Das Liebes-Poetische Manuskript N° 46


O süße Liebe ...

Spanische Dichter des 16. - 19. Jh.s - Frauen-Porträts
 


 Albert Lynch (1851-1912)
 Eine junge Schöne mit Blumen im Haar


Jorge de Montemayor
(1520-1561)


An die Locke


Welchen Wechsel mußt' ich sehen,
Seit ich dich, o Locke, sah!
Und wie übel scheint mir da
Noch der Hoffnung Grün zu stehen!
Freudig durft' ich mir's bekennen
- War ich gleich von Furcht nicht frei -
Daß kein Hort so würdig sei,
Dich, o Locke! sein zu nennen.

Ach, wie oft, o Locke, schielte
Sonst Diana hin nach mir,
Wenn getändelt ich mit dir,
Dich geküßt und mit dir spielte!
Und wie ihre Thränen flossen
- Ach die falschen Thränen - dort
Sprach im Scherz ich wohl ein Wort,
Das ihr Argwohn eingegossen!

Daß ich traute dem Versprechen,
Das in jenen Augen lag,
Die mein Herz durchbohrten; sag',
Gold'ne Locke, war's Verbrechen?
Sahst du nicht, wie sie mir dorten
Tausend Thränen weinte vor,
Bis ich einen Eid ihr schwor,
Glauben schenk' ich ihren Worten?

Sah man bei so hohen Reizen
Jemals solchen Wankelmut?
Und der reinsten Liebesglut
Je das Glück so böslich zeigen?
Ja, in ihrem Namen schämen,
Locke! mußt du dich vor mir,
Mich, den Treugebliebnen, hier
So verlassen wahrzunehmen.

Hier am Strom sie fand ich sitzen,
In den leichten Sand hinein
"Lieber tot als untreu sein!"
Schreibend mit den Fingerspitzen.
Bittern Spott heißt das getrieben,
Amor! auf die Schwüre bau'n
Eines Weibes mußt' ich, trau'n
Worten, in den Sand geschrieben.

übersetzt von Friedrich Wilhelm Hoffmann (1785-1869)


 

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Gedicht aus: Eine Blütenlese aus Spanischen Dichtern aller Zeiten
In deutschen Übertragungen
Herausgegeben von Julius Hart Stuttgart 1883
(S. 89-90)


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