Kaspar Stieler (1632-1707) - Liebesgedichte

Kaspar Stieler



Kaspar Stieler
(1632-1707)

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:


 




Filidors Geharnschter Venus viertes Zehen


1. Liebe/ die Königinn der Welt

1.
Kind/ das Gött- und Väter zwinget/
Kind/ deß hoher Zepter dringet
durch die Macht der ganzen Welt/
Herr der Erden/ Zwang der Sterne/
Herrscher über Nah und ferne/
dehm/ was lebt/ zu Fusse fällt.

2.
Amor/ weil ich leb' in Lüfften/
(dort auch in den finstern Grüfften)
werd' ich deinen hohen Preiß
über dem gestirnten Wagen
des Tierhüters hinzutragen
sein bedacht durch meinen Fleiß.

3.
Keinen Lorbeer werd' ich finden/
den ich dir nicht umzubinden
bükkend werde sein bedacht.
Hundert tausend Keyser-Krohnen
solten deine Gunst belohnen
stünden sie in meiner Macht.

4.
O/ wie wol wird der begnüget/
der für dir auff Knien lieget
und dich eyffrig betet an!
Ist Gedult nur bey dem Schreyen:
so wird bald dein Trost-verleihen
ihme werden kund getahn.

5.
Daß sich nu mein Leiden endet/
daß sich Freude zu mir wendet/
daß mein Liebchen freundlich sicht:
daß die zarten Purpur-wangen
an den meinen lieblich hangen:
ist das deine Gnade nicht?

6.
Ja. Eh' ich dich/ Allguht/ ehrte/
O! wie mancher Seuffzer störte
meiner Nächte sanffte Ruh'.
Ach/ mit was für herber Klage/
bracht' ich meine Frühlings-Tage
sonder Trost und Hoffnung zu!

7.
Nu beginnt mein Glükk zu blühen
und der Winter weg zu ziehen/
 der mein Leben machte grau.
Nu besprengt bey hellem Wetter
meines Lebens grüne Blätter
Der Rosillen Lippen-tau.

8.
Das/ was mich vorhin betrübte/
was ich sonder Nuzzen liebte
bringestu mir redlich ein.
Wer nu dich wil grausam nennen/
muß ganz keine Gute kennen
und ohn all' Erkäntnüs sein.

9.
Du bists/ der du mir das Leben/
und des Lebens Lust gegeben/
ohne dich stirbt alle Freud'
alle Wollust wird zu Schmerzen
gibstu nicht dem kranken Herzen
Labsal und Ergezligkeit.

10.
Darum/ wer sich in dem Lieben
unbetrübt gedenkt zu üben/
ehre deiner Hoheit Pracht.
 Ich/ so lang' ich werde bleiben/
wil von deiner Güte schreiben
und erheben deine Macht.
(S. 114-118)
_____



2. Uber ihr Schreiben

1.
Honig-reden/ Zukker-Zeilen/
Worte voller Lieb' und Gunst/
Lettern/ so die kranke Brunst
meiner stillen Schmerzen heilen
züge/ die die Götter führen
und mir Geist und Leben rühren.

2.
Red-art unverfälschter Treue/
Sinnen-außspruch/ Herzens-mund/
Schrifft allein uns beyden kund/
Mahlwerk/ dessen iede Reye
mehr Ergezligkeit kan machen
als Apelles Künstler-Sachen.

3.
Ewig muß der sein gepriesen
und biß in das ferne Feld/
wo Diana Feuer hält/
zu den Engeln hingewiesen
der zu Trost dem treuen Lieben
erstlich auff Papier geschrieben.

4.
Wenn mir wo das Ohre klunge/
nu erwehnt sie mein (dacht' ich)
ach! wer weiß/ wol lächerlich.
Wenn der Trauer-vogel sunge
der der Sonnen-straal nicht leidet
und sich bey den Gräbern weidet.

5.
Das bedeut der Liebsten Sterben.
Iezt liegt sie in lezter Noht/
iezt/ O weh! ist sie schon todt/
(rieff ich kläglich) dein Verderben/
Schöne/ soll auch meines werden
und entsagte gleich der Erden.

6.
Aber/ wer wird mir beschreiben
die gleich ohne Zentner Pein
wenn mich wor ein Traum nahm ein/
sonderlich/ wenn nu die Scheiben
sich am Himmel heller zeigen
und die Dünste reiner steigen.

7.
Wie sie stets in meinen Sinnen
so bey Nacht/ als Tage steht/
 wacht und mit zu Bette geht:
So kunt' auch kein Schlaaff zerrinnen
daß ihr Bildnis/ das so süsse
sich nicht um mich merken liesse.

8.
Wie nu eine wahre Liebe
alles fürchtet/ scheuet/ denkkt/
so: erschien sie als bekränkkt/
ging sie traurig/ sach sie trübe:
ward mein ganzer Tag ein stähnen
untermischt mit Klag' und Trähnen.

9.
Ließ sie schiessen Freuden-blikke/
fiel das Wieder-Spiel mir ein.
Sie möcht' eines andern sein/
(meint' ich) stieß sie mich zurükke.
Ja/ ihr Küssen und umfassen
Legt' ich auß auff Zorn und Hassen.

10.
Und/ so ward mir alle Morgen
umgetrieben Muht und Geist/
was mir diß und das verheist
dreute Kummer/ Zweiffel/ Sorgen
biß der süsse Bohte kahme
 der mich meiner Müh entnahme.

11.
Da ward ich der Angst entrissen/
meine Schöne war gesund/
ach! was täht sie mir nicht kund.
doch/ es ziemt nur uns zuwissen/
was sie mit entzükkter Süsse
mich verdekket wissen liesse.

12.
Wo es wahr ist/ was man saget/
daß ein weisses Paar der Schwan'
auff Olympus hoher Bahn
vor der Venus Wagen jaget
zog die Feder/ so diß schriebe
deren flügeln auß die Liebe.

13.
Amor hat sie selbst geschnitten/
Venus nacher erst gebraucht/
und in Nektar eingetaucht/
und die eine der gedritten/
Liebe/ Freundligkeit und Leben
ihrem Kiel' erbeigen geben.

14.
Nu du schönste Schrifft der Schönen/
deine Dinte soll allein
meiner Marter kühlung sein/
ja des Todes Gifft verhönen:
Dich/ und was die Musen schrieben
werd' ich/ weil ich lebe/ lieben.
(S. 118-123)
_____



3. Liebe/ Sinnen-raub

1.
Mein Lieb baht mich in einen Garten
wo der verliebte Westenwind
der Floren pfleget auffzuwarten
die Lufft war fahl/ Apollens Kind/
der Tag begunnte gleich zu sterben
und seine Schönheit zu verfärben.

2.
Kaum war ich dar hinein gegangen/
so neigte sich der Sternen Heer/
Diktinna bläßte Licht und Wangen
und Hesperus wich in das Meer.
Der schwarze Schatten wurd' erhellet
und in den göldnen Tag verstellet.

3.
Warum? Rosille/ meine Wonne/
kahm durch den grünen Busch herein/
Ihr hätte selbst die klare Sonne
gewichen und den Demant-schein/
durch ihre Straalen überwogen
auß Schaam mit Wolken-tuch umzogen.

4.
Die Venus ging in ihren Schritten/
Aglajen war ihr Außsehn gleich/
Es straalt' auß ihren holden Sitten
des Amors ganzes Königreich:
Lust/ Liebe/ Freundligkeit und Leben
den treu-verliebten nur gegeben.

5.
Sie rührte mit den Seiden-Händen
mich/ ihren Lieben/ sachtlich an.
Ich glaube nicht/ daß in den Bänden
des Himmels mehre Lust sein kan.
Mich dünkt/ ich fühle noch verzükket/
wie sie an ihre Brust mich drükket.

6.
Ach Schau-plaz aller Liebligkeiten/
erhabne Brust/ der Götter Saal/
wo Freud' und Schönheit sich begleiten
und du/ du süsses Liljen-Tahl/
wie gern wolt' ich in deinen Gründen
Adonis gleich mein Ende finden.

7.
Sonst weiß ich weiter nicht zusagen
was mir ihr süsser Zukkermund/
 damahl auß Liebe fürgetragen.
Euch Bäumen nur/ euch ist es kund/
euch ist es kund ihr Blumen-Matten
die ihr es hörtet durch den Schatten.

8.
Die Lust/ so überhäufft sich findet/
benimmt uns des Gedenkens Krafft.
Je mehr sich Amors Gluht entzündet
ie mehr Verstand wird hingerafft.
Mein Sinn war dunkel/ gleich den Blinden
und kunte sich in sich nicht finden.

9.
O süsser wahnwiz! ach! wie gerne/
wolt' ich noch iezt so rasend sein.
Diß ist die Seeligkeit der Sterne
und aller Götter insgemein:
daß sie in Wollust so verführet
nicht merken/ wenn sie Schmerzen rühret.

10.
Nu ich bin meiner Sinnen Meister/
und weiß es was mich labt und kränkt:
betrüben sich die Lebens-Geister/
die Seel' ist wie in Turn versenkt/
den Turn/ wo Einsamkeit/ wo grausen
 und nichtiges Verlangen hausen.

11.
Nur trösten mich die Freuden immer
die ich bey Rosilen gehabt.
Du Lust-Ort des Priapus Zimmer/
dein Blumwerk müsse sein gelabt
dafür/ mit ewig warmen Lenzen
und angenehmen Sonnen-glänzen.
(S. 123-128)
_____



4. Das angenehme Gespenst

1.
Das Wolken-dach war mit der Nacht umzogen/
Arkas hielt die Mittel-stelle durch den Sternen-Bogen
Als Oridor verhindert von dem Zug
nach seiner Mele Verlangen trug.
Er lieff entsinnt durch Wiesen/ Wälder/ Berg und Tahl
das Scheiden bracht' ihm Herzens-angst und Qwaal.
Solt'ich/
ach Schöne/ dich
noch sehn einmahl!

2.
So schrie er biß er zu der Hütte kahme/
da/ wo seine Mele die süsse Ruh einnahme.
Kaum rührt' er an den Riegel bey der Tühr/
so wischte Mopsa vom Stroh herfür:
Wer klopffet an so langsam schon nach Mitternacht?
Mach/ Mägdchen auf! Ja/ bald hätt' ich aufgemacht.
Ey ja.
Wer ist denn da?
hastu nicht acht?

3.
Kennstu nicht mehr der Melen ihren Treuen/
kan ein halber Tag so bald der Liebe Band entzweyen?
Doch sie weiß nichts hiervon das gute Kind/
daß Oridor so schnell Abschied find:
Ach! möchte nur das fromme Herze werden wach
ich weiß gewiß/ Oridor kähm unter Dach.
Nu weh!
ich/ ich vergeh!
wer fragt darnach.

4.
Der Oridor/ den du dich fälschlich nennest/
weil du unsrer Hirtin Liebes-Brunst vielleichten kennest/
ist weit von hier/ wo der Trommeten Hall
bedämpfft den süssen Schallmeien Schall.
Er ist hinweg/ und wolte Gott! er wäre hier
er würde bald weisen dir ein' andre Tühr/
O nein!
es kan nicht sein.
Geh sag' es ihr.

5.
Was mag es sein/ daß Wächter so muß bellen.
Mopsa/ Mopsa/ hörstu Magd nicht/ wer ist an der
 Schwellen.
Ich gläube/ Sakk/ du hast dir wen bestellt
des Nachbarn Knecht/ der dir so gefallt.
Mach lieber Feur im Schorrstein/ spinne deine Zahl/
iezt kreht der Han allbereit zum andernmahl.
Au! au!
Es ist die Frau,
ich leg mich tahl.

6.
Was? meinstu so zu bergen deine Tükke?
Sag mit wehme triebstu vor der Tühr so Schelmenstükke.
Ach herze Frau/ wir sind verrahten hier/
es ist ein Mensche drauß für der Tühr/
der klopffet an/ wil mit Gewalt zu uns herein/
spricht: Oridor bin ich/ [o] Mele/ laß mich ein.
Macht auff.
Gebt Achtung drauff.
Die Stimm' ist sein.

7.
O Mele/ Mele/ was hab' ich verbrochen!
ist nu diß die Treue/ die du mir so offt versprochen?
Nu steh ich hier der Regen treufft auff mich
der Wind durchweht mich kalt-grimmiglich.
Ach/ meines Leids! wo kommt doch diese Stimme her?
So seuffzet/ klagt/ so beschweert und bittet er.
Wer ist?
den du vergist/
was darff es mehr.

8.
Ihr Götter ach! was soll ich darvon denken/
wollt ihr meine kranke Seele gar zu Tode kränken.
Ists Oridor! Ach nein/ es ist ein Geist/
mein Oridor ist ja fortgereist.
Ich wil hingehn/ er sey es oder sey es nicht.
Tritt mit herzu/ Mopsa/ sich/ hier kommt ein Licht.
Er ists.
Ja/ Frau/ ihr wists.
Schweig/ Bösewicht.

9.
Ich wag' es drauff/ und wil den Riegel ziehen:
Bleibe Schälkinn/ wirstu nu von mir in Nöhten fliehen?
Ich fürchte mich/ Frau/ lasset ja nichts ein/
wer weiß es/ was für ein Ding mag sein/
denn Oridor hab' ich ja heute selbst gesehn
dort übern Berg schnell mit vielen Pferden gehn.
Wer weiß,
was auff der Reis'
 ihm sey geschehn.

10.
Still mit der Tühr! daß nicht mein Vater höre/
und mir meine Lust mit Oridor auff heute wehre.
Ach Frau/ er ists/ zünd' ich den Schorrstein an
daß meine Zahl ich außspinnen kan?
Schweig/ Närrin/ nein iezt ist nicht Licht noch spinnen noht/
mein Vater hat ja Gott lob ohn diß noch Brodt.
Geh vor/
mein Oridor/
sonst bin ich todt.

11.
Drauff trat er ein. Ein liebliches umfangen
stillte beyder keusche Lust und ehrliches Verlangen/
und ob die Nacht schon sonder Monden war
sie ganz allein/ und ausser Gefahr/
war doch ein Kuß genug zu leschen ihre Brunst/
die Pallas hat so bewiesen Lieb und Gunst/
in Zucht/
wenn sie besucht
der Gott der Kunst.

12.
Darum/ mein Freund/ der du die Nacht bedenkest/
und auff ihre süsse Lust die heisse Sinnen lenkest/
sezz hier nicht ein des Lästers gelben Zahn/
Sie haben nichts nicht iemahls getahn
Das wieder Zucht/ Gebühr/ Zulaß und Tugend streitt
Sie liebten sich in der seltnen Reinligkeit.
Gleich wie
Geschwister ie
sich keusch erfreut.
(S. 128-134)
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5. Liebes-streit. Gedanken

1.
Ich sach mit einer einen scherzen/
da fiel die Rosilis mir ein.
Was? fiel erst Rosilis mir ein/
als ich die beyde sahe scherzen?
die Rosilis ist allzeit mein
und schwebet stets in meinem Herzen.

2.
Es schmazzten vier Korallen-Lippen/
da dacht' ich auff Rosillen hin.
Dacht' ich auff ihre Lippen hin/
als schmazzten vier Korallen-Lippen?
Nein! Lauter Rosen und Rubin
sind ihres roten Mundes Klippen.

3.
Ich sach zwey Liljen-Hände drükken/
so weiß auch ist Rosillen Hand.
Ist weisser nicht Rosillen Hand/
wenn sie die meinen pflegt zu drükken?
Nicht Schnee noch Wolle hält Bestand
für ihrer Hände silber-blikken.

4.
Ich sach vier Arme sich umfassen/
so liebt die Rosilis auch mich.
Wie? liebt die Rosilis so mich/
durch ihr besüßtes Arm-umfassen?
Die Tugend hat sie mehr bey sich/
was übrig/ wil sie zu- mir -lassen.

5.
Es waren in dem Busen Hände:
So treib' ichs mit Rosillen auch.
Mein! leidet Rosilis diß auch/
und läßt darinnen deine Hände?
Rosill' hat dieses nicht im Brauch/
so wende nu dein Rühmen/ wende.

6.
Sie sahen sich beyd' an und lachten:
so/ dacht' ich/ lacht die Rosilis.
Wer sagt was von der Rosilis/
wie ich und Sie zusammen lachten?
Ja/ wenn ich Koridon schon hieß/
spräch' ich es nicht/ sie zu verachten.

7.
Es war nur ein Gemüht in zweyen:
so ist die Rosilis gesinnt.
 Ja/ freylich/ ist sie so gesinnt/
es lebt nur ein Geist in uns Zweyen.
Ach! sollt' ich Rosilis/ mein Kind/
darüber mich nicht herzlich freuen.

8.
Laß andre lachen/ laß sie klagen/
laß herzen/ scherzen und was mehr.
Ich dürff kein Zeugnüß/ Herze/ mehr/
als dein bey meinem hingehn/ klagen.
Rosille liebt mich noch so sehr/
als ich beschreiben kan und sagen.
(S. 134-139)
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6. Klugheit verbirgt die Liebe

1.
Es ist genug der Hände drükken/
der Füsse Tritt/ der Augen nikken/
wenn/ Büschgen/ wir bey Leuten sind.
Hör auff mit weitern Liebes Werken/
man wil es fast zu scheinbar merken
daß wir uns lieben/ gutes Kind.

2.
Sind wir denn in geheim beysammen/
so luffte frey die heisse Flammen/
bin ich doch/ Närrchen/ allzeit dein/
Denn können wir uns satt zu küssen/
und was wir ie zuweilen missen/
mit Wucher wieder bringen ein.

3.
Mein Buschgen/ kennstu nicht die Leute?
der dir ganz freundlich steht zur Seite/
gibt achtung auff dich/ als ein Feind.
Die sich am nächsten um dich stellen/
sind deines Nahmens Ruhm zu fällen
verräht- und mörderlich gemeint.

4.
Man kan sich nicht genugsam hüten/
straks ist des Neiders Gifft und wüten
auff Lieb' und Freundschafft für der Tühr.
Man muß iezt gar gelinde gehen/
es weiß ein Luchs-aug' auch zu sehen
stellt man ihm gleich nicht Brillen für.

5.
Ich werd' es nicht für übel deuten/
ob du mich gleich ie für den Leuten
verhaßt/ und heist mich von dir gehn.
Ein Spöttchen kan ich leicht verschmerzen/
lästu mich nur in deinem Herzen
für deinen Freund und Schaz bestehn.

6.
Drum sey genug dir Hände drükken/
der Füsse Tritt/ der Augen nikken/
wenn/ Büschgen/ wir bey Leuten sind.
Wer weiß ob nicht auß diesen Werken
die schlauen Neider ab- was -merken
daß wir uns lieben/ gutes Kind.
(S. 139-142)
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7. Ie dunkeler/ ie besser

1.
Hab' ich was der Nacht zu danken/
gilt es dir drum/ Föbe/ nicht.
Deinetwegen/ Gramhafft Licht/
hätt' ich ewig müssen kranken.

2.
Dein verrähtrisch Silber-feuer
hat mir offt geschnitten ab/
was mir Venus willig gab/
mir/ mir sonst verlaßnem Freyer.

3.
Buhler suchen ihr Vergnügen
in der stillen Finsternüß/
durch dich hätt' ich nimmer diß/
was ich kriegte/ können kriegen.

4.
Nu du deinen Straal verborgen/
und der Nebel dich umschloß'
hielt mich meiner Liebsten Schoß
eingehüllet biß an Morgen.

5.
In den wild- und wüsten Gründen/
wo kein Mensche dich verrieth/
durffstu wol/ wie man dich sieht/
beym Endimion dich finden.

6.
Wo die Neider Wache stehen/
kömmt der Schatten mehr zu paß/
will ein Reisender/ so laß
ihn durch deine Blizze gehen.

7.
Was ich wüntsche zu erjagen
kan ich fangen sonder Licht.
Meinetwegen dürffstu nicht
Gold an deinen Wangen tragen.

8.
Wirstu aber ferner funkeln/
sprech' ich gar Medeen an/
die soll dich an deiner Bahn
auch in einem Hui verdunkeln.

9.
Nacht/ du süsse Nacht/ mein Leben/
Leben/ Nacht/ du süsse Nacht/
 du hast mich vergnügt gemacht/
ewig sey dir Dank gegeben!
(S. 142-145)
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8. Amor/ der Wieder-täuffer

1.
Verzeih mir/ daß von Rosilis/
und Mel' ich/ Buschgen/ hier was schreibe:
so lang' ich Filidor verbleibe/
bleibt meine Treu auch dir gewiß.
Was hier von einer ist gedichtet/
hab' ich auff drey auß Schein gerichtet.

2.
Wenn dein verliebter Zukkermund
mir die besüßten Küsse schenkte/
und mich mit solchem Labsal tränkte/
der alle Krankheit macht gesund
so wars Melinde/ die ich schriebe
der süsse Honig meiner Liebe.

3.
Betrachtet ich den roten Schein
in welchem deine Wangen blühen/
wollt' ich es auff die Rosen ziehen/
denn mustestu Rosille sein.
doch wirstu wol mein Buschgen bleiben/
ich mag dich wie ich will beschreiben.

4.
Hätt' ich dich Buschgen stets genannt/
so möchte mancher auff dich sinnen/
der Leute spizziges Beginnen
ist mir mehr als zuviel bekannt.
Nu deinen Nahmen ich bescheinet/
weiß mancher nicht/ wen ich gemeinet.

5.
So laß mich nu die Rosilis
die Mele gleicher massen loben:
Du/ Buschgen/ wirst allein erhoben
ob ich dich schon Dorinde hieß'
ach! ach Dorinde! der zu Ehren
ich manches Lied auch lassen hören.

6.
Gedenkstu nicht/ wie du mich auch
bald Oridor/ bald Karpas nennest/
da du den Filidor nur kennest:
Sich/ Schaz/ das ist auch mein Gebrauch/
den ich zu erst von dir gesehen
dem pfleg' ich künstlich nachzugehen.

7.
Ein Herze hab' ich nur allein/
so ist mir ein Leib nur gegeben.
 Ein einger Geist bewegt mein Leben/
so sollstu/ Buschgen einig sein
die ich durch hundert tausend nennen
für meine Seele wil bekennen.
(S. 145-149)
_____



9. Abschieds-Gedanken

1.
O herber Todes-stich! O Dornen-wort!
Rosille/ lebe wol/ ich reise fort.
O Elend sonder End! O Zentner-Pein!
wird meine Seel' alsdenn auch bey mir sein.

2.
Lebt doch mein Leben so wie todt/ in mir
da ich/ mein Rosen-kind/ bin neben dir.
wo meinen matten Geist dein Geist nicht regt
bin ich ein kalter Leib und unbewegt.

3.
Zerreiß/ verwirrtes Herz/ und weiche hin
indehm ich noch bey ihr/ der Schönen/ bin.
Der Trauer-seuffzer/ den sie drüber läst
ist der des Charons Schiff bald überbläst.

4.
Gewünschte Sterbligkeit! besüßte Ruh!
drükkt Sie/ Rosille/ mir die Augen zu.
der Liebe lezter Dienst/ ein kalter Kuß
wird machen/ daß ich todt auch leben muß.

5.
Was wüntschest aber [du]/ du Armer/ so?
wird Rosilis dardurch auch werden froh?
wird ihrer Augen Brunn denn stille stehn/
und ihr dein Sterben nicht zu Herzen gehn.

6.
So lebe nu vielmehr/ denn bleibt noch Trost
(wo dich das Glükke nicht ganz unterstost)
daß einsten Wiederkehr das bring' herein/
was dich vor Schmerzen nicht läst deine sein.
(S. 149-152)
_____



10. Scheiden bringt Leiden

1.
Ich bin mein Tage so mit Schmerzen/
mit Ungedult und weichem Herzen
von iener Stat nicht abgereist.
Nu ich auff wenig wenig Tage
der süssen Gegend Abschied sage/
verwirrt sich Herze/ Muht und Geist.

2.
Ich bin ia nicht so hoch empfangen/
nicht so auff weichen Rosen gangen/
mit Gold' und Silber nicht beschenkt:
daß ich mich sollte drum zu sehnen/
mich so zu Leid und Angst gewehnen.
Ein anders ist es/ das mich kränkt.

3.
Wo du es/ Fama/ nicht willst sagen/
mich durch die Mäuler nicht willst tragen/
will ich es wol vertrauen dir:
Es ist Melinde/ meine Schöne/
wornach ich mich so hefftig sehne/
diß eine/ dieses mangelt mir.

4.
Melinde/ Ach! du liebe Seele/
wie hefftig ich mich um dich queele/
so bringt es dir doch mehr Verdruß.
Ich weiß es daß viel tausend Stähnen/
viel tausend Seuffzer/ Leid und Trähnen
mein Scheiden dir erwekken muß.

5.
Was helffen mich nunmehr die Küsse/
die du/ Melinde/ mir/ du süße/
du Zukker-kind/ gegeben hast?
Nun sind es Würme/ die mich nagen/
nun sind es Pfeile die mich plagen.
Ach Lust! wie wirstu so zur Last.

6.
Wo etwas nicht mich armen Kranken/
enthielt die Freude der Gedanken/
und ich auff Hoffnung nicht gedacht.
ich hätte mein verhaßtes Leben
auch vor dem Tode Preiß gegeben
und mir den Garauß selbst gemacht.

7.
Wie hundertmahl denk' ich der Stunde/
da ich/ Melind'/ an deinem Munde/
mit halb zerteiltem Geiste lag.
Erinnerstu dich wie vor allen
nur der mir wolte wolgefallen/
wie ich ihn offt zu rühmen pflag.

8.
Warum hastu denn nicht/ Mein Leben/
mir nu dein Mündchen mit gegeben?
diß wäre mir ja noch ein Trost.
Umsonst. Ich muß es alles meiden/
der Himmel zwinget uns zu scheiden.
das Glükk ist allzusehr erboost.

9.
Ists müglich: daß es soll geschehen/
daß ich [dich] werde wieder sehen/
wie glükklich soll mir sein die Zeit.
Laß krösenden mit Golde laben
und ienen stehn durch Rom erhaben:
ich werde höher sein erfreut.
(S. 152-156)
_____


Des vierten Zehens Ende


Filidors Geharnschter Venus fünfftes Zehen



1. Umb ihrent-wegen allein

1.
Man mag mich loben oder schimfen/
man seh mich süß und sauer an:
Genug/ daß ich der schönsten Nymfen/
Rosillens Ruhm beschreiben kan.
Sprecht/ stolze Neider/ sprecht nur immer
ich sey veracht und ungelehrt/
wo mich ein eitels Frauenzimmer
nicht machte bey der Welt gehört.

2.
Recht. Durch Sie wil ich sein erhoben
durch ihren Glanz der Freundligkeit/
durch ihrer reiffen Tugend Loben
durch das/ wormit Sie mich erfreut.
Es wird mir nicht zum Nachteil dienen/
daß ich ihr Wesen hier benennt.
Ihr Nachruhm wird mit meinem grünen
weil man der Liebe Hoheit kennt.

3.
Rosille/ laß dich nicht bekümmern
daß mancher Böses von uns hält.
des Neides Anschlag geht zu trümmern
 ihn fängt der Strikk den er uns stellt.
Das ganze Reich der Pafirillen
Kupid' und Venus stehn uns bey/
die Musen sind uns selbst zu willen.
Uns schüzzt der Fürst der Dichterey.

4.
Der blaue Basilisken-Drache
schafft durch Verdruß ihm selber Noht.
Ihn stürzt die eingebildte Rache/
sein eigen Gifft bringt ihm den Tod:
So wird der Neider auch zerspringen/
wenn er uns langer lieben sicht/
wenn er mich ferner höret singen
und er es kan verwehren nicht.
(S. 158-160)
_____



2. Der Wein erfreuet des Menschen Herz

1.
Auff! bringet Wein.
Mein Schmerze wil ertränket sein.
Der edle Safft der Reben
muß mich des grimmen Leids entheben.

2.
Iachus Safft
hat manchen Kummer weggerafft:
er wird auch mein Verdriessen
durch seiner Trauben Blut versüssen.

3.
Spühlt Gläser auß/
ich soll versuchen/ ob ein Schmauß
mög' ins Vergessen senken/
was mich so ungemenscht wil kränken.

4.
Du harte Tühr/
verfluchet seystu für und für!
es müssen deine Pfosten
zu ihrem eignem Unheil rosten.

5.
Diespiter
stürm' über deine Pforten her!
es müssen deine Schwellen
durch seinen Blizz in stükken schellen.

6.
So manche Nacht
hab' ich umsonst bey dir gewacht/
und andern groben Hachen
läßtu nu knarrend auff- dich machen.

7.
Die Rosilis
ist mir bey Tage zwar gewiß:
doch stehn zu allen Zeiten
die schälen Wächter uns zur Seiten.

8.
So bald die Nacht
dem Tag' ein Ende macht/
muß ich denn Abschied nehmen/
denn fängt sich an mein Weh und Grämen.

9.
Der Teufel hat
erdacht den schlimmen Raht/
daß man mit blinden Schlössern
die Tühr verwahrt/ mein Leid zu grössern.

10.
Der böse Hund
ist wachsam iede Stund'
er lauschet an der Schwellen
mit murren/ rimpfen und mit bellen.

11.
So geh' ich blind
in blinder Nacht/ ich armes Kind!
so offt durch beyde Gassen
und werde niemals eingelassen.

12.
Drum her! ihr Freund'
ich muß die Grillen heunt
im Wein zu tode schlagen.
Der Teufel möchte so sich plagen!

13.
So bringt nu Wein!
mein Schmerze wil ertränket sein.
Der edle Safft der Reben
soll mich des grimmen Leids entheben.
(S. 160-163)
_____



3. Frisch bey der Liebe!

1.
Die Liebe lehrt im finstern gehen/
sie lehret an der Tühr uns stehen/
sie lehrt uns geben manche Zeichen
ihr süß Vergnügen zu erreichen.

2.
Sie lehrt auff Kunst-gemachten Lettern
zur Liebsten Fenster ein zu klettern/
die Liebe weiß ein Loch zu zeigen
in ein verriegelt Hauß zu steigen.

3.
Sie kan uns unvermerket führen
durch so viel wolverwahrte Tühren
den Tritt kan sie so leise lehren/
die Mutter solt' auff Kazzen schweeren.

4.
Die Liebe lehrt den Atem hemmen/
sie lehrt den Husten uns beklemmen/
sie lehrt das Bette sacht auffheben/
sie lehrt uns stille Küßgen geben.

5.
Diß lehrt und sonst vielmehr das Lieben.
Doch willstu dich im Lieben üben:
so muß die Faulheit stehn bey seite/
die Lieb' erfordert frische Leute.

6.
Wer lieben wil und nichts nicht wagen/
wer bey dem Lieben wil verzagen:
der lasse Lieben unterwegen.
Der Brate fleugt uns nicht entgegen.
(S. 164-166)
_____



4. Nacht-Lied

1.
Du blasser Mohn/
weistu auch was darvon/
daß ich hie unten klage?
Du silber-heer/
schaustu auch [auff] mein Meer
der Trähnen-Plage?

2.
Das weisse Licht
der Sternen achtet nicht
mein unerträglichs Leiden:
sonst würd' ihr Guß
verwandeln diesen Fluß
in Lust und Freuden.

3.
Wie offters trug
der trüben Wolken-zug
Erbarmnüß mit mir Schwachen!
Mein Schmerzen-Lied
Künt' ihr bewegt Gemüht'
auch weinend machen.

4.
Der Himmel riß'
auff mein Bekümmernüß
mit Hagel und mit Schlossen/
weil meine Brunst
von der Geliebten Gunst
wurd' außgestossen.

5.
Latern und Licht/
entdekket mich nur nicht!
kehrt ab das Judas-Feuer.
Schaut mir nicht nach/
ihr Leute/ was ich mach'
ich armer Freyer.

6.
Geht mich vorbey
und fragt nicht wer ich sey/
doch/ wird mich wer erkennen:
Der werde stumm.
ich wil mich hier kurz um
nicht lassen nennen.

7.
Schweert und beteurt
bey Ammon der da feurt
 mit Blizz und Donner-schlägen:
es sey niemand/
als der euch unbekant
gewest zugegen.

8.
So wüntsch' ich euch/
daß ihr in Amors Reich'
erfreuet möget wohnen.
Es fall' euch Ruh/
Lust und Vergnügen zu
bey der Dionen!
(S. 166-169)
_____



5. Besser ruhig lieben/ als mühsam Kriegen

1.
Eh ich wolte deiner missen/
Karilis/ mein schönstes Licht/
eh mir/ deinen Mund zu küssen/
ferner solte werden nicht:
wolt' ich eh/ daß alles Kriegen
müst in Pluto Pfülen liegen.

2.
Solt' ich gleich mit Sieges-Zweigen
fahren zum Kapitolin/
auff den göldnen Wagen steigen/
durch Kapenens Pforte ziehn/
mit der Römer Schaar umgeben
die mich/ Sieger/ hiesse leben.

3.
Solt' ich tausend Stäte haben/
fürchte mich der Szyten Land/
stünd' ein Königreich Araben
und der Nil' in meiner Hand/
Solt' ich Indien beherschen/
ehrte mich das Reich der Persen:

4.
Wolt' ich doch ohn dich Karille/
alles schlagen in den Wind:
Besser bey dir in der Stille/
als wo Kron und Zepter sind/
die man mit Unruhigkeiten
muß erhalten und bestreiten.

5.
Gerne wil ich bey dir pflügen/
gern' auff harten Gersten-stroh/
liebstes Kind/ Karille/ liegen/
gerne dreschen/ hölzen: wo
ich bey dir nur möge leben
und zur Zeit ein Küßgen geben.

6.
Fahret hin/ ihr eiteln Krieger/
Hochmuht/ Beuten/ fahret hin/
hin/ ihr Bluht-besprengten Sieger!
Lieb' und Ruh ist mein Gewinn.
Forthin wil ich bey den Schaffen/
forthin bey Karillchen schlaffen.
(S. 169-172)
_____



6. Gedenk wie du es hast getrieben

1.
Gleich als du hättest still gesessen/
als dir annoch das junge Bluht
in deinem frischem Herzen wallte:
so schreib' und sing' ich dir nicht gut.
Seht/ Kinder/ wie der Alte/ Kalte
die Heiligkeit nu hat gefressen!

2.
Wie kunnt' er doch in seiner Jugend
den jungen Mägdchen schleichen nach!
wie wüst' er sie so schön zu grüssen!
wie hielt' er gern mit ihnen Sprach'
und kunnte weidlich sie zerküssen!
iezt ist er keusch und lehret Tugend.

3.
Hör/ Alter/ denk auff deine Zeiten/
und denk/ daß ich in diesen bin.
Ich werde mich auch ernstlich halten/
wenn einst mein runzel-striemig Kinn
in grauen Borsten wird veralten:
denn wil ich auch auff Erbar streiten.

4.
Wer weiß/ was unter deinen Haaren/
dem alten Schnee/ verborgen ist?
die Alten sein auch offters Gekken/
doch wissen sie mit Wizz und List
die Narren-Kappe zu verstekken.
Man hat der Tohrheit viel erfahren.

5.
Wir Jungen können nicht verschweigen/
wenn uns ein Glükk willkommen heist.
Straks müssens alle Leute wissen/
denn wird es an uns mißgepreist.
Wir folgen Alten auff den Füssen/
und man wil uns des Lasters zeugen.
(S. 172-175)
_____



7. Treugeliebt/ unbetrübt

1.
Es ist ein Ort in düstrer Nacht/
wo Pech und blauer Schwefel brennet/
deß holer Schlund nie wird erkennet/
als wenn ein Blizz ihn heitermacht/
mit Schlamm und schwarzen Wasserwogen
ist sein verfluchter Sizz umzogen.

2.
Megera denkt dar Martern auß
mit ihren Schwestern/ denen Schlangen
um die vergifften Schläffe hangen.
Dar ist die Grausamkeit zu Hauß/
da wohnet Neid und Wiederwillen/
man höret dar des Zerbers Brüllen.

3.
Ixions Marter-rad ist da
und Tantalus zum Durst verbannet.
der Tizius steht außgespannet
und wüntscht/ sein Ende were nah.
Dar sind die außgehölten Fässer
in Letens dunkelm Tod-gewässer.

4.
Zu dieser Hölen ist bestimmt/
wer mit der zarten Liebe spottet/
wer gegen Amorn auff- sich rottet/
und wieder Venus/ Waffen nimt/
treibt mit Verliebten/ Scherz und Possen:
wird hier in Ketten eingeschlossen.

5.
Hergegen ist ein grünes Tahl
wo die beblühmten Weste kühlen.
Hier höret man von Seiten-spielen
von Lust und Freuden ohne Zahl.
die Felder blühn in bunten Nelken
und Rosen/ welche nie verwelken.

6.
Hier wehet eine Zimmet-Lufft/
man höret dar ohn Ende schallen
den Schlag der muntern Nachtigallen/
hier ist kein Frost/ kein Nebel-dufft/
kein Blizz/ kein Donnerschlag noch Regen
zieht schwarzen Wolken hier entgegen.

7.
Hier ist ein milder Liebes-streit/
das junge Volk spielt mit Jungfrauen
 auff Elis bunten silber-auen.
Scherz/ Liebe/ Lust und Fröligkeit
Vergnügung/ Ruh und süsses Lachen
verkürzt ihr unauffhörlichs Wachen.

8.
Wol dehm/ der sich der Lieb' ergiebt!
der wird bekrönt mit Myrten-kränzen
geniessen dieses steten Lenzen.
Wol dehm/ der keusch und treulich liebt!
Ihn wird mit Sieg/ Triumff und singen
der bleiche Charon überbringen.
(S. 175-179)
_____



8. Felder-Freyheit

1.
Die Freud' hat sich auffs Land begeben.
Was mach' ich in der Stadt?
Ein Narr ist/ der allhier zu leben
sich überredet hat.
Auff! spannet an den leichten Wagen/
ich wil hin zu Rosillen jagen.

2.
Das Lach-gesicht der Charitinnen
gibt ihr ein Lust-geleit.
Auff! trag mich Pegasus von hinnen
zu ihrer Freundligkeit/
was acht' ich dieser öden Gassen/
wenn sie die Rosilis nicht fassen?

3.
Selbst Venus wil zur Hirtin werden
nu sie der Schaffe wacht.
Der Amor fleuget um die Heerden
und treibet ein zu Nacht.
Er weiß mit melken umzugehen/
und lernt den schlanken Drüschel drehen.

4.
Sollt' ich mich denn des Pflügens schämen/
wenn sie mir Essen bringt/
mich um die Bauren-Arbeit grämen/
wenn sie zu Abend singt
ein Lied/ das jene frohe Felder
der Echo schikken in die Wälder?

5.
Iezt brennt der Sonnen heisse Kerze
im wildem Hundes-stern:
Was acht' ich Hizze/ schrunden/ schwerze?
ist nur mein Kind nicht fern.
Bey Ihr und ihres Hamels Glokke
schmekkt mir/ was ich in Wasser brokke.

6.
Zu Delfos schwieg die Pyte stille
als Föbus war entbrannt
Ihm liebt' Admetus Schaaff-gebrülle
als Amor ihn verband:
Auß Liebe pflegt ein Gott der Heerden;
sollt' ich denn nicht ein Schäffer werden?

7.
Um Rosilis/ um meine Schöne?
um welch' ich eine Stat
nicht nur/ besondern alles höne/
was Wäll' und Mauren hat.
Weg Memfis/ weg! weg alle Schlösser!
Rosillen Bauren-Hauß ist grösser.

8.
Die alte Welt wohnt' in den Hütten
und aß die Eichel-nuß/
Ihr Trunk stund' allen in der Mitten/
ein Brunn und heller Fluß/
da hat sich Fillis beygesezzet
und frey mit Koridon ergezzet.

9.
Da war kein Hüter/ der die Pforten
in harte Riegel schloß/
die Freyheit war an allen Orten
in ihrer Freyheit groß/
Es liebt' und herzte sich ein Jeder.
Kommt/ ihr Gebräuche/ kommt doch wieder.
(S. 179-182)
_____



9. Die Schein-keusche

1.
Gaminde sieht so ernstlich auß/
sie kan für allen Junggesellen
sich so verzumfen stellen/
wenn sie ihr sprechen zu:
daß man sie vor die keusche Dirne/
die auß Diespiters Gehirne
gebohren/ halten solt'
Ey! keusche Pallas du/
weiß auff den Schild/ ich weiß/ er macht die Brüder starren/
macht dich und sie zu Narren.

2.
Gaminde/ Stolze/ meinstu wol
man werd' auff deine Keuschheit bauen?
der geile Schmukk der Pfauen
verräht dich wer du bist.
Du blössest die begriffnen Brüste/
die keusche bergen solche Lüste
und gehn beschnürt herein.
Wo Keuschheit in dir ist
so laß doch einen Flor nur um die Ballen spielen.
Nein/ dir gefällt das Fühlen.

3.
Gaminde liegt zum Fenster auß
und spottet aller Jung-gesellen
die sich verliebet stellen.
Schaut/ Brüder/ in die Höh/
seht/ wie Gaminden keusche Wangen
im rotem Feuer angegangen/
beschaut sie/ forschet nach/
ob Pallas auch so seh'
ob ihr beernst Gesicht auß roter Menje blinke:
das Aas ist roht von Schminke.
(S. 183-186)
_____



10. Was Musen/ wo kein Geld ist

1.
Pakket euch/ ihr Pierinnen/
wo ihr mir nicht helffen könnt!
Föbus/ Pallas/ weicht von hinnen/
nicht ein Blikk sey Euch vergönnt!
wo nicht euer Reimen-zwingen
sie zur Gunst vermag zubringen.

2.
Eitle Feder/ sey zerstossen/
sey verflucht/ verlacht Papier!
Nu mich Kloris außgeschlossen/
nüzzt mir keiner Verse Zier.
Nu der Geiz sie hat verblendet:
ist mein Dichterwerk geschändet.

3.
Darum hat mir euer Feuer
meine Brust nicht auffgeflammt/
darum hab' ich zu der Leyer
meine Finger nicht verdammt
daß ich wolte Mavors Helden/
Krieges-Zucht und Schlachten melden.

4.
Daß ich des Gestirnes Läuffe/
Größ' und Einfluß schreiben solt'/
Meiner kleinen Hirten-Pfeiffe/
ist die Kloris der nicht hold:
wil ich sie in stükken schmeissen
und den Lorber-kranz zerreissen.

5.
Jupiter/ schikk Blizz und Wetter
in den schnöden Goldes-schacht/
Seng/ verbrenn/ zerreiß/ zerschmetter
dehn/ der um die Ufer wacht
auff die Perlen und Gesteine/
die uns Hirten ungemeine.

6.
Daher ist die Hoffart kommen
daher hat der grimme Neid
seinen Anfang erst genommen/
darum ward zur Abend-Zeit
erst die harte Tühr verschlossen
und ein Armer außgestossen.

7.
Daher wurd' ein Hund gehalten
der doch Augenbliklich schweigt
 wenn ihm eine Hand der Alten
Panken-tahler wird gezeigt.
So hat Zeus mit Goldes-tonnen
Danens Jungfrauschafft gewonnen.

8.
Aber du/ der du mit Gaben
mich Verliebten stössest auß/
Feuer/ Wind und Diebes-Raben
stürzen dein hochprangend Hauß
biß es möge gleich der Erden
und mit dir vertilget werden!
(S. 186-190)
_____

Des Fünfften Zehens Ende

Aus: Die Geharnschte Venus
oder Liebes-Lieder im Kriege gedichtet
mit neuen Gesang-Weisen zu singen
und zu spielen gesezzt nebenst
ettlichen Sinnreden der Liebe
Verfertiget und Lustigen Gemühtern zu Gefallen
heraus gegeben von
Filidor dem Dorfferer [Kaspar Stieler]
Hamburg Gedrukkt bey Michael Pfeiffern
In Verlegung Christian Guht/
Buchhändlers im Tuhm Im Jahr 1660


 

siehe auch Teil 1 und Teil 3





 

 


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