST NOCH ERINNERTE

ERINNERT euch mit mir, ihr Blumen, Bäum und Schatten,
Der oft mit Flavien gehaltnen Abendlust!
Die Bäche gleißen noch von Flammen treuer Brust,
In der wir werthes Paar des Himmels Vorschmack hatten.
O göldne Frühlingszeit! Mein Herz, was kommt dir ein?
Du liebest Flavien, sie ist ja nicht mehr dein.

Hier war es, wo ihr Haupt mir oft die Achsel drückte,
Verschweigt, ihr Linden, mehr, als ich nicht sagen darf;
Hier war es, wo sie mich mit Klee und Quendel warf
Und wo ich ihr die Schoos voll junger Blüthen pflückte.
Da war noch gute Zeit. Mein Herz, was kommt dir ein?
Betrübt dich Flavia? Sie ist ja nicht mehr dein.
(S. 192)
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AN LEONOREN, ALS ER SIE NACH 4 JAHREN WIEDER
DAS ERSTE MAHL EMPFING
Breßlau, d. . . December 1719.

DIE Regung ist zu scharf, ich muß dich stumm empfangen,
Ein Blick, ein Druck, ein Kuß vertritt der Zunge Pflicht.
Ihr Jahre, die ihr spät und unter Noth vergangen,
Verzeiht mir jeden Fluch, ich klag euch weiter nicht.
Ach, macht das Wiedersehn dergleichen süßes Leben,
So las dir doch, mein Kind, noch ofters Abschied geben.
(S. 192)
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SCHREIBEN AN SEINE LEONORE
Von Breßlau A. 1719. den 22. Decembr.

ACH Kind, ach liebstes Kind, was war das vor Vergnügen!
Der Himmel geb uns doch dergleichen Nächte viel
Und las uns so vertraut bis an das lezte Ziel
Mit Brust und Geist vermehlt in Eintrachtsbanden liegen;
Denn außer jener Welt und ohne diese Lust
Ist doch wohl der Natur kein größrer Schaz bewust.

Wir spielen unverstört mit Redligkeit und Küßen,
Wir haben gleichen Sinn, wir wüntschen einerley,
Sind Sclaven süßer Macht, und niemand lebt so frey;
Wir schwazen, daß uns auch die Worte mangeln müßen,
Wir schencken uns an uns und nähmen, könt es seyn,
Als Seelen wahrer Treu nur einen Cörper ein.

Uns darf kein Modebrief kein Ehverlöbnüß stiften,
Kein Kuppler und kein Geld verbindet unsre Glut,
Dein Mahlschaz ist mein Herz, dein Herz mein Heiratsgut
Und unser beider Ruhm die Dichtkunst meiner Schriften,
In welchen Lieb und Scherz so lange Lob gewinnt,
Als Kunst und Wißenschaft in Deutschland fruchtbahr sind.

Wir haben unsern Bund die Zeit bewähren laßen;
Vor dich ist auf der Welt kein beßrer Mann als ich,
Ich find auch auf der Welt kein treuer Weib als dich,
Wir müsten sonder uns das beste Leben haßen;
Da, wo ich dich nicht seh, da ist mir alles leer,
Und wenn es auch der Schwarm des grösten Hofes wär.

Versuchte mich Eugen und böthe mir der Kayser
Vor dich, du frommes Kind, Gold, Thron und Purpur an,
So spräch ich, wie ich dir mit Warheit schwören kan:
Ich ehre, großer Held, die vielen Siegesreiser,
Ich weis auch, großer Carl, was Macht und Cronen sind -
Behaltet, was ihr habt, und last mir nur mein Kind!

Geseegnet sey der Tag, geseegnet sey die Kammer,
Der unsern Bund gesehn, die unsern Kuß gehört!
Wer jenen durch Verdruß und die mit Fluch entehrt,
Dem mach ein böses Weib den Ehstand voller Jammer.
Geseegnet sey auch gar der Kummer und der Neid,
Der wegen deiner Gunst mir manchen Stoß verleiht!

O könt ich doch, mein Kind, in allen Sprachen dichten
(So wüntsch ich dann und wann wie einst Petrarchens Mund),
So thät ich deinen Werth den meisten Ländern kund,
So lies ich jedes Volck von unsrer Liebe richten;
Die Klügsten würden sehn, wie zärtlich meine Treu,
Wie redlich meine Brust, wie rein dein Herze sey.

Ich thu, so viel ich kan, dein Denckmahl auszubreiten,
Um bey der späten Welt durch deinen Ruhm zu blühn;
Wie mancher wird noch Trost aus meinen Liedern ziehn,
Wie manchen wird mein Vers zur süßen Regung leiten!
So merck ich, wenn mein Mund der Alten Arbeit list,
Daß unsre Liebe schon vordem gewesen ist.

Was hat wohl unser Wuntsch mehr auf der Welt zu suchen,
Und welches Glück ist noch wohl unsers Neides werth?
Wenn mir des Himmels Huld dich vollends ganz gewährt,
So wüte Feind und Groll, so mag der Spötter fluchen;
Drey Dinge sind mein Trost: Gott, Wißenschaft und du;
Bey diesen seh ich stets den Stürmen ruhig zu.
(S. 193-194)
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Breßlau, den 25. December 1719.

MEIN Herz, was fangen wir noch miteinander an?
Es scheint, wir werden bald dem Kummer weichen müßen;
Vor alles, was wir sonst dem Nechsten Guts gethan,
Muß unsre Redligkeit mit Noth und Elend büßen.
Die Weißheit bringt kein Brodt, die Arbeit keine Lust,
Uns jagt des Himmels Zorn durch Ruthen, Land und Jahre.
Ein Fehltritt, den du nur aus Übereilung thust,
Wird, ob er dich gleich reut, ein neuer Schritt zur Baare.
Der Eltern Angst ist dein, der Schwester Gram trift mich;
Die Lästrer plagen uns mit unverschämten Zungen,
Die Armuth macht mich auch den Thoren lächerlich,
Und was nur Schaden bringt, das wird mir aufgedrungen.
Du kanst das von Natur dir anvertraute Pfund
Aus Mangel hoher Gunst auf keinen Wucher legen;
Kein Zufall macht den Werth von meinem Wißen kund,
Und was dir gütig scheint wird elend meinetwegen.
Man würdigt meine Noth der Untersuchung nicht,
Die Spötter nennen sie theils Strafe, theils Gedichte;
Und wer in Gegenwart auch noch so freundlich spricht,
. . . . . . . . mir hinterwärts ein .........Gerichte.
Nunmehr ist endlich auch der Jahre Lenz vorbey;
Wem will ein solches Creuz nicht die Gedult ermüden ?
Die Musen sind mir hold, und Lorchen bleibt noch treu,
Mein Herz, was wiltu mehr? Ich gebe mich zufrieden.
(S. 195)
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AN LEONOREN

ACH Kind, verschone mich in dir
Und las mich unbetrübt von hier!
Was quälstu dich mit so viel Thränen?
Es sind die Kräfte meiner Brust.
Ach, hastu denn bey so viel Sehnen
Noch gar zu meiner Ohnmacht Lust?

Ich bin wohl so genug geplagt,
Verfolgt, verleumdet und verjagt,
Und du wilst noch die Angst verstärcken;
Was Günther fühlt, das weis sein Herz,
Ich las es kaum die Hälfte mercken,
Sonst macht ich dir noch schärfern Schmerz.

Du bist ja meiner Treu gewis,
Dies ist ein Band vor diesen Riß,
An dem die Hofnung auch schon heilet.
Ach, mildre doch nur den Verdruß,
Dieweil die Zeit, so jezo theilet,
Uns endlich wieder binden muß.

Gesezt, du würdest ungetreu,
Wovor doch Glück und Himmel sey,
Ich könte dich unmöglich haßen;
Mir wär es zwar die ärgste Pein.
Hat sie dich, dächt ich, doch verlaßen,
Will ich um desto treuer seyn.

Ich weis, man tadelt mich darum;
Der schilt mich weibisch, jener tumm.
Die Großmuth adelt mein Gemüthe,
Und daß ich zärtlich lieben kan,
Das nehm ich von des Schöpfers Güte
Wohl vor die gröste Wohlthat an.

Sey arm, verlaßen und veracht,
Verliere, was gefällig macht,
Las Zahn und Farb und Jugend schwinden,
Du bleibst in meinen Augen schön
Und solt sie allemahl entzünden,
So lange sie noch ofen stehn.

Ein Augenblick der süßen Zeit,
In welchem mich dein Scherz erfreut,
Gilt mehr als alle Freudenfeste,
Wo Dresden, jezt die halbe Welt,
Das Herz der hohen Hochzeitgäste
Mit tausend Wollust unterhält.

Der Frühling ist nun nicht mehr weit;
Spazier in grüner Einsamkeit
In euren schönen Erlengängen
Und denck in allem Ungemach,
So sehr dich Neid und Freunde drängen,
Den oft gegebnen Lehren nach.

Dort soll der jungen Vögel Schreyn
Die Botschaft meiner Sehnsucht seyn,
Und scherzt der West mit Kleid und Wangen,
So wiß und glaube sicherlich:
Er meldet dir mein heiß Verlangen
Und küst dich tausendmahl vor mich.
(S. 196-197)
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AN LEONOREN

ICH nehm in Brust und Armen
Den schweren Abschiedskuß.
Der Himmel hat Erbarmen,
Indem er trennen muß.
Ich küß, ich wein und liebe,
Mein treues Lorchen spricht,
Sie habe gleiche Triebe;
Wie aber, weint sie nicht?

Leonorens Antwort:
DU suchest ja dein Glücke,
Das hier wohl nicht mehr blüht.
Ich haße das Geschicke,
Das uns vonsammen zieht.
Ach, sähstu meine Schmerzen -
Ich schweige, werthes Licht;
Ich liebe dich von Herzen,
Und darum wein ich nicht.
(S. 198)
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AN LEONOREN

GEDENCK an mich und sey zufrieden
Mit dem, was Glück und Zeit bescheert;
Wir werden noch einmahl geschieden
Und scheinen solcher Prüfung werth.
Die wahre Treu erinnert dich:
Halt an, halt aus und denck an mich !

Gedencke der vergangnen Tage,
Wie manches Creuz, wie manche List,
Wie manche Lust, wie manche Plage
Bereits damit vergangen ist;
Gedenck an Altan, Hof und Herd,
Wobey sich dir mein Herz erklärt.

Gedenck an unser Abschiednehmen,
Insonders an die lezte Nacht,
In der wir mit Gebeth und Grämen
Die kurzen Stunden hingebracht;
Gedenck auch an den treuen Schwur,
Der dort aus deinen Lippen fuhr.

Gedenck an mich an jedem Morgen
Und wenn die Sonne täglich weicht,
Gedenck an mich bey Fleiß und Sorgen,
Mein Bildnüß macht sie süß und leicht.
Verlezt dich auch der Misgunst Stich,
Der beste Trost: Gedenck an mich.

Gedenck auch an die frohen Zeiten,
Die noch in Wuntsch und Zukunft sind;
Die Vorsicht wird uns glücklich leiten,
Bis Lieb und Treu den Kranz gewinnt.
Ein Augenblick vergnügter Eh
Bezahlt ein Jahr voll Angst und Weh.

Gedenck auch an mein heutig Küßen,
Es giebt der Hofnung frische Kraft,
Es wird dein Warthen trösten müßen,
Es nährt die alte Leidenschaft;
Doch denck auch endlich, liebstu mich,
Allzeit und überall an dich!
(S. 199-200)
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AN LEONOREN BEY DEM ANDERN ABSCHIEDE

DU daurest mich, du allerliebstes Kind.
Du fühlst mein Weh, ich leide deine Schmerzen,
Da Glück und Zeit so lange grausam sind
Und mit dem Flehn getreuer Seelen scherzen;
Du leidest viel, doch gieb der Treu Gehör:
Ich leide mehr.

Ich leide mehr, als jemand kan und glaubt,
Ich muß von dir, der Riß macht schwere Plagen;
Ich seh den Trost, den dir mein Abschied raubt,
So wird mein Herz auch zweyfach wund geschlagen,
Du liebest mich so wohl getreu als klug,
Das ist genug.

Das ist genug, die Unruh zu verstehn,
Die Lorchen kränckt und mich in ihr verzehret;
Ach, sollt ich bald davor zu Grabe gehn,
Ich würde wohl so heftig nicht beschweret.
Wer weis, was kommt! Vielleicht beschliest der Tod
Die lange Noth.

Die lange Noth ist dennoch nicht so starck,
Uns, werther Schaz, dem Geiste nach zu trennen.
Erwarth ich mir statt deiner Schoos den Sarg,
So soll mir doch der Neid den Nachruhm gönnen,
Daß leicht kein Mensch so rein als ich geliebt,
Obgleich betrübt.

Obgleich betrübt, jedennoch unverzagt.
Der Himmel zürnt, wer will mit diesem zancken ?
Wohin mich auch mein hart Verhängnüß jagt,
Da bleibest du ein Trostbild der Gedancken;
Wirst du mir nicht, so haß ich Lieb und Eh.
Nun, Kind, ich geh.

Nun, Kind, ich geh. Geh auch und nimm den Kuß
Wir martern nur einander durch dies Lezen.
Ich zwinge mich, den ungewißen Fuß,
Den du verweilst, Gott weis wohin zu sezen;
Das Unglück stürmt, die Lästrer stimmen ein,
Ergieb dich drein!

Ergieb dich drein! Es bliz auch nah und fern;
Ein schneller Wind kan leicht das Wetter ändern.
Mein Vaterland versagt mir Glück und Stern,
Dies blüht vielleicht in unbekandten Ländern.
Mein Fleiß ist froh, nur dich noch zu erhöhn,
Viel auszustehn.

Viel auszustehn und gleichwohl frey zu seyn,
Vermag kein Geist, den Lieb und Ruhm nicht stärcken.
Kind, gute Nacht! Mein Anblick mehrt die Pein,
Ich kan die Angst an Farb und Sprache mercken.
Sieh mich noch an und lebe wohl und sprich:
Du daurest mich.
(S. 201-202)
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AN SEINE LEONORE

BISTU denn noch Leonore,
Der so manch verliebter Schwur
(Sinne nach, bey welchem Thore!)
Unter Kuß und Schmerz entfuhr,
Ach, so nimm die stummen Lieder
Eben noch mit dieser Hand,
Die mir ehmahls Herz und Glieder
Mit der stärcksten Reizung band.

Durch dein sehnliches Entbehren
Werd ich vor den Jahren grau,
Und der Zufluß meiner Zähren
Mehrt schon lange Reif und Thau;
Meine Schwachheit, mein Verbleichen
Und die Brust, so stündlich lechst,
Wird des Kummers Siegeszeichen,
Der aus unsrer Trennung wächst.

Lust und Muth und Geist zum Dichten,
Feuer, Jugend, Ruhm und Fleiß
Suchen mit Gewalt zu flüchten
Und verlieren ihren Preis,
Weil der Zunder deiner Küße
Meinen Trieb nicht mehr erweckt
Und die Führung harter Schlüße
Ein betrübtes Ziel gesteckt.

Alle Bilder meiner Sinnen
Sind mir Eckel und Verdruß,
Da sie nichts als Gram gewinnen,
Weil ich dich noch suchen muß;
Nichts ergözt mich mehr auf Erden
Als das Weinen in der Nacht,
Wenn es unter viel Beschwerden
Dein Gedächtnüß munter macht.

Jedes Blat von deinen Händen
Ist ein Blat voll Klag und Weh,
Und ich kan es niemahls wenden,
Daß kein Stich ans Herze geh;
Die Versichrung leerer Zeilen
Giebt den Leibern wenig Kraft,
Welche Luft und Ort zertheilen.
O bedrängte Leidenschaft!
(S. 203-204)
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BEY DER WIEDERKUNFT DER NACHT AUF DEN 2. APRIL
1720. in Lauban

ACH, kan Natur und Jahr dich ja nicht ganz vermißen,
So schleich doch unvermerckt, du sonst beliebte Nacht,
Und las mich jezt nur nichts von Lust und Schweidniz wißen,
Bis daß ein beßrer Stern die Ankunft froher macht.

Ich bin ja nicht geschickt, dich würdig zu empfangen,
Ich kan dir nicht mit Wein wie sonst entgegen gehn;
Du siehst den Tempel an, er ist mit Flor umhangen,
Und vor den Perlenschmuck gesalzne Thränen stehn.

Ich kenne dein Verdienst so gut als meine Pflichten,
Du hast mir auf der Welt den grösten Wuntsch erfüllt,
Und da fast alles schwur, den Anschlag zu zernichten,
Mit Leonorens Gunst viel süße Furcht gestillt.

Der Sieg, den Höchstädt gab, gebahr viel Jubelpsalmen,
Doch dacht ich, als mein Flehn die Schönheit überwand:
Eugen und Marlborough, behaltet eure Palmen,
Die Liebe wirft sie mir viel reicher in die Hand.

Die Beute, so euch schmückt, ist oft verbannte Wahre,
Der Lorbeer und der Ruhm mit Blut und Zorn befleckt;
Ihr rühmt des Friedens Frucht, ja warthet wenig Jahre,
Wer weis, wie bald der Wurm in ihrer Blüthe steckt?

Mir flicht die Ehrligkeit die immer grünen Kränze,
Die Wollust kluger Treu ist über allen Werth,
Der frische Myrthenzweig, in dem ich heute glänze,
Verlacht den Bliz, der oft in eure Lorbeern fährt.

Die Hofnung triumphiert auf Leonorens Küßen,
Wozu der volle Mund bequeme Lippen trägt,
Von nun an ist sie mein und wird's auch bleiben müßen,
So lange sich noch Blut in beider Adern regt.

Die Ferne zeigt mir schon mein Paradies auf Erden,
Und ob es gleich mein Fleiß noch sieben Jahr verschiebt,
So sollen diese doch zu einzeln Tagen werden;
Was fällt wohl einem schwer, der solche Rahel liebt?

Sie wird mir auch entfernt die Sorgen leichter machen,
Ihr Bildnüß wird ein Trost zu Kunst und Weißheit seyn,
Und wenn Vernunft und Sinn bey klugen Schriften wachen,
Den Geistern und der Lust viel Nahrungssaft verleihn.

Gelang ich auch hernach zum vorgesteckten Ziele,
So wird mein süßer Lohn in ihrem Schooße ruhn;
Da soll die Zärtligkeit von unserm Liebesspiele
Der Jugend Blumen streun, dem Alter gütlich thun.

Schau, seegensvolle Nacht, wie viel du mir gewonnen;
Doch glaube dies dabey, du kommst mich hoch zu stehn.
Was hab ich nicht geseufzt, gedichtet und gesonnen,
Wie ofters must ich nicht zu Bette wachen gehn!

Und durft ich auch darum nicht erst Philister schlagen,
Noch dies mein goldnes Vlies von Drachenglut befreyn,
Ich muste dennoch wohl viel schwere Streiche wagen;
Wer kennt, was Lieben ist, der weis auch deßen Pein.

Was ist es nicht vor Qual, drey Vierthel Jahr zu schweigen,
Wenn Gegenwart und Wort die stumme Lieb erhizt,
Wie viel bedarf es Kunst, die Flammen recht zu zeigen,
Was fühlt man, wenn das Kind dem andern näher sizt!

Jedoch ein Augenblick macht aller Müh vergeßen;
Ja, seegensvolle Nacht, dies that dein Augenblick.
Ich kan das süße Wort nicht oft genug ermeßen:
Behalt, mein Kind, das Herz, ich will es nicht zurück,

O seegensvolle Nacht, nun zieh ich dir zu Ehren
Den Mond der Sonne vor, so blaß er immer scheint;
Dein Schatten müße nichts von Mord und Schröcken hören,
Und was gebohren wird, das sey dem Glück vereint!

Dein helles Abendroth begleit' ein froher Morgen,
Dein Thau sey Engelbrodt, dein Einfluß Fruchtbarkeit;
Es schände dich kein Geiz mit ungerechten Sorgen,
Dein Denckmahl dringe sich durch aller Zeiten Zeit!

Dein freundlicher April sey Herr von seines gleichen!
Verliebte, zehlt von ihm des Jahres Circkellauf!
Er las ihm Herbst und Lenz Geschmack und Farben reichen
Und thu dem Nahmen nach des Jahres Vorrath auf!

Nach jener, die vordem das Licht der Welt gegeben,
Bist du mir allemahl die schönste Finsternüß;
O warum fing ich doch in dir nicht an zu leben!
Es war ein kurzer Raum, der diesen Wuntsch zerriß.

Ich feyre Jahr vor Jahr in dir das Fest des Bundes
Und opfre, was und wie Gelübd und Recht versprach,
Mit Bechern auf das Heil des allerliebsten Mundes,
Aus dem das freye Ja mit keuschem Zittern brach.

Nur heuer weis ich dich nicht würdig zu empfangen,
Hier, wo ich Fremdling bin und Noth Calender macht;
Das Glücke sündigt nur, nicht aber mein Verlangen,
Drum schleich nur unvermerckt, du sonst beliebte Nacht!
(S. 205-207)
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ALS ER SIE MIT EINER BITTE BESCHWERTE

ICH thu vor diesmahl was, das mir noch weher thut,
Als wenn ich mich gleich selbst ins Herze stoßen müste;
Du Himmel weist es wohl, wenn die es gleich nicht wüsste,
Die jezt mein Wuntsch beschwert und die mein treues Blut
Vielleicht zwar etwas kennt, doch noch nicht recht erkennet,
Daß kein genieslich Docht bey meiner Liebe brennet.

Indeßen, da die Noth das Eußerste befiehlt,
Zu wem soll ich wohl sonst die lezte Zuflucht nehmen,
Da Eltern, Freund und Neid mich überall beschämen
Und so viel Ärgernüß mit meinen Thränen spielt?
Und würd auch dir, mein Kind, mein redlich Herz verdächtig,
So faß ich mich hiermit: Der Himmel ist noch mächtig.

Die Schwermuth schlägt die Feder hin
Und schreibt nichts mehr als: Leonore !
Gedenck an Sehweidniz, Roschkwiz, Bore;
Dies, was ich dort gewesen bin,
Das werd ich ewig seyn und bleiben.
Und läst mich auch zulezt dein Herz,
So soll vor deinen Kuß der Schmerz
Mir noch den kurzen Rest der Zeit mit Lust vertreiben.
(S. 208)
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Alle Gedichte aus: Johann Christian Günthers Sämtliche Werke.
Erster Band: Liebesgedichte und Studentenlieder in zeitlicher Folge
Sechs Bände historisch-kritische Gesamtausgabe herausgegeben von Wilhelm Krämer
Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1964


siehe auch Teil 1 Teil 2 Teil 4


 

 


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