Philipp von Zesen (1619-1689) - Liebesgedichte

Philipp von Zesen

 

Philipp von Zesen
(1619-1689)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 

Das Eilffte Lied

Von meinen eignen Versen /
mit Trochäischen vermischt


j.
ACh! Schönste / wie kan so bländen
Der Sonnen-lichte Glantz /
Der dich ümbgeben gantz?
Wie kanstu mein Hertze wenden /
Du Herscherin meiner Sinnen?
Wie kanstu mich so gewinnen
Durch deines Scepters Macht
Zu Tag und Nacht?

ij.
Mein wündschen ist dich zu schauen /
Du trautes edles Bild /
Mit Süßigkeit erfüllt!
Ich wil mich mit Dier vertrauen /
Wil trincken aus deinen Flüssen /
Die Honig uns geben müssen;
Drümb komm und laß mich nicht /
Du edles Licht.

aus: Philipp von Zesen. Sämtliche Werke
unter Mitwirkung von Ulrich Mache und Volker Meid
Hrsg. von Ferdinand van Ingen. Band I, Erster Teil: Lyrik I (1980)
Walter de Gruyter Berlin New York
(Band 1 Erster Teil S. 96-97)
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Das Eilffte Lied

j.
CYnthia du güldnes Licht /
Das nun durch den Abend bricht /
Scheine meiner Liebsten doch /
Blinckt ihr Sterne
her von ferne /
helfft uns tragen dieses Joch.

ij.
Weil wir schon in süßer Ruh
Diesen Abend bringen zu /
Weil mich itzt mein Auffenthalt
In den Armen
Lässt erwarmen /
Mag es immer werden kalt.

iij.
Nach der Kälte frag ich nicht /
Wenn ich diß mein Sonnen-Licht
Annoch bey mir haben mag /
das mich quicket
und anblicket /
Biß sich zeigt der hohe Tag.

jv.
Sie ist flüchtig wie ein Reh /
Ihren Haaren weicht der Klee /
Ihrer rothen Lippen Zier
von Korallen
mier gefallen /
Wann Sie neigt Ihr Heupt zu mier.

v.
Lieblich klingt es / wann die Bach
Durch die Steine rauscht gemach /
Dieser aber geht sie vor /
Wenn sie singet /
Wenn sich schwinget
Ihre Stimme hoch empor.

vj.
O wie seelig ist die Nacht /
Da mich dieses Licht anlacht /
Da ich Ihren rothen Mund
bin geflissen
stets zu küssen /
Da mir alles ist vergunt

vij.
Ihre Liebe schenckt sie mir
und ich schencke wider Ihr
Meine Liebe biß die Nacht
von uns weichet /
wenn verbleichet
dieser güldnen Sterne Pracht.

viij.
Nun du güldnes Feder-Zelt /
Das vor andern uns gefällt /
Laß verschwiegen seyn die Lust /
die wir üben
in dem lieben /
die nur dier und uns bewust.

aus: Philipp von Zesen. Sämtliche Werke
unter Mitwirkung von Ulrich Mache und Volker Meid
Hrsg. von Ferdinand van Ingen. Band I, Erster Teil: Lyrik I (1980)
Walter de Gruyter Berlin New York
(Band I Erster Teil S. 122-123)
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Das Ander Lied

Auff Echonische Art

j.
DIch Lustkind Echo wil ich fragen /
Echo. diß dein klagen?
Ja klagen: Wo fühl' ich die Schmertzen?
E. In dem Hertzen.
Wer macht die Gluth / die mich entzündet?
E. die dich bindet.

ij.
Wer macht die Angst / die mich betrübet?
E. die dich liebet.
Was kan doch lindern solch betrüben?
E. Treulich lieben.
Wie sol mich dann mein Schatz ümbfangen?
E. Mit den Wangen.

iij.
Wenn wird die Last von mir genommen?
E. Sie wird kommen.
Wird Sie dann balde mich befreyen?
E. Gantz verneuen.
Wie lange wird es sich verzihen?
E. Zeit muß flihen.

jv.
Wovor wird doch geschickt die Krohne?
E. Dir zu Lohne.
Was macht der Krantz von Gold und Seide
E. Lauter Freuden.
Ach möcht ich nur Sie selbsten haben!
E. Dich zu laben.

v.
Wird sie bald kommen mich zu küssen?
E. Sie wird müssen.
Ach! sih der Tag leufft schon zum Ende
E. Gar behände.
Nun kömmt Sie / meine Freuden-Sonne /
E. Deine Wonne.

vj.
Nun wil ich Kuß üm Kuß Ihr geben.
E. und dein Leben.
Sie wird mir Lust und Freude machen.
E. Dich anlachen.
Sie wird mir alles seyn zu willen
E. Dich zu stillen.

vij.
Wo seyn doch hin die langen Stunden?
E. Gantz verschwunden.
Sol ich nun fort in Freuden schweben?
E. Lustig leben.
Nun wil ich ruhen in den Armen:
E. Zu erwarmen.

viij.
Nun fühl ich weder Angst noch Schmertzen:
E. in dem Hertzen.
Der Schmertz ist itzo gantz verschwunden:
E. mit den Stunden.
Nun kan ich meine Liebste hertzen:
E. mit Ihr schertzen.

jx.
Ihr Zucker-Mund muß mich erquicken!
E. und dich drücken.
Was soll ich itzo thun und üben?
E. lauter lieben.
So lange biß die Nacht verstiebet:
E. Sie dich liebet.

x.
Ey nun wil ich den Schmertzen meiden:
E. Angst und Leiden.
Nun mag ein ander Leide tragen:
E. Weh und klagen.
Ich kan nun für und für mich üben /
E. völlig lieben.


aus: Philipp von Zesen. Sämtliche Werke
unter Mitwirkung von Ulrich Mache und Volker Meid
Hrsg. von Ferdinand van Ingen. Band I, Erster Teil: Lyrik I (1980)
Walter de Gruyter Berlin New York
(Band I Erster Teil S. 103-106)
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Das achte Lied
auf die
der überirdischen Rosemund
liebes-reitzende augen
gesetzt durch Mal(achias) Siebenhaaren

1.
Halt / liebe Rosemund / die Liebes-reizerinnen /
die lieben augen weg / sonst schmachten meine sinnen
für ihrer liebes-gluht / die Liebreitz angezündt /
und die Liebinne nährt / Du Blitz- und sternen-kind.

2.
Ei lieber! wan es dir belieblich ist / mein Leben /
so halt mit lieblen ein; ich bin dir ja ergeben /
ich bin ja dich allein zu lieben auserkohrn;
wie du zu lieben nuhr so lieblich bist gebohrn.

3.
Laß aber den nicht nach zu lieben der dich liebet /
der sich aus liebe dier / o Liebste gantz ergiebet /
und laß mich / trautes Lieb / dein liebster Liebling sein:
dan dich erhöb' ich / lieb' ich / lob' ich nuhr allein.

aus: Philipp von Zesen. Sämtliche Werke
unter Mitwirkung von Ulrich Mache und Volker Meid
Hrsg. von Ferdinand van Ingen. Band I, Erster Teil: Lyrik I (1980)
Walter de Gruyter Berlin New York
(Band I Erster Teil S. 290-291)
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Das Sechste Lied

j.
HAlt! du schöner Morgenstern /
Bleibe fern /
und du güldne Nacht-Laterne /
Halt der weissen Pferde Lauff
itzund auff;
Steht ein wenig still Ihr Sterne.

ij.
Gönne mier die süße Ruh /
Sonne / Du /
Laß uns doch der Liebe pflegen /
Laß den kühlen Reiff und Tau
Auff der Au
Noch ein wenig unsert wegen.

iij.
Ist doch meine Liebste mier
Sonn' und Zier /
Die mich itzund in den Armen /
In den zarten Armen weiß /
Die mein Preiß /
und mich also lässt erwarmen.

jv.
und du wunder-schönes Licht
Die ich nicht
Nach der gnüge kan beschreiben /
Laß der hellen Augen schein
bey mier seyn /
Biß der Tag die Nacht wird treiben.

v.
Wie hat mich dein rother Mund
Doch verwundt?
Das zweyfache Schild mich zwinget /
Das vor deinem Hertzen steht
Wie ein Beet /
Da der Liljen Pracht auffspringet.

vj.
Ach! entschlage dich ja nicht
Schönes Licht /
Dieser Lust in deiner Jugend /
Brauche deiner Liebligkeit
und der Zeit /
Schadt es doch nicht deiner Tugend.

vij.
Laßt uns immer freudig seyn;
Nacht und Wein
Reitzen uns itzund zum lieben;
Dann wann Liebe Nacht und Wein
bey uns seyn /
Kann uns Langmuth nicht betrüben.

aus: Philipp von Zesen. Sämtliche Werke
unter Mitwirkung von Ulrich Mache und Volker Meid
Hrsg. von Ferdinand van Ingen. Band I, Erster Teil: Lyrik I (1980)
Walter de Gruyter Berlin New York
(Band I Erster Teil S. 161-162)
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Das Fünffte Lied

j.
IHr Wiesen / Thäler / Büsch' und Felder
Die Ihr der Liebligkeiten voll /
Sagt mir / Ihr Schatten-reichsten Wälder /
Was meiner Schönsten fehlen soll?
Mein' allerschönste Halb-Göttin
Ist meine Lust / mein ander Sinn.

ij.
Gleich wie der kühle Tau im Meyen
Die Hügel / Thäler Berg' und Büsch'
Durch seiner Kräffte kan verneuen /
und macht die welcken Rosen frisch;
Also verneut auch meinen Sinn
Mein' allerschönste Halb-Göttin.

iij.
Gleich wie die matten Wanders-Leuthe
Erfrischt und stärckt das Reben-Bluth /
Gleich wie dem Kriegesmann die Beuthe
Erfreuet Hertze / Sinn und Muth;
Also erfreut und stärckt den Sinn
Mein' allerschönste Halb-Göttin.

jv.
Gleich wie auff dücke fünstre Wälder
Sich freut bey Sommers-Zeit ein Thier /
und wie die bunt-geschmückten Felder
Sich freuen auff der Sonnen Zier:
So freut sich auch auff dich mein Sinn
O allerschönste Halb-Göttin.

v.
Gleich wie an frischen Wasserflüssen
Ein Hirsch sich labet mit Begier /
Die Ihm ein Laabsaal geben müssen /
Wenn Er durch Durst getödtet schier;
So kühlt und labet meinen Sinn
Mein' allerschönste Halb-Göttin.

vj.
Mit kurtzen will ich diß beschließen:
Mein Schatz ist mir noch mehr als Tau /
Kan mich noch mehr / als Wein / versüßen /
Sie ist die Beut' / auff die ich schau /
Sie ist mein Schatten meine Sonn;
Mein einig Laabsaal Lust und Wonn.

aus: Philipp von Zesen. Sämtliche Werke
unter Mitwirkung von Ulrich Mache und Volker Meid
Hrsg. von Ferdinand van Ingen. Band I, Erster Teil: Lyrik I (1980)
Walter de Gruyter Berlin New York
(Band I Erster Teil S. 59-60)
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Das Zwölffte Lied

j.
Nun hatt mein Gemüthe sich erquicket /
Weil das Auge dieses Licht erblicket.
Welches durch die späten Nächte bricht /
Das mich brennt / doch ohne Flamm und Licht.

ij.
Komm und lesche diesen Brand der Liebe /
Komm und mich nicht länger so betrübe /
Du mein Auffenthalt und Lebens-Zier /
Lindre diese Schmertzen doch an mier.

iij.
Nahe dich / du güldnes Licht der Freuden /
Wiltu denn so bald von mier abscheiden /
und mich laßen ohne Sonn und Licht /
Weil die trauren-volle Nacht anbricht?

jv.
Sihe wie so schön die Sterne lachen /
und du wilt dich schon von hinnen machen /
Schöne / du mein Früh- und Abend-Stern /
Nahe dich / und bleibe nicht so fern.

v.
Wenn gleich alle Stern‘ am Himmel schienen /
Könten Sie mier dennoch wenig dienen /
Du allein bist mein bestes Licht /
Dem es nie an Glanz und Schein gebricht.

aus: Philipp von Zesen. Sämtliche Werke
unter Mitwirkung von Ulrich Mache und Volker Meid
Hrsg. von Ferdinand van Ingen. Band I, Erster Teil: Lyrik I (1980)
Walter de Gruyter Berlin New York
(Band I Erster Teil S. 195-196)
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17.
Klagelied
an sein liebes Leben die übermenschliche Rosemund /
als Er so lange von Ihr entfernet sein muste /
und solche länge der Zeit
durch diese lange ungewöhnliche reimbände
in einer nacht bejammern /
oder vielmehr verkürtzen wolte
Die sangweise setzte der Findende

1.
O allerschönste Rosemund / mein allerliebstes Leben /
du gleubst nicht in was grossem weh ich schwacher itzt mus schweben.
Doch du bist alzuweit entfernt; du hörst mein seufzen nicht:
du schläffst vielleicht; ach nicht! du wachst / mein liebesLebenslicht.

2.
Die Sterne stehn von ferne selbst in überbleicher trauer:
der himmel ohn getümmel auch; und mcht den Sternenschauer
verirrt / verwürrt in seiner kunst / schaut mir mitleidend zu/
wie ich leb' ohne Rosemund / und so ohn' alle ruh.

3.
Die nacht hüllt ihren fahlen rok noch dichter üm die lenden;
sitzt als erstarrt / vernarrt / und weis die rosse nicht zu wenden:
die auch als blosse bildet stehn / sehn mich erbärmlich an /
und gehen nährlich fuß für fuß den grauen himmelsplan.

4.
Das ostentohr steht noch gesperrt. Die Heroldin der Sonnen
und junge kammerdienerin ist / gläub' ich / gar entronnen.
Der tag sucht vielleicht anderswo sein lieb / die braune nacht/
daß er so lange sich verweilt / und mich noch bänger macht.

5.
Ach Rosemund! ach Rosemund! dein mund mus meinen sinnen
ein' alzeitsüsse walfahrt sein / so lang' er bleibt von hinnen:
so lange meine lippen nicht zu ihm walfarten gehn /
und stäts mit deines mundes tau erfrischet können stehn.

6.
Dein' äuglein heller als die sonn' und heller als karfunkeln /
seind mir so tief ins hertz gesenkt / daß ich / auch hier im dunkeln /
von ihnen glantz und licht erlang'. Ich küss' im geiste sie
wohl tausend tausendmahl und mehr / die wunderschönen die.

7.
Dein freund- und frölichs angesicht schwebt stäts in meinem hertzen;
noch mehr dein redlichs hertze selbst / dein lieb- und löbllichs schertzen.
Dein braunes haar / mein hertzensstrück / fleugt / flattert / weht und kühlt:
ich seh' es / deucht mich / wie mit ihm der süsse südwind spielt.

8.
Dein lieblich-weises sprechen klingt alzeit in meinen ohren;
die Du / zur lieben liebeslust / so lieblich bist gebohren.
ich ächze / lächze / seufz' / und tuh nach Dir auf aug' und mund.
Ach! solt ich kranker bei Dir sein / so wer' ich schon gesund.

9.
Ach! solt' ich schwacher bei Dir sein; so möchten diese nächte
nur immerhin noch eins so straf volziehen ihre rechte.
Du würdest meine Sonne sein / mein Leitstern / tag und licht.
Die stunden solten mir so lang auch nimmer deuchten nicht.

10.
Ach Rosemund! ach Rosemund! mein allerliebstes Leben /
du wirst / wan ich von deinem geist luft hohle / mir vergeben.
Du schönste Tochter der Natur / des Himmels liebstes kind /
schau' auf / ists müglich / wie sich hier dein Träuer nur befindt.

11.
Er liegt und füget seinen mund Dich freundlich anzusprechen.
Er denket / kräncket seinen geist / der ihm fast wil gebrechen:
die zung und lunge zittert ihm; sein sprechen klinget hohl /
daß man kaum dis vernehmen kan: ach Hertz! gehab Dich wohl!

aus: Filips von Zesen Dichterisches
Rosen- und Liljen-tahl
mit mancherlei Lob-lust-schertz-schmertz-leid-
und freuden-liedern gezieret.
zu Hamburg bei Georg Rebenlein im 1670 jahre (S. 67-71)
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Das zwantzigste Lied

an das überweibliche wunder der
irdischen geschöpfe /
die wohl-gebohrne Rosemund
gesetzt durch Mal(achtas) Siebenhaaren

1.
Rosemund / mein selbst-eigenes hertze /
leiden und schmertze /
laß dichs nicht irren / wan ich mit reimen
öffentlich schertze.
Schertzen im hertzen / äusserlich freundlich
kan ich nicht leiden;
Träue von aussen / Falschheit von innen
pfleg' ich zu meiden.

2.
Lebe mein Leben / lebe der hofnung / daß ich
nicht trüge /
daß ich nicht wanke / wan ich mich schmüge /
knechtiglich büge.
Lebe mein Leben! schäue dich nur nicht /
mache dich kühner:
lebe beständig! dan so verbleib' ich immer
dein Diener.

aus: Philipp von Zesen. Sämtliche Werke
unter Mitwirkung von Ulrich Mache und Volker Meid
Hrsg. von Ferdinand van Ingen. Band I, Erster Teil: Lyrik I (1980)
Walter de Gruyter Berlin New York
(Band I Erster Teil S. 345-346)
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28.
Palmengesang auf der schönen
Rosinemund liebe lippen
Die sangweise setzte der Findende

1.
Rosinemund / schöne Rosinemund / schaue!
wirf deine leutseelige strahlen auf mich.
Dein lieber Mund / welcher erfüllet mit taue /
mit taue der götter / erhöbe nun sich:
ihm sing' ich zu ehren:
Dir bring' ich zu hören
sein edeles lob.

2.
Sein sprechen kan hertzen erbrechen und schwächen
sein singen bezwinget den härtesten muht:
sein lippenmost fliesset auch ähnlich den bächen;
die wälder und felder mit lieblicher fluht
beflüssen / versüssen /
und rieslend begrüssen:
dis würket auch er.

3.
Ach! Schöne / das rauschen der lauschenden küsse
betäubet die ohren / bezäubert den muht.
Wie sanfte / wie lieblich erschallende grüsse
erteilet der Lippen rosienliches bluht!
ihr helles getöhne
klingt lieblich und schöne /
o Schöne / bei Dir.

4.
Die süssen seind sanfter / als wolle / zu küssen;
so lieblich / als rosen bei frühester zier.
Sie kühlen und spielen; seind beide beflissen
die hitze zu dämpfen / zu kämpfen alhier.
Rosinemund / blikke
doch günstig zurükke:
dis bitt' ich von Dir.

aus: Filips von Zesen Dichterisches
Rosen- und Liljen-tahl
mit mancherlei Lob-lust-schertz-schmertz-leid-
und freuden-liedern gezieret.
zu Hamburg bei Georg Rebenlein im 1670 jahre (S. 115-118)
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Das sechzehende Lied /
an die am bluht und muhte hochädel-
gebohrne / folkommene Rubinemund /
das schönste Rubienchen des Adlichen Frauenzimmers zu
Hals-furt
gesetzt durch Johan Schopen

1.
Rubinemund / Du zierde der jugend /
ach! Sonne / mahn / und stern /
welche mit hohen strahlen der tugend
stets blikket her von fern;
Dich o du Königin aller jungfrauen /
mus ich zwar meiden /
dännoch nicht neiden
dein schönes gesicht.

2.
Rubinemund / Du kanst es nicht gläuben
was ich itzt leiden mus;
träu und beständig werd' ich verbleiben /
ob auch mein Himmels-schlus
mich schon entfernet und reisset von hinnen:
Liebe giebt Ehre
selten gehöre /
doch mus es hier sein.

3.
Werd' ich nicht wohl der stunden gedenken /
und auch das liebe feld
ewig mit tausend wündschen beschenken /
da Du / o zier der welt /
reitztest mit pfeilen mein schüchternes hertze /
ja es verletztest /
ewig versetztest
in leiden und pein.

4.
Da mier dein erstes blikken und lachen
ein rechter liebes-strük /
der mier das hertz mit schmertzlichen sachen /
mit grauen / angst und schrik
füllte / verhüllte / ja stillte die freuden /
brachte mier leiden /
machte mich scheiden /
o Freiheit von dier.

5.
Es hat zwar Utrecht manchen bestrükket /
ja Frankreich / Engeland
hat auch die härtesten hertzen verzükket
durch jäher liebe brand:
doch hat kein Frauenbild können verwunden /
können verzükken /
können verstrükken
so eilend / als Du.

6.
Rubienemund / dieweil Du mein leben
so sehr gekränket hast /
ei so vergönne / daß ich mag geben
Dier einen lieben gast /
daß ich in träue dein hertze mag küssen /
daß ich mag schertzen /
kühlen die schmertzen /
o Schöne / bei Dier.

7.
So scheid' ich ab mit freudigem muhte /
dieweil mir deine gunst /
Liebstes Rubienchen / kommet zu guhte /
und lindert meine brunst.
Rubinemund / o Rubinemund lebe /
lebe vol freuden /
ausser dem leiden /
Ach lebe stets wohl!

aus: Philipp von Zesen. Sämtliche Werke
unter Mitwirkung von Ulrich Mache und Volker Meid
Hrsg. von Ferdinand van Ingen. Band I, Erster Teil: Lyrik I (1980)
Walter de Gruyter Berlin New York
(Band I Erster Teil S. 330-333)
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66.
Ein anders an eben dieselbe hohnsüchtige Machtilde

1.
SChöne Böse / meiner sinnen
bittersüße Hänkerin;
was doch sol ich nun beginnen:
da / o Hertzenskränkerin /
die du folterst seel' und sin /
ich von dir verschmähet bin?

2.
Deine blikke seind die strükke /
die mich hänken für und für:
deine räncke / deine tükke
seind die fessel / die mich dir
so verbunden / so gekränkt /
ja mich fast ins grab gesenkt.

3.
Großmuht sieht aus deiner Augen
groß- und blauem heldenpaar;
die sonst kaum zur liebe taugen:
darum wundr' ich mich fürwar!
daß du deiner so vergist;
ja so spött- und hönisch bist.

4.
Aber meines kummers ammen
stehn im dreiek deiner hand;
da die strobelsterne flammen /
in so geuler lust entbrant:
darzu komt der haare gluht /
die mir diesen dampf antuht.

5.
Bürtig bistu nicht aus Flandern:
dannoch liebt dein wankelmuht
einen Freier üm den andern.
Dieses ist dein höchstes guht.
Das gestehstu ohne scheu /
wan du teuschest meine treu.

6.
Tükkisch lachstu / wan ich klage:
wan ich seuftze / höhnstu mich.
Wan ich dir von Treue sage /
nikt dein antlitz über sich.
Siehe! so bespotstu mich.
Schnöde / warumb lieb' ich dich?

7.
Geh dan hin / du Falsche / gehe!
weg! du Böse! geh nur hin!
der ich nun nicht ferner flehe.
Weg! weg! weg Betrügerin!
Trügen / lügen rauch / und dunst
bleibt doch deine beste kunst.

8.
Geh mit deinem höchsten guhte!
packe dich / mit deiner lust!
weg mit deinem wankelmuhte /
der dem vieh auch nicht bewust!
Trolle dich nur immer hin /
wo du findest gleichen sin.

9.
Ich auch wil mich hin verfügen /
da sich findt mein gleicher sin /
der nicht kan noch mag betrügen;
und mir eine Schäferin /
eine solche / fügen zu /
die nicht wanket / gleich wie Du.

aus: Filips von Zesen Dichterisches
Rosen- und Liljen-tahl
mit mancherlei Lob-lust-schertz-schmertz-leid-
und freuden-liedern gezieret.
zu Hamburg bei Georg Rebenlein im 1670 jahre (S. 246-251)
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Das Vierde Lied
Auff vorige Melodey

j.
VErzihet noch etwas ihr lieblichen Sterne /
Ach wincket und blincket ein wenig uns zu /
Bleib Röthin / du güldnes Kind bleibe von ferne /
Weil itzo sich findet die süßeste Ruh.
In dem ich im Arme
Der Liebsten erwarme
Halt / Sonne / dein Licht
Ein wenig verborgen /
Verjage den Morgen /
Weil itzo mir leuchtet der Liebsten Gesicht.

ij.
Denn meine Geliebte wirfft güldene Straalen
Aus ihrem Gesichte so heuffig und mild /
Die unsere Zimmer so schöne bemahlen /
Wie irgend die Sonne die Berge vergüldt.
Sie kann mich erquicken
Mit güldenen blicken /
Darff sonsten kein Licht /
Sie bleibet geflissen
mich freundlich zu küssen
Ihr Angesicht machet die Nächte zu nicht.

iij.
Ihr Wangen-roth blühet von schönen Narcissen /
Die Rosen und Lilien mehren die Zier /
Die röthlichen Lippen seyn ähnlich den Flüssen /
Da Zucker und Honigseim quillet herfür.
Die Adliche Jugend
Ist immer in Tugend
und Sitten bemüht;
Die Venus muß weichen /
Ihr kann Sie nicht gleichen /
Sie schwebet in völliger Tugend und Blüth.

jv.
Der Apffel von Golde / das Zeichen der Schöne
Gebühret dier / Schönste / den geb' ich auch Dier /
Wie? bistu nicht herrlich- und schöner als jene /
Die Paris erhoben an Schönheit und Zier?
Die Schöne muß weichen /
Die Röthe verbleichen /
Die Tugend besteht;
Wie soll mann dich ehren?
Dein' Ehre vermehren /
Die über die leichteste Feder auch geht?

aus: Philipp von Zesen. Sämtliche Werke
unter Mitwirkung von Ulrich Mache und Volker Meid
Hrsg. von Ferdinand van Ingen. Band I, Erster Teil: Lyrik I (1980)
Walter de Gruyter Berlin New York
(Band I Erster Teil S. 182-183)
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67.
Loblied der kräftig würkenden Liebe
Die sangweise setzte der Siebenfältige

1.
WEr unter euch / ihr Sterblichen / kan zeigen /
wo man die kunst zu Lieben lehrt;
die über alle künste pflegt zu steigen /
und über alle himmel fährt?
Wo ist ein solcher Meister /
ein Auszug kluger geister?
Zu Leipzig? oder wie / zu Wittenberg?

2.
O nein! es kan kein Sterblicher dis lehren:
sein sprechen hat nicht solche gluht;
die unsern geist mit eifer pflegt zu nehren /
und glühend macht den gantzen muht.
Du / Liebe / bists alleine:
dir ist die Kunst gemeine.
Du bist dein Meister selbst / du Künstlerin.

3.
Du wirst durch dich am besten ausgedrükket.
Du / Liebe / lehrest jederman /
auch den / der sich zu keinem dinge schikket;
wie er die schrifften lesen kan;
die du mit eignen fingern /
den kleinen hertzenszwingern /
ins liechte Buch der Augen schreibest ein.

4.
Du gibst uns ein die schönsten meistersprüche/
die einem Redner wohl anstehn:
die gleich als gift / als übereilte stiche /
zu innerst in die seele gehn.
Das zukkersüsse sprechen
mus aus dem munde brechen /
wan du nur wilst / du Tausendkünstlerin.

5.
Du machst / das sich / durch halb verbrochne reden /
das hertze besser öfnen kan;
und manchen frischen muht vielmehr erblöden /
als der gelübtste Rednersman.
Das lallen und das lachen
kan mehr / als zierde / machen;
die ein gelehrter mund und zunge spricht.

6.
Ja daß wir offt / mit stummen reden / sprechen /
mehr / schweigend bitten / als wohl sunst /
und so durch stahl und zähes eisen brechen;
das alles machet deine kunst.
Du Königin der hertzen /
Du Hertzogin der schmertzen;
die manches stummes wort den seelen macht.

7.
Ein ander mag den saft der Redner saugen:
ich aber wil hingegen ihn
aus jenem spielkristal der schönen Augen
der aller schönsten Schönen ziehn /
und / durch ein rauhes reimen /
einschneiden diesen beumen:
die darümb stöltzer seind / als jener Schrift.

aus: Filips von Zesen Dichterisches
Rosen- und Liljen-tahl
mit mancherlei Lob-lust-schertz-schmertz-leid-
und freuden-liedern gezieret.
zu Hamburg bei Georg Rebenlein im 1670 jahre (S. 252-255)
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Der Rosemund
Klage-lied im abwesen ihres Liebsten

1.
Wo such' ich den Liebsten wo sol ich ihn finden?
ihr bleichen Masinnen / weis keine mein Licht?
bei welchem gewässer und lieblichen gründen
enthält sich mein Traute / wie? saget ihrs nicht?
Ihr beliebten Amstelinnen /
und ihr höflichen Lechinnen /
kündigt meinem Schönsten an /
daß ich nicht mehr 1eben kan.

2.
Verweilet sich länger mein einiges Leben /
so mus ich für schmertzen und ängsten vergehn;
ich wolt' es nicht achten bei fremden zu schweben /
so fern ich nur höhrte sein liebes getöhn.
Meine schwestern wil ich missen /
die bei Pades sieben flüssen
üm die schwartzen tannen sein
und begehr Ihn nur allein.

3.
Die blanken Etschinnen verlaß' ich auch gerne /
wan meine begierde sich nährende stillt /
die lieben Ihninnen beseuftz' ich von ferne /
jedennoch vergess' ich ihr liebliches bild /
wan ich nur den Mahrhold habe /
und mein krankes hertze labe /
welches sein belobtes bild
mit dem schönsten glantz erfüllt.

aus: Philipp von Zesen. Sämtliche Werke
unter Mitwirkung von Ulrich Mache und Volker Meid
Hrsg. von Ferdinand van Ingen. Band I, Erster Teil: Lyrik I (1980)
Walter de Gruyter Berlin New York
(Band I Erster Teil S. 352-353)
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siehe auch Teil 2 Teil 3 und Teil 4




Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Philipp_von_Zesen

 

 


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