Martin Opitz (1597-1639) - Liebesgedichte

Martin Opitz



Martin Opitz
(1597-1639)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 




MARTINI OPITII
Oden oder Gesänge



[.57]
I.
Galathee

COridon der gieng betrübet
An der kalten Cimbersee /
Wegen seiner Galathee /
Die er vor so sehr geliebet /
Die jhm vor so sehr behagt
Eh' er ward von jhr verjagt.
Seit daß ich hinweg bin kommen /
Seit daß wir geschieden seyn /
Sang er / hat des Mondes schein
Vier mal ab vnd zugenommen:
Galathee / so lange Zeit
Bin ich von dir allbereit.
Nun du wirst dich noch besinnen
Daß ich bey dir gantz vnd gar
Fuß zu halten willens war /
Vnd auch kaum gesegnen können:
Rawe Heidelber mich sehr /
Du viel tausend mal noch mehr.
Galathee / ich were blieben /
Vngeschewt der Kriegesnoth;
Der verlacht Gefahr vnd Tod
Welcher trewlich pflegt zu lieben:
Aber es ist dir wol kundt
Daß es gar bey mir nicht stund.
Ich zoh' hin von meinen Schaffen /
War auch schon biß an den Main;
Doch es wolte gantz nicht seyn /
Ich vermochte nicht zu schlaffen /
Biß ich wieder zu dir kam /
Vnd noch einmal Abschied nahm.
Dann must' ich / was solt' ich machen?
Wieder auff mein Franckfurt zu:
Tityrus der sprach: wie nu?
Wie steht's jetzund vmb die Sachen?
Mich bedüncket gantz vnd gar /
Daß dir vor viel besser war.
Tityrus ist recht gewesen;
Ich ward jmmer ärger kranck:
Thyrsis gab mir einen Tranck /
Ob ich köndte so genesen;
Aber alle Kräuterkunst
War vergebens vnd vmbsunst.
Keiner Müh' hab' ich geschonet /
Schifft' hin in das Niederlandt;
Leyden wird die Stadt genandt /
Da der grosse Daphnis wohnet;
Daphnis der berühmbte Mann /
Der so trefflich spielen kan.
Ich kam zu jhm / wolte singen
Wie zu Heidelberg vorhin:
Nein / es schlieff mir Muth vnd Sinn;
Alle Worte must' ich zwingen:
Bloß mein Schatten gieng allhier /
Ich war nirgend als bey dir.
Doch er ließ es jhm gefallen /
Sagte: wol mein Coridon /
Fahre fort; dein guter Thon
Kan noch weit vnd breit erschallen:
Es war aber nicht vor mich;
Ich gedachte nur an dich.
Bin ich vnten oder oben /
Es gilt alles eben viel /
Vnd was hilfft es daß mein Spiel
Alle die es hören loben /
Du hergegen / O mein Liecht /
Die ich lobe hörst es nicht?
Nachmals kam ich zu den Friesen /
Sah' jhr schönes Vieh da stehn /
Vnd im feisten Grase gehn /
Vnd die Lämmer auff den Wiesen:
O wie wol ist doch daran /
Sprach ich / der so leben kan!
Nun ich will euch gar nicht neiden /
Ja ich wüntsche noch darzu
Daß jhr lange Zeit in Rhu /
Lieben Hirten / möget weiden.
Aber ich hier vnbekandt
Flieh' anjetzt mein Vaterlandt.
Ihr könnt singen bey den Quellen /
Daß man höret weit vnd breit
Von der schönsten Freundligkeit
Das gestade Wiederschellen:
Ich muß singen auff der See:
Wo ist meine Galathee?
O wie bistu so verdrungen!
Wo ist jetzt die Herrligkeit /
Corydon / wie vor der Zeit?
Nun sing wie du vor gesungen:
Galathee / bey dir allein
Wil ich jetzt vnd jmmer seyn.
Geh' jetzund hin zu dem Brunnen /
Da des Wolffes strenge Macht
Mutter Jetten vmbgebracht /
Da sich offters durch der Sonnen
Heisse Stralen angeregt
Galathee zu dir gelegt;
Da sie dich mit vielen Küssen
In die weissen Armen schloß;
Da du in der zarten Schoß
Deine Lust recht kondtest büssen:
Aber jetzt / O Corydon /
Ach wie weit bist du darvon!
Nun wir haben es erlebet /
Was du / Gott / verhangen hast /
Daß bey vns ein frembder Gast
Auff den schönen äckern gräbet:
Was wir haben ausgestrewt /
Wird von andern abgemeyt.
Wol dem der sein Feld kan bawen /
Lieben Schäffer / gleich wie jhr /
Darff sein Leben nicht mit mir
Nur dem blossen Winde trawen:
Ihr habt ewer Vatergut /
Ich muß auff die wüste Flut.
Nach dem hin vnd wieder ziehen /
Kam ich endlich doch hieher /
Galathee / weit vber Meer:
Weiter kan ich nun nicht fliehen;
Weiter fliehen kan ich nicht /
Weil mir Wind vnd See gebricht.
Wo die Schiffe vor geflossen /
Da liegt scharffes Eiß vnd Schnee;
Dieses Vfer da ich geh
Hat den Winter gantz verschlossen:
Vor der grünen Felder Lust
Ist hier lauter Reiff vnd Frost.
Nun ich wolte gerne leiden
Was ich jmmer leiden soll;
Ja / mir were gantz so wol /
Wann ich dich nicht dörffte meiden:
Alle Trawrigkeit vnd Pein
Fühl ich nur von wegen dein.
Alle Nacht pflegt mir zu träumen
Wie ich bey dem Necker sey /
Wie ich aller Sorgen frey
Bey den rauchen Kestenbäumen
Mit dir / liebe Galathee /
Oepffel auff zu lesen geh.
Dein Verstand vnd kluge Sinnen /
Die mir meine liessen nicht /
Deiner schönen Augen Liecht /
Die ich muste lieb gewinnen /
Deiner roten Lippen Ziehr
Sind ohn Vnterlaß allhier.
Gantz verstarret vnd erfroren
Durch den Schnee vnd strengen Nort
Irr' ich offters vmb den Port /
Ruffe dir die ich verlohren.
O vergebens / Corydon /
Sie ist allzuweit hiervon.
Täglich geht die Sonne nieder
Steht auch täglich wieder auff /
Vnd helt jhren alten Lauff:
Aber wann seh' ich dich wieder?
Ach / wie weit ist doch der Tag /
Daß ich dich vmbfangen mag!
Manches Land muß ich noch sehen /
Vnd mich lassen hin vnd her
Durch das weite wilde Meer
Manche rauhe Winde wehen /
Eh' ich / reicht mir Gott die Hand /
Schawen kan mein Vaterland.
Vnterdessen meine Frewde /
Galathee gehab dich wol /
Biß ich / wo ich leben soll /
Weit von Trawren vnd von Leide
Bey den meinen vnd bey dir
Bleiben werde für vnnd für.
Dieses Vfer wil ich haben;
Galathee in deiner Schoß
Kan ich werden frey vnd loß;
Hier wil ich mein Leid vergraben:
Hier soll weit von Angst vnd Pein
Meiner Reise Ruhstadt seyn.
Also sang er / daß die Wellen
Vnd das Vfer an der See
Galathee / O Galathee /
Sämptlich muste wiederschellen /
Biß die Abendröthe kam /
Vnd die Nacht den Tag weg nahm.

aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 654-659)
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[.58]
II.
Ist jrgend zu erfragen
Ein Schäffer vmb den Rein /
Der sehnlich sich beklagen
Muß vber Liebespein /
Der wird mir müssen weichen /
Ich weis sie plagt mich mehr:
Niemand ist mir zu gleichen /
Vnd liebt er noch so sehr.
Es ist vorbey gegangen
Fast jetzt ein volles Jahr /
Daß Phyllis mich gefangen
Mit Liebe gantz vnd gar;
Daß sie mir hat genommen
Gedancken / Muth vnd Sinn:
Ein Jahr ists daß ich kommen
In jhre Liebe bin.
Seyt dem bin ich verwirret
Gewesen für vnd für /
Es haben auch geirret
Die Schaffe neben mir;
Das Feldt hab' ich verlassen /
Gelebt in Einsamkeit /
Hab' alles müssen hassen
Worumb ein Mensch sich frewt.
Nichts hab' ich können singen
Als nur jhr klares Liecht;
Von jhr hab' ich zu klingen
Die Lauten abgericht;
Wie sehr ich sie muß lieben /
Vnd jhre grosse Ziehr
Das hab' ich fast geschrieben
An alle Bäwm' allhier.
Kein Trincken vnd kein Essen /
Ja nichts hat mir behagt /
Ich bin nur stets gesessen /
Vnd habe mich beklagt;
In diesem schweren Orden
Verendert alles sich /
Die Herd' ist mager worden /
Vnd ich bin nicht mehr ich.
Sie aber hat die Sinnen
Weit von mir abgekehrt /
Ist gar nicht zu gewinnen /
Als wer' ich jhr nicht werth;
Da doch was ich gesungen
Im Brittenland erschallt /
Vnd auch mein Thon gedrungen
Biß durch den Böhmer Waldt.
So hab' ich auch darneben /
Ich habe was bey mir /
Das ich nicht wolte geben
Vmb alles Vieh allhier
Das an das Neckers Rande
Im grünen Grase geht:
Mein Lob wird auff dem Lande
Vnd in der Stadt erhöht.
Jedoch nach diesem allen
Frag' ich nicht sonders viel /
Der Phyllis zu gefallen
Ich einig singen wil /
Weil nichts ist das auff Erden
Mir ohne sie gefellt;
Kan jhre Gunst mir werden /
So hab' ich alle Welt.

aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 660-662)
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[.59]
III.
Wol dem der weit von hohen dingen
Den Fuß stellt auff der Einfalt Bahn;
Wer seinen Muth zu hoch wil schwingen /
Der stößt gar leichtlich oben an.
Ein jeder folge seinem Sinne /
Ich halts mit meiner Schäfferinne.

Ein hohes Schloß wird von den Schlägen
Des starcken Donners mehr berührt;
Wer weit wil fellt offt aus den Wegen /
Vnd wird durch seinen Stoltz verführt.
Ein jeder folge seinem Sinne /
Ich halts mit meiner Schäfferinne.

Auff grosser See sind grosse Wellen /
Viel Klippen / Sturm vnd harter Wind:
Wer klug ist bleibet bey den Quellen /
Die in den grünen Wäldern sind.
Ein jeder folge seinem Sinne /
Ich halts mit meiner Schäfferinne.

Hat Phyllis gleich nicht Gold vnnd Schätze /
So hat sie doch was mir gefellt:
Wormit ich mein Gemüt' ergetze /
Wird nicht gekaufft vmb Gut vnd Geldt.
Ein jeder folge seinem Sinne /
Ich halts mit meiner Schäfferinne.

Man steht bey reicher Leute Pforte
Sehr offt / vnd kömpt doch selten ein:
Bey jhr bedarff es nicht der Worte;
Was jhr ist / ist nicht minder mein.
Ein jeder folge seinem Sinne /
Ich halts mit meiner Schäfferinne.

Glentzt sie gleich nicht mit thewren Sachen /
So gläntzt doch jhrer Augen Liecht:
Gar viel muß Hoffart schöne machen /
Ihr schlechter Schein betreugt mich nicht.
Ein jeder folge seinem Sinne /
Ich halts mit meiner Schäfferinne.

Ist sie gleich nicht von hohem Stande /
So ist sie dennoch aus der Welt:
Hat sie gleich keinen Sitz im Lande /
Sie selbst ist mir ein weites Feldt.
Ein jeder folge seinem Sinne /
Ich halts mit meiner Schäfferinne.

Wer wil mag in die Lüfften fliegen /
Mein Ziel erstreckt sich nicht so weit:
Ich lasse mich an dem begnügen
Was nicht bemüht / vnd doch erfrewt /
Vnd halt' es recht in meinem Sinne /
Mit meiner schönen Schäfferinne.

aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 662-664)
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[.61]
V.
Kompt laßt vns ausspatzieren /
Zu hören durch den Waldt
Die Vögel musiciren /
Daß Berg vnd Thal erschallt.
Wol dem der frey kan singen /
Wie jhr / jhr Volck der Lufft;
Mag seine Stimme schwingen
Zu der auff die er hofft.
Ich werde nicht erhöret /
Schrey ich gleich ohne Rhu;
Die so mich singen lehret
Stopfft selbst die Ohren zu.
Mehr wol dem / der frey lebet /
Wie du / du leichte Schar /
In Trost vnd Angst nicht schwebet /
Ist ausser der Gefahr.
Ihr werdet zwar vmbgangen /
Doch helt man euch in werth;
Ich bin von der gefangen
Die meiner nicht begehrt.
Ihr könnt noch Mittel finden /
Entfliehen aus der Pein;
Sie muß noch mehr mich binden /
Soll ich erlöset seyn.


aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 665-666)
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[.63]
VII.
Aus Ronsardts Erfindung

ALs ich nechst war ausspatzieret
Zu den Hirten in den Waldt /
Vnd mit jhnen musiciret /
Daß der gantze Pusch erschallt /
Kam die Venus selbst zu mir /
Bracht' auch jhren Sohn mit jhr
Der bey mir verbleiben solte /
Wo ich jhn was lehren wolte.
Alles was du wilt bedingen /
Sagte sie / ist dir vergünnt /
Wo du deine Kunst zu singen
Lehren wirst mein kleines Kind:
Wol / ich weis' jhm gantz bereit /
Was man noch hat dieser Zeit
Von den Göttern auffgeschrieben /
Vnd im Hirtenbuch' ist blieben.
Wie das Pan auff sieben Röhren
Anzustimmen hat erdacht /
Vnd gantz lieblich anzuhören
Einen newen Thon auffbracht:
Wie daß Aristeus weit
Mit dem Bacchus kam in Streit
Ob die Süssigkeit der Bienen
Mehr als Wein vns köndte dienen.
Aber nein / der lose Knabe
Machte was er vor gethan;
Wann ich jhm was anders gabe
So hub er von buhlen an:
Allzeit ward von jhm gehört
Wie die Lieb' vns so bethört;
Wie nach seiner Mutter Sinnen
Jederman muß lieb gewinnen.
Solt' er Lection auffsagen /
Wust' er lauter nichts darvon /
Brachte selbst mir vorgetragen
Eine schwere Lection:
Jetzt ich also nichts mehr weis
Dann von Lieb' vnd jhrem Preiß':
Jetzt ist gäntzlich mir entfallen
Was ich kondte vor für allen.
Nun ade jhr Feldgöttinen /
Nun ade du grüne Lust;
Corydon muß jetzt beginnen
Was er vorhin nie gewust:
Es ist wo ich geh' vnd steh'
Alles nichts dann Galathee:
In dem strengen Liebesorden
Bin ich durch ein Kind bracht worden.

aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 668-670)
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[.65]
IIX.
Fast aus dem Holländischen; wie auch das nechstfolgende

O Du Gott der süssen Schmertzen /
Warumb daß man dich so blind
Vberall gemahlet findt?
Ich befind' es nicht im Hertzen.
Nun du habest kein Gesicht';
Ich vnd niemand glaubt es nicht.

Siehstu nicht / wie kanst du wissen
Wo dein Pfeil hinfliehen soll?
Blinde sehen sonst nicht wol;
Du kanst ziemlich grade schiessen:
Nun du habest kein Gesicht' /
Ich vnd niemand glaubt es nicht.

Die in dicke Püsche ziehen /
Vnd in wüsten Wäldern seyn /
Können doch der LiebesPein
Vnd dem Bogen nicht entfliehen:
Nun du habest kein Gesicht' /
Ich vnd niemand glaubt es nicht.

Die das weite Meer durchjagen
Müssen fühlen deine Stärck':
Ist das solcher Leute Werck?
Heißt das blind seyn? recht zu sagen:
Nun du habest kein Gesicht' /
Ich vnd niemand glaubt es nicht.

Giengst du nicht die enge Strassen
In das himlische Gebäw
Vnbegleitet ohne Schew /
Dorfftest Jupiter anfassen?
Nun du habest kein Gesicht' /
Ich vnd niemand glaubt es nicht.

Kondtest du den Pluto finden /
Stiegest in der Höllen Schlund
Dorfftest dich auff seinem Grund'
Ihn zu schiessen vnterwinden?
Nun du habest kein Gesicht';
Ich vnd niemand glaubt es nicht.

Du wilst keine Klage kennen /
Keine Bitte nimpst du an /
Alles ist vmbsonst gethan:
Blinde sind die dich blind nennen;
Dieses geht mir besser ein /
Daß du trefflich taub must seyn.

aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 673-675)
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[.66]
IX.
Corydon sprach mit Verlangen
Zu der liebsten Feldgöttin:
Wer' es Lydia dein Sinn /
Daß du woltest mich vmbfangen /
Daß wir möchten noch in Frewd'
Enden vnsre junge Zeit?

Alles Wildniß in den Wäldern
Schmeckt die süsse Liebeskost;
Es gebrauchen sich der Lust
Herd' vnd Hirten auff den Feldern:
Wollen wir dann ohne Frewd'
Enden vnsre junge Zeit?

Alle Vögel in den Lüfften
Hört man singen für vnd für /
Alle Nymphen da vnd hier /
Sieht man newe Heyrath stifften;
Ey laß vns doch auch in Frewd'
Enden vnsre junge Zeit.

Zwar der Warheit nicht zu schonen /
Ich bin nur ein Bawerknecht /
Doch noch eins so fromm vnd recht
Als die in den Städten wohnen;
Drumb so laß vns doch in Frewd'
Enden vnsre junge Zeit.

Ich weis gar wol deine Sinnen /
Du vermeynst es were Kunst
Wann du mich durch Liebesbrunst
Würdest gantz verzehren können:
Darumb solln wir ohne Frewd'
Enden vnsre junge Zeit.

Nymphe / wilst du mir entgehen /
Weil ich nur vom Dorffe bin?
Schaw auff alle Götter hin
Die nach Bawrenliebe stehen:
Können wir dann ohne Frewd'
Enden vnsre junge Zeit?

Venus hat vielmal geschlaffen
Bey Adonis in dem Wald' /
Ob gleich schon sein Auffenthalt
Niergend war als bey den Schaffen:
Wir nur wollen ohne Frewd'
Enden vnsre junge Zeit.

Doch ich wil mich nicht betrüben /
Ich begehr' es nicht so sehr;
Aber dencke / wer dich mehr
Wird als ich so hefftig lieben /
Wann wir jetzund ohne Frewd'
Enden vnsre junge Zeit.

aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 675-677)
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[.67]
X.
Allhier in dieser wüsten Heyd'
Ist gar kein Mensch nicht weit vnd breit /
Die wilden Thier allein
Die seh' ich selbst Mitleiden tragen /
Die Vögel trawrig seyn /
Vnd mich mit schwacher Stimme klagen /
Die kalten Brunnen stärcker fliessen /
Viel Threnen gleichsfals zu vergiessen.

Stein / Wälder / Wiesen / Feld vnd Thal
Hör' ich beklagen meinen Fall;
Sie fühlen meine Pein /
Die Schafe wollen gar nichts weiden;
Du / Delia / allein
Wirst nicht beweget durch mein Leiden /
Du Kron vnd Zier der Schäfferinnen /
Du strenge Fürstin meiner Sinnen.

In dich hab' ich mein Ziel gericht /
Mein einig All / meins Lebens Liecht:
Nun hat des Glückes Neid
Von deiner Seiten mich gerissen;
Drumb wündsch' ich dieser Zeit
Nicht mehr des Lebens zu geniessen;
Vom Tode nur werd' ich bekommen
Die Freyheit so du mir genommen.

Laß ich gleich aber diese Welt /
Wird meine Trew doch nicht gefellt;
Die Liebe gegen dir
Hab' ich an manchen Baum geschnitten;
Da sieht man für vnd für
Was ich vor Angst vnd Pein erlitten:
So lang' Arcadia wird stehen
Soll auch mein Name nicht vergehen.

Es tritt Diana selber hin /
Mein Grab zu machen in das grün;
Die Göttin Flora geht
Sich nach Violen vmbzuschawen /
Mein Leichstein ist erhöht /
Darein die Nymphen werden hawen:
Hier hat den Geist dahin gegeben
Den seine Liebste bracht vmbs Leben.


aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 677-678)
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[.68]
XI.
Asterie mag bleiben wer sie wil /
Ich weis nichts mehr von jhr /
Vnd jhrer Huld; ein sehr viel höher Ziel
Hab' ich anjetzt vor mir:
Ich wil mich weiter schwingen
Als durch den Erdenkreiß /
Vnd nur alleine singen
Der Tugend Ehr' vnd Preiß.

Wie selig ist wer in Vollkommenheit
Der Weißheit sich verliebt /
Die süsse Gifft der schnöden Eitelkeit
Ihn nimmermehr betrübt;
Er weichet von den Wegen
Der Vppigkeit der Welt /
Darauff zuvor erlegen
Manch freyer kühner Heldt.

Die Schönheit zwar veracht' ich gäntzlich nicht /
Weil sie von oben kömpt /
Das sag' ich nur daß sie gar leichte bricht /
Vnnd bald ein Ende nimpt:
Der rote Mund / die Wangen /
Der schönen Augen Glantz /
Ja alle Pracht vnd Prangen
Ist wie ein Rosenkrantz.

Wer Tugend liebt / der stirbet nimmermehr /
Er dringt durch alle Noth /
Durch alle Welt erklingt sein Lob vnd Ehr /
Er bleibt / vnd lebet todt:
Drumb wil ich nichts mehr schreiben
Von zeitlicher Begiehr /
So wird mein Lob bekleiben /
Vnd grünen für vnd für.

Weg / Venus / weg / du Pest der jungen Zeit
Ich selbst vergesse mein;
Ich wil jetzt gehn den Lauff der Ewigheit /
Vnd auff der süssen Pein
Verwirrten Bahn nicht wallen /
Die Tugend ist mein Ziel;
Asterie sampt allen
Mag bleiben wer sie wil.

aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 679-680)
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[.69]
XII.
Mein Nüßler / vnd ist diß dein Rath /
Ich soll die schnöde Wollust hassen /
Vnd die so mich bethöret hat /
Die schöne Flavia / verlassen?

Sprich / sagst du / deine Musen an /
Setz' an die Feder / das zu schreiben
Durch welches dein Gerüchte kan
In Ewigkeit hernach bekleiben.

Laß fahren / die zu wenig ist
Daß sie die viel gewüntschten Sachen
Die du zu tichten auserkiest
Soll gantz vnd gar zu Wasser machen.

Denck' an den Rhum den du nunmehr
Bey grossen Leuten hast erworben:
Seit daß du liebst ist schier die Ehr'
In jhrer ersten Blüt' erstorben.

War ist es / ich bin jetzund fast
Der Bücher ärgster Todfeind worden /
Nun Venus / die gewüntschte Last
Mich wieder hat in jhren Orden.

Doch bin ich sehr in Zweiffel noch /
Ob auch des blossen Lobes wegen
Daß Joch / das angenehme Joch /
Sey gantz vnd gar hinweg zu legen.

Dieweil ich kürtzlich soll hernach
Die lange Nacht vergraben liegen /
Was hilfft michs durch viel Vngemach
Vnd Müh ein' Hand voll Ehre kriegen?

Kein Vers / wie künstlich er mag seyn /
Der kan mir jetzund Bürge werden
Man werde dieses mein Gebein
Bedecken mit fein leichter Erden.

Doch wol / laß meine Poesie /
Vnd was ich sonsten möchte schreiben /
Als zu Ergetzung meiner Müh /
Ein hundert Jahr vnd lenger bleiben:

Bin ich mehr als Anacreon /
Als Stesichor / vnnd Simonides /
Als Antimachus / vnd Bion /
Als Philet / oder Bacchylides?

Ist aber dir dann nicht bekandt /
Der Griechen schöne Ziehr im Tichten?
Was soll nun diese meine Hand
In deutscher Sprache können richten?

Nein / nein / ich lobe meinen Sinn /
Vnd hoff' es soll mir auch gelingen /
Daß das worauff ich kommen bin
Noch möglich sey mir zu vollbringen.

Das dünckt mich gar viel besser seyn /
Als derer Fleiß die nichts erwerben
Durch jhre Reim' als leichten Schein /
Vnd doch für Hunger kaum nicht sterben.


aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 680-682)
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[.71]
XIV.
Ihr schwartzen Augen / jhr / vnnd du / auch schwartzes Haar/
Der frischen Flavien / die vor mein Hertze war /
Auff die ich pflag zu richten /
Mehr als ein weiser soll /
Mein Schreiben / Thun vnd Tichten /
Gehabt euch jetzund wol.
Nicht gerne sprech' ich so / ruff' auch zu Zeugen an
Dich / Venus / vnd dein Kind / daß ich gewiß hieran
Die minste Schuld nicht trage /
Ja alles Kummers voll
Mich stündlich kränck' und plage /
Daß ich sie lassen soll.
Ihr Parcen / die jhr vns das Thun des Lebens spinnt
Gebt mir vnd jhr das was ich jhr / vnd sie mir gönnt /
Weil ich's ja soll erfüllen /
Soll zähmen meinen Fuß /
Vnd wieder Lust vnd Willen
Auch nachmals sagen muß:
Ihr schwartzen Augen / jhr vnnd du auch schwartzes Haar /
Der frischen Flavien / die vor mein Hertze war /
Auff die ich pflag zu richten /
Mehr als ein weiser soll /
Mein Schreiben / Thun vnd Tichten /
Gehabt euch jetzund wol.

aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 683-684)
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[.82]
IIX.
An die Augen seiner Jungfrawen
Fast aus dem Holländischen

LEitsternen meines Haupts / vnd meiner jungen Zeit /
Die als Planeten sind gesetzet meinem Leben /
Ihr Augen / wann ich euch so freundlich sehe schweben
So bin ich als entzückt / vnd kenne gantz kein Leid:
Dann jhr beschliest in euch ein' hohe Liebligkeit /
Vnd lieblich' Hoheit; jhr / jhr könnt alleine geben
Genüge / rechte Lust: wornach wir Männer streben
Das habt jhr / O mein Liecht / vor allem weit vnd breit.
Natura selber liegt im Tunckeln fast begraben /
Vnd mangelt jhres Liechts / von wegen jhrer Gaben /
Die gantz versamlet sind in solcher engen statt;
Doch ist sie enge nicht / vnd kan sich weit ergiessen
Ja were groß genung fast alles einzuschliessen /
Weil sich mein' arme Seel' in jhr verirret hat.


aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 696)
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[.84]
X.
Einer Jungfrawen Klage vber nahendes Alter

ACh wo ist nun die Zeit / in der man pflag zu gleichen
Der Rosen schöner Zier mein' edele Gestalt?
Ja freylich bin ich so / nun ich bin graw vnd alt.
Eh' als der Sonnen Glantz die Rose kan erreichen
So muß sie durch die Lufft der Nacht zuvor verbleichen /
Vnd hat nur von dem Thaw ein wenig Vnterhalt:
So netzen mich jetzt auch die Threnen mannigfalt /
Weil ich die junge Zeit nun habe lassen schleichen.
Geht dann der Morgen an / so wird die Rose roth;
Ich werde Schamroth auch / gedenck ich an die Noth.
Doch hab' ich diesen Trost / daß gleich wie von den Winden
Die Rose / wann der Tag sich neigt / wird abgemeit /
So werd' auch ich / weil nun mein Abend nicht ist weit /
Kan ja es hier nicht seyn / doch Ruh' im Grabe finden.


aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 698)
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[.85]
XI.
DV schöne Tyndaris / wer findet deines gleichen /
Vnd wolt' er hin vnd her das gantze Land durchziehn?
Dein' Augen trutzen wol den edelsten Rubin /
Vnd für den Lippen muß ein Türckis auch verbleichen /
Die Zähne kan kein Gold an hoher Farb' erreichen /
Der Mund ist Himmelweit / der Hals sticht Atstein hin:
Wo ich mein Vrtheil nur zu fellen würdig bin /
Alecto wird dir selbst des Haares halben weichen /
Der Venus Ehemann geht so gerade nicht /
Vnd auch der Venus Sohn hat kein solch scharff' Gesicht';
In summa / nichts mag dir vergliechen werden können:
Weil man dann denen auch die vns gleich nicht sind wol /
Geht es schon sawer ein / doch gutes gönnen soll /
So wüntsch' ich daß mein Feind dich möge lieb gewinnen.

aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 699)
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[.86]
XII.
An seine Threnen
Aus dem Lateinischen Hugonis Grotij

IHr meiner Augen Bäch' / jhr angenehme Zehren /
Die jhr in Trawrigkeit mir alle Frewde bringt /
Glüchselig weret jhr / wann die so euch erzwingt /
Wie ich zu jhr mich / sie zu euch sich wolte kehren.
Nun aber / ob auch gleich der Regen wol kan wehren
Der höchsten Härtigkeit / vnd durch die Steine dringt /
Euch dennoch jhren Sinn zu beugen nicht gelingt /
Ob jhr ohn Vnterlaß gleich fliesset mit Beschweren /
So lasset mich doch nicht / so bleibet doch bei mir /
O jhr mein bester Trost / jhr heissen Liebes-threnen /
Vnd wann mein Hertz' vnd ich nach euch sich werden sehnen /
Laßt ewre Brünnelein ja fliessen für vnd für /
Biß mein Lieb sieht daß jhr mehr quellen könnet nicht /
Vnd mir die Seel' aus fehrt vor jhrem Angesicht.

aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 699-700)
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[.87]
XIII.
Auch aus jhm

MEin Lieb / so offte mir mein' arme krancke Sinnen
Dein himlisches vnd mein betrübtes Angesicht'
Entwerffen / wundert mich daß deiner Augen Liecht
Sich nicht erweichen leßt durch meiner Augen Rinnen.
Kan aber ich ja nicht dein' Huld vnd Gunst gewinnen /
Warumb ergeussest du den grossen Zorn doch nicht /
Daß ich durch seine Macht werd' endlich hingericht /
Auff daß mein' Augen dich auch nicht mehr sehen können?
Doch gleichwol / ob du schon sie gäntzlich würdest blenden /
Ob mein Gesichte gleich vertunckelt ganz vnd gar
Durch deiner Sonnen Glantz / so weis ich doch fürwar
Daß du je dennoch dich nicht gantz kanst von mir wenden /
Dieweil mein trewes Hertz' / ist schon das Antlitz blindt /
Dich allezeit in sich fest' einvorleibet findt.


aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 701)
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[.88]
XIV.
Zum theil aus dem Niederländischen

CVpido / so du bist nichts anders als ein Kind /
Wie kömpts daß ich von dir so vielmal sagen hören /
Daß Herrn vnd Könige dich Tag vnd Nacht hoch ehren?
Wie kömpts daß deine Hand so sehr viel vberwindt?
Cupido / bist du auch / wie man dich mahlet blindt /
Vnd die Poeten selbst / dein' eigne Diener / lehren /
Wie kanst du dann dein Reich so mächtiglich vermehren?
Wie daß dein Pfeil so recht mir in mein Hertze findt?
Nein / glaub' es wer da wil; du kanst mit deinen Händen
Der Menschen Stärck' vnd Krafft nach deinem Willen lenden:
Nein / nein / du bist ein Gott dem alles ist bekandt.
Triff auch der Liebsten Hertz' / vnd halt es für mich inne /
Daß sie mich / wie ich sie / auch wieder lieb gewinne /
So sag' ich / du brauchst recht dein Vrtheil vnd Verstandt.

aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 702)
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[.90]
XVI.
Francisci Petrarchae

ISt Liebe lauter nichts / wie daß sie mich entzündet?
Ist sie dann gleichwol was / wem ist jhr Thun bewust?
Ist sie auch gut vnd recht / wie bringt sie böse Lust?
Ist sie nicht gut / wie daß man Frewd' aus jhr empfindet?
Lieb' ich ohn allen Zwang / wie kan ich Schmertzen tragen?
Muß ich es thun / was hilfft's daß ich solch Trawren führ'?
Heb' ich es vngern an / wer dann befihlt es mir?
Thue ich es aber gern' / vmb was hab' ich zu klagen?
Ich wancke wie das Graß so von den kühlen Winden
Vmb Vesperzeit bald hin geneiget wird / bald her:
Ich walle wie ein Schiff das durch das wilde Meer
Von Wellen vmbgejagt nicht kan zu Rande finden.
Ich weis nicht was ich wil / ich wil nicht was ich weis:
Im Sommer ist mir kalt / im Winter ist mir heiß.


aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 703)
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[.91]
XVII.
Aus dem Italienischen der edelen Poetin Veronica
Gambara; wie auch nechstfolgenden sechse.
Sie redet die Augen jhres Buhlen an / den sie vmbfange

SO offt' ich ewren Glantz / jhr hellen Augen / schawe /
Bin ich in grosser Lust vertäufft so hoch vnd weit /
Daß ich mich frewen muß auch in Trübseligkeit
Vnd eusserster Fortun / in dem ich auff euch bawe.
Hergegen Schätz' ich mich für die betrübtste Frawe /
Wann jhr nicht wie zuvor geneigt vnd freundlich seyd:
Ich bin mir selber gram / mein Leben ist mir leidt /
Dieweil ich euch nicht hab' auff die ich einig trawe.
Ihr jrrdisches Gestirn' / jhr sterblichen Planeten /
Ihr meine Sonn' vnnd Mond' / jhr / die jhr mich könnt tödten/
Ohn euch ist alle Lust nichts als ein blosses Bild.
Was wundert jhr euch dann / daß ich zu euch muß eilen/
Mein bester Trost? es fleucht ein jeder für den Pfeilen
Des Todes / wider welch' jhr seyd mein starcker Schild.


aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 704)
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[.92]
XIIX.
Sie klaget vber Abwesen jhres Buhlen

WAnn die zwey Augen nicht sich eilends sehen liessen /
Die meines Hertzens Lust sind wider alles Leid /
Die mir in Angst vnd Noth verleihen Sicherheit /
So würde / förcht' ich nur / mein Leben weg gerissen.
Es werden alle Bäch' ohn einen Tropffen fliessen /
Es wird die gantze Welt zu fallen seyn bereit /
Es wird des Himmels Lauff / der Meister aller Zeit /
Wie Nebel / Wind vnd dampff sein Thun vnd Art  beschliessen /
Eh' als ich ohne sie vermag allhier zu leben.
Sie sind mein Auffenthalt / in jhnen lern' ich eben
Des grossen Himmels Lauff / als eine weise Fraw.
Ihr Sternen die jhr mußt auff vnser Leben sehen /
Wird es / eh' ich zu euch verreis' / auch je geschehen /
Daß ich jhn / oder ja den letzten Tod anschaw?

aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 705)
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[.93]
XIX.
Sie redet sich selber an / als sie bey jhm wieder ausgesöhnet

DV hochgeborne Fraw / die du so reich gezieret
Bist mit des Himmels Güt' vnd Gaben mannigfalt /
Der dich verehret hat mit edeler Gestalt /
Daß seine hohe Macht recht werd' in dir gespühret /
Inkünfftig weiter nicht zu klagen dir gebühret;
Es sind hinweg gethan der Haß vnd die Gewalt /
Die zwar bißher dein Feind / doch Trost vnd Auffenthalt /
Mehr als zu lange Zeit hat wider dich geführet.
In einem Huy wird dir das Glücke gantz geneiget;
Die Sonne hat sich bloß nur darumb trüb' erzeiget /
Auff daß sie deinen Sinn recht zu erkennen krieg'.
Jetzt ist der helle Schein / das klare Licht vernewet /
Ihn hat nun gantz vnd gar der Härtigkeit gerewet:
Je grösser Vbel war / je schöner ist der Sieg.

aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 706)
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[.94]
XX.
Vber den Ort / da sie jhren Adonis zum ersten vmbfangen

IHr schönen Wasserbäch' / jhr Vfer an den flüssen /
Da sich des Himmels Lufft erzeigt sehr hell vnd klar /
Vnd fast an euch erschöpfft die Gaben gantz vnd gar /
Die ander' örter sonst sehr sparsamlich geniessen.
Wann dieses mein Sonnet so wol sich köndte schliessen /
Als es von Hertzen geht / so macht' ich offenbahr
Durch diese Reimen euch vnd ewrer Gaben Schar;
Man solte weit vnd breit hiervon zu reden wissen.
Nun aber mein Verstand des Ruhmes hohe Zinnen
Vnnd ewer rechtes Lob nicht wird ersteigen können /
So weichet vnd erliegt der viel zu enge Sinn.
Die Hand ist viel zu schwach / die Zunge steht gebunden;
Doch hab' ich grosse Frewd' vnnd Lust bey euch empfunden
Vor die wil ich hernach euch rühmen weil ich bin.

aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 707)
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[.95]
XXI.
An jhres Liebsten Augen / als sie jhn küsset

IRr Wohnhaus vnd Losier der Liebe / laßt empfinden
Mich ewren schönen Glantz / zu euch mein Firmament /
Zu euch / jhr Augen / ich mein Hertz' vnd Sinnen wend' /
Auff daß mein Finsterniß kan durch diß Liecht  verschwinden.
Wann sich der helle Glantz vnd güldnen Stralen finden /
Alsbald wird meine Klag' vnd alle Noth geendt;
Mein Hertze wird so froh daß es sich selbst nicht kennt /
Kein Trawren darff bey mir zu seyn sich vnterwinden.
Von euch / jhr Quell der Lieb' / jhr meine beste Rhu /
Kömpt alle Lebenslust vnd alles Gut mir zu /
Was mir in dieser Welt verehren kan das Glücke:
Seyd derentwegen mir gewogen vnd geneigt. /
Vnd durch die Treffligkeit die sich bey euch erzeigt,
Zieht mein betrübtes Hertz aus Todesnoth zu rücke.


aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 708)
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[.96]
XXIII.
An den Westwind

DV West der auff den Lentz die Lust der Felder heget /
Den Venus ausgeschickt biß an das schwartze Meer /
Sag' hast du keinen Staub gebracht mit dir anher /
Den mein geliebter Buhl an seinen Füssen treget?
Ach hast du / wann sein Hertz' aus Liebe sich beweget /
Nicht seines Athems was gefangen ohngefehr /
Vnd jhn durch deine Lufft geraubt / als du vnd er /
Der Venus den Geruch der Liebligkeit erreget?
Viel mehr wird Spanien von mir als Rom geschätzt /
Ist es mit Blute gleich durch grimmen Krieg genetzt:
Mein Buhl ist jetzund da / so muß ich es erhöhen.
Ach Westwind / hole mir ein Stäublein dieser Stund' /
Ein eintzig Säufftzerlein aus seinem roten Mund':
Hier thue es in den Brieff darauff die Reime stehen.


aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 709)
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[.97]
XXIII.
Warumb sie nicht mehr von Buhlerey schreibe

IN vppiger Begiehr / in vnbedachtem Sinn /
Vnd zwischen furcht' vnd trost' hab' ich bisher gestrebet /
Jetzt trawrig / jetzt in Lust vnd Fröligkeit gelebet /
Weil ich des Glückes Spiel vnd Ball gewesen bin.
Bald hab' ich nur in Angst gesucht Frewd' vnd Gewinn /
Vnd in der Threnen Bach ohn' Vnterlaß geschwebet;
Bald hab' ich wiederumb an Vppigkeit geklebet:
So floß die junge Zeit gemählich von mir hin.
Nun aber ich jetzt bin auff anders was bedacht /
Sag' ich: jhr liebsten Verß / ich geb' euch gute Nacht
Ich wil mich künfftig gantz zu schweigen vnterfangen.
Doch kömpt mich bald die Lust zu schreiben wieder an/
So daß ich meine Hand nicht länger halten kan /
Wann mir das Thun einkömpt das ich zuvor begangen.


aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 710)
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[.98]
XXIV.
Fast aus dem Griechischen

DV Biene / welche du zunechst den kühlen Flüssen
Den wolgeschmacken Klee vnnd güldner Rosen Zier
Hinweg zu rauben pflegst / vnd bringest so herfür
Das Honig dessen dann wir Menschen sehr geniessen:
Fleug hin zur Vandala / die ich sehr lasse grüssen /
Vnd sag' jhr in ein Ohr: derjene welche dir
Nun gantz ergeben ist / der wartet mit begiehr /
Vnd hoffet diese Nacht noch seine Lust zu büssen;
Du aber schläffest schon / vnd denckest nicht daran.
Zieh' hin vnd melde diß. doch schaw' auch daß jhr Mann
Nicht etwan werd' erwackt wann du es jhr wirst sagen.
Bringst du sie zu mir her / so soll des Löwen Haut
Den Hercules erschlug dir werden anvertrawt /
Ja seine Käule selbst die solst du künfftig tragen.


aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 711)
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[.99]
XXV.
ALs Momus gantz nicht kundt' an Venus etwas sehen
Das eines Tadels werth / weil jhre Zierligkeit
Weit vber alle war / vnd vber seinen Neid /
So hub er jhre Schue doch endlich an zu schmähen.
Wie wann sie barfuß gieng'? als damals soll geschehen
Nicht weit von Cypern seyn / da sie vor langer Zeit
Gewachsen aus der See. diß pflag man weit vnd breit
Von Momus vnd von jhr vorweilen zu verjähen.
Du weissest bessern Rath / gehst ausser aller List
Wie die Natur dich ziehrt / vnd wie du selber bist /
Hast vmb vnd an an dir nichts von der Kunst erbeten.
Ihr zarten Waden jhr / jhr Füß' als Helffenbein,
Ihr Schenckel weis vor Schnee / wie glückhafft kan ich seyn
Wann ich euch küssen mag; mehr wann jhr mich wolt treten.
Ita fere Epistola Philostratis amatoria.


aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 711-712)
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[.100]
XXVI.
Aus dem Frantzösischen

IHr kalten Wasserbäch' / jhr Hölen vnd jhr Steine /
Ihr grünen Eichenbäum' / jhr schönsten in dem Wald' /
Ach höret / höret doch / wie seufftz' ich mannigfalt;
Schreibt auff mein Testament jhr vnbewohnten Haine;
Seyd Secretarien / wie hefftiglich ich weine /
Grabt's in die Rinden ein / auff daß es dergestalt
Wachs' jmmer fort wie jhr: ich aber sterbe bald /
Beraubet meiner selbst / vnnd ähnlich einem Scheine.
Ich sterb' aus Tyranney der schönen Grawsamkeit
Der Liebe die ohn sich vnd mich ist jederzeit /
Die als ein Tigerthier mein Blut hat saugen können.
Ihr Wälder / gute Nacht / vnd du / du grüne Lust /
Ihr / denen Venus Sohn vnd sie nicht ist bewust /
Die auch die Weisesten berauben jhrer Sinnen.


aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 712-713)
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[.101]
XXVII.
AV weh! ich bin in tausend tausend Schmertzen
Vnd tausend noch! die Seufftzer sind vmbsunst
Herauff geholt; kein Anschlag / List noch Kunst
Verfengt bey jhr. wie wann im kühlen Mertzen
Der Schnee zugeht durch Krafft der Himmel-kertzen /
Vnd netzt das Feld; so feuchtet meine Brunst
Der Zehren Bach / die noch die minste Gunst
Nicht ausgebracht. mein' Augen sind dem Hertzen
Ein schädlich Gifft: das Dencken an mein Liecht
Macht daß ich jrr' / vnd weis mich selber nicht /
Macht daß ich bin gleich einem blossen Scheine /
Das kein Gelenck' vnd Gliedmaß weder Krafft
Noch Stärcke hat / die adern keinen Safft
Noch Blut nicht mehr / kein Marck nicht die Gebeine.

aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 713-714)
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[.102]
XXVIII.
Ich muß bekennen nur / wol tausend wündschen mir /
Vnnd tausend noch darzu / ich möchte die doch meiden
Die mein' Ergetzung ist / mein Trost / mein Weh vnd Leiden.
Doch macht mein starckes Hertz' / vnd jhre grosse Zier /
An welcher ich sie selbst dir / Venus / setze für /
Daß ich / so lang' ein Hirsch wird lieben Püsch' vnd Heiden /
So lange sich dein Sohn mit Threnen wird beweiden /
Wil ohne Wancken stehn / vnd halten vber jhr.
Kein menschlich weib hat nit solch gehn / solch stehn solch lachen /
Solch Reden / solche Tracht / solch Schlaffen vnd solch Wachen;
Kein Waldt / kein heller Fluß / kein hoher Berg / kein Grund/
Beherbrigt eine Nymph' an welcher solche Gaben
Zu schawen mögen seyn; die so schön Haar kan haben /
Solch' Augen als ein Stern / so einen roten Mund.

aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 714)
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[.103]
XXlX.
Ihr / Himmel / Lufft vnd Wind / jhr Hügel voll von  Schatten /
Ihr Hainen / jhr Gepüsch' / vnd du / du edler Wein /
Ihr frischen Brunnen jhr so reich am Wasser seyn /
Ihr Wüsten die jhr stets müßt an der Sonnen braten /
Ihr durch den weissen Thaw bereifften schönen Saaten /
Ihr Hölen voller Moß / jhr auffgeritzten Stein' /
Ihr Felder welche ziert der zarten Blumen Schein /
Ihr Felsen wo die Reim' am besten mir gerathen /
Weil ich ja Flavien / das ich noch nie thun können /
Muß geben gute Nacht / vnd gleichwol Muth vnd Sinnen
Sich förchten allezeit / vnd weichen hinter sich /
So bitt' ich Himmel / Lüfft / Wind / Hügel / Hainen / Wälder /
Wein / Brunnen / Wüsteney / Saat / Hölen / Steine / Felder
Vnd Felsen sagt es jhr / sagt / sagt es jhr vor mich.

aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 715)
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[.104]
XXX.
Ich wil diß halbe mich / was wir den Cörper nennen /
Diß mein geringstes Theil / verzehren durch die Glut /
Wil wie Alcmenen Sohn mit vnverwandtem Muth'
Hier diese meine Last / den schnöden Leib / verbrennen /
Den Himmel auff zu gehn: mein Geist beginnt zu rennen
Auff etwas bessers zu. diß Fleisch / die Hand voll Blut /
Muß ausgetauschet seyn vor ein viel besser Gut /
Das sterbliche Vernunfft vnd Fleisch vnd Blut nicht kennen.
Mein Liecht entzünde mich mit deiner Augen Brunst /
Auff daß ich dieser Haut / des finstern Leibes Dunst /
Des Kerckers voller Wust vnd Grawens / werd' entnommen /
Vnd ledig / frey vnd loß / der Schwachheit abgethan /
Weit vber alle Lufft vnd Himmel fliegen kan
Die Schönheit an zu sehn von der die deine kommen.

aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 716)
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[.105]
XXXI.
Inmitten Weh vnd Angst / in solchen schweren Zügen /
Dergleichen nie gehört / in einer solchen Zeit
Da Trew vnd Glauben stirbt / da Zwietracht / Grimm vnd Neidt
Voll blutiger Begiehr gehäufft zu Felde liegen
Da vnverfänglich ist Gericht' vnd Recht zu biegen /
Da Laster Tugend sind / wie bin ich doch so weit
In Thorheit eingesenckt? der Liebsten Freundligkeit /
Ihr blüendes Gesicht' / jhr angenehmes Kriegen /
Ihr Wesen / Thun vnnd Art / das ist es was ich mir
Bloß eingebildet hab' / vnd rühme für vnd für.
Solch Leid / solch Jammer sehn / vnd dennoch nichts als lieben?
Noch klügere dann ich schleußt man in Clausen ein.
Ihr Musen laßt mich gehn: es muß doch endlich seyn
Was anders oder ja gar nichts nicht mehr geschrieben.

aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 716-717)
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[.106]
XXXII.
Ich gleiche nicht mit dir des weissen Mondens Liecht:
Der Monde fellt vnd steigt; du bleibst in einem Scheine:
Ja nicht die Sonne selbst: die Sonn' ist gantz gemeine /
Gemeien' auch ist jhr Glantz; du bist gemeine nicht.
Du zwingst durch Zucht den Neid / wie sehr er auff dich  sticht.
Ich mag kein Heuchler seyn / der bey mir selbst verneine
Das was ich jetzt gesagt: es gleichet sich dir keine /
Du bist dir ähnlich selbst; ein ander Bild gebricht
Das dir dich zeigen kan; du bist dein eigen Glücke /
Dein eigenes Gestirn / der Schönheit Meisterstücke.
Du hettest sollen seyn wie noch die Tugend war
Geehret als ein Gott / in der Welt ersten Jugend /
So were wol gewiß gewesen deine Tugend
Dir Kirch' vnd Opfferung / der Weyrauch vnd Altar.


aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 717)
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[.107]
XXXIII.
DV güldne Freyheit du / mein wündschen vnd begehren /
Wie wol doch were mir / im fall ich jederzeit'
Mein selber möchte seyn / vnd were gantz befreyt
Der Liebe die noch nie sich wollen von mir kehren /
Wiewol ich offte mich bedacht bin zu erwehren.
Doch / lieb' ich gleichwol nicht / so bin ich wie ein Scheit /
Ein Stock / vnd rawes Bley. die freye Dienstbarkeit /
Die sichere Gefahr / das tröstliche Beschweren /
Ermuntert meinen Geist / daß er sich höher schwingt
Als wo der Pöfel kreucht / vnd durch die Wolcken dringt /
Geflügelt mit Vernunfft vnd muthigen Gedancken.
Drumb geh' es wie es wil / vnd muß ich gleich darvon
So vberschreit' ich doch des Lebens enge Schrancken:
Der Name der mir folgt ist meiner Sorgen Lohn.


aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 718)
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[.108]
XXXIV.
EIn jeder spricht zu mir / dein Lieb ist nicht dergleichen
Wie du sie zwar beschreibst: ich weis es warlich nicht /
Ich bin fast nicht mehr klug; der scharffen Sinnen Liecht
Vermag gar kaum was weiß vnnd schwartz ist zu erreichen.
Der so im lieben noch was weis heraus zu streichen /
Durch vrtheil vnd verstandt / vnd kennt auch was gebricht /
Der liebet noch nicht recht. Wo war ist was man spricht /
So hat der welcher liebt der sinnen gar kein zeichen /
Vnd ist ein lauter Kind. Wer schönheit wehlen kan /
Vnd redet recht darvon / der ist ein weiser Mann.
Ich weis nicht wie ich doch die Fantasie gelose /
Vnd was die süsse sucht noch endlich aus mir macht:
Mein wissen ist dahin / der Tag der ist mir Nacht /
Vnd eine Distelblüt' ist eine schöne Rose.

aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 718-719)
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MARTINI OPITII
Deutsche Epigrammata

[.114]
IV.
Dich hette Jupiter / nicht Paris / jhm erkoren /
Vnd würd' auch jetzt ein Schwan / wann dich kein Schwan gebohren:
Du heissest Helena / vnd bist auch so geziehrt /
Vnd wehrest du nicht keusch / du würdest auch entführt.

aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 722)
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[.116]
VI.
Du sagst / es sey der Spiegel voller list /
Vnd zeige dich dir schöner als du bist;
Komm / wilt du sehn daß er nicht liegen kan /
Vnd schawe dich mit meinen Augen an.


aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 723)
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[.118]
VIII.
Hat dein Gesicht' / O Lieb / so weit mich mögen bringen /
Wie solte denn wol nicht dein gantzer leib mich zwingen?
(

aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) S. 723)
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[.119]
IX.
Du schwartze Nacht / die du die Welt vmbfangen
Hast vberall mit furcht' vnd tunckelheit /
Schämbst du dich nicht / wann meiner liebsten Wangen
Sich lassen sehn mit jhrer zierligkeit?
Ihr Sternen auch / dörfft jhr von oben schawen /
Vnd in der Lufft so gantz stehn vnverwendt;
Wann jhr das Liecht der schönesten jungfrawen /
So bis zu euch gen Himmel reicht / erkennt?
Wie möget jhr nicht also bald verbleichen /
Wann sich der glantz lest sehn mit solcher pracht?
Aurora selbst die pfleget jhr zu weichen /
Daß sie für jhr auch schamrot wird gemacht.

aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 723-724)
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[.120]
X.
Ihr Götter / soll mich dann des schnöden glückes neid
Nicht lassen? mus ich mich begeben in den streit?
Ach last mich / last mich hier: der Krieg ist nicht von nöten:
Laßt mich der Liebsten nur; sie kan mich besser tödten.

aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 724)
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[.121]
XI.
Warumb wird Amor blos von mahlern fürgestalt?
Je nackter die Lieb' ist / je minder ist sie kalt.

aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 724)
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[.122]
XII.
Ihr Liechter die man sieht am hohen Himmel schweben /
Rufft auff von jhrem Schlaff' / erwecket mir mein Leben.
Wolt jhr denn nicht? gewiß / jhr merckt wenn sie erwacht /
Daß jhrer Augen zihr euch gantz zuschanden macht.

aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 725)
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[.123]
XIII.
Ist schon dein roter Mund den edlen Rosen gleich /
Wird er sich andere zu küssen vnterfangen /
So wündsch' ich daß er doch dir also sehr verbleich /
Als mir durch liebespein sind worden meine Wangen.


aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 725)
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[.125]
XV.
Ihr Fackeln dieser Welt / jhr grosses Wolcken fewer /
Ihr Liechter in der Lufft / jhr Himmels äugelein /
Führt mich zur liebsten hin: kompt jhr mir nicht zu stewer /
So wird mein brennend' Hertz' an statt der Sternen seyn.


aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 726)
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[.126]
XVI.
Als newlich ich mein Lieb vmfieng mit vielen küssen /
Erseufftzte sie gar hoch / vnd machte sich betrübt:
Ihr höchster schmertze war / wie die vermutung giebt /
Daß diese schmertzen sich zu balde würden schliesen.

aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 726)
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[.127]
XVII.
Die andern Sternen zwar seh' ich am Himmel schweben /
Allein an zweyen nur ist gleichwol mangel doch:
Du schöner Morgenstern / weck' auff / weck' auff  mein Leben;
An jhren äugelein da fehlt es jetzund noch.

aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 726)
_____


[.131]
XXI.
Du wurdest aus befehl der Venus vmbgebracht /
Weil deine zierligkeit sie schamrot hat gemacht.

aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 728)
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[.133]
XXIII.
Den Spiegel send' ich dir / du Spiegel aller Frawen /
Daß du die Göttligkeit an dir recht mögest schawen /
Ob gleich kein Spiegel ist zu treffen jrgend an /
Der dich du schönes Bild / schnur recht entwerffen kan.
Doch soltest gleichwol du erkennen meine Sinnen /
Du würdest dich gewiß leibhafftig sehen können;
Dann wiß' ich bilde dich mir da so hefftig ein /
Daß du dir auch selbselbst nicht kanst so ähnlich seyn.

aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 728-729)
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[.134]
XXIV.
Ein schlauer Vogel muß des Stellers Leim' entschleichen /
Der Fisch schawt daß er nicht dem Netze nahe geht /
Von wegen seiner Verß ist sicher der Poet /
Soldaten müssen viel der Waffen halben weichen.
Dem Scorpione naht man Gifftes wegen nicht /
Man muß sich für den Fuchs' vnnd seiner Arglist schewen /
Von wegen grosser Macht vermeidet man den Löwen;
Wer Weiber fliehen wil / flieh' jhrer Augen Liecht.


aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 729)
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[.135]
XXV.
Vber der Liebsten Bildnüß
Joseph Scaligers

Ich sehe was ich wil / die Tafel leugt mir nicht;
Sie ist gar recht gemacht mein Leben vnd mein Liecht.
Kömpt sie / so dünckt sie mich ihr schönes Bild zu seyn /
Schaw' ich das Bild dann an / so fellt mein Lieb mir ein.
Ists wunder daß sie mir so grosse Brunst erregt /
Weil blos jhr Bildniß nur zur Liebe mich bewegt?

aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 729-730)
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[.137]
XXVII.
Aus dem Griechischen

Cupido / must du ja mit deinen Bogen schertzen /
So triff mich wie du wilt / nur ziehle nicht zum Hertzen.

aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 730)
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[.138]
XXIIX.
Ists Wunder daß wir dir die Rosen blühen sehen /
Mein Leben / da wir doch im kalten Winter seyn?
Es ist genung daß sie dein Athem an kan wehen /
Vnd deiner Augen Glantz ist jhnen Sonnenschein.


aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 731)
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[.142]
XXXII.
Vber seiner Buhlschaft Bildnüß

So ist mein Lieb gestallt / so ist jhr Angesicht' /
Ihr Hals / jhr rother Mund / vnd jhrer Augen Liecht:
Köndt' jetzt der Mahler auch entwerffen jhre Sinnen /
Nichts schöners würde man auff Erden finden können.


aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 733)
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[.143]
XXXIII.
Ob wol / du grosser Rein / dir alle Flüsse weichen /
Vnd deine Fruchtbarkeit die schönsten Trauben bringt /
So muß ich dennoch dir diß kleine Wasser gleichen /
Weil Delia offt hier von jhrer Liebe singt.
Ja / sprichst du / diese Bach ist kottig / dick' vnd trübe /
Auch wegen Fäustigkeit gantz wustig vmb vnd an:
Diß ist es / edler Rein / warumb ich mehr sie liebe /
Weil Delia in jhr sich nicht beschawen kan.


aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 733)
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[.144]
XXXIV.
Als ich dir Delia ein Schreiben zugeschickt /
Daraus du meine Lieb' vnd grosse Gunst erkennet /
Hast du es ohne Schuld gantz zornig angeblickt /
Vnd / wie mir wird gesagt / aus Eyffer bald verbrennet.
Doch wunder' ich mich nicht / weil du mir feind gewesen /
Daß diese meine Wort in dir den Grimm erweckt;
Diß wundert mich viel mehr / weil du den Brieff gelesen
Daß deiner Augen Glantz jhn nicht hat angesteckt.


aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 733-734)
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[.145]
XXXV.
Joseph Scaligers

Die Blumen in den Krantz den ich dir wollen senden /
Hat Amor selbst / mein Lieb / gelesen vmb das Feldt /
Die Venus hat jhn auch gemacht mit jhren Händen /
Die Perlen / Stein' vnd Seid' ist aus der newen Welt.
Ach dencke nicht daß ich was bessers geben solte /
Ob zwar die Sachen hier gar sehr schlecht für dich seyn:
Dann wann ich was dein werth dir vbersenden wolte /
So köndt' ich nichts verehrn / als dich nur dir allein.


aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 734)
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[.147]
XXXVII.
Gleich wie der Morgenstern dem Menschen giebt das Liecht/
So scheinet jetzt mich an dein klares Angesicht':
Vnd wie die Mittagszeit der Sonnen Hitz' empfindet /
So brennet mein Gemüt' in Liebesbrunst entzündet:
Ja wie die kühle Nacht vertreibt der Hitze Noth /
So wird auch meine Brunst nichts leschen als der Tod.


aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 735)
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[.148]
XXXVIII.
Ihr edlen zarten Brüst' / jhr Zuflucht meiner Nöthen /
Ihr Lippen wie Corall vnd Rosen ausgeziert /
Könnt jhr mich / da ich doch euch nur beschawet / tödten;
Was soltet jhr wol thun wann ich euch angerührt.

aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 735)
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[.150]
XL.
Ob du gleich / edles Bild / die Schönste bist auff Erden /
Ob gleich dir alle Zier vnd Gaben vnterthan /
Wüntsch' ich / Asterie / mir doch nicht du zu werden /
Weil ich kein steinern Hertz' im Leibe tragen kan.


aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 736)
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[.160]
L.
An das Armband

O Band / O schönes Band / geflochten von den Haaren /
Die auff der Liebsten Haupt' hievor gestanden waren /
An Gold' vnd Perlen reich / vmbbunden meiner Hand;
Ein Zeichen jhrer Trew' vnd jhrer Liebe Pfand:
Du hast mir nicht allein die schwache Faust vmbgeben;
Durch dich ist auch bestrickt mein Sinn / mein Hertz vnd Leben,
O werthes edles Pfand / O Bürgin jhrer Hold /
An dir ist vmb vnd vmb geringers nichts als Gold.

aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 739)
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[.161]
Beschluß-Elegie

Das blinde Liebeswerck / die süsse Gifft der Sinnen /
Vnd rechte Zauberey hat letzlich hier ein End':
Es wird das lose Kind so mich verführen können /
Gott lob / jetzt gantz vnd gar von mir hinweg gewendt.
Nun suche wo du wilt dir andere Poeten;
Hier / Venus / hab' ich mir gesteckt mein eigen Ziel;
Es ist mir deine Gunst jetzt weiter nicht von nöthen;
Ich haß' all' Eitelkeit; es liebe wer da wil.
Was meine schwache Hand vor dieser Zeit geschrieben /
Durch deinen Geist geführt / das ist der Jugend schuld:
Ich werde weiter nicht von solcher Lust getrieben;
Was dir gehässig ist zu diesem trag' ich huld.
Wann Vrtheil vnd Verstand bey mir zu rathe sitzen /
So hast du mir zwar von bethört den jungen Sinn;
Jetzt seh' ich daß dein Sohn sey ohne wahn vnd Witzen /
Du aber / Venus / selbst ein' edle Kuplerin.
Dein wesen ist ein Marck da Leid wird feil getragen /
Ein Winckel da Verdruß vnd Wehmuth innen steht /
Ein' Herberg' aller Noth / ein Siechhaus vieler Plagen /
Ein Schiff der Pein / ein Meer da Tugend vntergeht.
Wo soll die Schönheit seyn / wann alles wird vergehen /
Die Lippen von Corall / diß Alabaster Bildt /
Die Augen so jhr seht gleich als zwo Sonnen stehen /
Der rote Rosenmund / der weissen Brüste Schild?
Sie sollen / vnd wir auch / als Asch' vnd Staub entfliehen /
Vnd allzugleiche gehn den Weg der Eitelkeit:
Pracht / Hoffart / Gut vnd Geld / vmb das wir vns so mühen/
Wird Wind vnd Flügel noch bekommen mit der Zeit.
Ich laß' es alles stehn: das Ende meiner Jugend /
Vnd Frucht der Liebeslust beschließ' ich gantz hierein:
Ein ander höher Werck / der Anfang meiner Tugend /
Ob diß gleich vntergeht soll nimmer sterblich seyn.


aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 739-741)
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Deutscher Poematum Erster, Anderer Teil (Sammlung C)


[.75]
XIII.
Sirenus im I. Buche der Verliebten Diane

ISt vnser Amor gleich an beiden Augen blindt /
So trifft er dennoch wol das mittel in dem Hertzen /
Vnnd fügt vns Wunden zu die mehr als Fewer schmertzen /
Vnd nichts nicht heilen kan. er ist zwar nur ein Kindt/
Doch daß der strenge Marß vnd seine Mutter sind
Gerhaten in die Pein kömpt bloß von seinem schertzen:
Er hat mir mein Gemüt' entzünd mit seiner Kertzen;
Er herrschet vber Erd' vnd vber Meer vnd Wind.
Wann wir den schwartzen Todt gleich sehn vor Augen  stehen/
Vnd sollen in den Wust des ärgsten Kerckers gehen/
Bringt doch die gegenwart der Lieb' vns fröligkeit:
Wann sie vns Menschen wohnt in vnsrer Seel' vnd Sinnen /
So schafft sie daß wir Noth vnd Pein verachten können /
Vnd ganz sind vber jhr vnd ihrer macht erfrewt.

aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band IV 2. Teil (1990) (S. 469)
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[.76]
XIV.
Aurelius eben daselbst

ICh selber bin stock blindt/ ich bin es / nicht die Liebe /
Der ich mich stürtz' in Pein ohn vrtheil vnnd verstandt:
Ich bin ein Kindt / nicht er; der ich diß harte bandt
Voll weinens / lachens / furcht' vnnd hoffnung' auff mich  schiebe.
Wir selbst entzünden vns / das sonst dem kleinen Diebe
Cupido allezeit von vns wird zuerkandt.
Solt' er geflügelt seyn? das billich vnser tandt
Vnd hochgefaßter Wahn selbselbsten von sich schriebe.
Kein Waffen hat die Lieb' vnd keine Pfeile nicht /
Als diese welche der dem Witz vnd Sinn gebricht
Ihm selber macht vnd giebt. ein Trawm der bald vergehet /
Vnd von Poeten kömpt die voller Windes sind;
Ein schein der eilends wird / vnd eilends auch zerrinnt.
Schaw' hier worinnen doch des Gottes thun bestehet?

aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band IV 2. Teil (1990) (S. 469-470)
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[.77]
XV.
Der Schäffer Herbanius daselbst

WEr recht Vernünfftig ist soll allzeit standthafft bleiben /
Soll haben vnverwandt ein Hertz' vnnd einen Sinn:
In einem Augenblick' ist alle Freyheit hin.
Die Tugendt / wo sie gantz ohn anstoß soll bekleiben /
Muß nimmer lassen sich vom mittelwege treiben:
Man sieht die Flamme stets nach hohen Spitzen ziehn /
Vnd vnsrer Amor ist der art von anbegin
Daß er an Hoffart sich pflegt allermeist zu reiben.
Ohn jhn lebt niemand nicht: er hatt mir weggerafft
Die Freyheit so ich hatt' vnd meines Lebens Krafft.
Geh' / Amor / wieder hin / geh' hin nur wie du kömpst:
Thue weg die heisse Glut durch die du mich entzündest /
Thue weg das harte Band mit welchem du mich bindest /
Den Bogen auch damit du mir das Leben nimpst.

aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band IV 2. Teil (1990) (S. 470)
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[.78]
XVI.
Ein anderer Schäffer daselbst

WIe köndten mir doch mehr der Amor vnd das Glücke
Entzünden meinen Sinn? kein Mensch ist weit vnd breit
Der minder trawt als ich / vnd mehr in noth sich frewt;
Das macht nur bloß die Lieb' / vnd jhre weise tücke.
Ich sterb' vnd lebe doch: es sind jhr' alte stücke /
Bald giebet sie mir Trost / bald Angst vnd Hertzenleidt.
Ihr Augen / könnet jhr so eine lange Zeit
Noch tawren in der quall? geht kein mal dann zurücke
Die marter / oder leßt mich noch das Leben nicht?
O schmertzen / ist es dann / O Alcide / mein Liecht /
Dir viel zu wenig noch? mein lieben vnd mein hassen
Wie lange helt es mich in dieser grimmen pein?
Wann du mich hast von dir befreyet wollen seyn /
Warumb dann wilt du mich der Bande nicht erlassen?

aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band IV 2. Teil (1990) (S. 471)
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siehe auch Teil 1 und Teil 2



 

 


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