Johann Christian Günther (1695-1723) - Liebesgedichte

Johann Christian Günther



Johann Christian Günther
(1695-1723)

 

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 





AN LEONOREN

MEIN Kummer weint allein um dich,
Mit mir ist's so verloren,
Die Umständ überweisen mich,
Ich sey zur Noth gebohren.
Ach, spare Seufzer, Wuntsch und Flehn,
Du wirst mich wohl nicht wiedersehn
Als etwan in den Auen,
Die Glaub und Hofnung schauen.

Vor diesem, da mir Fleiß und Kunst
Auf künftig Glücke blühte
Und mancher sich um Günthers Gunst
Schon zum Voraus bemühte,
Da dacht ich, wider Feind und Neid
Die Palmen der Beständigkeit
Mit selbst erworbnem Seegen
Dir noch in Schoos zu legen.

Der gute Vorsaz geht in Wind;
Ich soll im Staube liegen
Und als das ärmste Findelkind
Mich unter Leuten schmiegen.
Man läst mich nicht, man stöst mich gar
Noch stündlich tiefer in Gefahr
Und sucht mein schönstes Leben
Der Marter preiszugeben.

So wird auch wohl mein Alter seyn
Ich bin des Klagens müde
Und mag nichts mehr gen Himmel Schreyn
Als: Herr, nun las im Friede!
Kraft, Muth und Jugend sind fast hin,
Daher ich nicht mehr fähig bin,
Durch auserlesne Sachen
Mir Gut und Ruhm zu machen.

Nimm also, liebstes Kind, dein Herz,
O schweres Wort, zurücke
Und kehre dich an keinen Schmerz,
Womit ich's wiederschicke;
Es ist zu edel und zu treu,
Als daß es mein Gefehrte sey
Und wegen fremdet Plage
Sein eignes Heil verschlage.

Du kanst dir durch dies theure Pfand
Was Köstlichers erwerben,
Mir mehrt es nur den Jammerstand
Und läst mich schwerer sterben;
Denn weil du mich so zärtlich liebst
Und alles vor mein Wohlseyn giebst,
So fühl ich halbe Leiche
Auch zweyfach scharfe Streiche.

Ich schwur vor diesem: Nur der Tod,
Sonst soll uns wohl nichts trennen;
Verzeih es jezo meiner Noth,
Die kan ich dir nicht gönnen;
Ich liebe dich zu rein und scharf,
Als daß ich noch begehren darf,
Daß Lorchen auf der Erde
Durch mich zur Wittwen werde.

So brich nur Bild und Ring entzwey
Und las die Briefe lodern;
Ich gebe dich dem ersten frey
Und habe nichts zu fodern.
Es küße dich ein andrer Mann,
Der zwar nicht treuer küßen kan,
Jedoch mit größerm Glücke
Dein würdig Brautkleid schmücke.

Vergiß mich stets und schlag mein Bild
Von nun an aus dem Sinne;
Mein leztes Wüntschen ist erfüllt,
Wofern ich dies gewinne,
Daß mit der Zeit noch jemand spricht:
Wenn Philimen die Ketten bricht,
So sind's nicht Falschheitstriebe,
Er hast sie nur aus Liebe.
(S. 209-211)
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LEONORENS ANTWORT

ACH, liebster Schaz, verdient mein Herz,
So hart versucht zu werden?
Es leidet ja wohl anderwärts
Vorhin genug Beschwerden;
Und dennoch fehlt ihm niemahls Lust,
Erlaub ihm nur in deiner Brust
Auf kurz genoßne Freuden
Die Ehre mit zu leiden.

Ich hab es ja nur dir geschenckt,
Nicht aber deinem Glücke;
Du irrst dich, wo dein Argwohn denckt,
Ich fluche dem Geschicke.
Ich weine zwar, doch blos um dich;
Der Trost ist starck genug vor mich,
Wenn Philimen erkennet,
Wie rein die Flamme brennet.

Auch mir hat ja wohl die Natur
Kein Holz vor Fleisch gegeben.
Dein Umgang half mir auf die Spur,
Der Weißheit nachzustreben.
Du hältst mich schwächer als ich bin;
Ich schleiche zwar in Einfalt hin,
Doch weis ich Lust und Plagen
Schon mit Vernunft zu tragen.

Ich bin auch zärtlich, wie du weist,
Ich zittre bey den Schlägen;
Besinnt sich aber nur mein Geist,
Ich leide deinetwegen,
So bin ich tapfrer als ein Weib;
Es koste Güter, Ruh und Leib
Ich will mich allen Fällen
Beherzt entgegenstellen.

Kein andrer traut mir freylich zu,
Du kanst und must es glauben,
Nichts soll mir meine Seelenruh
In deiner Liebe rauben.
Bedenck es selbst, was macht ein Kuß,
Den oft die Unschuld leiden muß ?
Ich kan's gleichwohl nicht wagen,
Dir einen zu vertragen.

Bleib wo, wie lang und wer du wilst,
Nur lieb und bleib mein Eigen;
So wenig du auch jezo giltst,
So plözlich kanstu steigen.
Gesezt, es sey dir nichts bescheert,
Ach, halt mich deines Elends werth;
Ich will mit viel Vergnügen
Bey dir in Hütten liegen.

Der Geiz besizt nicht, was er hat,
Uns läst die Armuth lachen;
Die Liebe weis die Lagerstatt
Auf Rasen weich zu machen.
Mein Herz sucht manches zu verstehn,
Da will ich erst zur Schule gehn
Und unter deinen Lehren
Viel fremde Wunder hören.

Da soll mir dein beredter Fleiß
Mit untermengten Küßen,
Mit Sachen, die er meint und weis,
So Tisch als Traum versüßen;
Da werd ich viel, was längst geschehn,
Mit lüstern Ohren wiedersehn
Und auch wohl an den Sternen
Des Schöpfers Allmacht lernen.

Geht hin, ihr Docken stolzer Welt,
Macht höhnische Gesichter,
Erfreut euch unter Stand und Geld,
Ich habe meinen Dichter.
Er liebt wie ich und ich wie er,
Was macht mir mehr das Herze schwer?
Die Möglichkeit, das Leben
Nach ihm erst aufzugeben.

Verdien ich ja noch diese Qual
Mit unerkandten Sünden,
So soll die Welt im Hospital
Mich wohl nicht weiter finden;
Da soll mein Herz dein Leichenstein
....................................................
....................................................
....................................................
(S. 212-214)
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AN LEONOREN,
ALS SIE SICH BETRÜBTE, DASZ LEUTE IHRES GE-
SCHLECHTS DES STUDIRENS BERAUBT WÄREN,
UND DAHERO EINE DEUTSCHGESCHRIEBENE ANLEITUNG
ZU DEN HÖHERN WISZENSCHAFTEN
VON GOTT UND DEM WELTGEBÄUDE VERLANGTE

BEGEHRE nicht so viel zu hören;
Wer wenig weis, der sündigt schlecht,
Der Umfang unsrer Weißheitslehren
Ist nicht vor jeden Kopf gerecht.
Die Warheit schadet viel Gemüthern
Wie blöden Augen scharfes Licht;
Behilf dich mit geringern Gütern,
Zu diesem Schaze kommst du nicht.

Du kanst gleichwohl zufrieden leben
Und einmahl froh zu Grabe gehn
Und brauchst, ach glaube doch, nicht eben
Den hohen Leibniz zu verstehn.
Du hast genung vor dein Geschlechte,
Nachdem dein lobenswerther Fleiß
Die Wirthschaft und des Höchsten Rechte
So wie des Umgangs Regeln weis.

Verrichte nur dein Amt mit Freuden,
Mit Zuversicht auf Gottes Schuz;
Kommt ohngefehr ein schweres Leiden,
So bieth ihm mit der Hofnung Truz.
Verliere nie den wahren Glauben,
Er dient dir zur Gerechtigkeit,
Und wenn dich lose Mäuler schrauben,
So siege mit Gelaßenheit.

Ein klug- und thätiges Erbarmen
Kan wider Sünd und Fluch bestehn;
Las, wenn du kanst, nicht einen Armen
Betrübt und hülflos von dir gehn.
Vergieb und habe mit den Schwachen
So viel als mit dir selbst Gedult;
Will Glück und Wetter gar nicht lachen,
So sey dein Trost: Ich bin nicht schuld.

Ergöze dich mit Hofnungsblicken
An jenes Lebens Lust und Pracht;
Dort wird dich andre Schönheit schmücken
Als die, so hier dich lieblich macht.
Dort wirstu nicht mehr Stückwerck wißen,
Du wirst der Wunder Ursprung sehn,
Dort werd ich dich noch reiner küßen,
Als niemahls unter uns geschehn.

So wird dein Wandel auf der Erden
Gott und der Welt gefällig seyn.
Was nie genug gelernt kan werden,
Das prägt man nie zu häufig ein;
Darum ermahnt dich meine Liebe:
Gedencke fleißig an den Tod,
Empfang ihn mit gelaßnem Triebe
Und seufze dies in lezter Noth:

Hier lieg ich, großer Gott, und schwize
Das Waßer meines Unrechts aus;
Ich fühle deines Eifers Hize,
Sie kehrt den Leib in Asch und Graus.
Es plagen Satan und Gewißen;
Herr, geh nicht zornig ins Gericht;
Du thatest mir dein Wort zu wißen,
Ich glaubte, mehr vermocht ich nicht.

Ich habe nach dem kleinen Maaße
Von Geist, Erfahrung und Verstand
Den Weg der engen Himmelsstraße
So weit beschritten als erkand.
Verdien ich keine Gnadenblicke,
So sieh doch, eh du mich verbannst,
Vorher auf Golgatha zurücke
Und dann verstoß mich, wenn du kanst.
(S. 215-217)
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AUF DIE MORGENZEIT BEY ERINNERUNG
LEONORENS
Den 10. Jul. 1720

ICH seh dich zwar, du angenehmer Morgen,
Und zwar nicht sonder Zärtligkeit,
Und diese zwar zu Lust und Leid
Vergangner Ruh und gegenwärtger Sorgen;
Denn wenn bey deinem Blick mir ins Gedächtnüß fällt,
Wie oft dein holder Stern auf Leonorens Wangen
Durch seinen Widerschein mir doppelt aufgegangen,
So fühl ich einen Trost, der Noth und Kummer hält.

Ich lies den Schlaf vergebens auf mich warthen,
Und wenn mein Fleiß die finstre Nacht
Mit Kuß und Büchern zugebracht,
So zogstu mich gleichwohl noch in den Garthen;
Da träufelte mir erst das süße Mannabrodt
Noch reicher als dein Thau vom allerliebsten Munde,
Da macht ich oftermahls mit unserm süßen Bunde,
Ich glaub aus Eifersucht, Auroren noch so roth.

Dies war ein Rest der ehmals güldnen Zeiten,
Die blos die Liebe wieder schenckt,
Die Liebe, so auf nichts gedenckt,
Als durch die Bahn des Lebens froh zu schreiten.
Da hatt ich noch ein Herz, dem kont ich mich vertraun,
Da scheut ich keinen Fall, der unser treu Gespräche
Durch Argwohn oder Neid und Lügen unterbräche;
Da sprach ich oft mit Recht: Hier last uns Hütten baun!

Da sagt ich ihr die heimlichsten Gedancken,
Und was auch ihr von Freud und Gram
Sonst niemahls auf die Zunge kam,
Das brach vor mir des Herzens enge Schrancken;
Die Geister übten sich bey selbst gelaßner Ruh,
An Scherz und Redligkeit einander zu besiegen,
Die Leiber wusten auch ihr Theil davon zu kriegen
Und sazten durch den Kuß einander feurig zu.

Ach Schweidniz, ach du Bild von Salems Thoren,
Du Lustplaz meiner jungen Zeit;
Die sich den Musen ganz geweiht,
Was hab ich nicht mit dir vor Fried und Heil verloren !
Ich seh durch Thrän und Angst, und sieh, du bist nicht da,
Des Tages tausendmahl mit größrer Angst zurücke
Als jen gefangnes Volck, das mit betrübtem Blicke
Die Gegend Canaans aus Babels Fenstern sah.

Jezt hab ich nichts, Verdruß und Angst zu stillen,
Als etwan die Verzweiflungslust;
Jedoch was quäl ich selbst die Brust ?
Verliert euch nur, ihr angenehmen Grillen,
Verliert euch, bis mir einst ein beßrer Glücksstern scheint.
Jezt will ich durch Gefahr mit Fleiß und Hofnung wagen;
Zwey Pfeiler helfen mir die schwere Bürde tragen:
Die Vorsicht in der Höh und hier mein treuer Freund.
(S. 218-219)
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DER KLAGENDE LIEBHABER

DAMIT genung! Es ist vergebens.
In Einsamkeit
Begehrt mein Leid
Den Schluß des schweren Lebens.
Mein treues Lieben
Bringt nur Betrüben
Und schliest mich mit der stummen Pein
Hier zwischen Berg und Thäler ein.

Den sanften West bewegt mein Klagen,
Es rauscht die Bach
Den Seufzern nach
Aus Mitleid meiner Plagen;
Die Vögel schweigen,
Um nur zu zeigen,
Daß deine schöne Tyranney
Auch Thieren überlegen sey.

Was soll ich thun ? Was soll ich bitten ?
Um Hülf in Noth?
Nein, um den Tod.
Den hab ich längst erlidten;
Denn bey dem Triebe
Verworfner Liebe
Stirbt jeder mit vermehrter Qual
Des Tages mehr als tausendmahl.

So sterb auch ich; ja, wenn ich stürbe,
So wüst ich doch,
Daß dies mein Joch
Zugleich mit mir verdürbe;
Ich läg und schliefe
In jener Tiefe,
Wo keine Last, die mich bedeckt,
Das ungebohrne Volck erschröckt.

Wer sagt mir, ob und wo ich lebe?
Mein Kind, in dir,
Um das ich hier
Mein Blut dem Kummer gebe,
Mein Blut vom Herzen,
Das in den Schmerzen,
Die dein verstockter Sinn ernährt,
Sich durch und in sich selbst verzehrt.

Ich sage viel; doch, Engel, wiße,
Ich dencke mehr.
Gieb noch Gehör
Und stärcke mich durch Küße!
Sonst bringt mein Sterben
Auch dein Verderben
Durch dieses tief geholte Weh,
Mit dem ich gleich zur Grube geh.
(S. 220-221)
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ALS ER IM GARTHEN MIT IHR SPAZIEREN GIENG
Vratislaviae, d. 10. August. 1720

ACH, liebstes Lenchen, sähstu hier
Mein Herz im Blute wallen,
Ich weis vorwahr, es würde dir
Sogar sein Schmerz gefallen;
Denn dieser kommt aus Zärtligkeit
Und aus der . . . Liebe,
Womit ich mich bey . . . . Zeit
Um deine Qual betrübe.

Ich soll dich in der . . . . . . . . . .
Bey fremden Leuten laßen;
Der Himmel sende doch die Zeit,
Dich glücklich zu umfaßen.
Die andern, so mit mir studirt,
Erlangen Ruhm und Glücke,
Und ob mir eben das gebierth,
So bleib ich weit zurücke.

Es thut mir deinetwegen weh
Und macht mich ganz zu Schanden,
Sodaß ich wie im Traume geh,
Kein Scherz ist mehr vorhanden.
Das Feuer läst in Adern nach,
. . . Muth und Kräfte schwinden,
Da Laster, . . . . . . Schmach
Mich allenthalben binden.
Was that dein liebstes Herze nicht
Um meinetwillen tragen,
. . . . . . . . . . . . . mir geschicht,
. . . . . . . . Plagen.
Was hab ich dir nicht vor Gefahr
In Zedliz aufgeladen,
Allwo dein . . . . . Labsahl war,
Mein Unrecht auszubaden.

Ach . . . . . . . . . . tausendmahl
Vor deine Liebe sterben,
So würd ich doch . . . . solche Qual
Kein danckbar Lob erwerben,
Denn wie ich überwiesen bin,
So bleibstu noch mein Eigen
Und läst mir deinen frommen Sinn
So viele Neigung zeigen.

Ach, Engel, ich empfinde noch
In . . . . Lust zum Leben
Und will mir . . . das süße Joch
Von deiner Liebe geben.
. . . . . . . . . . . . . .

....................................
.....................................
....................................
Ich traute mir, bey Salz und Brodt
Die Fürsten auszulachen
Und in der eußerlichen Noth
Ein Eden . . . . machen;
Ich weis auch, daß ich alles Weh
Im Augenblick vergäße,
Wofern ich nur ............. Eh
Dich kurze Zeit besäße.
(S. 222-223)
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LEONORENS ANTWORT

SO soll mich auch durchaus nichts kräncken,
Es geh mir noch so wunderlich;
Ich muß in aller Noth gedencken:
Der Himmel thut's und prüfet dich;
Er ist ein Vater, der zwar schlägt,
Doch auch nicht ewig Ruthen trägt.

Wir Menschen können unser Glücke
Unmöglich allzeit selbst verstehn,
Wir fallen in Gefahr und Stricke,
So oft wir vor uns selber gehn;
Wir wehlen falsch und wandeln blind,
So oft wir ohne Creuze sind.

Ein ruhig Herz und rein Gewißen
Wird doch von außen nicht verstört;
Daß treue Seelen leiden müßen,
Das wird wohl überall gehört,
Doch daß sie niemahls Hülfe sehn,
Das sieht man nimmermehr geschehn.

Die Spötter thun mir freylich bange,
Man sezt mir ein gefehrlich Ziel,
Die Wetter stehn so schwer als lange,
Der Trauernächte werden viel;
Jedoch Gedult, Vernunft und Zeit
Versprechen Palmen auf den Streit.

Wer weis, wie bald mein Glücke steige,
Es kan mir unverhoft noch blühn;
Die Großmuth, so ich stets bezeige,
Muß durch Gefahr dem Feind entfliehn.
Ein treuer Gott und kluger Mann
Macht, daß man alles dulden kan.

Mein Leben wird noch um das Ende
Ein Himmel voll Vergnügung seyn;
Die Hofnung reicht mir schon die Hände,
Die keusche Liebe stimmt mit ein:
Geht, Winde, bringt den stillen Kuß
Dem, der mir bleiben will und muß.
(S. 224-225)
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WILL ich dich doch gerne meiden,
Gieb mir nur noch einen Kuß,
Eh ich sonst das Lezte leiden
Und den Ring zerbrechen muß.
Fühle doch die starcken Triebe
Und des Herzens bange Qual!
Also bitter schmeckt der Liebe
So ein schönes Henckermahl.

Las dich etwas Beßers küßen,
Alles gönn und wüntsch ich dir;
Aber frag auch dein Gewißen,
Dieser Zeuge bleibet mir.
Lerne doch nur weiter dencken:
Dörft es dich auch einmahl reun?
Dörft auch mein verstoßnes Kräncken
Deines Ehstands Hölle seyn?

Sieh, die Tropfen an den Bircken
Thun dir selbst ihr Mitleid kund;
Weil verliebte Thränen würcken,
Weinen sie um unsern Bund.
Diese zährenvolle Rinden
Rizt die Unschuld und mein Flehn,
Denn sie haben dem Verbinden
Und der Trennung zugesehn.

Dieses rührt die todten Bäume,
Dich, mein Kind, ach, rührt es nicht;
Aber daß ich mich noch säume,
Da dein Scheiden gar nichts spricht,
Gönnt mir doch, ihr holden Lippen,
Eine kurze gute Nacht,
Eh der Traum an solchen Klippen
Mein Gemüthe scheitern macht.

Gute Nacht, ihr liebsten Armen!
Meiner Glieder Müdigkeit
Wird nicht mehr in euch erwarmen;
Ach, wie quält die alte Zeit!
Gute Nacht, ihr schönsten Brüste,
Macht nun andre Hände voll;
Jezo geh ich in die Wüste
Wo mein Elend schlafen soll.

In den Wäldern will ich irren,
Vor den Menschen will ich fliehn,
Mit verwaisten Tauben girren,
Mit verscheuchtem Wilde ziehn,
Bis der Gram mein Leben raube,
Bis die Kräfte sich verschreyn,
Und da soll ein Grab voll Laube
Milder als dein Herze seyn.

Kan ich dich an Treu beschämen,
Will ich noch dein Conterfey
In dem Tod ans Herze nehmen,
Daß er recht beweglich sey;
Sieht es niemand von den Leuten,
Sieht es doch der Himmel an,
Der dich bey gelegnen Zeiten
Wohl damit noch strafen kan.

Wirstu einmahl durch die Sträuche
Halb verirrt spazieren gehn,
Ey, so bleib bey meiner Leiche
Nur mit andern Augen stehn;
Zeige sie dem neuen Schaze,
Der dir das Geleite giebt,
Und vermeld ihm auf dem Plaze:
Dieser hat mich auch geliebt.

Ach, wo bleibt ihr theuren Schwüre?
Ach, wo ist dein treuer Sinn,
Den ich schmerzlicher verliere,
Als ich selbst gebohren bin?
Nimm das lezte Sehnsuchtszeichen;
Nun, mein Kind, besinne dich!
Dieses kan dich nicht erweichen,
Nimm es und gedenck an mich.
(S. 226-228)
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ALS LEONORE DIE UNTERREDUNG EILIGST UNTER
BRECHEN MUSTE

NACH vieler Müh und Zeit und Schmachten,
Die warlich nicht gering zu achten,
Kam einmahl auch ein Augenblick
Der alt- und edlen Zeit zurück.
Ich küste Leonorens Wangen,
Doch eh ich noch die Hand,
Sie gänzlich zu empfangen,
Gewand,
So fiel der neunte Seigerschlag
Sowohl in Herz als Ohren.
Ach, sprach sie, Kind, ich bin verloren
Denn daß ich jezt nicht bleiben mag,
Das thut Befehl und Zeit, die Vögel abzufüttern.
Sie küste mich noch halb und lief mit Zittern;
Ich aber schrie:
Ach Himmel, hältstu uns doch härter als das Vieh!
(S. 229)
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AN SEINE LEONORE

HIER hastu nun den dritten Schwur,
Wodurch ich Himmel und Natur
Zu Zeugen unsres Bundes seze;
Bleib treu, getrost und achte nicht,
Wenn manche Lästerzunge sticht,
Der falschen Freunde Mordgeschweze.

Das Glücke hält uns freylich auf,
Doch las ihm nur den faulen Lauf,
Es sucht fein langsam auszurasen.
So starck der Nord sich hören läst,
So zärtlich wird auch bald der West
In unsre Liebesflaggen blasen.

Die Weltlust zeigt mir nichts mehr an,
Worein ich mich verlieben kan,
Als dein Gesicht und meine Baare;
Bekomm ich nun das erste nicht,
So las ich freudig Tag und Licht
Auch mitten um die besten Jahre.

Ich fühl am besten innerlich
So manchen tiefen Herzensstich
Und bin schon ziemlich umgetrieben;
Doch will mir Gott genädig seyn,
So läst er mich nach aller Pein
Dich einmahl noch und sicher lieben.

Vertrau der Vorsicht, liebster Schaz,
Sie wird uns einen Ruheplaz,
Es sey auch wo es will, bereiten;
Alsdenn belachen wir mit Lust
Aus froh- und eintrachtsvoller Brust
Die Thorheit unsrer bösen Zeiten.

Besinne dich, was Schweidniz wies:
Von innen zwar ein Paradies,
Von außen Unruh, Zanck und Plagen;
Und kommt dir Roschkwiz in den Sinn,
So denck auch dort nach Borau hin,
Wo mich dein Abschied wund geschlagen.

Sobald des Bruders Hochzeitsfest
Dich bey der Tafel lachen läst,
So trinck mein Wohlseyn in Gedancken,
Und wenn dir der Verlobten Kuß
Zu stiller Reizung dienen muß,
So wiße: Günther kan nicht wancken.

Es hat mich innerlich ergözt,
Daß Lorchen meine Lieder schäzt
Und dann und wan noch Lieder fodert;
Dein Nahme soll auch ganz allein
Die Zierrath meiner Reime seyn;
In welchen unsre Liebe lodert.

Mein Engel, nimm es selbst aus dir,
Wie schwer, wie scharf und ängstlich mir
Dein drittes Abschiedsküßen falle;
Jedoch Gedult, Vernunft und Zeit
Crönt endlich die Beständigkeit
Und schenckt uns Zucker auf die Galle.

Nun gute Nacht, du treues Kind!
Es wird noch mancher saurer Wind
Mir künftig in das Antliz streichen;
Doch darum mache dir nicht Schmerz,
Dein Angedencken stärckt mein Herz
Und bleibt mein festes Hofnungszeichen.
(S. 230-231)
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AN LEONOREN

GEDENCK an mich und meine Liebe,
Du mit Gewalt entrißnes Kind,
Und glaube, daß die reinen Triebe
Dir jezt und allzeit dienstbahr sind
Und daß ich ewig auf der Erde
Sonst nichts als dich verehren werde.

Gedenck an mich in allem Leiden
Und tröste dich mit meiner Treu!
Die Luft mag jezt empfindlich schneiden,
Die Wetter gehn doch all vorbey,
Und nach dem ungeheuren Knallen
Wird auch ein fruchtbahr Regen fallen.

Gedenck an mich in deinem Glück,
Und wenn es dir nach Wuntsche geht,
So seze nie den Freund zurücke,
Der blos um dich in Sorgen steht!
Auch mir kan bey dem besten Leben
Nichts mehr als du Entzückung geben.

Gedenck an mich in deinem Sterben;
Der Himmel halte dies noch auf,
Doch sollen wir uns nicht erwerben
Und zürnt der Sterne böser Lauf,
So soll mir auch das Sterbeküßen
Die Hinfahrt durch dein Bild versüßen.

Gedenck an mich und meine Thränen,
Die dir so oft das Herz gerührt
Und die dich durch mein kräftig Sehnen
Zum ersten auf die Bahn geführt,
Wo Kuß und Liebe treuer Herzen
Des Lebens Ungemach verschmerzen.

Gedenck auch endlich an die Stunde,
Die mir das Herz vor Wehmuth brach,
Als ich wie du mit schwachem Munde
Die lezten Abschiedsworte sprach;
Gedenck an mich und meine Plagen !
Mehr will und kan ich jezt nicht sagen.
(S. 232-233)
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DIE VERLIEBTE GEDULT

Aria
SEY immerhin der Hand entrißen,
Im Herzen bleistu dennoch mein.
Das Glücke mag das Bündnüß brechen.
Die Schickung mag mir widersprechen
Ich troze noch ihr künftig Nein
Und will dich stets im Bilde küßen.
Da Capo.

Recitat
Ach Kind!
Ach frage nur den Wind,
Wie viel und naße Klagen
Sein müder Flug nach Anklam hingetragen,
Seitdem ein harter Schluß
Dich anderwärts verbunden.
Dies ist der Brunnquell tiefer Wunden,
Woran ich Krancker seufzen muß,
So lang ich Blut und Adern fühle.
Ja, wäre hier
Die Vorsicht nicht im Spiele,
So würd ich dir,
So würd ich deiner Untreu fluchen
Und etwan so die Rache suchen:

Aria
Erzürnt euch, ihr Geister der höllischen Klüfte,
Eröfnet den Abgrund und schwefelt die Lüfte
Und zündet die Fackeln der Eifersucht an!
Bestraft nur die Falsche und weckt ihr Gewißen
Und last sie durch Feuer und Peinigung wißen,
Es werde kein Meineid vergebens gethan.
Da Capo.

Recitat
Dergleichen Hochzeitseegen
Begrüste deinen Wanckelmuth,
Verstünd ich nicht, was Gottes Finger thut.
Allein der Liebe wegen,
Womit du mich so hoch geschäzt,
Womit du mich so oft ergözt,
Erlas ich dir die Schuld,
Worein dich das Verhängnüß führet.
Ich werde zärtlich scharf regieret,
Doch leid ich mit Gedult
Und stelle mir die alten Zeiten
Zum Troste dieses Kummers vor.
Mich deucht, es hört mein Ohr
Die angenehme Stimme rufen,
Mich deucht, ich sehe deine Stufen
Mit mir spazieren gehn.
Du bist mir jezt noch schön,
Du strahlst mir noch entfernt ins Auge,
So daß ich frischen Zunder sauge,
Wenn Schlaf und Nacht
Gedancken zollfrey macht
Und Träume deinen Abriß bringen,
Mit dem ich bis an Morgen ringen
Und sicher spielen kan,
So daß dein neuer Mann
Kein Wort von unsrer Lust erfährt;
Gewis, die Lust ist schlafenswerth.

Aria
Dies Betriegen
Zeigt Vergnügen
Und erhält den ersten Trieb;
Kan ich dich nicht würcklich küßen,
Muß ich Mund und Warheit mißen,
Hab ich auch den Schatten lieb.
Da Capo.

Recitat
So bleiben Funcken in der Asche,
So rostet alte Liebe nicht;
Denn daß ich mein Gesicht
So oft mit Thränen wasche,
Das macht dein köstlicher Verlust.
Vertragen sich drey fromme Herzen
In einer Brust,
So mindre meine Schmerzen
Und las mir jezt zur Ruh
Auch dort ein Räumchen zu,
Wo jezt dein Liebster Plaz genommen;
Ich will ihm nicht zu nahe kommen.
Die Hälfte mag sein Eigen seyn,
Ich nehme nur das Drittel ein,
Und dies mit gutem Rechte,
Dieweil mein Fuß zu deiner Lagerstatt
Den nechsten Anspruch hat,
Und weil ich hier schon Rosen abgelesen,
Eh seiner noch gedacht gewesen.
Es trift mich, wie gesagt, zwar scharf,
Doch mag ich deine Ruh nicht stören,
Und was ich nicht besizen darf,
Das will ich still und ewig ehren.

Aria
Bis die schwere Zunge stammlet,
Bis mich ein gedrungnes Haus
Zu der Väter Beinen sammlet,
Sprech ich deinen Nahmen aus.
Deine Schönheit, dein Gemüthe,
Deine Tugend, deine Güte
Soll mit mir zu Grabe gehn.
Dich nur wieder zu umfangen,
Will ich, wenn die Welt vergangen,
Noch so rüstig auferstehn.
Da Capo.
(S. 234-236)
_____



PHILIS
(JOHANNA BARBARA LITTMANN)
Bischdorf Winter 1720/21 - Liegnitz Oktober 1721

FLIEHT nur, ihr verwaisten Küße,
Zu der Schönsten Lippen hin,
Sagt ihr, daß ich fast nicht wiße,
Was ich mache, wo ich bin;
Seit ich ihren Mund entbehre,
Mangelt mir des Lebens Lust,
Und des Abschieds lezte Zähre
Würckt noch Seufzer aus der Brust.

Ach, mein Engel, wenn ich dencke,
Daß du mir dein Herz verliehn,
O so läst mir dies Geschencke
Endlich neue Rosen blühn.
Ich verachte Neid und Tücke
Derer, die mich schon verschmähn,
In der Hofnung, einst mein Glücke
Blos auf deiner Schoos zu sehn.

Dein Verstand und artig Wesen
Und die feuerreiche Brust,
Die ich mir zur Ruh erlesen,
Macht mir alles Creuz zur Lust.
Glaube, Kind, ich geh auf Erden
Schon durch dich in Himmel ein,
Und du solt auch in Beschwerden
Meines Lebens Stärckung seyn.

Las die Misgunst immer höhnen,
Denn der Seegen aus der Höh
Wird uns ihr zu Troze crönen,
Daß ihr Fluch zu Schanden geh.
Bleib beständig und verschwiegen
Und verbanne Gram und Leid;
...............................................
................................................
(S. 239)
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AN SEINE GELIEBTE

MEHR sag ich jezo nicht, galant- und kluges Kind,
Als daß die Redligkeit, die stets den Preis gewinnt,
Mir jezt und allemahl so Kiel als Zunge rühre,
So oft ich deinen Ruhm der Welt vor Augen führe.
Drum glaube, was du wilt, ich sage, was ich muß,
Und wollte glücklich seyn, wofern des Himmels Schluß
Mir, der ich auf der Welt nach Ruh und Frieden strebe,
Ein Kind von deiner Art in Herz und Armen gäbe.
Wo Reiz und Zärtligkeit in netten Gliedern sizt,
Wo Feuer und Verstand die volle Brust erhizt
Und Übung und Natur die edle Seele zwingen,
Die angenehme Treu ins Heiratsgut zu bringen,
Da fällt allein die Wahl von meiner Sehnsucht hin,
Da hängt, da bleibt und schwört mein unverfälschter Sinn,
Die Feßel keuscher Glut bis an das Grab zu tragen.
O höchst vergnügte Last! Man flucht in unsern Tagen
Auf lauter schwere Zeit und rühmt die alte Welt
Blos darum, weil man dort noch sonder Neid und Geld
Den Gram der Eitelkeit bey süßer Ruh verwunden
Und in vergnügter Eh das Paradies gefunden.
Die Klagen haben recht, allein wo kommt es her?
Was macht denn uns die Frucht der wahren Liebe schwer?
Das macht, wir lieben jezt aus Hochmuth, Geiz und Mode
Und fälschen jeden Kuß mit bitterm Narrensode.
Wo findet man wohl jezt, man geh auch weit und breit,
Ein Paar, das mit Vernunft und nach der Neigung freyt?
Viel laufen wie das Vieh von ohngefehr zusammen,
Noch mehr verbrennen sich in unversuchten Flammen,
Die meisten aber sehn auf Niederträchtigkeit,
Auf das, was ihrer Hand gemünztes Blech verleiht.
O Schade vor die Lust, die, wenn das Silber klinget,
Den Nachklang später Reu bey Zanck und Untreu bringet.
Ich hab es oft gesagt und sag es allemahl,
Verdient mein redlich Herz nur einen Gnadenstrahl
Des Auges in der Höh, so ist mein Wuntsch auf Erden,
Blos durch ein kluges Weib des Lebens froh zu werden.
Ich rede fast zu viel und freyer als ich soll;
Darüber lacht mein Feind, die Misgunst nennt mich toll;
Er kan, sie mag es thun, genung, daß mein Gemüthe
Mit Ernst und Unschuld liebt und daß mir deine Güte,
Du schön- und kluges Kind, die Kühnheit nicht verwehrt.
Mit welcher dir mein Kiel den stummen Trieb erklärt,
Den stumm- und starcken Trieb, der, seit ich dich erblicket,
Dein Bildnüß allzu tief ins Herz mir hat gedrücket.
Du hast Vernunft und Geist; lis, prüfe dieses Blat,
Und wo ein einzig Wort ein Falschheitszeichen hat,
So reiß es gleich entzwey und sende mir die Stücke
In Körben voller Fluch wie deinen Zorn zurücke.
Doch nein, ich merck es dir an Wort und Mienen an,
Daß der, so dich verehrt, was Beßers hofen kan.
Die Zeit, so alles lehrt, wird dich auch endlich lehren,
Mit was vor Eifer dich die treuen Seufzer ehren.
Nimm dies papierne Pfand auf künftigen Beweis,
Die Neigung gegen dich bleibt im Verborgnen heiß
Und brennt in meiner Brust so heimlich als verschwiegen,
Den Vorwiz böser Welt vernünftig zu betriegen.
Erlangt mein Wuntsch bey dir kein vorgestecktes Ziel,
So dencke dermahleinst, wenn dich der Liebe Spiel
In fremden Armen wiegt und nachmahls doch betrübet,
Mit was vor Redligkeit dich blos um dich geliebet
.......................................................
(S. 240-241)
_____



AN SEIN HANNCHEN

HANNCHEN, denck einmahl und oft
An die schönen Abendstunden,
Die sich gar so unverhoft
Bey uns scherzend eingefunden:
Solche Lust vergnügter Nacht,
Als dein Singen uns gegeben,
Hat mir mein bisherig Leben
Wohl gewis noch nicht gemacht.

Das beschwör ich dich, mein Kind,
Bey den Mienen, bey den Blicken,
Welche deine Neze sind,
Unsre Neigung zu bestricken.
Sind dieselben gleich nicht schlecht,
So macht, ich kan's nicht verheelen,
Dich doch das bey treuen Seelen
In der That noch nicht gerecht.

Wo ein klug und redlich Herz
Mit dem andern zärtlich spielet
Und ihr Leid den sanften Schmerz
Innerlicher Sehnsucht fühlet,
Ja, wo noch vor Schmerzen seyn
Und Verstellung vor den Leuten
Niemahls aus dem Garne gleiten,
Ist die Lust schon engelrein.

Solche Lust steht Engeln an,
Die noch Unschuld an sich haben;
Auf der Wangen Rosenbahn
Darf man nicht sein Pfund vergraben.
Klug, verschwiegen und getreu
Macht die Liebe stets zur Tugend;
Kinder, braucht den Lenz der Jugend,
Sonst ereilt euch späte Reu.

Schwester an der Redligkeit,
Du, o Schwester am Gemüthe,
Gönne mir nur jederzeit
Ein'ge Strahlen deiner Güte
Schlag dein Meineid aus dem Sinn,
Der dich nechst herumgeführet:
Wer ein falsches Herz verlieret,
Deßen Schaden ist Gewinn.
(S. 242-243)
_____



AN DIE PHILLIS

ERRÖTHE nur nicht erst, du wohlgezognes Kind,
Wenn jezo Mund und Kiel aus Liebe kühner sind
Und, da dein Wesen mir bereits das Herz genommen,
Mit Ernst und Redligkeit nach deinem Herzen kommen.
Es ist kein blinder Schluß noch leichter Eigensinn;
Der Himmel führt mich selbst zu deiner Tugend hin
Und bringt uns auf der Welt kaum einmahl recht zusammen,
So fühl ich alsobald die rein- und edlen Flammen
Der Liebe gegen dich, die ohne Falschheit brennt
Und jedem auf der Welt das gröste Glücke gönnt,
Wenn mich nur Gott und Zeit bald so geneigt bedencken
Und meiner treuen Brust dein Herz zum Lohne schencken,
Zum Lohne vor den Fleiß und vor so manche Nacht,
Die mein Studiren oft mit Wachen zugebracht,
Um dermahleins an Kunst und Wißenschaft zu grünen
Und als ein nüzlich Glied der Republic zu dienen.
Der, so im Himmel wohnt und ins Verborgne sieht,
Mag selber Zeuge seyn, wie starck mein Eifer glüht,
Ein gleichgesinntes Herz und treues Weib zu finden,
Bey der sich Tugend, Wiz ünd Zärtligkeit verbinden.
So weit nun mein Verstand Gemüther prüfen kan,
So freudig seh ich dich vor meines gleichen an
Und finde, wie mich dünckt, an deinen edlen Gaben
Was mehr als insgemein des Landes Töchter haben,
Und darum hoft mein Geist, wofern er dich erhält,
In recht vergnügter Eh den Himmel auf der Welt.
Die Eintracht soll bey uns in Bett und Tische lachen
Und unsern Lebenslauf voll güldner Stunden machen.
Ich rühme nichts von mir als unverfälschte Treu
Und stelle dir hiermit die Wahl in Demuth frey:
Getraustu dich, mit mir vergnügt und wohl zu leben,
So säume länger nicht, dein Herz an Tag zu geben.
Dein Vater, deßen Geist und Klugheit und Verstand
Ich nur die kurze Zeit zur Gnüge schon erkand,
Wird schon so gütig seyn und unter Wuntsch und Seegen
Sein Jawort nebst der Hand auf unser Bündnüß legen,
Das blos vom Himmel kommt. Ich nenne dich schon mein,
Und du kanst gegentheils gewis versichert seyn,
Daß, ob ich mich gleich nicht mit Blute hoch verschwöre,
Ich dennoch mit Vernunft mich blos vor dein erkläre.
Die Allmacht seegne dich in deines Vaters Haus
Und führe dich zu mir mit Wuntsch und Heil heraus
Und cröne den Beruf, worin er mich gesezet,
Mit allem, was ein Mensch vor gut und glücklich schäzet.
Du aber, werthes Kind, sey immer unbetrübt
Und glaube, daß der Herr, der fromme Seelen liebt,
Uns als ein treues Paar auch hier noch auf der Erde
Den Neidern zum Verdruß mit Wollust träncken werde.
Was wiltu doch wohl mehr in dieser eitlen Welt,
Wo Creuz und Unbestand das Bürgerrecht behält,
Was wiltu, sag ich, mehr in dieser Welt erwerben,
Als blos mit mir vergnügt zu leben und zu sterben?
(S. 244-245)
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ALS SIE SICH SO KALTSINNIG GEGEN IHN BEZEIGTE

ICH weis nicht, was dir ahnt, du kalt- und loses Kind,
Daß meine Lieb und Treu so gar nicht fähig sind,
Die Güte deiner Brust auch in geringen Sachen
Mir zur Ergözligkeit recht ofenbahr zu machen.
Du sagest alles zu und hältst doch keinmahl Wort;
Wir gehn mit Lust zu dir und ziehn so traurig fort,
Als ob dein Herz noch nichts von meiner Liebe wüste
Und ich erst vierzehn Jahr wie Jacob dienen müste.
Ich weis nicht, welcher Fall dir das Gehirn verrückt
Und deinen muntern Geist in Eigensinn erstickt.
Bald geh ich mit der Furcht im Zimmer auf und nieder,
Als kämen jezt bey dir viel alte Funcken wieder,
Womit ein falsches M., das lezt auch außen blieb,
Den ersten Liebeszug dir in das Herze schrieb.
Bald aber mach ich mir von neuem Trostgedancken,
Als würd ich nur probiert und durch verstelltes Wancken
In meiner Treu geübt; bald fällt was Ärgers ein;
Weil meiner Feind jezt viel und zwar auch große seyn,
Die, da ich nie geschont, die Warheit frey zu sagen,
Mich stets auch überall mit Lästerworten schlagen,
So riße mir vielleicht ihr grob- und böser Sinn
Die Früchte deiner Gunst noch in den Blüthen hin
Und dürfte mir, an statt dein Herze zuzuneigen,
Den Eckel gegen mich in deiner Seele zeugen.
Ich weis wohl, daß dein Geist, du halb verwirrtes Kind,
Fast all' und jedes Mahl den besten Grund ersinnt,
Wenn du beschuldigt wirst, die Ohnmacht vorzuschüzen;
Ich stell es auch dahin, doch ob es dir auch nüzen
Und immer gelten wird, das lehrt einmahl die Zeit.
Ich kan zum wenigsten mit meiner Redligkeit,
Die du so schlecht erkennst, dem Himmel wohlgefallen,
Der meine Fehler trägt und mir auch noch bey allen,
Die Kunst und Ehrligkeit und Wißenschaft ergözt,
Den angenehmsten Lohn der besten Freundschaft sezt,
Und wird dich einer so wie Günther lieben können,
So will ich deiner Gunst mich gleich nicht würdig nennen.
(S. 246-247)
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ALS ER IHRENTWEGEN VIEL LEIDEN MUSTE,
DOCH DABEY NICHT VERZAGTE

MEIN Herz, verzage nicht!
Die Liebe macht's mit allen so;
Ein Herz voll treuer Pflicht,
Wird ohne Gram nicht froh.
Es fällt zwar ziemlich schwer,
Eh uns das Kummermeer
Zum sichern Friedenshafen bringt;
Man zittert, seufzt und sinckt
An Muth und Sinn
In Stürmen hin,
Der Ancker reißt die Hand,
Doch wer sich zwingt und hoft, der kommt gleichwohl ans Land.

Was leid ich nicht um dich,
Du mir ins Herz geprägtes Bild!
Die Sehnsucht jaget mich
So wie ein schüchtern Wild;
Mein Schlaf ist nur ein Qualm,
Mein Lied ein Klagepsalm;
Die Angst der bangen Einsamkeit
Begräbt mich vor der Zeit,
Weil ich den Kuß
Entbehren muß,
Der so viel Lust verspricht.
Doch hof ich alles auszustehn; verlas nur du mich nicht!

Verlas nur du mich nicht,
Du Engel, deßen treuer Geist
Und holdes Angesicht
Mir noch den Troststern weist;
Der Himmel wird einmahl
Uns nach so vieler Qual
Der Hofnung Siegeskranz verleihn
Und mich durch dich erfreun.
Drum liebe still,
Wie ich auch will,
Und sieh geduldig zu
Die Straße, so uns jezo trennt, führt unvermerckt zur Ruh.

Ich liebe meinen Schmerz,
Weil du, mein Engel, Ursach bist;
Du hast mein ganzes Herz,
Dies raubt dir keine List.
Was hilft's uns, daß man weint?
Was jezt unmöglich scheint,
Das ist gewis ein Übergang;
Der Grillenfang macht kranck.
Es rühret mich
Schon innerlich
Ein Trieb der Zärtligkeit,
Die mir dein künftiger Besiz so wie dein Nahme deut.
(S. 250-251)
_____



AUF DIE VERLOBUNG MIT SEINER PHILLIS

DU Engel, den mir Gott so unverhoft gesand,
Die Lust der Ewigkeit schon in der Welt zu schmecken,
Nimm hier den Abschiedskuß noch einmahl von der Hand,
Da Nerven, Zung und Mund vor Wehmuth stehn und stecken,
Und glaube, daß mein Herz in heißem Blute schwimmt,
Da unsers Umgangs Scherz so früh ein Ende nimmt.

Du weist, wie kläglich man bey diesem Riße thu,
Du siehst mich weinend an und wilst und kanst nichts sagen;
Dir schliest mein heißer Kuß die matten Augen zu,
Mir suchstu deinen Geist in Mund und Brust zu jagen.
Du wirfst mir Küße nach, ich geh wohl zehnmahl fort
Und kehre zehnmahl um und mache doch kein Wort.

Dies alles sahestu, dies aber siehstu nicht,
Mit was vor Unruh jezt mein treu Gemüthe ringe;
Denn welcher Freund mich nur bey meiner Rückkunft spricht,
Der fragt, warum ich nicht mein Leben wiederbringe.
Mein Zimmer ist nicht groß, doch ohne dich zu weit,
Und was ich hör und seh, das dient zur Bangigkeit.

Gesellschaft, Trunck und Spiel gebiehrt mir jezt nur Groll,
Die Bücher haben Ruh, kein Reim will fast mehr fließen;
Ja, wem auch meine Kunst mit Rathe dienen soll,
Der muß verwirrtes Zeug aus meiner Antwort schließen.
Mein Schlaf ist nur ein Qualm, mein Bett ein kalter Raum,
Mein Wachen aber stets ein wandelbahrer Traum.

So starck ein jährig Kind sich nach der Mutter sehnt,
So heftig brennt nach dir mein eußerstes Verlangen;
Dies macht dein kluger Kuß, der hat mich so verwöhnt,
So bald sein süßer Hauch die Freyheit weggefangen;
Dies macht dein Schönethun und ungemeiner Geist,
Als deßen Engelbrodt auf größern Hunger speist.

Zeit, Hofnung und Gedult besänftigt mich zulezt
Und giebt mir jezt ein Bild im Schatten zu betrachten;
Ich scheine bey mir selbst ins Paradies versezt
Und weis des Glückes Gunst nach Würden kaum zu achten.
Da ein von Gott und Welt so werthgeschäztes Kind
Mich unversehnen Gast auf ewig lieb gewinnt.

Ein Weib, das klug, getreu und doch auch zärtlich liebt,
Vernunft und Tugend ehrt, galant und sittsam wandelt
Und wenn ihm die Natur ein gutes Ansehn giebt,
Der Glieder Artigkeit nicht erst vom Schneider handelt,
Ein Weib von solcher Art ist warlich nicht gemein,
Doch wo sie hingeräth, da kehrt der Himmel ein.

An dir versprech ich mir den Himmel auf der Welt,
Die Eintracht unter uns soll Lebensfrüchte bringen;
Dein Wandel ist genug und mehr als Stand und Geld,
Wornach die Buhler sonst auf eignen Schaden ringen.
Dem, der dich erst geliebt und doch hernach verschmäht,
Hat warlich Gottes Zorn Vernunft und Sinn verdreht.

Darum ist nichts so schlimm, es wird zu etwas gut:
Der Meineid läst dich gehn, daß ich nur glücklich werde;
Erwege, was dabey des Höchsten Finger thut:
Wir sahn das erste Mahl einander auf der Erde,
Ich reichte dir die Hand, du drückst sie ganz gemach
Und ziehst sogleich mein Herz dir und den Schritten nach.

Ein Abend war genug, Gemüther gleicher Art
Ohn eußerlichen Staat empfindlich zu verbinden;
Wir suchten uns durch uns und nicht nach derer Art,
Die Kuppler, Mode, Geld und Eigennuz entzünden.
Ach, mein Herz - seufztest du, - ist mein Herz, fiel ich ein;
Ja nun wohlan, mein Kind, so soll es ewig seyn.

Und so verfährt auch stets die Liebe treuer Brust,
Sie hält sich außer Gott an keinen Heiratszeugen;
Ach Phillis, schüze doch die Zukunft unsrer Lust,
Ich seh sie schon voraus und muß vor Freuden schweigen.
Die Seele wird entzündt, der ganze Körper brennt
Vor Hofnung und Begier, so oft man dich nur nennt.

Die Sprache wird fast arm, die Worte fehlen mir,
Die Neigung gegen dich natürlich auszudrücken;
Mein lechzend Herze wallt und reißt mit Macht zu dir
Und läst sich einen Kuß bis auf die Zunge rücken;
Ich bin mehr dein als mein und seh mein Heil nicht an,
Als in so fern ich dich dadurch ergözen kan.

Aus Ehrfurcht sag ich dies: Du bist vor mich zu viel
Und solltest wohl vor mich gar weit was Beßers haben.
Die Schickung lacht mich an und legt die Hand ins Spiel
Und würdigt meine Schoos der Fülle solcher Gaben,
Von deren Kostbarkeit die Warheit selber spricht:
Was dieser plözlich fängt, erjagen hundert nicht.

Den meisten blendet wohl der Anstrich die Vernunft,
Doch meine Liebe sieht auf etwas mehr als Farben;
Die Klugheit zeichnet dich in ihrer Töchter Zunft,
Die reife Jugend blüht und zielt auf volle Garben.
Dein Geist, der Feuer führt, hat nöthigen Verstand,
Liebt ernstlich, kennt die Welt und spricht und scherzt galant.

Die Länge der Person gehört der Majestät,
Die Augen reizen mich, sie tausendmahl zu küßen,
Und wenn sich Ros und Schnee in vollem Busen bleht,
Bekäm auch Socrates ein schlüpfriges Gewißen;
Ja, wenn dein Freundlichthun mit Druck und Mäulchen spielt,
So schwör ich, daß das Marck die sanfte Würckung fühlt.

Was um und an dir ist, ja, was du hast und thust,
Das zaubert, zieht und zeugt Verwundrung und Ergözen;
So oft du Haus und Hof und Volck versorgen must,
Bekomm ich einen Trieb, die Wirthschaft hoch zu schäzen.
Wohin auch nur dein Fuß in Leid und Freude tritt,
Da schleicht die Augenlust so wie der Wohlstand mit.

Dein Polnisch, das mir sonst so rauh und widrig klingt,
Beschämt durch deinen Mund den Wohllaut welscher Zungen,
Indem es seine Kunst so rein und lieblich zwingt,
Als kein verliebtes Lied in Griechenland geklungen.
Wie artig stimmt bey dir nicht jede Tugend ein!
Du hast Beredsamkeit und kanst verschwiegen seyn.

Geseegnet sey hinfort der Augenblick, der Ort,
An welchem mir dein Bild das erste Mahl erschienen !
Im Geiste bin ich noch fast jede Stunde dort
Und überlege mir die Macht der ersten Mienen,
Die Macht, die stumme Macht, die dort auch auf einmahl
Frost, Unruh, bange Zeit, ja gar das Herze stahl.

Behalt den schlechten Raub, ich nehm es nicht mehr an
Und habe schon davor ein Gegenpfand bekommen;
Bewundre nur mit mir die seltne Führungsbahn,
Die unsrer Liebe Zug so wunderlich genommen.
Vielleicht wird bald der Saz aus unserm Glücke wahr:
Wo Gott vermehlt, da bringt kein jäher Sprung Gefahr.

Du bist vor meinen Fleiß der angenehmste Lohn;
Nun würd ich Unrecht thun, das Glücke mehr zu schelten.
Ich spreche neben dir den frechen Spöttern Hohn,
Und mancher soll es mir noch in der That entgelten.
Ihr Stunden, flieht und eilt und holt die goldne Zeit,
In welcher meine Treu der Phillis Myrthen streut.

Ich als ein junger Mensch, den Blut und Feuer treibt,
Gesteh es, daß ich mich auch dann und wann vergeßen;
Doch wo die Billigkeit ein wahres Urtheil schreibt,
So ist mein Fehltritt oft den Feinden beyzumeßen.
Dein Zuspruch, liebstes Kind, und freundliches Bemühn
Soll künftig noch aus mir viel gute Früchte ziehn.

Du hast ja etwas mehr als schlechten Weiberwiz
Und läst auch manchen Trieb der Ruhmbegierde blicken;
Mir zeigt die Poesie bereits den Ehrensiz,
Und darum soll ihr Kranz auch deine Scheitel schmücken,
Und wo die späte Welt von meinen Liedern hört,
Da wird auch dermahleins dein treu Verdienst geehrt.

Zwey Herzen hab ich schon, doch nicht wie dich, geliebt,
Zwey Herzen haben auch mein Hofnungsziel betrogen;
Das erste, dem man noch ein rühmlich Zeugnüß giebt,
Hat Filindrenens Fall mit in die Gruft gezogen;
Das andre wurde mir von Leonorens Hand
Durch Falschheit und Betrug wie dir dein M. entwand.

Anjezt vergeß ich leicht den doppelten Verdruß,
Die dritte, so du bist, soll auch die lezte bleiben,
Und weil dies lezte Pfand das beste werden muß,
So will ich dem davor ein ewig Dancklied schreiben,
Dem, deßen weiser Schluß mein Glücke so gefügt,
Daß keine mich so rein als du, mein Kind, vergnügt.

Ach Phillis, lis dies Blat nicht etwan obenhin,
Es ist nicht schlecht Papier, es ist mein ganz Gemüthe,
Und dies dein Eigenthum. Wenn ich zu wenig bin,
So nehm ich allen Werth von deiner Lieb und Güte.
Du hast dich mir vertraut, du hast dich mir verschenckt,
Doch du nicht, sondern der, der dieses Ganze lenckt.

Was giebt uns wohl die Welt vor Frieden und Gewin?
Ein Leben voller Müh und täglich neue Sorgen;
Der Jugend Frühlingslust flieht als ein Traum dahin,
Und ist man endlich groß, so plagt uns jeder Morgen.
Furcht, Hofnung, Wüntsche, Gram, Fall, Feindschaft, Reu  und Noth,
Dies alles giebt die Welt, und dann zulezt den Tod.

Die Liebe rechter Art versüßt noch Creuz und Gram,
Womit die Eitelkeit der Leute Seufzer mehret,
Sie ist der güldne Rest, der mit aus Eden kam,
Sie ward im Heidenthum am herrlichsten verehret,
Sie kocht aus Thränen Wein, aus Schleen Malvasier
Und jaget überall den Kummer vor die Thür.

Kind, bilde dir einmahl zwo fromme Seelen ein,
Die sich recht inniglich und wie die Kinder lieben;
Sie sind ein Herz, ein Sinn, sie singen in der Pein,
Erleichtern sich die Last, verscherzen das Betrüben;
Das Elend rührt sie nicht, viel minder Geiz und Neid,
Und wo sie gehn und stehn, da lacht Zufriedenheit.

Was meinstu zu der Eh, die solche Früchte bringt?
Nicht wahr, die Lebensart ist beßer als drey Cronen?
Was hilft der güldne Strick, der viel zusammen zwingt,
Wenn er und sie hernach bey Basilisken wohnen?
Was hilft nun jenen Freund zehntausend Schürzen Geld,
Wovon sein tummes Weib ein Duzend Schwäger hält?

Vergiß nun, liebster Schaz, den schändlichen Betrug,
Der ehmahls deiner Brust, wie billig, nah gegangen;
Der durch dies Herzeleid erfüllte Thränenkrug
Wird von des Himmels Thau Vergnügungsperlen fangen.
Da solt den Unterschied von Treu und Falschheit sehn,
Und darum lies der Herr den ersten Riß geschehn.

So lange nur mein Blut und deine Treu noch lebt,
So lange soll uns wohl kein hart Verhängnüß trennen,
Und was aus Eifersucht der Liebe widerstrebt,
Dem müße die Natur kein ruhig Alter gönnen.
Ich weis, ich dringe durch, so sehr die Misgunst kämpft,
Weil Lieb und Wachsamkeit die stärcksten Feinde dämpft.

Da niemand auf der Welt sein Ende wißen darf,
So muß ich, wenn es kommt, mich auch getrost bequemen;
Verführe nun, mein Kind, die Schickung gar zu scharf,
Mir, eh ich dich erlangt, den Geist zurück zu nehmen,
So machte mir sonst nichts das Sterben hart und schwer,
Als weil ich weis, wie mir bey deiner Leiche wär.

Inzwischen soll dies Blat ein frey Bekäntnüß thun:
Ich sterbe, wie und wo und wenn es Gott beschloßen,
So sterb ich dir getreu und will noch sanfter ruhn,
Da ich der erste bin, der deiner recht genoßen;
Dein Herze wäre mir der schönste Leichenstein,
Die Aufschrift dieser Spruch: Auch noch im Grabe dein.

Und wo hernach dein Geist in neue Flammen brennt,
So thu dir selbst so wohl und wehle meines gleichen,
Ich meine so ein Herz, das dein Verdienst erkennt,
Vor deßen Tugenden des Landes Töchter weichen,
Und glaube, daß sich auch, lebst du nur friedensvoll,
Die Asche meiner Gruft vor Freuden regen soll.

Doch sollte mir dein Grab (der Himmel sey davor!)
Den völligen Besiz der liebsten Braut entwenden,
So trüg ich ganz gewis nicht lange Wittwerflor,
Es würde selbst der Schmerz mich bald zu Grabe senden,
Und eh noch dies geschäh, so müst ich einsam gehn
Und wie verscheuchtes Wild in Klüften ächzen stehn.

Ich trau es dir nicht zu, doch brächestu den Bund
Aus Wanckelmuth und Lust, was Neues zu erwehlen,
So schlügstu dich gewis durch eigne Nachreu wund,
Mein Schatten würde dich sogar im Schlummer quälen,
Und gleichwohl blieb ich noch der Falschheit so getreu
Und bäthe durch mein Flehn dich von der Rache frey.

Was aber thu ich dir aus blinder Furcht so weh?
Was red ich von Betrug, von Moder, Furcht und Baare?
Vergieb mir, daß ich mich aus Zärtligkeit vergeh;
Der Himmel ist dir hold, drum schenckt er uns noch Jahre.
Er droht mir zwar das Grab, doch wo? In deiner Schoos.
Was fällt wohl lieblicher als so ein Gnadenlos?

Ach, freue dich, mein Kind, zu voraus auf den Tag,
Von dem ich künftighin des Lebens Anfang zehle;
Ach, daß ich dich doch nicht sogleich umfangen mag!
Du glaubst nicht, wie mich schon die treue Sehnsucht quäle.
Alsdenn, gedenck an mich, wird Phillis erst gestehn:
Wo jemand küßen kan, so küst wohl Philimen.

Kind, Engel, Schwester, Schaz, Braut, Taube, Freundin, Licht,
Mein Stern, mein Trost, mein Herz, mein Ancker und  mein Leben,
Ach, sage doch, wie man recht nett und zierlich spricht,
Die Liebe will dir gern den besten Tittul geben,
Die Liebe, so nach dir, was schön ist, prüft und schäzt
Und deines Nahmens Zug mit Freudenthränen nezt.

O was vor Inbrunst, Schaz, o welch entzückend Spiel
Wird um uns, zwischen uns die vollen Mäulchen würzen!
Die Liebe thut ohndem des Guten nicht zu viel
Und kan die edle Zeit am nüzlichsten verkürzen,
Und wie man vom Gebeth und von der Arbeit spricht,
So hindert Lieben auch Amt, Fleiß und Sorgen nicht.

Ich will mich als dein Mann nach Buhlerart bemühn,
Dir täglich größre Gunst und Neigung abzuheucheln;
Die Stunden sollen uns wie Augenblicke fliehn,
Mit Klugheit will ich dir, du mir mit Demuth schmeicheln;
Und werden wir dereinst beysammen schwach und grau,
So wird der Leiber Blut, doch nicht die Regung lau.

Wie freudig will ich dann nach vielen in der Welt
Mit dir, geliebtes Kind, vollbrachten Friedensjahren,
Sobald das lezte Korn durch meinen Seiger fällt,
An deiner treuen Brust zu meinen Vätern fahren;
Alsdenn versüße mir den Gang zur lezten Ruh
Und drücke durch den Kuß mein brechend Auge zu.

Doch nein, den lezten Dienst von so betrübter Pflicht
Vermag dir meine Treu unmöglich zuzumuthen;
Du liebst mich gar zu sehr, und darum will ich nicht,
Daß deine Kräfte sich bey meiner Gruft verbluten;
Denn gönnte dir mein Herz im Leben keine Pein,
So soll mein Leichnahm auch daran nicht Ursach seyn.

Der, so die Liebe selbst und aller Vater ist,
Beweis einmahl an uns ein Wunder von Erbarmen
Und hole, wenn nun du der Erden müde bist,
Uns beiderseits zugleich einander aus den Armen,
Damit nur nicht die Angst getrennter Raserey
An dem, was übrig bleibt, der Liebe schimpflich sey.

Damit sey unbetrübt und nimm dich wohl in Acht,
Erkenne, wie du thust, des weisen Schöpfers Willen;
Er hat uns unverhoft einander zugebracht,
Er wird auch sonst sein Werck an unserm Glück erfüllen.
Auch lerne, daß nur der die reichsten Schäze gräbt,
Der Gott und Nechsten liebt und stets zufrieden lebt.

Inzwischen schleus mich stets in Andacht und Gebeth;
Ich opfre vor dein Heil mit früh und späten Zähren.
Verliebten geht es zwar des Anfangs sehr verdreht,
Doch muß der Übergang der Tugend Lust gebähren,
So wie nach Frost und Eiß, das jezt die Saaten drückt,
Ein grünes Frühlingskleid die Felder wieder schmückt.

Ich küße durch die Luft Mund, Auge, Brust und Hand
So zärtlich, als mich nechst dein stiller Schenckel drückte,
Als unsre Liebe sonst kein Redezeichen fand,
Weil mancher neben uns mit Vorwiz hört' und blickte.
Jezt, da mir Schlaf und Frost die Finger müde macht,
So wüntsch ich weiter nichts als eine gute Nacht.
(S. 252-260)
_____



ALS ER DER PHILLIS EINEN RING MIT EINEM
TODTENKOPFE ÜBERREICHTE

ERSCHRICK nicht vor dem Liebeszeichen,
Es träget unser künftig Bild,
Vor dem nur die allein erbleichen,
Bey welchen die Vernunft nichts gilt.
Wie schickt sich aber Eiß und Flammen?
Wie reimt sich Lieb und Tod zusammen?
Es schickt und reimt sich gar zu schön,
Denn beide sind von gleicher Stärcke
Und spielen ihre Wunderwercke
Mit allen, die auf Erden gehn.

Ich gebe dir dies Pfand zur Lehre:
Das Gold bedeutet feste Treu,
Der Ring, daß uns die Zeit verehre,
Die Täubchen, wie vergnügt man sey;
Der Kopf erinnert dich des Lebens,
Im Grab ist aller Wuntsch vergebens,
Drum lieb und lebe, weil man kan,
Wer weis, wie bald wir wandern müßen!
Das Leben steckt im treuen Küßen,
Ach, fang den Augenblick noch an!
(S. 261)
_____



AUF SEINE LIEBSTE IN BISCHDORF

SO wist einmahl, ich bin verliebt,
Und zwar in so ein Kind,
Das mir erst Lust zu leben giebt,
So schwer die Zeiten sind.
Sein Kuß ist meiner Seelen Kraft
Und hat an süßer Glut
Fast aller Schönen Eigenschaft,
Nur nicht den Wanckelmuth.

Es schwächt mir weder Geist noch Leib,
Das denen sonst geschieht,
Die Amors stiller Zeitvertreib
Am Narrenseile zieht;
Es redet mir in Lust und Leid
So klug als freundlich ein
Und läst mich in der nechsten Zeit
Des Unsterns Meister seyn.

Weicht, Eltern, Gönner, Glück und Freund,
Weicht, sag ich, immerhin,
Ihr habt es nie so treu gemeint,
Als ich euch jezt noch bin;
Indeßen, da euch vor mir graut,
So lern ich euch verschmähn
Und dencke, mit der neuen Braut
Mich beßer zu versehn.

Ach Hofnung, ach du Engelsbild
Und meiner Güter Rest,
Ach, komm und küß und bleib mein Schild,
Da alles schlägt und preßt.
Komm, flicht uns unsern Hochzeitschmuck
Von deinem Wintergrün!
Der Tod, sonst nichts, ist starck genug,
Ihn wieder aufzuziehn.
(S. 262)
_____



AN MADEMOISELLE H - - F - -, ALS ER SICH DEN TAG
VORHER MIT DER PHILLIS VERSPROCHEN HATTE

MEIDE doch nur meine Blicke,
Du vor mich gefehrlichs Kind,
Weil sie nur Versuchungsstricke
Und der Nachreu Neze sind.
Phillis herrscht in meinem Herzen
Und begehrt dies Reich allein,
Darum darf kein fremdes Scherzen
Und kein neuer Trieb hinein.

Ich gesteh ohn alle Sünde:
Dein Gesicht ist liebenswerth,
Weil ich viel darinnen finde,
Was die klugen Geister nährt.
Wären mir der Phillis Küße
Auch im Finstern nicht bekand,
Hätt ich deinem sanften Biße
Gleich die Freyheit zugewand.

Himmel, schränckstu auch die Liebe
Durch der Menschen Sazung ein?
Dürften denn die zarten Triebe
Nicht in viel zertheilet seyn?
Sehen muß man, auch begehren
Und gleichwohl zurücke stehn;
Pflegstu doch mit Hund und Bären
Viel gelinder umzugehn.
(S. 263)
_____



ALS DIE PHILLIS ZU WASZER VERREISEN WOLLTE

DU hast mich klug genug probiert
Und kennst, mein Kind, mein zärtlich Lieben;
So scharf du mich herum geführt,
So fest ist Wuntsch und Treu verblieben,
Da nichts als Phillis in der Welt
Mir noch die Sterbenslust vergällt.

Aus dieser süßen Redligkeit
Entspringt nunmehr mein traurig Wesen;
Du fühlst ja wohl mein zitternd Leid
Und kanst es aus der Stirne lesen.
Was macht es? Dein verwegner Schritt,
Der hurtig an das Ufer tritt.

Dein Abschied lockt dich auf das Meer;
Ich dörfte dich bald thöricht nennen.
Wo nimmstu das Vertrauen her?
Du must das Waßer noch nicht kennen;
Ach, hat man dir noch nicht erzehlt,
Was Hero vor ein Grab gewehlt?

Die Trennung thut mir freylich weh,
Doch fürcht ich mehr um deinetwegen.
Was wird dir nicht die wilde See
Vor Eckel, Schmerz und Angst erregen,
Wenn Wetter, Sturm und Bliz und Nacht
Compaß und Mast zu Schanden macht!

Geh in dich, allerliebster Schaz,
Und untersuche dein Gewißen;
Hier ist der Rache Richterplaz,
Hier muß der kleinste Meineid büßen.
Wer weis, wie oft auch meine Treu
Von dir bisher beleidigt sey!

Ist aber ja kein Halten mehr,
So seegle mit geneigten Winden!
Der Himmel giebt auch mir Gehör,
Du wirst den Hafen glücklich finden;
Doch, Engel, denck auch stets an den,
Den Stern und Ufer warthen sehn.
(S. 266-267)
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AN PHILLIS

HEIST dies mein Brüderchen ? Sind dies die Sehnsuchtstriebe,
Mich, wie du selber schreibst, von Herzen gern zu sehn?
Ach Gott, was leidet nicht die Unschuld meiner Liebe,
Da bald der erste Sturm so schwer und hart geschehn.

Ich lerne Wetter, Neid, Gefahr und Weg verlachen,
Ich unterbreche selbst der krancken Glieder Ruh
Und eile, dir nur bald die frohe Lust zu machen,
Durch Näße, Frost und Eiß getrost nach Pitschen zu.

Ich komme, suche, steh und frage mit Verlangen.
Umsonst! Mein Kind ist weg und läst mich in der Noth.
Was meinstu, was mich hier vor Unmuth übergangen
Und was vor Herzensangst mir fast das Grab gedroht!

Es blieb mir noch der Trost, dich bald daheim zu sprechen;
Du kommst, ich komme nach, allein zu größrer Qual,
Du must dich oder wilst dich meiner selbst entbrechen
Und gönnest mir sogar nicht einen Friedensstrahl.

Ich schleiche dort und da, ich lausche, seh und höre,
Ich warthe Spiel und Tisch mit Furcht und Hofnung aus,
Dein Haus erzeigt mir auch viel Höfligkeit und Ehre,
Doch da ich dich nicht seh, so ist's mein Marterhaus.

Die Bißen wachsen mir vor Wehmuth in dem Munde,
Ich trinck am Biere Gift und werde roth und bleich,
Indeßen klingt der Schlag der späten Abschiedsstunde,
Da rührt mich allererst der schärfste Donnerstreich.

Der Schwindel trift das Haupt, die Glieder sind geschlagen,
Das Herze schlägt und wallt erbermlich in die Höh,
Die Schenckel können kaum den schwachen Leib mehr tragen,
Und was in . . . . . ist, das macht mir heimlich weh.

Ach, Engel, hastu dich mir nur aus Scherz entzogen,
So wiße, dieser Scherz heist gar zu scharf probiert,
Der, den du allbereits durch andre Qual gebogen,
Verdient nicht, daß man ihn in solche Schulen führt.

Es nagt und wühlet mir die stumme Furcht im Herzen,
Du dürftest etwan selbst aus Wanckelmuth entfliehn;
Ist dieses nur nicht wahr, so will ich gerne scherzen
Und, was sonst Knoten macht, gar leicht zu rechte ziehn.

Ich bitte dich, mein Schaz, um unsrer Küße willen,
Um alles, was du liebst und was dir Ruh gebiehrt,
Las ja kein fremdes Herz die schöne Brust erfüllen,
Die, schon in dir mein Bild und meine Neigung führt.

Gesezt, du nähmest auch den reichsten Kerl auf Erden
Und hättest Stand und Ruhm und alles obendrauf,
Mein Lieben würde dir doch nicht bezahlet werden,
Du machtest dir hernach den schwersten Lebenslauf.

Du köntest meiner doch nicht ganz und gar vergeßen,
Ich wäre dir hernach der Brunnquell steter Pein,
Es würde Wilhelmsdorf dir oft das Herze freßen
Und in der neuen Eh dir oft die Hölle seyn.

Wo sind wohl derer viel, die mit Vernunft und Lieben
Das Elend dieser Welt zu lindern recht verstehn?
Wo sind die, die wie ich in allem treu geblieben
Und bey der Heirat blos auf Herz und Tugend gehn?

Man mag mich immerhin vor allzu zärtlich halten,
Ich suche keinen Ruhm als in der Redligkeit,
Die hab ich von Natur, die soll mit mir veralten,
Die ist mein Hochzeitschmuck und auch mein Leichenkleid.

Ich liebe dich um dich, der Himmel kennt mein Herze,
Und schäze blos an dir Person, Verstand und Treu
Und scheue nichts so sehr als dieses Argwohns Schwärze,
Daß blinder Eigennuz der Liebe Zunder sey.

Komm, kanstu anders nicht, sogar im gröbsten Kittel,
Du bist mir doch so lieb und bleibest stets mein Kind;
Fleiß, Wirthschaft und Verstand entdecken schon noch Mittel,
Wodurch man in der Welt sein ehrlich Brodt gewinnt.

Der Bund ist unter uns von hoher Hand geschloßen,
Du warest mir durch Gott vom Glücke zugeführt,
Und darum spotte nur der eitlen Modepoßen,
Die jeden Hochzeittag mit ihren Grillen ziert.

Ach Engel, soll ich dich in fremden Armen laßen,
So reiße mich der Tod nur in zuvor dahin
Und gebe mir den Sarg vor deinen Leib zu faßen,
In dem ich doch fast mehr als in mir selber bin.

Wer kan dich, sage mir, von meiner Seite zwingen?
Dein Vater? Nein. Nur Gott, sonst niemand auf der Welt.
Du must nur widerstehn und voller Großmuth ringen,
Bis Lieben und Bestand den Siegeskranz behält.

Ach, lerne freundlich thun und girren, seufzen, weinen,
Des wackern Vaters Herz wird wohl nicht eisern seyn,
Er ist ja auch ein Mann, von dem die Klugen meinen,
Er habe Geist, Verstand und seh die Warheit ein.

Er trägt dein Fleisch und Blut und kan nicht grausam handeln;
Ach, stell ihm unser Herz mit Ernst und Demuth für,
Er wird den Widerspruch in Gütigkeit verwandeln
Und führt dich, wie ich hof, mit Seegen selbst zu mir.

Ficht alles wider uns, so greif ich zu den Wafen,
Womit ein jeder Christ den harten Himmel stürmt,
Und gegen Narrenrath wird der mir Recht verschafen,
Der alle Thorheit wirft, die Berg und Felsen thürmt.

Bist du mir stets getreu, so kan es mir nicht fehlen;
Verliebten wird ja stets der Anfang schwer gemacht,
Sie müßen in der Angst viel lange Stunden zehlen,
Eh noch die rechte kommt, die Wein aus Waßer macht.

Bedencke auch nur dann das himmlische Vergnügen
Nach überstandner Noth und hingelegter Pein;
Wie werden wir dann nicht auf Anmuthsrosen liegen
Und eins des andern Lust und wahre Freude seyn!

Der Himmel wird uns noch dies Glücke nicht versagen;
Bleib du nur ewig mein und gieb auf keinen Stoß
Und las dich kurze Zeit um meinetwegen plagen,
Ich bethe dich gewis von allem Kummer los.

Ach Phillis, steh dir doch nicht etwan selbst im Lichten,
Du weist nicht, wie so weh verliebte Nachreu thut;
Kan ich vor deine Treu kein Widergelt entrichten,
O so entricht es dir das allerhöchste Gut.

Jezt wende deinen Wiz, Erfindung, Geist und Kräfte,
Erfahrung und Verstand zu klugen Mitteln an
Und sinne Tag und Nacht auch unter dem Geschäfte,
Wodurch wohl unser Heil am besten wachsen kan.

Die Liebe wird dich schon am besten alles lehren,
Was etwan hier zu thun und noch zu sagen ist;
Die Unruh läst mich nicht der Wörter Zahl vermehren,
Nur mercke, fehlt Gewalt, so brauche Rath und List.

Zum Schluße wüntsch ich dir von meines Gottes Güte,
So viel dein Wohlseyn Rath und Hülf und Trost begehrt,
Und hofe starck und fest, du bleibst bey dem Gemüthe,
Dem einmahl deine Brust ihr bestes Pfand gewährt.

Nur schone dir, mein Kind, Gesundheit, Stärck und Leben
Und nimm den werthen Leib durch keine Sorgen mit;
Du solst mir noch einmahl die Jugend wiedergeben,
Die jezo voll Verdruß und Qual zurücke tritt.
(S. 268-271)
_____


DER UNTERSCHEID JEZIGER ZEIT UND DER JUGEND

VOR diesem dacht ich mit der Zeit
Ein groß und vornehm Thier zu werden,
Ich sucht in Kleidung und Gebehrden
Vor allen einen Unterscheid;
Ich sann viel Staatsstreich auszuführen,
Vergafte mich am Mazarin
Und grif mit feurigem Studiren
Nach Palmen, die den Klügsten blühn.

Immittelst nahm mein Alter zu,
Die Jugend gab mir viel zu wißen,
Ich ward durch manchen Fall gerißen
Und sucht ein Leben ohne Ruh.
Ich sah in klein- und großen Ständen
Viel Kummer, Thorheit, Pein und Neid
Und grif nunmehr mit beiden Händen
Das Gauckelspiel der Eitelkeit.

Wo ist denn nun mein Ehrgeiz hin?
Wo sind die flüchtigen Gedancken,
Womit ich oftmahls aus den Schrancken
Gemeines Glücks geflogen bin?
Es reizt mich kein berühmter Tittel,
Es rührt mich weder Hof noch Pracht,
Ich finde, deucht mich, viel im Kittel;
Was kluge Seelen glücklich macht.

Dies, große Weißheit, danck ich dir,
Dies danck ich dir, du süße Liebe;
Durch eure Lust, durch eure Triebe
Erfind ich selbst mein Glück in mir.
Bleibt Phillis mir nur treu ergeben,
So ficht mich wohl kein Wuntsch mehr an,
Als daß ich mit ihr ruhig leben
Und einmahl freudig sterben kan.
(S. 272)
_____



AUF DIE PHILLIS

LIEBE, mindre doch die Plagen,
Denn ich kan sie kaum mehr tragen,
Und die Kräfte treuer Brust
Schwinden unter Schmerz und Lust;
Oder binde mir so lange
Durch den Schlummer Geist und Sinn,
Bis ich meinen Schaz umfange,
Dem ich längst versehen bin.

Jezo lern ich erst empfinden,
Was dein heimliches Entzünden
Bey so schwerer Sclaverey
Vor ein grausam Leiden sey.
Vormahls dacht ich auch im Herzen,
Ich erkennte deine Macht,
Aber dies' und jene Schmerzen
Sind vorwahr wie Tag und Nacht.

Filindrene war mir günstig,
Leonore gut und brünstig,
Und von beiden lidt ich viel,
Jezo nenn ich's Kinderspiel.
Filindrenens frühe Leiche
Lockte mir bey Sarg und Grab
Wie der andern falsche Streiche
Manchen Fluch und Thränen ab.

Phillis läst mich kaum drey Morgen
Zwischen Hofnung, Furcht und Sorgen,
Und ich schleiche durch den Thau,
Schon vor Unmuth bleich und grau,
Garthen, Wald, Camin und Linde,
Alles macht mich noch betrübt,
Was mir von dem lieben Kinde
Ein Erinnrungszeichen giebt.

Ist mir doch die Welt zu enge,
Macht mir doch das Feld gedränge,
Und mein mürrisch Angesicht
Lacht dem besten Freunde nicht.
Unser Südwind hat die Stärcke
Von den Seufzern meiner Angst,
Die du, Phillis, wie ich mercke,
Noch mit Fleiß von mir verlangst.

Phillis, Phillis, komm doch wieder,
Sonst verlieren Geist und Lieder
Das Vermögen und die Kraft,
Die dir viel Ergözung schaft.
Licht und Schatten macht die Farben
Und dein Blick mein Wohlergehn;
Muß ich deßen Einfluß darben,
Kan ich nimmermehr bestehn.

Meine Kunst ist hier nichts nüze;
Ob ich bey dem Fieber schwize
Oder mich des Raths verzeih,
Beides ist mir einerley.
Sollt ich dich nur sehn und rühren,
Und erwärmte mich dein Mund;
Würd ich ohne Zeitverlieren
Auf den ersten Kuß gesund.
(S. 273-274)
_____



ALS ER VON SEINER PHILLIS ABSCHIED NAHM

WILTU mir dein Angedencken
Nur noch mit zur Reise schencken,
Geh ich auf ein schweres Wort
Noch einmahl so freudig fort.

Solche Wunden müßen schmerzen,
Wenn die Qual zerrißner Herzen
Mit der lezten guten Nacht
Aus den Küßen Seufzer macht.

Daß ich dich ins Blut geschrieben,
Das bezeugt mein treues Lieben,
Deßen angenehmer List
Deine Freyheit dienstbahr ist.

Deiner Augen scharfe Blicke
Sind die unsichtbahren Stricke,
Die du mir ans Herz gelegt,
Das mir jezt vor Wehmuth schlägt.

Zung und Sprache stockt im Munde,
Da des Abschieds schwere Stunde
Wie ein Schlag von Donner klingt
Und mich mit Verdruß umringt.

Ach, was werden meine Sinnen
Vor Gefahr und Angst gewinnen,
Wenn mich dein entfernter Geist
Nur mit bloßen Träumen speist.

Unterdeßen muß ich leiden,
Was mir Glück und Zeit bescheiden;
Dieser Schmerzen und Verdruß
Hat den ganzen Trost: Ich muß.

Ja, ich muß, doch wider Willen;
Halt dich also nur im Stillen
Und erwarthe, bis ein Tag
Unsre Liebe crönen mag.

Bis mich Sarg und Staub umfangen,
Bleibt nur Phillis mein Verlangen,
Und die Dauer meiner Treu
Schläft mir noch im Grabe bey.

Läst auch du dich nicht verführen,
Soll mich diese Grabschrift zieren:
Dieses hier verscharrte Blut
Hegt noch in der Asche Glut.
(S. 275-276)
_____



AN DIE PHILLIS
Von Liegniz aus

WILTU zürnen, liebstes Kind,
Ach so zürne mit dem Glücke,
Deßen Unrecht, Zorn und Tücke
Unsrer Trennung Ursach sind;
Zürne gar mit meinem Herzen,
Das vorhin in Stücken bricht,
Ich verbeiße gern die Schmerzen,
Fluche nur der Liebe nicht!

Fluche nur der Liebe nicht!
Was dein zärtlich Fleisch erduldet,
Hat sie warlich nicht verschuldet,
Ob es gleich die Misgunst spricht.
Mein Verhängnüß, nicht dein Küßen,
Hat dich in den Gram gesezt,
Der mein redliches Gewißen
Zwar betrübt, doch nicht verlezt.

Daß du mir als meine Braut
Auf ein keusches Widerstreben
Seele, Geist und Brust gegeben
Und mir, was du hast, vertraut,
Ist so wenig eine Sünde
Als mein Kuß ein Judaskuß,
Ob ich gleich von meinem Kinde
Unverhoft entrinnen muß.

Glaube, daß ich mir dein Weh
Und der Thränen Meng und Schärfe
In mir selbst mit Angst entwerfe,
Wenn ich jezt zurücke geh
Und den süßen Bund bedencke,
Den wir bey erfolgter Nacht
Ohne Kuppler, List und Räncke
Mit Entzückung fest gemacht.

Was vor keusche Zärtligkeit
Sog ich aus dem lieben Munde,
Dem es etwan diese Stunde,
Aber mir zur Angst, gereut!
Was vor hiziges Entzücken
Gab nicht dort die Jahrmarcktslust,
Wo du mich mit naßen Blicken
Um das Thor verlaßen must!

Himmel, ach, gedenck ich dran,
Was ich damahls vor Gelübde,
Als uns Neid und Spott betrübte,
Und wie viel ich sonst gethan,
Du erhörtest auch die Liebe
Und bedrohtest die Gefahr,
Die bey unserm heißen Triebe
Anfangs zu besorgen war.

Nunmehr hatt ich schon die Ruh;
Hofnung, Sehnsucht und Verlangen,
Dich nun völlig zu empfangen,
Eilten nach dem Hafen zu.
Phillis flocht bereits die Myrthen,
Aber, ach, du Donnerwort,
Eh sie noch mein Haupt umgürthen,
Muß ich sonder Abschied fort.

O wie manche, manche Nacht
Wird mir noch auf harten Küßen
Diese Glieder wälzen müßen,
Die du einmahl hoch geacht,
Die du sonst so schön gepriesen
Und so zärtlich angedrückt,
Daß es noch die Abendwiesen
Und den jungen Hayn erquickt!

Sprich verächtlich, fluche, schilt,
Reiß, verbrenne meine Lieder,
Rufe deinem Menling wieder,
Der vielleicht noch immer gilt!
Las dir nichts von mir mehr taugen,
Ja, verfolge mich mit List -
Phillis bleibt in meinen Augen,
Was sie stets gewesen ist.

Was du stets gewesen bist,
Meine Braut und mein Vergnügen,
Das mir durch ein grausam Fügen
Jezt zur Marter worden ist,
...........................................
...........................................
...........................................
...........................................

Himmel, der du mich erkennst,
Der du alles siehst und richtest,
Der du alles weist und schlichtest,
Der du bindest und zertrennst,
Werd ich nicht von deinem Schluße
Mit Gewalt davon gejagt,
O so werde meinem Fuße
Ewig seine Ruh versagt.

Ja, ich sage, macht der Tod
Meiner Brust mehr Furcht und Plage,
Als ich ihrentwegen trage,
Da ihr manches Wetter droht,
O so werde mein Geblüte
Nach und nach durch Gram verzehrt;
Doch ich weis schon, mein Gemüthe
Ist wohl etwas Beßers werth.

O wie manch galantes Kind
Wird mit mir noch Mitleid haben,
Wenn wir beide längst begraben
Und mehr Staub als Knochen sind!
O wie manche wird das Leiden,
So du meinetwegen fliehst,
Als ein rühmlich Creuz beneiden,
Dem du dich aus Groll entziehst!

Schröckt dich nun mein Elend ab
Und versagstu mir auf Erden
Alle Hofnung, dein zu werden,
So erwarthe nur mein Grab.
Nachmahls solstu sehn und hören,
Doch vor dich bereits zu spät,
Daß auch die mein Lob verehren,
Die mich jezt aus Neid geschmäht.
(S. 277-280)
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DIE SCHÖNE GRAUSAMKEIT

Aria
HAT die Schönheit kein Erbarmen,
O so hab es doch der Tod!
Liebe, las mich Gunst erwerben
Oder noch mit Unschuld sterben,
Eh mein Kind in fremden Armen
Meiner Angst den Selbstmord droht.
Da Capo.

Recitat
So lache nur, verstockter Sinn,
So spotte nur, du schöne Neiderin,
Und mache dir durch meine Thränen
Das Maas der Sünden voll!
Es wird der reine Liebeszoll
Ein Wucher deiner Strafen werden.
Genug geseufzt, genug, genug geplagt!
Die Ruh, so mir dein Schoos versagt,
Erhalt ich in der Erden.
Wer weis, wie bald der Tag erscheint,
An welchem deine Reu
Die Grausamkeit nachdrücklich rachen müße.
Der Fall verfolgt die Tyranney.
Hier ist der lezte Mund voll Küße,
Hier nimm sie durch den Westwind ein,
Sie werden heiter seyn
Und nächtlich um dein Lager schwermen.
Alsdenn so hilft dich gar kein Lermen,
Alsdenn wird auch dein Flehn
Auf meinen Grabesstufen
Den treuen Geist vergebens wiederrufen;
Und last er sich ja wieder sehn,
So soll es anders nicht
Als durch ein Traumgesicht
Und blos zu deiner Qual geschehn.

Aria
So sincket, ihr verschmähten Glieder,
Schlagt Anionens Herze weich!
So sinckt und schlagt ihr das Gewißen!
Sie wird zu spät erfahren müßen,
Es gab ihr Amors großes Reich
Dergleichen treuen Knecht nicht wieder.
Da Capo.
(S. 281-282)
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HOCHZEITSCHERZ
Nach Anleitung des Lateinischen aus dem Johanne Secundo

DA habt ihr die Zeugin vom ewigen Bunde,
Da kommt nun, da ist nun die seelige Stunde,
Da schickt sie die Vorsicht, da wälzt sie der Lauf
Des milden Gestirnes von Osten herauf,
Die Stunde der Wollust, die Freundin vom Lachen,
Die Mutter voll niedlich- und küzlicher Sachen,
Die Stunde, worinnen die reichliche Glut
Die Schäze der flüchtigen Jugend verthut,
Die Stunde, worinnen Umarmung und Schmeicheln,
Behagliches Schäckern, empfindliches Heucheln
Und stärckender Athem und brünstiger Wind
Und redliches Schnäbeln verschwenderisch sind,
Die Stunde, dergleichen wohl Götter begehrten,
Die Venus und Juno kaum schöner gewährten,
Die Amors Verwaltung der lebenden Welt
Am Tage der Ehren kaum beßer bestellt,
Die Stunde, die Venus nicht zierlicher schmücket,
Die Stunde, die Hymen nicht reicher beschicket,
Sobald er ein Mägdgen, das grünet und blüht,
Dem Schooße der närrischen Mutter entzieht
Und solches, wie schwer sich die Alte bequemet,
Und solches, wie sehr sich die Jüngere schämet,
Der männlichen Inbrunst zur Aufsicht vertraut.
O glücklicher Jüngling! O seelige Braut!
O glücklicher Bräutgam, dem Ausschlag und Lieben
Die Ruder der Sehnsucht in Hafen getrieben!
Eröfne den Busen, so weit du nur wilt,
Er wird dir mit englischer Schönheit gefüllt.
Ihr Antliz beschämet die große Dione,
Verdienet die Hälfte von Juppiters Throne
Und gleicht sich der Göttin mit Panzer und Spies,
Die ehmahls die heilige Stirne verlies.
O ließen sich jezo drey zanckende Frauen
Nebst deiner Vermehlten am Ida beschauen!
O sollte noch einmahl sein bergichter Hayn
Vier nackenden Schönen ein Musterplaz seyn,
So schwör ich bey allem, was lebet und liebet,
Wo anders der Paris Gerechtigkeit übet,
Daß diese, dein Engel, den Apfel gewinnt.
O glücklicher Jüngling! O himmlisches Kind!
O seltenes Beyspiel der glücklichsten Bräute!
Nun ruht dir dein heißes Verlangen zur Seite;
Es labt dich dein Liebstes, es schenckt dir die Gunst
Der weisen Vorsehung die würdigste Brunst.
Es schüttert, es freut sich dein doppeltes Bette,
Als wenn es des Glückes Empfindligkeit hätte.
Nun liebe den Lieben, nun drück und behalt
Den willigen Sclaven in süßer Gewalt!
Es reizt ihn der Aufruhr der blühenden Lüste,
Der jauchzenden Hügel, der hüpfenden Brüste,
Es zieht ihn der Haare gewaltiges Gold,
In welche die Sonn ihren Hauptschmuck gerollt,
Es brennt ihn der Augen verschwiegnes Geschweze;
Nun jagt er die Freyheit, nun lauft er ins Neze.
Er trug sich mit Wüntschen, verblich in der Glut
Und lechste nach Quellen benöthigter Fluth.
Jezt schilt er des Tages beschwerliche Länge,
Jezt wird ihm der Kleider Gefängnüß zu enge;
Er dehnt sich, er warthet, er sehnet und schreyt:
Ach, komm doch, du Auge der nächtlichen Zeit!
Schweig, hiziger Jüngling, du brauchst wohl die Kräfte;
Dein Seufzen vertrocknet die nüzlichen Säfte;
Vertröste die Sehnsucht und stille den Schmerz.
Der weichlichen Venus bricht selbsten das Herz,
Ihr Mitleid erhöret der Ihrigen Plagen,
Ihr Mitleid erhört schon dein ängstliches Klagen.
Die Sonne beschleunigt den Abzug und sinckt,
Nachdem sie vorhero dem Bruder gewinckt.
Der Hesperus, deßen versilberte Wangen
Der innig Verliebte mit Regung empfangen,
Betritt den Gesichtskreiß der obersten Welt
Und führet die Sterne durchs ewige Feld.
Nun schleichet dein Schäzchen mit wanckendem Schritte,
Nun schleicht sie zu Bette, nun mißt sie die Tritte.
O welche Veränderung droht ihr der Ort!
Auf! künftiger Ehmann, und mache dich fort
Und las sie nicht etwan im Kranze zurücke!
Sie zittert, sie bebet, verkleinert die Blicke
Vor Warthen der Dinge, die jezo geschehn.
Sie grämt sich zu fühlen und scheut sich zu sehn,
Verhüllet den Wohlstand der züchtigen Röthe;
Und bin ich im Lieben kein fremder Poete,
So mein ich, es lock ihr der nahe Verlust
Die frühe Bereuung aus Augen und Brust.
Verfolge sie kühnlich und las dich nicht irren,
Betäub ihr die Seufzer durch Küßen und Kirren,
Verschluck ihr den Kummer, verzehr ihr die Pein
Und sauge die Thränen der Jungfrauschaft ein!
Empfängt nun der Brautpfiehl die reizenden Glieder
Und zieht dich ihr artiges Lager darnieder,
So bistu vergnügter und glücklicher dran,
Als böthe dir Mogol sein Cronengold an.
Ich wenigstens wäre noch beßer zufrieden,
Als wenn mir gleich Anna drey Reiche beschieden.
Hier mache das Vorspiel, hier spize die Hand
Und bringe das Hauptwerck der Wollust in Stand.
Erhize die Adern durch sanftes Bewegen
Und klatsch ihr die Backen mit freundlichen Schlägen
Und küß ihr die Augen und nez ihr das Kinn.
Bald grüble von weiten, bald wälze dich hin,
Bald strecke den Vorwiz der listigen Finger,
Bald kneipe die runden und wallenden Dinger
Und küße nach vieler Erfindung und Art
Und forsche, was Amor am tiefsten verwahrt.
Besinn ich mich richtig, so wird sie dich strafen,
So dichtet sie anfangs ein nöthiges Schlafen,
So nennt sie sich lose, so zückt sie und rückt,
So weit sich's im Bette der Breite nach schickt.
Sie droht dir und droht nur, sie will sich erbosen,
Sie stemmt sich, den Angrif zurücke zu stoßen;
Sie wehrt sich mit Thränen, sie krümmt sich und spricht,
Und weinet darzwischen: Ach, thu es doch nicht!
Doch thu es nur immer und halt ihr die Armen,
Denn hieher gehört nicht des Nechsten Erbarmen.
Sie streitet, du streitest, ihr streitet zugleich;
Durch Streiten und Kämpfen mehrt Venus ihr Reich,
Durch Streiten und Kämpfen wächst Cypripors Stärcke.
Die Stunden verfließen, drum schreite zum Wercke
Und brauche, sobald du den Vortheil erlernst,
Den lieblichen Nothzwang, den scherzenden Ernst.
Erhasche den weichen und fliehenden Nacken,
Es mag auch sein Widerstand noch so sehr knacken,
Und prüfe die Schönheit der ganzen Person;
Ein Diener der Liebe besichtigt den Lohn.
Bald sencke dich unten, bald breite dich oben,
Verwechsle die Glieder, versuche die Proben,
Sey immer geschäftig und überall da
Und bring es dem ehrlichen Kinde so nah,
Bis hinten am Rücken und fornen am Leibe
Kein einziges Fleckchen entschuldiget bleibe.
Vom Nacken zum Halse, vom Halse zur Brust,
Hier bläst dir ein Zephyr die Fäuste voll Lust,
Noch tiefer, noch weiter, noch mehr zu ergründen,
Ich darf es nicht nennen, du wirst es wohl finden.
Hierunter hat Venus ein Wunder versenckt
Und Flammen und Funcken zusammen vermengt.
Umgieb es mit tausend ersinnlichen Spielen,
Es läst sich nicht nennen, es läst sich nur fühlen.
O würde dem Dichter das Muster gebracht!
Er hätte den Abriß natürlich gemacht.
Vergiß auch nicht Amors beredtes Gefallen,
Die schlüpfrigen Reden, das zärtliche Lallen;
Hier zieren die Fehler der Sprache den Mund,
Hier thut sich die geile Gelehrsamkeit kund.
Verbeßre das Stammlen, verbeiß und vermische
Das buhlrische Sprizeln, das geile Gezische;
So girren die Täuber, so lispelt der West,
Wenn Mittag und Sommer die Wälder verläst.
Sobald nun die Pfeile des mächtigen Knaben
Den kindischen Eckel gebändiget haben,
So giebt sie es näher, so giebt sie sich drein,
Im Purpur der Keuschheit gefällig zu seyn.
Drauf flicht sie wohl selber die fleischlichen Schlingen;
Sie wegert sich fälschlich, du solst sie nur zwingen,
Denn so überwunden heist siegreich gemacht.
O dreymahl und drüber bestätigte Nacht!
Jezt wird dir der Nectar am herrlichsten schmecken,
Jezt wird dir ihr Mäulchen erst Hunger erwecken,
Ihr Mäulchen, der Erstling so baldiger Frucht,
Von welcher kein Räuber zu kosten gesucht.
Nun lernt sich die furchtsame Schönheit bequemen,
Entzückung zu geben, Entzückung zu nehmen.
O seelige Ruhe! O himmlisches Bild,
Das gleiche Vergnügung mit gleicher vergilt!
Jezt hauchen die Lippen ein kräftiges Leben,
Jezt suchen die Seelen am Gaumen zu kleben,
Jezt taumelt der einmahl begierige Geist,
Wohin ihn die blinde Gelegenheit reißt.
O Himmel, was hör ich vor geizige Küße!
O Himmel, was rauschen vor kräftige Flüße!
O Himmel, wie küzelt das züngelnde Spiel!
O Liebe, wie machstu der Freuden so viel!
Jezt nimmt sie dem Finger, o sollt er mich rühren!
Die künstliche Freyheit herumzuspazieren.
Jezt dehnt sie den Zeiger, jezt zieht sie ihn zu.
O dreymahl und drüber beseeligte Ruh!
Ergreift doch, ruft Amor, ergreift doch die Wafen!
Mein Bräutgam soll köstliche Beute verschafen.
Nun mache dich fertig und tritt ins Gewehr,
Die friedliche Feindin rückt plözlicher her.
Bemüh dich, die schleudernde Lanze zu sencken,
Ihr christlicher Blutdurst begehrt sich zu träncken.
Jezt springt sie, jezt schnappt sie, jezt reißt sie sich los,
Erlaub ihr doch endlich den sehnlichen Stoß!
Begleite den Nachdruck mit Hüften und Händen,
Befördre die Arbeit der hurtigen Lenden,
Versüß es dem Mägdgen, gewähr ihr den Mann
Und streich ihr die Nieren, bis keines mehr kan,
Bis Geister und Glieder verschäumen und weichen,
Bis Nerven und Brüste sich legen und keuchen,
Bis Nebel und Schlafen das Auge verstellt
Und Schlummer und Ohnmacht den Willen befällt.
O schwenckt doch noch öfters die brünstigen Schenkel,
Zieht ähnliche Kinder, zeugt Nefen und Enckel,
Damit sie, bricht endlich das Alter herein,
Verdrießlichen Jahren ein Zeitvertreib seyn.
Sie stüzen euch künftig den biegenden Rücken,
Sie werden euch unter den Sorgen erquicken
Und, wenn sie euch langsam als Leichen beschaun
Nach eurem Exempel die Nachwelt erbaun.
(S. 313-318)
_____



Literatur: Johann Christian Günthers Sämtliche Werke. Erster Band:
Liebesgedichte und Studentenlieder in zeitlicher Folge
Aus: Sechs Bände historisch-kritische Gesamtausgabe herausgegeben von Wilhelm Krämer
Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1964


siehe auch Teil 1 Teil 2 Teil 3


 

 


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