Das Liebes-Poetische Manuskript N° 23

 Kaum sah ich Dich, so fühlt’ ich Flammen sprühen ...

Liebesgedichte von Adam Mickiewicz - Frauen-Porträts polnischer Maler
 


Wilhelm Kotarbinski (1849-1921)
Mädchen mit Malven
 


Adam Mickiewicz
(1798-1855)


Die Swite
žmaid
(Ballade)
 

Wer ist der Jüngling hoch und schlank?
Wer ist mit ihm die Dirne?
Am Switež schreiten sie entlang
Beim Lichte der Gestirne.

Sie reicht ihm süsse Beeren dar,
Er pflückt ihr manche Blüte.
Das ist gewiss ein liebend Paar,
Das tief und heiss erglühte!

Sie treffen stets zur selben Zeit
Bei Nacht am Baum zusammen.
Ein Schütz ist er; wer ist die Maid
Und woher mag sie stammen?

Sie geht - wer folgte ihrem Lauf?
Sie kommt - wer weiss von wannen?
Wie Wassers Blume taucht sie auf,
Eilt irrlichtgleich von dannen.

"Sprich, schöne Maid, woher du kamst,
Und sei nicht so verschwiegen,
O sage, welchen Weg du nahmst,
Und wo dein Heim mag liegen.

"Der Sommer schwand, der Herbst zog ein,
Und Nebel deckt die Lande,
Soll ich denn ewig harren dein
Am wilden Wasserrande?

"Dem Reh gleich irrst du für und für
Bei dunkler Nacht im Haine;
O Teure, bleibe ganz bei mir,
Sei endlich ganz die Meine!

"Mein Hüttchen liegt nicht weit von hier,
Von dichtem Wald umgeben,
Ich habe Wildpret allezeit,
Auch Milch und Frucht zum Leben." -

"Halt ein! Verwegner," ruft die Maid,
"Mein Vater sagte weise:
Der Männer Wort voll Süßigkeit
Birgt oft des Fuchses Weise.

"Wir fürchten ihre Falschheit mehr,
Als ihrer Glut wir trauen,
Ich gäbe dir vielleicht Gehör,
Doch - darf ich auf dich bauen?"

Er klagt der Hölle seine Qual,
Dass sie ihm Hilfe leihe,
Er kniet und schwört beim Mondenstrahl,
Doch - hält er auch die Treue?

"O halte sie, ich rate gut;
Wer seinen Eid gebrochen, -
Auf Erden wird sein Frevelmut,
Wird jenseits noch gerochen."

Sie spricht es, drückt den Kranz ins Haar,
Nicht länger darf sie weilen,
Sie grüsst ihn, um wie immerdar
Entschwebend fortzueilen.

Der Schütze strebt durch Busch und Strauch
Die Fliehende zu fassen,
Umsonst - sie schwand wie Windeshauch,
Hat ihn allein gelassen.

Er kehrt zurück durch wilde Flur
Und wankende Moräste,
Die Stille rings durchbrechen nur
Beim Tritt die dürren Äste.

Er lenkt den Schritt den See entlang
Und schaut in seine Wellen,
Im Forste rauscht der Wind so bang,
Des Wassers Fluten schwellen.

Die Tiefe gähnt, die Woge bebt,
Und wie ein Bild im Traume,
Ein wunderholdes Weib entschwebt
Des Switež Silberschaume.

Der weissen Rose gleicht ihr Bild,
Genetzt von Taues Zähren,
Ein leichtes Nebelkleid umhüllt,
Den Leib der Himmlischhehren.

Die Jungfrau singt: "Du junges Blut,
Du schmucker Schütz vom Haine!
Was irrst du um des Switež Flut
Beim hellen Mondenscheine?

"Was sehnst du nach der Losen dich?
Sie mag wohl Glut entfachen,
Doch lockt sie nur - und wendet sich
Hinweg, dich auszulachen.

"Es sänftige mein zärtlich Wort
Dein Seufzen und dein Bangen:
Zu mir! zu mir! die Welle dort
Wird uns vereint umfangen.

"Du sollst das Wasser, klar und frisch,
Bald gleich der Schwalbe streifen,
Bald tiefer gleich dem muntern Fisch
Mit mir den See durchschweifen.

"In Silbergrundes Schoss bei Nacht,
Bedeckt von Spiegelzelten,
Ist unser Lilienbett gemacht
Zum Traum von Himmelswelten." -

Vom Busen sinkt die Hülle ihr,
Der Schütz blickt keusch zur Erde, -
Sie naht ihm sanft und ruft: zu mir!
Mit lockender Geberde.

Sie schwebt dem Regenbogen gleich
In Kreisen ihn umziehend,
Durchschneidet dann das nasse Reich,
Demantne Tropfen sprühend.

Der Jüngling naht - steht wie gebannt -
Will fliehn - und kehrt zur Stelle.
Da fühlt sein Fuss an Ufers Rand
Das Schmeicheln einer Welle.

Sie kost so sanft, sie kost so lind,
Bis sie ihn ganz berückte, -
Es war, als ob ein schüchtern Kind
Die Hand des Liebsten drückte.

Alsbald vergass sein Wankelmut
Die, der sein Eid erklungen:
Und blindlings eilt er in die Flut,
Vom neuen Reiz bezwungen.

Er eilt und schaut, den Blick gespannt,
Die Fläche trägt die Tritte,
Er gleitet - fern vom trocknen Strand -
Bis in des Seees Mitte.

Sie drückt ihm sanft die Hand zum Gruss,
Er schaut die schönen Wangen,
Ihn reizt der Rosenmund zum Kuss,
Schon will er sie umfangen.

Da weht ein Luftzug - und befreit
Vom falschen Nebelscheine,
Erblickt er deutlicher die Maid, -
Es ist - sein Lieb vom Haine!

"Wo ist dein Schwur? Wo blieb mein Rat?
Wer seinen Eid gebrochen, -
Schon hier wird seine Frevelthat,
Wird jenseits noch gerochen!

"Nicht in der Flut ist dein Verbleib,
Für dich erglänzt sie nimmer;
Die Erdengruft verschlingt den Leib
Und löscht des Auges Schimmer.

"Doch harrt die Seele tausend Jahr
Am Baum, wo wir uns trafen,
Sie lechzt vor Glut der Hilfe bar
Und leidet Höllenstrafen." -

Der Schütze hört's, es irrt sein Gang,
Sein Blick durchspäht die Wellen,
Im Forste rauscht der Wind so bang,
Des Wassers Fluten schwellen.

Ihn fasst des Strudels wilde Kraft,
Und, wo mit grausem Munde
Die bodenlose Tiefe klafft,
Sinkt er mit ihr zu Grunde.

Noch heute braust das Wasser fort; -
Beim Lichte der Gestirne
Sieht man zwei nicht'ge Schatten dort:
Den Jüngling und die Dirne.

Sie tanzt auf Silberwellen noch,
Er ächzt am Baum in Flammen.
Ein Schütz war er! Nun sagt mir doch,
Woher die Maid mag stammen!

 


 


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Übersicht

Übersetzt von Heinrich Nitschmann (1826-1905)

Aus: Geschichte der Weltliteratur in Einzeldarstellungen
Band II.: Geschichte der polnischen Literatur
von Heinrich Nitschmann
Leipzig 1889

Biographie: http://de.wikipedia.org/wiki/Adam_Mickiewicz



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